Entscheidungsstichwort (Thema)
Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Verfassungsmäßigkeit der BFH-Rechtsprechung zum Mietkaufmodell
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verfassungsbeschwerde ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der nur zulässig ist, wenn die gerügte Grundrechtsverletzung auf andere Weise nicht hätte beseitigt werden können. Danach ist eine Verfassungsbeschwerde in der Regel unzulässig, wenn der BFH die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig verwirft, denn in diesen Fällen hat der Beschwerdeführer nicht von einem gegen die Entscheidung des Finanzgerichts zulässigen Rechtsmittel ordnungsgemäß Gebrauch gemacht.
2. Es ist nicht Aufgabe des BVerfG, die Auslegung unterverfassungsrechtlicher Gesetze und ihre Anwendung im konkreten Fall auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Das BVerfG hat daher nicht zu entscheiden, ob die Auslegung und Anwendung der einkommensteuerrechtlichen Vorschriften im vorliegenden Fall vom Standpunkt des Steuerrechts richtig ist.
3. Die Auslegung der §§ 2, 21 EStG dahingehend, daß nur Erwerbshandlungen besteuert werden, die darauf gerichtet sind, auf Dauer gesehen wirtschaftliche Vorteile und damit positive Einkünfte zu erzielen, bedeutet keine verfassungswidrige Ausweitung eines gesetzlichen Steuertatbestandes. Der in § 2 EStG normierte Einkommensbegriff ist ein eigenständiger steuerrechtlicher Tatbestand, der auslegungsfähig ist und eine entsprechende Interpretation zuläßt. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte zum Mietkaufmodell verstößt daher nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Normenkette
BVerfGG § 90 Abs. 2 S. 1; EStG §§ 2, 21
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 03.11.1989; Aktenzeichen IX B 15/89) |
Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 15.11.1988; Aktenzeichen III 1001/88) |
Gründe
1. a) Soweit der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs eingelegt hat, ist sie unzulässig, weil sie nicht substantiiert ist. Nach § 92 BVerfGG muß ein Beschwerdeführer hinreichend deutlich die Möglichkeit einer Verletzung seiner Grundrechte vortragen. Der Bundesfinanzhof hat die Nichtzulassungsbeschwerden des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde aus rein prozessualen Gründen den Beschwerdeführer in senen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt.
b) Die Verfassungsbeschwerde ist auch im übrigen unzulässig, denn ihr steht der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarit, der Verfassungsbeschwerde entgegen. Danach muß ein Beschwerdeführer die Beseitigung des Hoheitsaktes, dessen Grundrechtsverletzung er geltend macht, zunächst mit den ihm durch das Gesetz zur Verfügung gestellten anderen Rechtsbehelfen zu erreichen suchen (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 22, 287 ≪290 f.≫; 73, 322 ≪325≫). Die Verfassungsbeschwerde ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf, der nur zulässig ist, wenn die gerügte Grundrechtsverletzung auf andere Weise nicht hätte beseitigt werden können.
Danach ist eine Verfassungsbeschwerde in der Regel unzulässig, wenn der Bundesfinanzhof die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig verwirft, denn in diesen Fällen hat der Beschwerdeführer nicht von einem gegen die Entscheidung des Finanzgerichts zulässigen Rechtsmittel ordnungsgemäß Gebrauch gemacht (vgl. bereits BVerfGE 1, 13 ≪14≫).
Die Nichtzulassungsbeschwerden sind vom Bundesfinanzhof als unzulässig verworfen. Damit hat die Beschwerdeführer nicht alle Möglichkeiten genutzt, die von ihm gerügten Grundrechtsverletzungen auf andere Weise zu beseitigen. Hätte der Beschwerdeführer die Nichtzulassungsbeschwerde prozessual ordnungsgemäß erhoben, hätte die Möglichkeit der Beseitigung der gerügten Grundrechtsverletzungen bestanden. Der Bundesfinanzhof hätte sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers sachlich auseinandersetzen müssen.
2. Die Verfassungsbeschwerde hätte im übrigen auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Beschwerdeführer rügt im wesentlichen, daß die Entscheidungen der Finanzgerichte nicht gesetzmäßig seien. Damit rügen sie die fehlerhafte Auslegung und Anwendung steuerrechtlicher Normen. Auslegung und Anwendung von Gesetzesvorschriften durch ein Gericht können vom Bundesverfassungsgericht jedoch nur in engen Grenzen nachgeprüft werden. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, die Auslegung unterverfassungsrechtlicher Gesetze und ihre Anwendung im konkreten Fall auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. BVerfGE 13, 85 ≪92≫; 19, 166 ≪175≫). Das Bundesverfassungsgericht hat daher nicht zu entscheiden, ob die Auslegung und Anwendung der einkommensteuerrechtlichen Vorschriften im vorliegenden Fall vom Standpunkt des Steuerrechts richtig ist.
Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Rechtsweggarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unbegründet. Art. 19 Abs. 4 GG eröffnet jedem, der durch die öffentliche Gewalt verletzt wird, den Rechtsweg. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt den Schutz durch den Richter, nicht gegen den Richter (BVerfGE 15, 275 ≪280≫). Daß dem Beschwerdeführer durch die angegriffenen Entscheidungen die Möglichkeit genommen worden ist, angemessenen Rechtsschutz zu erlangen, ist nicht erkennbar.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung sei nicht gewahrt, käme lediglich ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Betracht. Die Verfassungsbeschwerde hätte auch insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung. Die Auslegung der §§ 2, 21 EStG dahingehend, daß nur Erwerbshandlungen besteuert werden, die darauf gerichtet sind, auf Dauer gesehen wirtschaftliche Vorteile und damit positive Einkünfte zu erzielen, bedeutet keine verfassungswidrige Ausweitung eines gesetzlichen Steuertatbestandes. Der in § 2 EStG normierte Einkommensbegriff ist ein eigenständiger steuerrechtlicher Tatbestand, der auslegungsfähig ist und eine entsprechende Interpretation zuläßt. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte zum Mietkaufmodell verstößt daher nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (vgl. zur sogenannten Liebhaberei auch den Beschluß der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. November 1986 – 1 BvR 330/86 –, HFR 1988, S. 34).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen