Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung für nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 2 1. Halbsatz Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954).
I.
1. Die Beschwerdeführer sind miteinander verheiratet und beziehen seit dem 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 bewilligte ihnen der zuständige Grundsicherungsträger Leistungen in Höhe von insgesamt 814,95 Euro monatlich, die sich aus einer Regelleistung von jeweils 311 Euro und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 192,95 Euro zusammensetzten. Ihre Klage, mit der sie zuletzt um insgesamt monatlich 564,30 Euro (90% von 627 Euro) höhere Leistungen geltend machten, blieb vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht erfolglos. Die Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundessozialgericht als unbegründet zurück, da höchstrichterlich geklärt sei, dass gegen die Festlegung der Regelleistung von 345 Euro und 311 Euro keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer sinngemäß unmittelbar gegen die Entscheidungen des Grundsicherungsträgers und die sozialgerichtlichen Entscheidungen sowie mittelbar gegen die gesetzlichen Regelungen des § 20 Abs. 2 1. Halbsatz und Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F.. Sie rügen eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und meinen, sowohl die Regelleistung von 345 Euro nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz SGB II a.F. als auch die Regelleistung von 311 Euro nach § 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. seien zu niedrig bemessen worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht mehr vorliegen.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG mehr zu. Sie wirft keine verfassungsrechtlichen Fragen auf, die sich nicht ohne Weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen oder die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 f.≫). Durch das Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u.a. –, www.bverfg.de, sind alle verfassungsrechtlichen Fragen der Bemessung der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz und Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. geklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat die betreffenden Vorschriften für unvereinbar mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erklärt, jedoch ihre weitere Anwendbarkeit bis zur einer Neuregelung durch den Gesetzgeber angeordnet.
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Unvereinbarkeit von § 20 Abs. 2 1. Halbsatz und Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits mit Gesetzkraft (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG) festgestellt. Für eine nochmalige entsprechende Entscheidung besteht kein Raum und kein Bedürfnis. Da die genannten Vorschriften weiterhin anwendbar sind und der Gesetzgeber nach den Ausführungen in den Urteilsgründen nicht zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet ist, steht darüber hinaus fest, dass es bei den im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund von § 20 Abs. 2 1. Halbsatz, Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. festgesetzten Regelleistungen bleiben wird und die Beschwerdeführer mit ihrem Begehren auf Gewährung höherer Leistungen nicht durchdringen können. Eine Aufhebung der mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen kommt nicht in Betracht. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde ohne Aussicht auf Erfolg.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht auch im Hinblick auf die durch eine Anordnung des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 9. Februar 2010 geschaffene Härtefallregelung. Es kann dahinstehen, ob Leistungen wegen eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs, der zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwingend zu decken ist, vom Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens umfasst waren (vgl. dazu Luik, jurisPR-SozR 4/2010 Anm. 1, Ziffer 5 letzter Absatz, einerseits und BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 – B 14 AS 44/08 R –, www.sozialgerichtsbarkeit.de, Rn. 12 m.w.N., andererseits) und ob die Beschwerdeführer einen entsprechenden Bedarf geltend machen können. Den Beschwerdeführern steht in jedem Fall ein Anspruch auf solche Leistungen nicht zu, weil es in dem und für den im sozialgerichtlichen Verfahren allein streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 an einer einfachgesetzlichen Anspruchsgrundlage fehlt, die nicht nur nach § 31 SGB I, sondern auch aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlich ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u.a. –, www.bverfg.de, Rn. 136 f.). Die im Urteil vom 9. Februar 2010 durch eine Anordnung des Bundesverfassungsgerichts geschaffene Regelung ersetzt zwar für die Zeit bis zur Schaffung einer entsprechenden Härtefallregelung durch den Gesetzgeber im Sinne einer Übergangsregelung die an sich notwendige einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage. Sie gilt jedoch, wie sich aus den nach dem Urteilstenor insoweit maßgeblichen Urteilsgründen ergibt, nur für die Zeit ab der Verkündung des Urteils und damit nicht für Leistungszeiträume vor dem 9. Februar 2010 (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 u.a. –, www.bverfg.de, Rn. 220). Eine rückwirkende Geltung der Übergangsregelung hätte das Bundesverfassungsgericht ebenso wie eine entsprechende Pflicht des Gesetzgebers, auch für zurückliegende Leistungszeiträume eine Öffnungsklausel zu schaffen, ausdrücklich anordnen müssen. Dies hat es jedoch nicht getan. Ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger nach § 73 SGB XII war offensichtlich nicht Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens, da eine Beiladung des Sozialhilfeträgers unterblieben ist, das Bundessozialgericht dies nicht als Verfahrensfehler beanstandet hat und die Beschwerdeführer insoweit keinen Verfassungsverstoß geltend machen.
3. Die auf § 34a Abs. 3 BVerfGG beruhende Anordnung, dass den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen zu erstatten sind, entspricht der Billigkeit. Eine Annahme zur Entscheidung hatte trotz der ursprünglich gegebenen grundsätzlichen Bedeutung allein wegen der zwischenzeitlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu unterbleiben. Ohne diese Entscheidung hätte die Verfassungsbeschwerde auch in der Sache teilweise Aussicht auf Erfolg gehabt.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Bryde, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 2316443 |
NWB 2010, 1129 |
FamRZ 2010, 716 |
NVwZ 2010, 6 |
ZAP 2010, 363 |
DÖV 2010, 525 |
NJ 2010, 263 |
SGb 2010, 343 |
ZfSH/SGB 2010, 197 |
ZfSH/SGB 2010, 349 |
AUR 2010, 227 |
DVBl. 2010, 149 |
GV/RP 2010, 327 |
KomVerw/LSA 2010, 260 |
NWB direkt 2010, 351 |
FSt 2010, 648 |
FuBW 2010, 469 |
KomVerw/B 2010, 271 |
KomVerw/MV 2010, 272 |
KomVerw/S 2010, 269 |
KomVerw/T 2010, 272 |