Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. September 2002 – BVerwG 5 C 15.01 – verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde notwendigen Auslagen zu erstatten.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verweigerung weiterer Ausbildungsförderung nach einem Fachrichtungswechsel.
I.
1. § 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (BAföG) vom 26. August 1971 (BGBl I S. 1409) regelt, ob ein Auszubildender, der eine förderungsfähige Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt hat, für eine andere Ausbildung Leistungen der Ausbildungsförderung erhält.
a) In ihrer ursprünglichen Fassung verlangte die Vorschrift nur, dass für den Abbruch oder Fachrichtungswechsel ein wichtiger Grund bestand. Ob ein solcher Grund vorlag, sollte sich nach einer Abwägung der beiderseitigen Belange bestimmen. Dabei war als allgemeines Interesse zu berücksichtigen, dass öffentliche Mittel nur für eine sinnvoll geplante und zielstrebig durchgeführte Ausbildung eingesetzt werden sollen (vgl. BVerwGE 50, 161, ≪164≫; Tz. 7.3.7 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum BAföG [BAföGVwV]).
Als förderungsunschädlich galt grundsätzlich der Wechsel von einem so genannten Parkstudium in ein Wunschstudium, in dem ein Student nicht sofort einen Platz erhalten hatte (vgl. BVerwG, FamRZ 1986, S. 397 ≪398≫; Tz. 7.3.12 f. BAföGVwV). Hier war bei der Abwägung der Interessen relevant, wie lange das Parkstudium dauerte (vgl. BVerwGE 82, 163 ≪166≫; OVG NRW, FamRZ 1979, S. 751 f.; speziell für den Wechsel zur Medizin vgl. BVerwG, Buchholz 436.36 § 7 Nr. 93). Nach der Rechtsprechung waren hierbei grundsätzlich alle Semester abzuziehen, die auf die andere Ausbildung angerechnet werden konnten und deren Dauer verkürzten (vgl. BVerwG, FamRZ 1990, S. 327 ≪328≫).
b) Durch das Achtzehnte Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (18. BAföGÄndG) vom 17. Juli 1996 (BGBl I S. 1006) wurde das BAföG erheblich geändert.
aa) Dies betraf auch § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG. Die Neufassung dieser Vorschrift, die dem Ausgangsverfahren zu Grunde liegt, lautete:
§ 7.
Erstausbildung, weitere Ausbildung.
(1) bis (2) …
(3) Hat der Auszubildende
- erstmals und aus wichtigem Grund oder
- aus unabweisbarem Grund
die Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt, so wird Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung geleistet; bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen gilt Nummer 1 nur bis zum Beginn des dritten Fachsemesters…
Zu dieser Fassung des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG (im Folgenden: § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F.) ist in der Gesetzesbegründung ausgeführt, sie sei erforderlich geworden, um einen sinnvollen Einsatz der begrenzten Fördermittel zu sichern. Die Rechtsprechung habe eine Förderungsfähigkeit der anderen Ausbildung nach Fachrichtungswechsel sehr weitgehend ausgelegt, nämlich bis zum Wechsel vor dem vierten Fachsemester. Es sei jedoch Auszubildenden möglich und zumutbar, sich binnen eines Jahres darüber klar zu werden, ob eine bestimmte Fachrichtung ihren Neigungen und ihrem Leistungsvermögen entspreche. Deshalb werde in Zukunft Ausbildungsförderung bei einem Abbruch oder einem Fachrichtungswechsel nach Beginn des dritten Fachsemesters nur noch geleistet, wenn unabweisbare Gründe dafür bestanden hätten (vgl. BTDrucks 13/4246, S. 13 f., 15 f.).
bb) Auch die Art der Förderung nach einem Wechsel aus wichtigem Grund wurde durch das 18. BAföGÄndG neu geregelt. Zwar wird auch das andere Studium an einer Hochschule zunächst je zur Hälfte durch einen Zuschuss und ein unverzinsliches öffentliches Darlehen gefördert (§ 17 Abs. 2 BAföG). Von der Förderungshöchstdauer wird jedoch die in der nicht beendeten Ausbildung verbrachte Zeit abgezogen. Danach erhält der Student nur noch ein verzinsliches Bankdarlehen (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 18 c Abs. 1 BAföG).
c) Als Folge späterer Änderungen sieht § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG nunmehr vor, dass die Förderung einer anderen Ausbildung möglich ist, wenn der Wechsel der Fachrichtung zum Beginn des vierten Fachsemesters erfolgt.
