Leitsatz (amtlich)
Zur Verfassungsmäßigkeit des Kostensatzes bei Dauerpflegschaften nach § 92 Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 der Kostenordnung.
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 22.07.1999; Aktenzeichen 20 W 39/99) |
LG Fulda (Beschluss vom 30.06.1998; Aktenzeichen 5 T 156/97) |
AG Fulda (Entscheidung vom 26.03.1996; Aktenzeichen 8 XVII 5350) |
Tenor
- § 92 Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 des Gesetzes über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kostenordnung) in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige vom 12. September 1990 (Bundesgesetzblatt I Seite 2002) und in den folgenden Fassungen ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar, soweit er für die Berechnung der Gebühr auch bei Fürsorgemaßnahmen, die sich auf die Personensorge beschränken, unbegrenzt das reine Vermögen zugrunde legt.
- Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juli 1999 – 20 W 39/99 –, der Beschluss des Landgerichts Fulda vom 30. Juni 1998 – 5 T 156/97 – und die Kostenrechnung des Amtsgerichts Fulda vom 26. März 1996 – 8 XVII 5350 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts und des Landgerichts werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Fulda zurückverwiesen.
- Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen Kostenentscheidungen, die gegen sie auf der Grundlage des § 92 des Gesetzes über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kostenordnung – im Folgenden: KostO) ergangen sind. Die Verfassungsbeschwerde betrifft mittelbar die Frage, ob Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 dieser Vorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
Absatz 1 und 2 des durch das Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige vom 12. September 1990 neu gefassten § 92 KostO haben folgenden Wortlaut:
(1) Bei Vormundschaften sowie bei Betreuungen und Pflegschaften für Minderjährige, die nicht auf einzelne Rechtshandlungen beschränkt sind, werden Kosten nur erhoben, wenn das Vermögen des Fürsorgebedürftigen nach Abzug der Verbindlichkeiten mehr als 50.000 Deutsche Mark beträgt; der in § 88 Absatz 2 Nr. 7 des Bundessozialhilfegesetzes genannte Vermögenswert wird nicht mitgerechnet. Für jedes angefangene Kalenderjahr wird eine Gebühr in Höhe von 10 Deutsche Mark für jede angefangenen 10.000 Deutsche Mark erhoben, um die das reine Vermögen die in Satz 1 genannten Vermögenswerte übersteigt. Für das bei der Einleitung der Fürsorgemaßnahme laufende und das folgende Kalenderjahr wird nur eine Jahresgebühr erhoben. Die Gebühr wird erstmals bei Anordnung der Fürsorgemaßnahme und später jeweils zu Beginn eines Kalenderjahres fällig.
(2) Bei Dauerpflegschaften, die nicht minderjährige Personen betreffen, wird für jedes angefangene Kalenderjahr eine Gebühr in Höhe von 10 Deutsche Mark für jede angefangenen 10.000 Deutsche Mark des reinen Vermögens erhoben. Absatz 1 Satz 3 und 4 ist anzuwenden.
§ 92 Abs. 1 und Abs. 2 KostO sind in dem hier maßgeblichen Regelungsgehalt unverändert geblieben.
II.
1. Die Beschwerdeführerin ist die Erbin des im Dezember 1994 verstorbenen Erblassers. Das Amtsgericht Fulda hatte im November 1989 eine Dauerpflegschaft für ihn angeordnet und zur Pflegerin seine Ehefrau bestellt. Die Pflegschaft umfasste lediglich die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung und medizinische Heilbehandlung.
Mit Kostenrechnung vom 22. Mai 1996 forderte die Gerichtskasse Kassel aufgrund des Kostenansatzes des Amtsgerichts Fulda vom 26. März 1996 von der Beschwerdeführerin für die Führung der Pflegschaft/Betreuung in den Jahren 1992 bis 1994 drei Jahresgebühren von jeweils 24.950 Deutsche Mark. Der Kostenrechnung lag als Geschäftswert das reine Gesamtvermögen des Erblassers in Höhe von etwa 25 Millionen Deutsche Mark zugrunde.
Auf die Erinnerung der Beschwerdeführerin hob das Amtsgericht Fulda seinen Kostenansatz mit Beschluss vom 30. Mai 1997 auf und wies den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle an, die Kosten unter Zugrundelegung eines Geschäftswerts von 2,5 Millionen Deutsche Mark erneut anzusetzen. Aus den §§ 92, 93 KostO ergebe sich, dass nicht in jedem Fall das volle Vermögen eines Betreuten der Kostenrechnung zugrunde zu legen sei, sondern dass der Aufgabenkreis der Betreuung dabei eine Rolle spiele. Dieser sei hier sehr beschränkt gewesen. Die Tätigkeit des Gerichts habe sich auf die Anforderung dreier Kurzberichte beschränkt, die sich nur auf die Gesundheit und den Aufenthalt des Betreuten bezogen hätten. Deshalb erscheine es nicht gerechtfertigt, den Wert des gesamten Vermögens des Betreuten zugrunde zu legen.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Bezirksrevisors hob das Landgericht Fulda mit Beschluss vom 30. Juni 1998 die Entscheidung des Amtsgerichts auf und wies die Erinnerung der Beschwerdeführerin gegen den Kostenansatz vom 26. März 1996 zurück. Nach dem Wortlaut des § 92 Abs. 1 KostO komme es nicht darauf an, ob sich die angeordnete Betreuung auf das Vermögen oder die Person des Betreuten beziehe; das gesamte Vermögen sei auch maßgebend, wenn die Betreuung “nur” die Person betreffe. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift sei es auch ohne Bedeutung, dass sich die Betreuung nur auf einen Teil der Personensorge beziehe. Bereits an ihm scheitere eine einschränkende Auslegung des § 92 Abs. 1 KostO. Darüber hinaus geböten Sinn und Zweck der kostenrechtlichen Vorschriften keine andere Beurteilung. Die Gebühren würden danach nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand des Geschäfts zur Zeit der Fälligkeit habe. Die Gebühren nach der Kostenordnung stellten grundsätzlich keinen Gegenwert für vom Staat erbrachte Leistungen dar. Sie sollten kein Entgelt für eine nach dem Umfang des Geschäfts und der aufgewandten Zeit bemessene Mühewaltung des Gerichts, sondern eine pauschalierte Abgabe zur teilweisen Deckung der staatlichen Ausgaben für die Rechtspflegeeinrichtung sein. Verfassungsrechtliche Bedenken sehe das Gericht auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz nicht.
Die hiergegen gerichtete weitere Beschwerde wies das Oberlandesgericht durch Beschluss vom 22. Juli 1999 mit im Wesentlichen gleichen Erwägungen wie das Landgericht zurück.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG sowie “des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes”. Der allgemeine Gleichheitssatz sei schon deshalb verletzt, weil der Gesetzgeber bei Dauerbetreuungen, die sich lediglich auf einen Teil des Vermögens bezögen, keinen Unterschied mache zu Dauerbetreuungen, die sich auf das gesamte Vermögen bezögen. Eine Differenzierung sei im vorliegenden Fall umso mehr geboten, weil sich die Betreuerbestellung gar nicht auf das Vermögen des Betreuten bezogen, sondern nur einen geringen Teil der Personensorge umfasst habe. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz folge, dass Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürften. Die der Beschwerdeführerin auferlegten Gebühren von jährlich knapp 25.000 Deutsche Mark stünden in ihrer Höhe in keinem Zusammenhang mehr mit den Kosten der erbrachten Staatsleistung. Es widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn vermögende Gebührenschuldner ohne Begrenzung auf eine maximale Gebührenhöhe für die Finanzierung öffentlicher Einrichtungen herangezogen würden, ohne dass sie dafür eine äquivalente Gegenleistung erhielten.
III.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Bundesregierung, die Hessische Staatskanzlei, der Präsident des Bundesgerichtshofs sowie die Bundesrechtsanwaltskammer Stellung genommen.
