Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des § 121 Abs. 2 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes. Urteil des Landgerichts Dresden vom 11. Dezember 1997 – 17 O 7051/96 –
Beteiligte
Rechtsanwälte Alexander S. Brust und Koll. |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 121 Abs. 2 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes.
I.
1. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines im Beitrittsgebiet belegenen, mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks, das 1992 nach dem Vermögensgesetz (VermG) zurückübertragen worden ist. Im Mai 1990 war es mit notariellem Kaufvertrag an die Mieter der Wohnungen, die Kläger des Ausgangsverfahrens, veräußert worden, die in das Gebäude in Höhe von gut 30.000 M/DDR investiert hatten und im Januar 1991 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden waren. Im Ausgangsverfahren begehrten die Kläger den Ankauf des Grundstücks nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) vom 21. September 1994 (BGBl I S. 2457).
Das Landgericht hat auf die Klage festgestellt, dass die Kläger von der Beschwerdeführerin die Annahme eines Kaufangebots in Bezug auf das streitgegenständliche Grundstück verlangen können, wenn das Angebot den §§ 65 bis 74 SachenRBerG entspreche. Den Klägern stehe ein Ankaufsrecht nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG zu. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung der Beschwerdeführerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 SachenRBerG, der auch Grundstückskaufverträge erfasse und verfassungsgemäß sei, lägen vor. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beschwerdeführerin mit der Begründung nicht angenommen, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und die Revision im Endergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg habe.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die genannten Gerichtsentscheidungen. Sie rügt die Verletzung von Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 und Art. 143 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 41 des Einigungsvertrags (BGBl 1990 II S. 889; im Folgenden: EV). Die den Entscheidungen zugrunde liegende Regelung des § 121 Abs. 2 SachenRBerG sei verfassungswidrig.
a) Diese Vorschrift müsse sich an Art. 14 Abs. 1 GG messen lassen. Dem stehe weder Art. 135 a Abs. 2 GG noch Art. 143 Abs. 3 GG entgegen. § 121 SachenRBerG verstoße vielmehr gegen Art. 143 Abs. 3 GG, weil durch den Verkaufszwang zum halben Bodenwert die Restitution rückgängig gemacht werde.
§ 121 Abs. 2 SachenRBerG entziehe mit seinem In-Kraft-Treten dem Alteigentümer selbst und unmittelbar die konkrete und individuelle Rechtsposition, die dieser durch die Restitution nach dem Vermögensgesetz erlangt habe. Es handele sich daher um eine Legalenteignung. Diese sei verfassungswidrig, weil sie nicht zum Wohl der Allgemeinheit, sondern zum Vorteil bloßer Privatinteressen erfolge. Zudem enthalte § 121 SachenRBerG keine Regelung über Art und Ausmaß der Entschädigung der betroffenen Alteigentümer. Der diesen zustehende Kaufpreis in Höhe des halben Bodenwerts könne eine solche Entschädigung nicht darstellen, weil Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG eine Entschädigung durch den Staat und nicht durch den durch die Enteignung begünstigten privaten Dritten verlange.
§ 121 Abs. 2 SachenRBerG sei auch dann verfassungswidrig, wenn er als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verstanden werde. Er bringe die widerstreitenden Interessen der Beteiligten nicht in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis, sondern bevorzuge mit der so genannten „Anspruchslösung” einseitig den Nutzer. Da dieser im Fall des Ankaufs nur den hälftigen Verkehrswert als Gegenleistung und bei der Bestellung eines Erbbaurechts einen extrem niedrigen Erbbauzins aufbringen müsse, werde dem Alteigentümer nicht nur die Substanz seines Eigentums, sondern auch dessen Wert zur Hälfte entzogen. Dies sei auch unter Berücksichtigung des dem Nutzer zustehenden, durch Art. 14 GG geschützten Besitzrechts nicht gerechtfertigt. Mit § 121 SachenRBerG werde ohne ersichtlichen Grund die Wertentscheidung des Vermögensgesetzes konterkariert, nach der ein Grundstückserwerb die Restitution nicht ausschließe, wenn das ihm zugrunde liegende Rechtsgeschäft nach dem 18. Oktober 1989 abgeschlossen worden sei.
b) Die Vorschrift verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie stelle die Nutzer restitutionsbelasteter Grundstücke mit den Nutzern insoweit unbelasteter Grundstücke ohne rechtfertigenden Grund gleich. Damit würden ungleiche Sachverhalte willkürlich gleich behandelt. Bei restitutionsbelasteten Grundstücken müsse die Rechtsposition des Nutzers an der des Alteigentümers gemessen werden, während dies bei nicht der Restitution unterliegenden Grundstücken nicht der Fall sei.
3. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium der Justiz, das Ministerium der Justiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Brandenburg sowie das Sächsische Staatsministerium der Justiz Stellung genommen. Sie halten die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
4. Die Kammer hat den mit der Verfassungsbeschwerde verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Vollziehung der angegriffenen Entscheidungen bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde auszusetzen, mit Beschluss vom 11. Januar 2000 abgelehnt (vgl. VIZ 2000, S. 417).
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu, weil die für ihre Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind (vgl. vor allem BVerfGE 98, 17; 101, 54; 101, 239). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen weder gegen Art. 14 GG noch gegen die Grundsätze zum Schutz gegenüber rückwirkenden Gesetzen, der in dieser Norm eine eigenständige Ausprägung erfahren hat (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪257≫ m.w.N.).
a) Die von den Zivilgerichten angewandte Regelung des § 121 Abs. 2 SachenRBerG ist, soweit sie das hier allein in Rede stehende Verhältnis zwischen dem Grundstücksnutzer und dem Grundstückseigentümer betrifft, dem das Eigentum am Grundstück nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes zurückübertragen worden ist, mit der Eigentumsgarantie vereinbar. Das hat die Kammer im Einzelnen bereits in dem beiliegenden Nichtannahmebeschluss vom 16. Mai 2001 – 1 BvR 933/99 – ausgeführt. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine andere Beurteilung gebieten könnten.
b) Dass die Zivilgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 121 Abs. 2 SachenRBerG Bedeutung und Tragweite von Art. 14 Abs. 1 GG verkannt haben könnten (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 79, 292 ≪303≫), ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
2. Die angegriffenen Entscheidungen sind auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
a) Die ihnen zugrunde liegende Vorschrift des § 121 Abs. 2 SachenRBerG steht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz im Einklang.
Dieser verbietet, wesentlich Gleiches ungleich, und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Dabei liegt es grundsätzlich in der Zuständigkeit des Gesetzgebers, die Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinne als gleich ansehen will. Der Gesetzgeber muss allerdings seine Auswahl sachgerecht treffen. Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd ist, lässt sich nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern stets nur in Bezug auf die Eigenart des konkreten Sachbereichs, der geregelt werden soll (vgl. BVerfGE 93, 319 ≪348 f.≫ m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG ist danach verletzt, wenn die (un)gleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die gesetzliche Regelung fehlt (vgl. BVerfGE 76, 256 ≪329≫). Nach diesen Grundsätzen sind gegen die Einbeziehung der unter § 121 Abs. 2 SachenRBerG fallenden Käufer von Eigenheimen und Eigenheimgrundstücken in das Sachenrechtsbereinigungsgesetz und die damit verbundene Gleichbehandlung mit anderen nach diesem Gesetz anspruchsberechtigten Nutzern sowie gegen die Gleichbehandlung der jeweils betroffenen Grundstückseigentümer von Verfassungs wegen Bedenken nicht zu erheben.
