Leitsatz (amtlich)
Die Nennung des eigenen Namens im Zusammenhang mit einer von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Äußerung nimmt am Schutz der Meinungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts teil.
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 22.11.1995; Aktenzeichen 13 U 84/94) |
Tenor
Das Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 22. November 1995 – 13 U 84/94 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 und Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit es sie zur Unterlassung der Nennung ihres eigenen Namens im Zusammenhang mit der Äußerung, der Kläger des Ausgangsverfahrens habe sie sexuell mißbraucht, verpflichtet. In diesem Umfang und mit seiner Kostenentscheidung wird es aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Das Land Niedersachsen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein zivilgerichtliches Urteil, mit dem die Beschwerdeführerin zur Unterlassung einer Äußerung verurteilt worden ist, wenn sie dabei den Namen ihres Vaters oder ihren Namen nennt.
I.
1. Die Beschwerdeführerin ist die Tochter des Klägers des Ausgangsverfahrens. Dieser hat sie nach den Feststellungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts vom Kindesalter an über viele Jahre sexuell mißbraucht.
Die heute 41jährige, nicht mehr erwerbsfähige Beschwerdeführerin, die nach wie vor ihren Geburtsnamen führt, offenbarte die Vorfälle erstmals 1973 in ihrem Freundeskreis. Im Jahr 1977 erzählte sie einem Vorgesetzten davon. 1986 vertraute sie sich mehreren Ärzten an, die sie unter anderem wegen ihrer Spielsucht behandelten. Ihrem Vater hielt sie sein Verhalten erstmals in einem Brief vom März 1987 vor und beschuldigte ihn, sie durch seine Erziehung in die Sucht getrieben zu haben. Weitere Briefe folgten 1989. Zudem unterrichtete sie das Jugendamt über die Vorfälle, um – wie sie ihrem Vater mitteilte – die von ihm gelegentlich beaufsichtigte Tochter ihrer Schwester zu schützen.
1990 schrieb sie ihrem Vater, sie vergebe ihm. Dessenungeachtet berichtete sie im Januar 1991 in einer Fernsehsendung, daß sie von ihrem Vater als Kind mißbraucht worden sei. Sie fragte auch bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte an, ob er wegen der an sie erbrachten Versicherungsleistungen in Regreß genommen werden könne. Im Jahr 1992 wandte sie sich abermals an das Jugendamt. In der Folgezeit berichtete sie in der Sendung „Schreinemakers live” über den Mißbrauch und bot der Zeitschrift „Emma” einen Artikel über Regreßansprüche gegen den Verursacher psychischer Folgeschäden infolge sexuellen Mißbrauchs an.
Unter Bezugnahme auf die erneute Information des Jugendamts verlangte der Kläger des Ausgangsverfahrens, daß die Beschwerdeführerin es unterlasse, ihn Dritten gegenüber des sexuellen Mißbrauchs zu bezichtigen. Die Beschwerdeführerin wies dies zurück. Daraufhin erhob er Unterlassungsklage. Er machte geltend, er habe die Beschwerdeführerin niemals sexuell mißbraucht. Hintergrund der Vorwürfe sei seine Weigerung gewesen, für ihre Spielschulden aufzukommen.
2. Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht gab ihr teilweise statt.
a) Das Landgericht begründete sein Urteil damit, daß ein Anspruch auf Unterlassung der ehrverletzenden Behauptung nur bestünde, wenn sie unwahr wäre. Die Kammer gehe jedoch nach der Beweisaufnahme davon aus, daß der Kläger die Beschwerdeführerin vom 8. Lebensjahr an regelmäßig durch geschlechtsbezogene Handlungen und etwa vom 12. Lebensjahr an durch den Vollzug des Geschlechtsverkehrs sexuell mißbraucht habe.
b) Auf die Berufung des Klägers verurteilte das Oberlandesgericht die Beschwerdeführerin, die Bezichtigung zu unterlassen, der Kläger habe sie sexuell mißbraucht, wenn sie dabei den Namen des Klägers oder ihren Namen nenne.
Der Kläger könne allerdings nicht in dem beantragten Umfang verlangen, daß die Beschwerdeführerin die Behauptung unterlasse, er habe sie als Kind sexuell mißbraucht. Ein Unterlassungsanspruch nach §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB, § 186 StGB setze voraus, daß die Tatsachenbehauptung unwahr sei. Die Behauptungen der Beschwerdeführerin entsprächen jedoch der Wahrheit. Das habe die in beiden Instanzen durchgeführte Beweisaufnahme ergeben. Die Angaben der Beschwerdeführerin seien glaubhaft. Dies stehe insbesondere unter Berücksichtigung des vom Oberlandesgericht eingeholten Sachverständigengutachtens einer Psychologin fest.