1. Namens der Bundesregierung trägt das Bundesministerium der Justiz vor, es halte die mittelbar angegriffene Vorschrift für verfassungsmäßig, allerdings bedürfe sie in besonderen Fallkonstellationen einer einschränkenden verfassungskonformen Auslegung.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürften Gebühren für staatliche Leistungen zwar nicht völlig unabhängig von den tatsächlichen Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden. Die Höhe der Gebühr müsse sich aber auch nicht unmittelbar am Umfang des jeweiligen staatlichen Aufwandes orientieren. Dem Gesetzgeber komme bei der Gebührenregelung ein weiter Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu. Innerhalb dieses Spielraums sei auch eine Pauschalierung zulässig, wenn diese im weitaus überwiegenden Teil der Fälle zu angemessenen Ergebnissen führe. Die in § 92 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 KostO vorgesehene jährliche Gebührenpflicht für Dauerbetreuungen beziehungsweise Dauerpflegschaften sei gerechtfertigt, weil ihr wiederkehrende Aufgaben und dauernde Kontrollpflichten des Vormundschaftsgerichts gegenüber stünden. Die Anwendung der gerügten Wertvorschrift führe in der Praxis in aller Regel nicht zu einer ungerechtfertigt hohen Gerichtsgebühr. Dies ergebe sich sowohl aus dem Gebührensatz als auch in den Fällen des § 92 Abs. 1 Satz 2 KostO aus dem Freibetrag von 25.000 Euro und der Ausnahme für die in § 88 Abs. 2 Nr. 7 des Bundessozialhilfegesetzes genannten Vermögenswerte. Dem entsprechend falle diese Jahresgebühr regelmäßig deutlich geringer als die gegenstandswertabhängige Gebühr für eine einmalige Rechtshandlung gemäß § 93 KostO aus. Die Jahresgebühr decke zudem die gesamte Tätigkeit des Vormundschafts- oder Familiengerichts ab. Art. 3 Abs. 1 GG und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ließen aber eine verfassungskonform einschränkende Auslegung des § 92 Abs. 1 Satz 2 beziehungsweise Abs. 2 Satz 1 KostO jedenfalls in den Fallkonstellationen geboten erscheinen, in denen die Dauerbetreuung beziehungsweise Dauerpflegschaft lediglich einen Teil der Personensorge umfasse, und bei denen einem ungewöhnlich hohen Nettovermögen nur ein geringfügiger und nicht mit besonderer Verantwortung verbundener Aufwand des Gerichts gegenüber stehe.
Das Bundesministerium der Justiz prüfe derzeit eine Neufassung des § 92 KostO, in der nach Art und Umfang der Dauerbetreuung beziehungsweise Dauerpflegschaft differenziert werden solle.
2. Die Hessische Staatskanzlei vertritt die Auffassung, es erscheine zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall die Grenzen für eine verfassungsrechtlich noch angemessene Gebühr gewahrt seien. Die Amtshandlung im Betreuungsrecht sei in der Regel durch äußere, schicksalhafte Umstände veranlasst, auf die der Betroffene keinen unmittelbaren Einfluss habe. Die Tätigkeit des Gerichts stelle deshalb in gewisser Weise eine staatliche Fürsorgemaßnahme dar. Bei der Errichtung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis Personensorge beziehe sich die gerichtliche Maßnahme auf die Person des Betreuungsbedürftigen, nicht auf sein Vermögen. Auf die Kosten der staatlichen Leistung werde sich das Vermögen des Betreuungsbedürftigen in der Regel nicht auswirken, solange sich die Fürsorgemaßnahme auf Aufgabenkreise der Personensorge beschränke. Auch der Wert der staatlichen Maßnahme für den Betreuungsbedürftigen selbst dürfte nur sehr eingeschränkt von seinem Vermögen abhängig sein. Es stelle sich deshalb die grundsätzliche Frage, ob das Vermögen des Betreuten überhaupt ein sachlich anzuerkennender Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Gerichtsgebühren sein könne, wenn ausschließlich die Personensorge oder gar nur ein Teil davon betroffen sei. Es komme hinzu, dass die nach § 92 Abs. 1 KostO für Dauerbetreuungen zu erhebenden Jahresgebühren keine Gebührendegression kennten. Der Wert der Dauerbetreuung steige nicht linear mit dem Vermögen an, zumal wenn nur die Personensorge oder ein Teil davon betroffen sei. Schließlich differenziere das Gesetz bei Dauerbetreuungen nach § 92 KostO im Unterschied zu der Regelung bei Einzelbetreuungen nach § 93 KostO nicht danach, welche Aufgaben Gegenstand der Betreuung seien. Ein überzeugender sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte lasse sich wohl nur schwerlich finden. Es bestünden Zweifel, ob die Ausgestaltung des Gebührenrechts bei Dauerbetreuungen den vom Bundesverfassungsgericht formulierten verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Gebührenrecht noch genüge.
