Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts in einem versammlungsrechtlichen Eilverfahren.
1. Die Beschwerdeführerin meldete bei dem Landkreis Lüneburg eine Versammlung mit einem kleinen „Protestcamp” gegen den Atommülltransport nach Gorleben im März 2001 an. Vorgesehen waren unter anderem ein großes Versammlungszelt und einige mittelgroße Zelte. Der Landkreis erließ daraufhin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zahlreiche versammlungsrechtliche Auflagen. Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Bescheid Widerspruch. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieses Widerspruchs lehnte das Verwaltungsgericht ab. Es lägen gewichtige Indizien für die Annahme vor, dass von der geplanten Veranstaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbare Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgingen, so durch rechtswidrige Schienenblockaden. Ein milderes Mittel zur Verhinderung der erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit sei nicht ersichtlich.
Den Antrag auf Zulassung der Beschwerde lehnte das Oberverwaltungsgericht ab. § 80 Abs. 5 VwGO gebe dem Gericht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin das Recht, im Wege eigener Ermessensentscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden. Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts bestünden nicht. Insbesondere sei die Gefahreneinschätzung des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden.
Ein Klageverfahren gegen den Auflagenbescheid des Antragsgegners führte die Beschwerdeführerin nicht durch.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und trägt zur Begründung vor: Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verstoße gegen den Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssten bei Versammlungen die Verwaltungsgerichte bereits im Eilverfahren durch eine intensive Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass die sofortige Vollziehung der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führe. Soweit möglich, sei die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu prüfen, im Übrigen komme es auf eine sorgsame Interessenabwägung an. Eine Verletzung dieser Maßstäbe folge bereits daraus, dass das Oberverwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Beschwerde abgelehnt und nicht einmal ein Beschwerdeverfahren durchgeführt habe. Auch sei es verfassungswidrig, wenn Verwaltungsgerichte im Aussetzungsverfahren eine eigene Interessenabwägung vornähmen, statt die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Verfügung zu überprüfen. Der versammlungsrechtlichen Verfügung fehle eine auf konkrete Anhaltspunkte bezogene Gefahrenprognose und sie sei unverhältnismäßig.
Entscheidungsgründe
II.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) angezeigt. Die materiellrechtlichen Grundrechtsrügen sind unzulässig (1). Die das Eilverfahren selbst betreffenden Einwände dringen in der Sache nicht durch (2).
1. Einer Sachprüfung der auf Art. 8 GG gestützten Rüge steht der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde entgegen.
a) Die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen. Der in diesem Verfahren zulässige Rechtsweg ist erschöpft, denn Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können im Beschwerdeverfahren nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden können (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fordert der Grundsatz der Subsidiarität im materiellen Sinne jedoch zusätzlich, dass der Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus die ihm zur Verfügung stehenden weiteren Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder diese gar zu verhindern. Daher ist die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten, wenn dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit besteht, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl. BVerfGE 79, 275 ≪278 f.≫; 86, 15 ≪22 f.≫; stRspr). Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn mit der Verfassungsbeschwerde Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen (vgl. BVerfGE 86, 15 ≪22≫; 104, 65 ≪71≫).
Mit dem Vorbringen, der Auflagenbescheid der Versammlungsbehörde verstoße gegen Art. 8 GG, erhebt die Beschwerdeführerin eine Rüge, die im Hauptsacheverfahren zu überprüfen ist. Von dessen Durchführung aber hat die Beschwerdeführerin abgesehen.
b) Die Voraussetzungen, unter denen vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung in der Hauptsache abgesehen werden könnte, liegen nicht vor.
Die Beschwerdeführerin darf mit ihrer Rüge dann nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, wenn dies für sie unzumutbar ist, etwa weil die Durchführung des Verfahrens von vornherein aussichtslos erscheinen muss, oder wenn die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen und rechtlichen Erklärung abhängt und diejenigen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen das Bundesverfassungsgericht gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG sofort entscheiden kann (vgl. BVerfGE 104, 65 ≪71≫). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nichts vorgetragen worden.
2. Mit der Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe die Beschwerde zu Unrecht nicht zugelassen und es habe nicht beanstandet, dass das Verwaltungsgericht eine eigene Ermessensentscheidung getroffen habe, macht die Beschwerdeführerin das Eilverfahren selbst betreffende Einwände geltend. Diese Rügen sind zwar zulässig, aber unbegründet. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) ist nicht verletzt.
a) Hat die Behörde – wie hier – die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes angeordnet, kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wieder herstellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dabei hat es die Interessen des Antragstellers und des Antragsgegners gegeneinander abzuwägen. Bereits überschaubare Erfolgsaussichten der Hauptsache sind in die Überlegungen mit einzubeziehen (vgl. BVerfGE 51, 268 ≪279 f.≫). Auch ist zu berücksichtigen, dass das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren im Bereich des Versammlungsrechts praktisch die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernehmen kann (vgl. BVerfGE 69, 315 ≪363 f.≫). Bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, müssen die Verwaltungsgerichte daher schon im Eilverfahren durch eine intensive Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu prüfen; im Übrigen kommt es auf eine sorgsame Interessenabwägung an (vgl. vgl. BVerfGE 69, 315 ≪363 f.≫); BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NVwZ 1998, S. 834 ≪835≫).
b) Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben hat das Verwaltungsgericht beachtet. Es hat im Rahmen seiner Eilentscheidung insbesondere die Frage erörtert, ob eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 15 Abs. 1 VersG gegeben war. So hat es ausgeführt, jedenfalls sprächen gewichtige Indizien für die Annahme, dass von der geplanten Veranstaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbare Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgingen und damit die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersG erfüllt seien. Hiermit hat das Verwaltungsgericht maßgeblich auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abgestellt. Es hat auch berücksichtigt, dass aus seiner Sicht ein milderes Mittel als die Erteilung der Auflagen zur Verhinderung der erheblichen Gefahren nicht ersichtlich sei. Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen diese Ausführungen nicht.
Soweit die Beschwerdeführerin ohne nähere Begründung rügt, das Oberverwaltungsgericht habe den Antrag auf Zulassung der Beschwerde zu Unrecht abgelehnt, ist nicht ersichtlich, dass das Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Beschwerde in willkürlicher oder sonst wie verfassungsrechtlich unzulässiger Weise abgelehnt hat.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Haas, Hoffmann-Riem
Fundstellen
Haufe-Index 1262390 |
www.judicialis.de 2004 |