Unabhängig davon könne der Kläger jedoch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB verlangen, daß die Beschwerdeführerin bei Äußerungen in der Öffentlichkeit, ihr Vater habe sie sexuell mißbraucht, weder seinen noch ihren Namen nenne. Er müsse zwar hinnehmen, daß die Beschwerdeführerin gegenüber dem Jugendamt tätig werde oder bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte unter Hinweis auf eine kausale Verknüpfung zwischen ihrer Erwerbsunfähigkeit und dem sexuellen Mißbrauch anrege, den Kläger in Regreß zu nehmen. Er könne auch nicht verlangen, daß die Beschwerdeführerin in vergleichbaren Fällen, in denen ein berechtigtes Interesse zu bejahen sei, sonstigen staatlichen oder gerichtlichen Stellen gegenüber nicht angebe, er habe sie sexuell mißbraucht. Er brauche aber nicht zu dulden, daß er in der Öffentlichkeit unter Nennung seines Namens angeprangert werde.
Eine solche soziale Anprangerung, die selbst ein gerichtlich bestrafter Schwerverbrecher nicht ohne besonderen Anlaß hinnehmen müsse, sei der Beschwerdeführerin nicht gestattet. Der Kläger sei im Rahmen seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor Eingriffen in die engere persönliche Lebenssphäre durch Offenlegung solcher persönlicher Lebenssachverhalte geschützt, durch die er der Öffentlichkeit preisgegeben werde. Die Anprangerung lasse sich auch nicht damit rechtfertigen, daß die Beschwerdeführerin als Opfer vermeintliche allgemeine Informationsinteressen über den sexuellen Mißbrauch von Kindern wahrnehme. Dazu bedürfe es der Namensnennung regelmäßig nicht. Daher könne der Kläger zumindest verlangen, daß sich die Beschwerdeführerin bei Berichten über den sexuellen Mißbrauch in einer Weise äußere, die seine Identifikation nicht ohne weiteres zulasse. Dies sei dadurch zu erreichen, daß sie seinen Namen nicht nenne und selbst unter einem Pseudonym auftrete.
II.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beschwerdeführerin mit der Rüge einer Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 und Art. 2 Abs. 1 GG, soweit es ihr auferlegt, bei Berichten über den sexuellen Mißbrauch ihren eigenen Namen nicht zu nennen. Soweit es ihr verbietet, den Namen ihres Vaters zu nennen, nehme sie dies hin. Sie habe ohnehin nicht vorgehabt, ihren Vater im Rahmen ihrer Berichterstattung zu individualisieren, und dies in der Vergangenheit auch nicht getan. Das Verbot, den eigenen Namen zu nennen, sei jedoch verfassungswidrig.
Es sei bereits nicht erkennbar, daß die Nennung ihres Namens für ihren Vater die Gefahr signifikant erhöhe, als Täter des Mißbrauchsdelikts identifiziert zu werden. Das gelte jedenfalls dann, wenn sie in der Presse oder im Fernsehen überregional über ihr Schicksal berichte. Ihr Name sei ein „Allerweltsname”. Es treffe zwar zu, daß ein Bekannter ihres Vaters diesen nach der Fernsehsendung „Schreinemakers live” als Täter identifiziert habe. Die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung sei jedoch denkbar gering und rechtfertige es nicht, ihr ein umfassendes Namensführungsverbot im Zusammenhang mit der Berichterstattung aufzuerlegen.
Das Verbot der Namensnennung verletze sie in ihrer Meinungsäußerungsfreiheit. Sie wolle in die öffentliche Diskussion über den sexuellen Mißbrauch von Kindern eingreifen. Es handele sich um ein immer noch weitgehend tabuisiertes Thema. Sie selbst habe ihr fehlendes Selbstwertgefühl und ihre Unfähigkeit, ein normales Leben zu führen, zunächst nicht als Folge des erlittenen Mißbrauchs verstanden, sondern mit eigenem Versagen erklärt. Erst zehn Jahre nach Beendigung des Mißbrauchs sei sie in der Lage gewesen, das Problem offen auszusprechen und zu verarbeiten. Sie sei überzeugt, daß es vielen anderen Mißbrauchsopfern ähnlich ergangen sei und noch ergehe.
Mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit wolle sie dazu beitragen, die Mauer des Schweigens, die dieses Delikt umgebe, zu durchbrechen. Insbesondere sei ihr daran gelegen, anderen Mißbrauchsopfern bei der Verarbeitung ähnlicher Erfahrungen zu helfen. Dabei hoffe sie auf Reaktionen, auch solche anderer Opfer, um daraus Problemlösungsstrategien für sich selbst zu gewinnen. Die Kontaktaufnahme setze aber voraus, daß sie von Lesern oder Fernsehzuschauern angesprochen werden könne. Dazu komme es jedoch bei der Verwendung eines Pseudonyms nicht. Die Meinungsäußerungsfreiheit schließe das Recht ein, unter eigenem Namen in die Diskussion einzugreifen. Sie schütze einen kommunikativen Prozeß, der durch Rede und Gegenrede und durch den aktiven Austausch von Meinungen geprägt sei.