3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat eine Äußerung des XII. Zivilsenats übersandt. Darin wird darauf hingewiesen, dass – unbeschadet der Frage, ob und inwieweit sich § 92 Abs. 1 KostO bereits de lege lata einer einschränkenden Auslegung als zugänglich erweise – jedenfalls de lege ferenda eine Regelung wünschenswert sei, nach welcher sich die Gebührenbemessung dann nicht zwingend und ausschließlich nach dem Wert des gesamten Vermögens richte, wenn die Betreuung, für welche die Gebühr erhoben werde, in keinem Zusammenhang mit den Vermögensverhältnissen des Betroffenen stehe.
4. Die Bundesrechtsanwaltskammer hält die Verfassungsbeschwerde für begründet. Die in § 92 KostO getroffene pauschale und durchgängige Verknüpfung der Kostenfestsetzung bei Dauermaßnahmen mit dem gesamten Vermögen des Betroffenen lasse sich nicht mit sachlich einleuchtenden Gesichtspunkten rechtfertigen. Sie entferne sich so sehr von der Kostenbezogenheit der Gebühr und behandle wesentlich unterschiedliche Sachverhalte in kostenrechtlich gleicher Weise, dass sie willkürlich sei. Die Gründe, die in den mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Entscheidungen im Anschluss an die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum für die gegenteilige Auffassung angeführt würden, überzeugten nicht. Es treffe zwar zu, dass der Gesetzgeber und der Rechtsanwender im Bereich der Kostenordnung nicht gehalten seien, eine möglichst strikte Orientierung der Gebührenhöhe an dem tatsächlichen Aufwand der Rechtspflege vorzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht habe aber betont, dass die Gebühren nicht völlig unabhängig von den tatsächlichen Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürften. Es verlange eine sachgerechte Verknüpfung zwischen Kosten und Gebührenhöhe. Auch wenn dabei ein großer Gestaltungsspielraum des Gebührengesetzgebers anzuerkennen sei, müsse der Sachgerechtigkeit im Hinblick auf die jeweils gewählte Systematik entsprochen werden. Für die §§ 92 und 93 KostO bedeute dies: Wenn der Gesetzgeber in § 93 KostO bei Betreuung und Pflegschaft für einzelne Rechtshandlungen jeweils auf den Wert des Gegenstands abstelle, auf den sich die Rechtshandlung beziehe, so bedürfe es zumindest eines nachvollziehbaren tragfähigen Grundes, wenn bei jedweder Dauerpflegschaft durchgängig auf das gesamte Vermögen des Schuldners zur Kostenermittlung abgestellt und eine an den unterschiedlichen Ausmaßen der Leistung orientiertere Staffelung ausgeschlossen werde.
Besonders deutlich würden die Schwierigkeiten der herrschenden Auffassung in Fällen, in denen sich die Dauerbetreuung lediglich auf einen Teil des Vermögens beziehe. Für diesen Fall wollten auch die Stimmen in Rechtsprechung und Schrifttum, die grundsätzlich im Fall der Dauerbetreuung den Wert des gesamten Vermögens als maßgeblich ansehen würden, nur auf den (Teil-)Wert des Vermögens abstellen, der der Betreuung unterliege. Warum im Rahmen der Dauerpflegschaft, soweit sich diese auf die Vermögensbetreuung beziehe, eine Differenzierung nach der Reichweite der Pflegschaft eingreifen solle, während dies bei sonstigen Betreuungsmaßnahmen der Gesundheitsfürsorge nicht gelten solle, sei nicht nachvollziehbar.