d) Im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung (Ausbildungsförderungsreformgesetz – AföRG) vom 19. März 2001 (BGBl I S. 390) schlug der Bundesrat vor, § 7 Abs. 3 BAföG so zu ändern, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen des Satzes 1 auch zu berücksichtigen sei, ob und in welchem Umfang Semester auf die andere Ausbildung angerechnet werden könnten. Durch die vorausgegangenen Änderungen dieser Vorschrift sei ein Zustand erheblicher Ungleichbehandlung entstanden. Nunmehr könne ein Student bis zum dritten oder vierten Fachsemester mehrfach und ohne Anrechnung von Semestern aus wichtigem Grund wechseln, ohne den Förderungsanspruch zu verlieren. Wechselte ein Auszubildender dagegen die Fachrichtung zum Beispiel nach vier Semestern, verliere er den Förderungsanspruch völlig, selbst wenn drei Semester auf die neue Ausbildung angerechnet würden (vgl. BTDrucks 14/4731, S. 48). Die Bundesregierung widersprach diesem Vorschlag. Nach ihrer Auffassung sollte ein Fachrichtungswechsel nur dann förderungsunschädlich sein, wenn er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vollzogen sei. In dem überschaubaren Zeitraum von drei Semestern bestehe auch aus fiskalischen Erwägungen keine Notwendigkeit, das Vorliegen anrechenbarer Studienleistungen besonders zu honorieren. Anhaltspunkte für eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung seien nicht ersichtlich (vgl. BTDrucks 14/4731, S. 50 f.). Der Änderungsvorschlag des Bundesrates wurde nicht weiterverfolgt.
2. Auszubildende, deren Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähig ist, erhalten grundsätzlich keine anderweitigen Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums (§ 26 Abs. 1 des früheren Bundessozialhilfegesetzes [BSHG]; vgl. jetzt § 7 Abs. 5 SGB II und § 22 Abs. 1 SGB XII). Diesen Ausschluss der Sozialhilfe hat das Bundesverwaltungsgericht für verfassungsgemäß gehalten (vgl. BVerwG, ZfSH/SGB 1994, S. 528 ≪530≫; vgl. zum Wohngeldrecht BVerfGE 96, 315).
3. Nach § 12 Abs. 1 und 2 der Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) vom 28. Oktober 1970 (BGBl I S. 1458) in der zur Zeit des Ausgangsverfahrens geltenden Fassung des Gesetzes vom 21. August 1995 (BGBl I S. 1050) werden auf das Studium der Humanmedizin unter anderem Zeiten und Prüfungen aus verwandten Studiengängen angerechnet, soweit Gleichwertigkeit gegeben ist.
Entscheidungsgründe
II.
1. a) Der Beschwerdeführer studierte ab dem Wintersemester 1996/1997 vier Semester Zahnmedizin. Auf seinen Antrag hin wurden ihm Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gewährt. Bereits während seines Studiums entschloss er sich, Humanmedizin zu studieren. Seine Bewerbungen um einen Studienplatz waren jedoch wegen der bestehenden Zulassungsbeschränkung erfolglos. Er beantragte regelmäßig, die in der Zahnmedizin erbrachten Leistungen auf ein Studium der Humanmedizin anzurechnen. Das nordrhein-westfälische Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmazie erkannte von August 1997 bis Juli 1998 in drei Bescheiden insgesamt sieben Kurse und zwei Fachsemester als erbracht an. Zum Wintersemester 1998/99 wurde der Beschwerdeführer zur Humanmedizin zugelassen. Auf der Grundlage der Anrechnungsbescheide wurde er in das dritte Fachsemester eingereiht.
b) Den Antrag des Beschwerdeführers auf weitere Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz lehnte das Förderungsamt mit der Begründung ab, er habe nach dem vierten Fachsemester gewechselt. Das von ihm angerufene Verwaltungsgericht schloss sich dieser Ansicht an und wies die Klage ab. Die Berufung des Beschwerdeführers hatte Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht verpflichtete durch Urteil vom 24. Oktober 2000 (DVBl 2001, S. 582) das Förderungsamt, Leistungen von Oktober 1998 bis September 1999 zu gewähren. Der Beschwerdeführer könne sich auf einen wichtigen Grund berufen. Sein Neigungswandel sei beachtlich. Dass er nach Erkennen des Wandels das Zahnmedizinstudium fortgeführt habe, sei unschädlich, denn es hätten die Voraussetzungen eines Parkstudiums vorgelegen. Seinem Anspruch stehe § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. nicht entgegen. Wegen der Anrechnung zweier Semester seines bisherigen Studiums habe er Anspruch darauf, so behandelt zu werden wie jene Studenten, die ohne Anrechnung von Vorleistungen bis zum Beginn des dritten Fachsemesters wechselten. Diese Auslegung sei nach Sinn und Zweck der Regelung und unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG geboten.