Sie wolle ihre Lebensgeschichte darüber hinaus literarisch auswerten und ihre Erlebnisse unter Umständen als Buch veröffentlichen. Habe das angegriffene Urteil Bestand, sei ihr dies nicht unter ihrem eigenen Namen möglich. Dadurch könne sie nach einer Veröffentlichung nicht als Anlaufstelle für Antworten, Reaktionen und Anregungen von Lesern fungieren. Das angegriffene Urteil verstoße mithin auch gegen die Pressefreiheit.
Sei das Recht zur Nennung des eigenen Namens nicht Bestandteil der Meinungs- und der Pressefreiheit, werde jedenfalls der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berührt. Sie wolle als die Person, die sie sei, aktiv mit ihrer Vergangenheit umgehen und Konsequenzen daraus ziehen. Dies sei nicht möglich, wenn sie über ihr Schicksal nur anonym oder unter einem Pseudonym berichten dürfe. Das Recht, ihren eigenen Namen zu nennen, mache ihr das angegriffene Urteil streitig, ohne daß auch nur erörtert werde, auf welcher gesetzlichen Grundlage dies geschehe. Die Rechte anderer, insbesondere die ihres Vaters, verletze sie nicht, wenn sie lediglich ihren eigenen Namen nenne. Deshalb greife der Schutz der §§ 1004, 823 BGB zugunsten ihres Vaters nicht ein.
III.
1. Das Niedersächsische Justizministerium hält die Verfassungsbeschwerde für begründet.
Soweit die Beschwerdeführerin anstrebe, im Wege der Würdigung ihrer eigenen Geschichte anderen Mißbrauchsopfern Problemlösungen aufzuzeigen und einen Beitrag zur Lösung des gesellschaftlichen Phänomens des sexuellen Mißbrauchs von Kindern und Jugendlichen zu leisten, handele es sich um Meinungsäußerungen, die dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterfielen. Die der Beschwerdeführerin untersagte Nennung ihres Namens sei mit diesen Meinungen untrennbar verknüpft. Die Kundgabe der Meinung unter Nennung des tatsächlichen Namens fördere das Vertrauen in die Authentizität der tatsächlichen Vorgänge und erhöhe damit das Gewicht ihrer Bewertung durch die Beschwerdeführerin mit der Folge, daß die Wirkung auf die Meinungsbildung anderer intensiviert werde.
Indem das Oberlandesgericht die Auffassung vertrete, das die Nennung des Namens der Beschwerdeführerin betreffende Unterlassungsgebot folge aus § 1004 BGB in Verbindung mit dem von § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht, lasse es eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers des Ausgangsverfahrens vermissen. Streitgegenstand seien wahre Tatsachenäußerungen, die im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit berührenden Frage stünden. Mithin streite eine Vermutung für die Zulässigkeit der Namensnennung.
Demgegenüber komme dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Vaters geringeres Gewicht zu. Eine öffentliche Schilderung des sexuellen Mißbrauchs der Beschwerdeführerin möge dessen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen, wenn auf seine Person geschlossen werden könne. Ob in diesem Fall die Meinungsfreiheit ausnahmsweise zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zurückzutreten habe, könne jedoch offenbleiben. Denn bei dem Familiennamen und dem Vornamen der Beschwerdeführerin handele es sich um sogenannte Sammelnamen, die nur mit erheblichem Zusatzwissen einen Schluß auf die Person ihres Vaters zuließen.
2. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hat darum gebeten, das angegriffene Urteil zu bestätigen. Seine Tochter habe in der Vergangenheit alle Mittel benutzt, um ihn zu demütigen. Sie sei einige Male im Fernsehen, ferner in Presse und Hörfunk aufgetreten und habe sogar vor einer Briefkastenwurfsendung in der Straße, in der er wohne, nicht zurückgeschreckt. Seine Frau und er seien schon vor der Haustür von einem Fernsehteam belästigt worden. In einem Verein, dem er angehöre, habe man ihn als Verbrecher bezeichnet. Aufgrund der Veröffentlichungen leide seine gesamte Familie zusehends. Nach wie vor sei und fühle er sich unschuldig.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das Urteil des Oberlandesgerichts verstößt gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
I.
Diese Grundrechte werden von der angegriffenen Entscheidung berührt.
1. Die Nennung des eigenen Namens im Zusammenhang mit einer Äußerung nimmt am Schutz der Meinungsfreiheit teil.
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt Meinungsäußerungen aller Art und Tatsachenbehauptungen sowie andere Äußerungsformen jedenfalls dann, wenn sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind (vgl. BVerfGE 61, 1 ≪8≫; 85, 23 ≪31≫). Die Erwähnung des eigenen Namens im Zusammenhang mit einer Äußerung ist zwar weder eine eigenständige Äußerungsform noch ein Bestandteil der Äußerung im engeren Sinn. Deren Inhalt steht für sich. Deswegen fällt die Namensangabe aber nicht aus dem Schutzbereich des Grundrechts heraus. Ihr kommt vielmehr wesentliche Bedeutung sowohl für die Äußerung selbst als auch für den individuellen und öffentlichen Meinungsbildungsprozeß zu, in den sie einfließt.