Geboten aber auch möglich sei eine verfassungskonforme Handhabung des § 92 KostO. Das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG belasse den Gerichten einen weiten Spielraum, um im Einzelfall zu sachgerechten Entscheidungen zu gelangen.
Entscheidungsgründe
B.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
§ 92 Abs. 1 und Abs. 2 KostO ist mit dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit er für die Berechnung der Gebühr auch bei Fürsorgemaßnahmen, die sich auf die Personensorge beschränken, unbegrenzt das reine Vermögen zugrunde legt. Die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts, die auf § 92 Abs. 1 und Abs. 2 KostO beruhen, verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
I.
1. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, unter steter Orientierung am Gleichheitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 98, 365 ≪385≫). Der allgemeine Gleichheitssatz ist aber nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Unterscheidungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt (vgl. BVerfGE 4, 31 ≪42≫; 86, 81 ≪87≫; 90, 226 ≪239≫). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (vgl. BVerfGE 21, 12 ≪26≫; 23, 242 ≪252≫). Dies gilt auch für die Bemessung von Gebühren zur Abdeckung von Gerichtskosten. Allerdings muss er die Auswahl der gleich beziehungsweise ungleich zu behandelnden Sachverhalte sachgerecht treffen (vgl. BVerfGE 17, 319 ≪330≫; 53, 313 ≪329≫; stRspr). Entscheidend ist, ob für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils betroffenen Zusammenhang so bedeutsam sind, dass der Gesetzgeber sie bei seiner Regelung beachten muss (vgl. BVerfGE 1, 264 ≪275 f.≫; 86, 81 ≪87≫; 98, 365 ≪385≫). Es verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte – bezogen auf den in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart – ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt (vgl. BVerfGE 76, 256 ≪329≫; 90, 226 ≪239≫).
2. Diesen Maßstäben genügt die mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar angegriffene Regelung des § 92 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 KostO nicht. Indem der Gesetzgeber Dauerpflegschaften mit alleinigem Bezug auf die Personensorge gleichbehandelt mit solchen, die auch Bezüge zu Vermögensangelegenheiten aufweisen, hat er seinen weiten Gestaltungsspielraum überschritten.
a) Eine Ausrichtung der Gebühren für entstandene Gerichtskosten an der Höhe des Vermögens ist allerdings bei solchen Dauerbetreuungen und -pflegschaften sachlich gerechtfertigt, die ausschließlich oder zumindest auch Vermögensangelegenheiten betreffen. Mit der Gebühr werden Einnahmen erzielt, welche die speziellen Kosten der dem Gebührenpflichtigen individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung ganz oder teilweise decken (vgl. BVerfGE 50, 217 ≪226≫; 97, 332 ≪345≫; 108, 1 ≪18≫). Mit einem erhöhten Wert des Vermögens des Gebührenpflichtigen steigt typischerweise auch der Bearbeitungsaufwand des Gerichts für die Kontrolle der das Vermögen betreffenden Fürsorgemaßnahmen an. Überdies rechtfertigt das gesteigerte Haftungsrisiko des Staats bei hohen Vermögenswerten eine nach dem Vermögen orientierte Staffelung der Gebühren (vgl. BVerfGK 3, 310 ≪313≫).
Zudem beruht die am Vermögen orientierte Gebührenstaffelung erkennbar auf dem Bestreben des Gesetzgebers, die Festsetzung angemessener Gebühren nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Gebührenpflichtigen zu ermöglichen. Derartige Gründe für die Ausgestaltung von Gebührenregelungen finden ihren Rückhalt im verfassungsrechtlich abgesicherten Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) und im Justizgewährungsanspruch, der durch Art. 19 Abs. 4 GG und durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 80, 103 ≪107≫; BVerfGK 3, 310 ≪312≫). Der Gesetzgeber hat feste Gebührensätze gewählt, um die Kostenregelung klar und anwendungsfreundlich zu gestalten.
b) Im Unterschied zu Fürsorgemaßnahmen, die Vermögensangelegenheiten betreffen, fehlt es bei Dauerbetreuungen und -pflegschaften, die allein die Personensorge betreffen, an einem sachlichen Bezug der Fürsorgemaßnahme zu dem Vermögen des Gebührenpflichtigen.