Der Gesetzgeber hat nicht nur in den Fällen des § 121 Abs. 2 SachenRBerG (vgl. dazu den erwähnten Beschluss der Kammer vom 16. Mai 2001 unter II 1 b bb bbb), sondern auch in den übrigen vom Sachenrechtsbereinigungsgesetz erfassten Fällen (vgl. dazu BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, ZOV 2001, S. 92 ≪94 f.≫) mit den Regelungen über das Recht des Nutzers auf Ankauf des von ihm genutzten Grundstücks grundsätzlich zum halben Bodenwert einen angemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der Grundstücksnutzer und Grundstückseigentümer herbeigeführt. Die in der Deutschen Demokratischen Republik erworbenen Rechtspositionen der Grundstücksnutzer sind vom Gesetzgeber also auch und gerade in den Fällen, in denen das fragliche Grundstück nicht der Restitution nach dem Vermögensgesetz unterlag, an den Belangen der Grundstückseigentümer gemessen und mit diesen in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise abgewogen worden. Aus den Erwägungen, die die Kammer in dem schon mehrfach genannten Beschluss vom 16. Mai 2001 zu Art. 14 GG angestellt hat, durfte der Gesetzgeber den Interessenkonflikt zwischen Alteigentümern und Grundstücksnutzern in den Fällen des § 121 Abs. 2 SachenRBerG als mit dem Interessenwiderstreit zwischen Grundstückseigentümern und -nutzern in den übrigen vom Sachenrechtsbereinigungsgesetz erfassten Fällen vergleichbar ansehen und es für sachgerecht halten, in beiden Fällen den Konflikt nach denselben Grundsätzen zu lösen. Ohne die Gleichbehandlung dieser Sachverhalte wären, worauf das Sächsische Justizministerium und auch das Bundesjustizministerium zu Recht hingewiesen haben, die Grundstückseigentümer, denen ihr Eigentum in der Deutschen Demokratischen Republik in rechtsstaatswidriger Weise entzogen worden ist, gegenüber denen bevorzugt worden, deren Eigentum zwar formell unangetastet geblieben, denen aber die Verfügungs- und Nutzungsbefugnis über ihr Grundstück ebenfalls entzogen worden ist und die sich heute Ansprüchen nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz ausgesetzt sehen.
b) Es ist auch nicht erkennbar, dass die Zivilgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 121 Abs. 2 SachenRBerG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen haben könnten.
3. Die angegriffenen Entscheidungen stehen schließlich im Einklang mit Art. 143 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 41 EV.
Mit der von den Zivilgerichten angewandten Regelung des § 121 Abs. 2 SachenRBerG hat der Gesetzgeber nicht entgegen dem in Art. 143 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich abgesicherten Art. 41 Abs. 3 EV Rechtsvorschriften erlassen, die der in Art. 41 Abs. 1 EV zum Bestandteil des Einigungsvertrags gemachten Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (BGBl II S. 1237; im Folgenden: GemErkl) widersprechen. Nach Nr. 3 GemErkl wird in der Deutschen Demokratischen Republik enteignetes Grundvermögen grundsätzlich den ehemaligen Eigentümern oder ihren Erben zurückgegeben. § 121 Abs. 2 SachenRBerG hat zwar in den Fällen, in denen der Nutzer sein Ankaufsrecht ausübt, zur Folge, dass der Grundstückseigentümer sein gerade wieder erlangtes Eigentum an den Nutzer verliert. Darin kann aber kein Widerspruch zu dem in Nr. 3 GemErkl verankerten Restitutionsgrundsatz gesehen werden.
Die nähere Umsetzung dieses Eckwerts stand wie die gesamte Lösung der so genannten offenen Vermögensfragen nach der Präambel der Gemeinsamen Erklärung unter der Zielvorgabe, einen sozial verträglichen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zu schaffen. Bei der Verwirklichung dieser Vorgabe hatte der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 101, 239 ≪261≫). Er durfte daher einerseits in den Fällen des § 4 Abs. 2 VermG dem Restitutionsinteresse der Alteigentümer Vorrang gegenüber den Erwartungen der Erwerber oder Käufer der betreffenden Vermögenswerte einräumen, diese behalten oder erwerben zu können, andererseits aber diese Erwartungen bei der abschließenden sachenrechtlichen Behandlung restituierter Grundstücke berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, als die Regelung über den Restitutionsausschluss wegen redlichen Erwerbs es nicht vermocht hat, die angestrebte Befriedung des Verhältnisses zwischen Alteigentümern und Nutzern herbeizuführen. Mit § 121 Abs. 2 SachenRBerG soll vermieden werden, dass entweder nur den Interessen der Alteigentümer oder nur den Interessen der Nutzer Geltung verschafft wird (vgl. Kammerbeschluss vom 16. Mai 2001, a.a.O., unter II 1 b bb bbb ≪2≫). Entsprechend der Zielvorgabe in der Gemeinsamen Erklärung wird mit der Vorschrift ein sozial verträglicher Ausgleich dieser Interessen angestrebt. Die Regelung dient also gerade der Umsetzung dieser Erklärung und kann ihr von daher nicht widersprechen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob sich die Beschwerdeführerin überhaupt auf einen solchen Verstoß berufen könnte.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).
Unterschriften
Jaeger, Hömig, Bryde
Fundstellen
Haufe-Index 635274 |
VIZ 2001, 482 |
WM 2001, 1339 |
NJ 2001, 531 |