Die freie Meinungsäußerung ist „unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft” (BVerfGE 7, 198 ≪208≫). Im Namen des Urhebers stellt sich die Verbindung zwischen Person und Äußerung erkennbar her. Fügt der sich Äußernde seiner Aussage den eigenen Namen bei, so bringt er damit zum Ausdruck, daß er die Äußerung als seine persönliche Auffassung oder Schilderung kundtun will und bereit ist, für sie einzustehen und im Fall einer Tatsachenbehauptung mit seiner Person für ihre Wahrheit zu bürgen. Gerade bei Äußerungen, mit denen der Sprecher sich in hohem Maß identifiziert oder sein eigenes Schicksal darstellt, gehört die Namensnennung daher zu den Voraussetzungen der Vermittlung des Äußerungssinns.
Außerdem kann der Name des sich Äußernden Botschaften enthalten, die über den reinen Aussageinhalt hinausgehen. So ist es etwa möglich, daß die persönliche Schilderung belastender Erfahrungen für andere Betroffene die Ermutigung einschließt, ihr Schweigen zu brechen. Eine solche Botschaft ließe sich ohne Nennung des eigenen Namens und der damit verbundenen Offenlegung der eigenen Betroffenheit nicht in der gleichen Weise vermitteln. Das gilt in besonderem Maß, wenn die Kommunikation über bestimmte Geschehnisse mit einem Tabu belegt ist. Das persönliche Bekenntnis in der Öffentlichkeit kann in diesem Fall helfen, die mit gesellschaftlichen Tabuisierungsgewohnheiten oft verbundenen Schuldzuweisungen zu durchbrechen.
In der Kundgabe persönlicher Auffassungen oder Mitteilungen erschöpft sich der Sinn von Äußerungen indes nicht. Sie richten sich vielmehr an andere und sind in der Regel dazu bestimmt, meinungsbildend oder handlungsmotivierend auf sie einzuwirken. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt daher Äußerungen nicht nur in ihrer Verbreitungsdimension, sondern auch in ihrer Wirkungsdimension (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪210≫). Zur Meinungsfreiheit gehört das Recht des sich Äußernden, für seine Äußerung diejenigen Formen und Umstände zu wählen, die ihr eine möglichst große Wirkung sichern (vgl. BVerfGE 93, 266 ≪289≫). Die Wirkung einer Äußerung auf Dritte hängt aber wesentlich davon ab, ob ihr Urheber erkennbar ist oder nicht. Anonymen Äußerungen fehlt häufig dasjenige Maß an Authentizität und Glaubhaftigkeit, welches ihnen erst den gewünschten Einfluß verleiht oder Reaktionen hervorruft.
Schließlich bleibt die Wirkung einer Äußerung nicht auf die Aufnahme und Verarbeitung bei Dritten beschränkt. So wie sie selbst regelmäßig an vorangegangene Kommunikationen anknüpft, löst sie ihrerseits weitere Kommunikationen aus. In dem Bestreben, die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung zu gewährleisten, beschränkt sich Art. 5 Abs. 1 GG daher nicht auf den Schutz der einzelnen Äußerung, sondern sichert auch die Voraussetzungen für die Herstellung und Aufrechterhaltung des Kommunikationsprozesses, in den jede Äußerung eingebettet ist (vgl. BVerfGE 57, 295 ≪319≫). Für diesen besitzt die Namensnennung aber ebenfalls Bedeutung, weil sie erst ermöglicht, daß sich die Kommunikationsteilnehmer aufeinander beziehen oder miteinander in Verbindung treten.
2. Die Nennung des eigenen Namens fällt ferner in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
Der Name eines Menschen hat nicht nur Ordnungs- und Unterscheidungsfunktion. Er ist auch Ausdruck der Identität und Individualität. Daher kann der Einzelne verlangen, daß die Rechtsordnung seinen Namen respektiert und schützt. Dieser Schutz ist in der Verfassungsrechtsprechung bislang nur gegenüber dem staatlich vorgeschriebenen Wechsel des Namens bei Heirat relevant geworden (vgl. BVerfGE 78, 38 ≪49≫; 84, 9 ≪22≫). Er richtet sich aber auch gegen das Verlangen, den als solchen unbestrittenen Namen in bestimmten Zusammenhängen nicht zu verwenden oder durch ein Pseudonym zu ersetzen. Als Ausdruck der Identität und Individualität läßt sich der Name nicht beliebig austauschen. Er begleitet vielmehr die Lebensgeschichte seines Trägers. Diese wird unter dem Namen als zusammenhängende erkennbar. Der Verzicht auf die Nennung des Namens läßt daher die Persönlichkeit nicht unbeeinträchtigt.