Während ein höheres Vermögen des Betroffenen bei Dauerpflegschaften mit Vermögensbezug typischerweise einen höheren gerichtlichen Kontrollaufwand bedingt, führt es in Fällen der alleinigen Personensorge regelmäßig nicht zu Unterschieden im Umfang der staatlichen Leistung. Entsprechendes gilt in diesen Fällen für die Haftung bei möglichen Fehlentscheidungen von Amtswaltern. Bei vermögenden Betroffenen ist der Staat hier grundsätzlich keinen höheren Haftungsrisiken ausgesetzt als bei weniger vermögenden Betroffenen. Damit ist der Gesetzgeber allerdings nicht grundsätzlich gehindert, aus sozialen Gesichtspunkten auch bei Dauerbetreuungen und -pflegschaften eine Gebührenstaffelung vorzunehmen, die auch am Vermögen des Gebührenpflichtigen anknüpft. Angesichts der erheblichen Unterschiede zwischen den gerichtlichen Leistungen bei Dauerbetreuungen und -pflegschaften mit Vermögensbezug einerseits und andererseits bei solchen, die sich allein auf die Personensorge beziehen, darf der Gesetzgeber die Gerichtsgebühren bei letzteren nicht ausschließlich an der Höhe des Vermögens bemessen, ohne wegen des vom Vermögen unabhängigen Aufwandes eine Begrenzung vorzunehmen. Jedenfalls dann, wenn eine solche Bemessung wie vorliegend zu einer außergewöhnlich hohen Gebühr für einen vergleichsweise geringen Verwaltungsaufwand führt, sind die beschriebenen Unterschiede der gerichtlichen Kontrolltätigkeit bei der ausschließlichen Personensorge gegenüber derjenigen der Vermögenssorge so gewichtig, dass eine differenzierende Regelung verfassungsrechtlich geboten ist. Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber in § 92 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 KostO keine Ausnahmeregelung vorgesehen hat, die den Gerichten die Berücksichtigung von besonderen Umständen des Einzelfalls ermöglicht.
c) Selbst wenn man Gesichtspunkte der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit berücksichtigt, die für eine einfache Gebührenregelung sprechen, ist die einheitliche, am Vermögen des Gebührenschuldners orientierte Gebührenbemessung nicht gerechtfertigt. Das Vermögen des Betroffenen wirkt sich in der Regel nicht auf die Kosten der staatlichen Leistung aus, solange die Fürsorgemaßnahmen auf Aufgabenkreise der Personensorge beschränkt bleiben (vgl. zur Kostendeckung als Legitimationsgrund für die Gebührenbemessung bei staatlichen Leistungen BVerfGE 50, 217 ≪226≫). Das Amtsgericht hat im Ausgangsverfahren nachvollziehbar und von sämtlichen Stellungnahmen der Anhörungsberechtigten nicht in Frage gestellt darauf hingewiesen, dass bei der Gebührenbemessung nach § 92 KostO im Fall der Fürsorgemaßnahmen mit alleinigem Bezug zur Personensorge bei vermögenden Gebührenschuldnern außergewöhnlich hohe Gerichtsgebühren gegebenenfalls einem sehr geringem Kontrollaufwand der Gerichte gegenüber stehen (vgl. dazu auch OLG Oldenburg, Rpfleger 2006, S. 101); dieser beschränkt sich wie vorliegend häufig auf die Kenntnisnahme und Prüfung eines jährlichen Berichts des Betreuers beziehungsweise Pflegers und die Verwahrung dieses Berichts. Allein an der Höhe des Vermögens zu bemessende Gebühren können im Missverhältnis zu einem solch niedrigen Aufwand stehen.
3. Dieses verfassungswidrige Ergebnis lässt sich nicht durch verfassungskonforme Auslegung von § 92 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 KostO beheben.