Das gilt auch für die Namensnennung im Zusammenhang mit einer Äußerung. Äußerungen erschöpfen sich nicht in der Mitteilung eines bestimmten Kommunikationsinhalts. Sie sind zugleich Ausdruck der Persönlichkeit des sich Äußernden. Durch seine Äußerungen stellt er sich Dritten gegenüber als Person dar. Mit ihnen wird er von anderen identifiziert. Aufgrund der Namensnennung können Dritte Äußerungen nicht nur ihrem Urheber zurechnen, sondern auch in das Persönlichkeitsbild einordnen, das sie sich von ihm machen. Zugleich gewinnen sie die Möglichkeit, neben dem Äußerungsinhalt auch die dahinterstehende Person zu beurteilen. Wird jemand zur Unterlassung der Namensnennung im Zusammenhang mit Äußerungen verpflichtet, die er gerade als persönliche versteht und auf deren Zurechnung an sich er Wert legt, ist eine solche Verpflichtung folglich auch an Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG zu messen.
3. Dagegen ist die Pressefreiheit nicht einschlägig. Geht es um die Zulässigkeit einer bestimmten Äußerung, so beurteilt sich diese nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, und zwar unabhängig davon, ob sie in einem Medium gefallen ist oder fallen soll, das den Schutz der Pressefreiheit genießt. Diese kommt vielmehr erst dann zum Zuge, wenn die über einzelne Meinungsäußerungen hinausreichende Bedeutung der Presse für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung in Rede steht (vgl. BVerfGE 85, 1 ≪12 f.≫; 95, 28 ≪34≫). Daran fehlt es hier.
4. Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht werden durch die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, ihren Namen nicht zu nennen, sofern sie in der Öffentlichkeit über den sexuellen Mißbrauch durch ihren Vater berichtet, eingeschränkt. Daß die Äußerung im übrigen weiterhin öffentlich verbreitet werden darf, ändert daran angesichts der Einbeziehung des Namensgebrauchs in den Schutzbereich beider Grundrechte nichts.
II.
Die angegriffene Entscheidung ist mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht unvereinbar.
1. Beide Grundrechte unterliegen allerdings gesetzlichen Schranken. Die Meinungsfreiheit ist nach Art. 5 Abs. 2 GG nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze, der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre gewährleistet. Die Persönlichkeitsentfaltung ist gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in die Grenzen der verfassungsmäßigen Ordnung verwiesen. Darunter sind alle Rechtsnormen zu verstehen, die sich formell und materiell mit dem Grundgesetz im Einklang befinden (vgl. BVerfGE 6, 32 ≪41≫). Das ist bei den Vorschriften der §§ 823, 1004 BGB, auf die das Oberlandesgericht das angegriffene Urteil gestützt hat, der Fall.
2. Ihre Anwendung hält jedoch den grundrechtlichen Anforderungen nicht stand.
a) Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften sind ebenso Sache der Zivilgerichte wie die Feststellung des Sachverhalts und die Würdigung der Beweise. Werden im Zuge der Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Normen des Zivilrechts jedoch grundrechtlich geschützte Positionen berührt, müssen die Zivilgerichte der Bedeutung und Tragweite der Grundrechte Rechnung tragen, damit deren wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 7, 198 ≪205 ff.≫; stRspr). Das verlangt in der Regel eine im Rahmen der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale vorzunehmende Abwägung zwischen der Bedeutung des eingeschränkten Grundrechts für seinen Träger im konkreten Fall sowie dem Ausmaß der ihm zugemuteten Beeinträchtigung einerseits und der Bedeutung des von dem angewandten Gesetz geschützten Rechtsguts und der Schwere seiner Beeinträchtigung durch die Grundrechtsausübung andererseits. Dabei haben die Gerichte beide Positionen hinreichend zu berücksichtigen und in ein Verhältnis zu bringen, das ihnen angemessen Rechnung trägt. Ein Grundrechtsverstoß, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, liegt insbesondere dann vor, wenn das Zivilgericht den grundrechtlichen Einfluß überhaupt nicht berücksichtigt oder unzutreffend eingeschätzt hat und die Entscheidung auf der Verkennung des Grundrechtseinflusses beruht (vgl. BVerfGE 95, 28 ≪37≫).
b) Auf Seiten der Beschwerdeführerin fällt dabei unter den Gesichtspunkten der Meinungsfreiheit und des Persönlichkeitsrechts vor allem ins Gewicht, daß die umstrittene Äußerung einen gesteigerten Persönlichkeitsbezug aufweist und durch das Verbot der Namensangabe weitgehend um die erhoffte Wirkung im Kommunikationsprozeß gebracht würde.
Die Äußerung, die der Beschwerdeführerin in der Öffentlichkeit nur unter Verzicht auf Namensnennung erlaubt ist, bezieht sich nicht auf einen von ihr distanzierten Gegenstand, sondern betrifft ihr höchstpersönliches Lebensschicksal. Auf der Grundlage des von den Zivilgerichten festgestellten Sachverhalts, von dem das Bundesverfassungsgericht auszugehen hat, handelt es sich um ein äußerst folgenschweres, für ihre körperliche und seelische Entwicklung bestimmendes Erlebnis. Jede Person hat die Freiheit zu entscheiden, ob sie sich mit Erlebnissen dieser Art überhaupt an andere oder an die Öffentlichkeit wendet. Entschließt sie sich aber dazu, liegt in dem Verbot, das höchstpersönliche Schicksal auch in personalisierter Form zu schildern, regelmäßig eine einschneidende Beeinträchtigung der Kommunikationsmöglichkeiten und der Persönlichkeitsentfaltung.
Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das angegriffene Urteil die Beschwerdeführerin nicht hindert, im Rahmen privater Kontakte oder therapeutischer Behandlungen über den Mißbrauch unter dem eigenen Namen zu sprechen. Denn es bleibt ihr verwehrt, den Gesprächsradius über den persönlichen Bekanntenkreis oder die berufsmäßig mit ihrer Persönlichkeitsentwicklung befaßten Personen hinaus zu erweitern. Die Beschwerdeführerin kann an die Öffentlichkeit nicht als identifizierbare Person herantreten, mit ihrem Namen für ihren Bericht einstehen und Reaktionen Dritter auf ihn unmittelbar entgegennehmen.
Damit wird aber auch die Wirkung ihres Berichts auf Personen in ähnlicher Lage oder die von dem Problem des sexuellen Mißbrauchs von Kindern bewegte Öffentlichkeit verringert, weil die mit der Namensnennung regelmäßig verbundene Glaubhaftigkeit und Authentizität der Schilderung auszubleiben droht. Ebenso verringert sich der Ermutigungseffekt, den die öffentliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Schicksal für Personen in ähnlicher Lage haben kann. Desgleichen sind durch das Verbot der Namensnennung Rückmeldungen an die um Resonanz bemühte Beschwerdeführerin erschwert. Dadurch verliert sie zudem Möglichkeiten zur Bewältigung ihres Schicksals durch die Hilfe Dritter, die erst durch die Äußerung auf sie aufmerksam geworden sind.
Allerdings ist das für die Beschwerdeführerin bestimmende Erlebnis, über das sie öffentlich sprechen möchte, mit der Person ihres Vaters unlösbar verknüpft. Bei der Rücksichtnahme, die diese Verknüpfung erfordert, ist aber in Rechnung zu stellen, daß die Beschwerdeführerin über den Kläger des Ausgangsverfahrens aus der Perspektive des Opfers seiner Handlungen berichtet. Die Äußerung läßt sich deswegen als Bloßstellung des Vaters nicht ausreichend verstehen. Sie muß auch im Zusammenhang mit der Überwindung der Opferstellung gesehen werden. Die Opfersituation, von der nach den Feststellungen der Gerichte auszugehen ist, würde sich nochmals verstärken, wenn dem Opfer die Darstellung in personalisierter Form verwehrt würde. Insofern ist ihr Äußerungsinteresse höher zu veranschlagen als das Dritter oder der Medien, die sich unter Nennung der beteiligten Personen über derartige Vorfälle äußern wollen.
c) Auf seiten des Klägers des Ausgangsverfahrens fällt sein grundrechtlich geschütztes Persönlichkeitsrecht ins Gewicht, dem die §§ 823, 1004 BGB zivilrechtlichen Ausdruck geben. Zwar verleiht es seinem Träger keinen Anspruch, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es seinem Selbstbild entspricht oder ihm genehm ist. Wohl aber schützt es ihn gegenüber entstellenden und verfälschenden Darstellungen sowie gegenüber Darstellungen, die die Persönlichkeitsentfaltung erheblich beeinträchtigen können (vgl. BVerfG, Beschluß vom 14. Januar 1998 – 1 BvR 1861/93 u.a. – Umdruck S. 34 f.). Allerdings haben Persönlichkeitsinteressen regelmäßig hinter der Meinungsfreiheit zurückzustehen, wenn die umstrittene Äußerung Tatsachen zum Gegenstand hat, die als wahr anzusehen sind.
Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos. Insbesondere können wahre Berichte das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dann verletzen, wenn die Folgen der Darstellung für die Persönlichkeitsentfaltung schwerwiegend sind und die Schutzbedürfnisse das Interesse an der Äußerung überwiegen. So hat das Bundesverfassungsgericht im Lebach-Urteil (BVerfGE 35, 202) Persönlichkeitsbelangen den Vorrang vor der Rundfunkfreiheit eingeräumt, weil die Ausstrahlung eines Dokumentarspiels über ein aufsehenerregendes Verbrechen in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Entlassung eines der Täter aus der Haft stand und wegen der Breitenwirkung und Suggestivkraft des Fernsehens die Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft erheblich erschwert, wenn nicht gar verhindert hätte.