Zwar wird von einigen Obergerichten und Teilen der Literatur, denen im Ergebnis auch die Bundesregierung und die Bundesrechtsanwaltskammer in ihren Stellungnahmen beigetreten sind, die Auffassung vertreten, eine verfassungskonforme Auslegung des § 92 KostO sei dahin möglich, den Anwendungsbereich der Vorschrift in Bezug auf die Gebührenerhebung für beschränkte Bereiche der Personensorge einzuschränken und dabei auf die Rechtsgedanken der allgemeinen Vorschriften der § 18 Abs. 1, § 30 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 KostO abzustellen (vgl. OLG Düsseldorf, unveröff. Beschluss vom 4. Oktober 1996 – 10 W 93/96 –; OLG Oldenburg, Rpfleger 2006, S. 101; Lappe, in: Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl., 2005, § 92 Rn. 59). Dies widerspricht jedoch dem eindeutigen Wortlaut der Norm und findet auch in der Gesetzesbegründung keine Grundlage, die sich im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz ausschließlich mit der Frage von Vermögensfreigrenzen zu Gunsten weniger Begüterter auseinander gesetzt hat (vgl. BTDrucks 11/4528, S. 192 f.). Einem Rückgriff auf § 18 Abs. 1, § 30 Abs. 2, Abs. 3 KostO steht zudem § 91 KostO entgegen, nach dem für die Tätigkeit des Vormundschaftsgerichts in Fällen der Dauerpflegschaft nur die in §§ 92 bis 95, 97 und 98 KostO bestimmten Gebühren erhoben werden. Im Übrigen würde eine von den Gerichten vorzunehmende Begrenzung des Vermögens auf im Einzelfall zu berücksichtigende Teilwerte bei der Gebührenbemessung das Bestreben des Gesetzgebers in Frage stellen, eine klare und anwendungsfreundliche Gebührenregelung zu schaffen (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2000, S. 735; im Ergebnis auch OLG Hamm, Rpfleger 1973, S. 451; BayObLG, Rpfleger 1997, S. 86).
II.
Da § 92 Abs. 1 und Abs. 2 KostO gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt und deshalb verfassungswidrig ist, bedarf es keiner weiteren Überprüfung der Norm am Maßstab des Art. 2 Abs. 1 GG.
C.
I.
1. Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1, § 95 Abs. 3 BVerfGG). Da dem Gesetzgeber hier aber vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht.
2. Da die nachfolgenden Fassungen von § 92 Abs. 1 und Abs. 2 KostO den gleichen verfassungsrechtlichen Mangel aufweisen, erstreckt sich die Unvereinbarkeitserklärung auch auf sie.
3. Für den Erlass der Neuregelung steht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. Juni 2007 zur Verfügung.
a) Auf Sachverhalte, bei denen die Erhebung von Gebühren für Fürsorgemaßnahmen mit vermögensrechtlichen Bezügen vorgesehen ist, ist § 92 Abs. 1 und Abs. 2 KostO bis zu diesem Zeitpunkt weiter anzuwenden.
b) Im Hinblick auf die gerichtliche Tätigkeit bei Fürsorgemaßnahmen, die ausschließlich die Personensorge des Gebührenpflichtigen betreffen, hat die Gebührenerhebung für die Dauer der Übergangszeit bis zur gesetzlichen Neuregelung entsprechend der Regelung in § 30 Abs. 3 und Abs. 2 KostO zu erfolgen. Die vorübergehende entsprechende Anwendung dieser Vorschrift ist sachgerecht, da der Gesetzgeber dort eine Regelung für nichtvermögensrechtliche Gegenstände getroffen hat, die in § 92 Abs. 1 KostO bislang fehlt.
II.
Soweit die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschlüsse auf den verfassungswidrigen Vorschriften beruhen, sind sie nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Kosten sind gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG der Bundesrepublik Deutschland aufzuerlegen, da die Gerichtsentscheidungen auf einer verfassungswidrigen Rechtsnorm des Bundes beruhen (vgl. BVerfGE 40, 1 ≪6≫; 99, 202 ≪216≫).
Unterschriften
Papier, Haas, Steiner, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem, Bryde, Gaier, Eichberger
Fundstellen
BVerfGE 2006, 381 |
NJW 2006, 2246 |
FamRZ 2006, 997 |
BtPrax 2006, 152 |
Rpfleger 2006, 565 |
FamRB 2006, 259 |
Nds.MBl 2006, 635 |