Zwar verhält es sich hier insofern anders, als nicht eine Berichterstattung durch die Medien, sondern durch das Opfer in Rede steht. Was zu gelten hat, wenn Medien aus Anlaß eines Opferberichts diesen um eigene Berichte aus dem Umkreis des Täters erweitern, bedarf deswegen keiner Entscheidung. Ungleich dem Lebach-Fall geht hier auch von dem Zeitpunkt der Äußerung keine eigenständige Gefährdung für den Kläger des Ausgangsverfahrens aus. Ebensowenig handelt es sich um eine ihn identifizierende Dokumentation seines Verhaltens, sondern lediglich um die Möglichkeit des Rückschlusses aufgrund der Namensgleichheit mit der Beschwerdeführerin.
Dessenungeachtet sind die Folgen für den Kläger des Ausgangsverfahrens schwerwiegend. Das hängt mit dem Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs des eigenen Kindes zusammen, der als besonders verabscheuungswürdiges Verbrechen gilt. Berichte über ein derartiges Verhalten führen meist zu einer Stigmatisierung des Täters. Stigmatisierungen können aufgrund gesellschaftlicher, also nicht allein der Verantwortung des Betroffenen zuzuschreibender, Einschätzungs- und Verhaltensmechanismen einen Entzug der sozialen Anerkennung, eine soziale Isolierung und eine grundlegende Verunsicherung und Selbstentwertung des Betroffenen in zahlreichen Lebensbereichen zur Folge haben. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit wird dadurch nachhaltig erschwert, ohne daß dies zu den üblichen Grenzen der Entfaltungschancen oder zu den nachteiligen Reaktionen anderer gezählt werden könnte, die man als Folge eigener Entscheidungen oder Verhaltensweisen hinzunehmen hat.
Der Schutz, den Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG insoweit vermittelt, hängt nicht davon ab, daß die Aussagen über eine Person unwahr sind. Er greift vielmehr auch, wenn die Aussagen wahr sind und deshalb zum Anknüpfungspunkt einer sozialen Ausgrenzung und Isolierung werden. Da der Schutz der Persönlichkeit die Aufrechterhaltung der Grundbedingungen sozialer Beziehungen zwischen dem Grundrechtsträger und seiner Umwelt zum Ziel hat (vgl. BVerfGE 54, 148 ≪153≫), ist er auch unabhängig davon, ob das Opfer selbst oder Dritte über die Tatsachen berichten.
Die Schutzwirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts scheiden auch nicht deswegen aus, weil die Nennung des Namens der Beschwerdeführerin, wie diese meint, die Rechte ihres Vaters von vornherein nicht berühren könne. Der Persönlichkeitsschutz greift nicht allein im Hinblick auf die Aussageinhalte einer Behauptung, sondern auch im Hinblick auf die Folgen ein, die die Behauptung als Information anderer hat. Daher kommt es auf die Information und auf die Identifizierungschancen an, die die Äußerungsadressaten erhalten. Die Möglichkeit, daß eine Behauptung auf eine bestimmte Person bezogen werden kann und daß diese den Folgen ausgesetzt wird, vor denen das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht Schutz gewährt, besteht daher nicht nur, wenn deren Name genannt wird, sondern auch wenn andere Angaben ihre Identifizierung ermöglichen.
Andererseits hängt das Gewicht der Grundrechtsbeeinträchtigung von der Breitenwirkung der diskriminierenden Folgen ab. Diese kann je nach dem Bekanntheitsgrad des Betroffenen unterschiedlich ausfallen. Des weiteren muß berücksichtigt werden, ob die Wirkungen der Äußerung wegen der Häufigkeit des Namens begrenzt sind. Handelt es sich um einen weit verbreiteten Namen, treten die Wirkungen der Äußerung nur bei denjenigen Personen ein, die den Sprecher und seine Familie kennen und daher von dessen öffentlichem Auftritt unter eigenem Namen auf die Person des Täters schließen können. Bei einem Fernsehauftritt mindert sich die Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Namensnennung weiter, weil in diesem Fall der Schluß auch ohne Nennung des Namens möglich ist.
d) Diese grundrechtlich zu beachtenden Gesichtspunkte sind in die Abwägung des Oberlandesgerichts nicht ausreichend eingeflossen.
Zwar hat das Oberlandesgericht in Übereinstimmung mit der zivilrechtlichen Rechtsprechung der Äußerung der Beschwerdeführerin eine Prangerwirkung für den Kläger des Ausgangsverfahrens beigemessen, die schwerwiegende Folgen für seine Persönlichkeitsentfaltung habe und deswegen nur hingenommen werden müsse, wenn auf der anderen Seite gewichtige Gründe für die Veröffentlichung der Behauptung in einer Form sprächen, die seine Identifizierung erlauben. Dagegen ist von Verfassungs wegen nichts einzuwenden.
Das Oberlandesgericht hat jedoch die für eine Veröffentlichung unter Namensnennung sprechenden Gründe nicht ausreichend gewürdigt. Seine Entscheidung weckt Zweifel, ob es sich des Umstands, daß die Nennung des Namens der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihrer Äußerung unter den Schutz der Meinungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fällt, bewußt war. Jedenfalls sind die von diesen Grundrechten geschützten Belange der Beschwerdeführerin in die Abwägung nicht genügend eingegangen. Das Gericht hat sie lediglich mit der Anmerkung gestreift, eine Anprangerung des Klägers des Ausgangsverfahrens lasse sich nicht damit rechtfertigen, daß die Beschwerdeführerin als Opfer vermeintliche allgemeine Informationsinteressen über den Mißbrauch von Kindern in der Gesellschaft wahrnehme, weil es dafür der Namensnennung regelmäßig nicht bedürfe.
Dabei fehlt es insbesondere an einer den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 GG Rechnung tragenden Berücksichtigung der Funktionen, die der Nennung des eigenen Namens im Zusammenhang mit Äußerungen des Namenstragers zukommen können und aufgrund derer der Name nicht ohne weiteres verzichtbar oder austauschbar ist. So hat das Gericht keine Überlegungen zu der – auch unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsrechts relevanten – Frage angestellt, ob und inwieweit die Beschwerdeführerin die Mißbrauchserfahrungen durch eine Darstellung in der Öffentlichkeit als eigene Erlebnisse und gerade unter eigenem Namen verarbeiten will.
Ferner hat es nicht erörtert, inwieweit es auf die Beifügung des Namens ankommt, damit die Äußerungen über den Mißbrauch sowohl für die Beschwerdeführerin als auch für die Äußerungsempfänger den Charakter einer authentischen Mitteilung erhalten. Es hat nicht erwogen, ob die Namensnennung in der gegebenen Konstellation erforderlich ist, damit die Äußerungsinhalte den Empfängern in der gewünschten Weise vermittelt werden und diese Gelegenheit erhalten, mit der Beschwerdeführerin Verbindung aufzunehmen. Auch ist der im Rahmen der öffentlichen Meinungsbildung relevante Gesichtspunkt außer acht geblieben, daß eine Personifizierung der Erfahrung eines sexuellen Mißbrauchs helfen kann, gesellschaftlicher Tabuisierung entgegenzuwirken und andere Betroffene zu eigenen Äußerungen und Handlungen zu ermutigen.
Da das Oberlandesgericht die nach Maßgabe der Meinungsfreiheit und des Persönlichkeitsrechts bedeutsamen Belange unzureichend konkretisiert hat, fehlt es auch an der erforderlichen Gewichtung. Das Gericht hat sich nicht damit auseinandergesetzt, daß die Nennung des eigenen Namens im Zusammenhang mit einer eigenen Äußerung zum persönlichkeitsnahen Bereich der Meinungsäußerungsfreiheit zählt und eine Unterlassungsverpflichtung deshalb eine besonders intensive Beeinträchtigung bedeutet. Es hat auch nicht berücksichtigt, daß der sexuelle Mißbrauch von Kindern eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage ist, so daß das Interesse der Gesellschaft, aus der Opferperspektive über Taten und ihre Folgen informiert zu werden, das Gewicht der Meinungsfreiheit verstärkt.
Andererseits hat sich das Gericht, was die Schwere der Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Belange des Klägers des Ausgangsverfahrens angeht, nicht mit der Frage auseinandergesetzt, wie groß die Identifizierungsgefahr aufgrund des Namens im konkreten Fall ist, in welchem Umfang ihn die Folgen einer Identifizierung treffen und ob er Möglichkeiten hat, sich diesen zu entziehen.
e) Die angegriffene Entscheidung beruht auf diesen Mängeln. Das Oberlandesgericht hat dem Schutz des Klägers des Ausgangsverfahrens vor sozialer Stigmatisierung den Vorrang gegeben, weil es auf der Basis einer unzureichenden Ermittlung der geschützten Belange der Beschwerdeführerin deren Grundrechtspositionen nicht genügend berücksichtigt hat. Es ist daher nicht auszuschließen, daß das Gericht bei Beachtung der grundrechtlichen Anforderungen eine für die Beschwerdeführerin günstigere Entscheidung trifft.
Unterschriften
Papier, Grimm, Kühling, Seibert, Jaeger, Haas, Hömig, Steiner
Fundstellen
Haufe-Index 1134542 |
BVerfGE, 391 |
NJW 1998, 2889 |
EuGRZ 1998, 532 |
ZAP 1998, 592 |
AfP 1998, 386 |
DuD 1998, 726 |
JZ 1998, 1114 |
Streit 1999, 16 |
ZUM 1998, 561 |