c) Im Revisionsverfahren schlug das Bundesverwaltungsgericht zunächst einen Vergleich vor, nach dem das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bestand gehabt hätte. Eine Einigung der Beteiligten scheiterte jedoch. Daraufhin hob das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Beschwerdeführers zurück (BVerwGE 117, 86). Die Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. durch das Oberverwaltungsgericht laufe dem Anliegen des Gesetzgebers zuwider, den förderungsunschädlichen Fachrichtungswechsel einzuschränken. Im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Reform und der Verbesserung der Ausbildungsförderung von 2001 sei der Vorschlag des Bundesrates, die Anrechnung erbrachter Leistungen zu ermöglichen, verworfen worden. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. verletze auch bei einer solchen, engen Auslegung nicht den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber habe in unbedenklicher Weise erreichen wollen, dass sich Studenten zügig über ihre Neigungen und Fähigkeiten klar würden und daraus die gebotenen Konsequenzen zögen. Zwar sei der vollständige Wegfall der Förderung ein schwerer Nachteil. Er sei jedoch nicht unverhältnismäßig. Dem Studenten könne das in der Regel ungewisse Warterisiko, in einem Studienfach mit Zulassungsbeschränkungen zugelassen zu werden, zugerechnet werden.
Es sei auch nicht zu berücksichtigen, dass – wie im Falle des Beschwerdeführers – Fachsemester auf das Wunschstudium angerechnet würden. Eine solche Anrechnung sei bei einer ex-ante-Betrachtung ungewiss. Sie berge die zu vermeidende Gefahr, dass Studenten trotz Neigungswandels in einem Parkstudium verblieben in der Hoffnung, dort auf ihr Wunschstudium anrechenbare Leistungen erbringen zu können. In dieser Lage könne ihnen jedoch die Exmatrikulation angesonnen werden, um die Förderungsfähigkeit des Wunschstudiums zu erhalten.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts rügt der Beschwerdeführer vor allem eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG.
3. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat namens der Bundesregierung Stellung genommen. Es hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Die Auslegung des § 7 Abs. 3 BAföG durch das Bundesverwaltungsgericht verletze nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Sie führe zwar zu einer Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber jenen Studenten, die ohne Anrechnung von Leistungen zum dritten Semester wechselten. Im vorliegenden Fall könne der Verlust an geförderten Fachsemestern wegen der Anrechnung sogar geringer sein als bei der anderen Gruppe. Es sei jedoch gerechtfertigt, dass nur die Gruppe die ohne Anrechnung bis zum dritten Fachsemester wechselt, eine weitere Förderung erhalte. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit, zu dem das Bundesausbildungsförderungsgesetz gehöre, müsse eine Differenzierung nur dem Willkürverbot genügen. Diese Anforderung sei hier erfüllt. Der Gesetzgeber habe mit der Einschränkung in § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. nicht nur eine Einsparung von Förderungsmitteln beabsichtigt. Er habe die Studierenden auch zu einer schnellen Entscheidung über den Verlauf ihres Studiums und zu einer stringenten Studienplanung bewegen wollen. Der Studienplatz in der zunächst gewählten Fachrichtung bleibe auch dann für einen längeren Zeitraum anderen Studenten vorenthalten, wenn später Studienleistungen angerechnet würden. Dies gelte gerade für Parkstudenten, die bereits durch die Förderung an sich privilegiert seien. Letztlich sei die Differenzierung aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt.
4. Das nordrhein-westfälische Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmazie Nordrhein-Westfalen hat mitgeteilt, für das Studium der Humanmedizin würden aus der Zahnmedizin Kurse in Physik und Chemie immer und in drei weiteren Fächern dann anerkannt, wenn sie in Nordrhein-Westfalen erbracht worden seien oder die Gleichwertigkeitsbescheinigung eines Hochschullehrers der Medizin vorgelegt werde. Für je zwei Kurse werde ein Fachsemester angerechnet. Diese Praxis bestehe auf Grund einer Absprache aller Länder „§-12-Ausschuss”) bundesweit. Damit sei jedoch kein Anspruch auf einen Studienplatz in Humanmedizin verbunden; der Bewerber müsse sich mit der Anrechnungsbescheinigung als Quereinsteiger um einen Platz in einem höheren Fachsemester bewerben.
III.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung sind gegeben.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits geklärt (vgl. BVerfGE 70, 230 ≪239 f.≫); 96, 330 ≪339 ff.≫; 99, 165 ≪177 ff.≫; 100, 195 ≪205≫). Dies gilt auch für die Möglichkeiten und Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung (vgl. BVerfGE 98, 1 ≪15 ff.≫; 100, 1 ≪44 ff.≫; 101, 312 ≪329≫).
2. Danach erweist sich die Verfassungsbeschwerde als begründet. Zwar sind Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts allein Sache der Fachgerichte. Jedoch kann das Bundesverfassungsgericht bei einer Verletzung spezifischen Verfassungsrechts durch die Gerichte eingreifen, die dann gegeben ist, wenn Grundrechte nicht beachtet oder nicht richtig angewendet werden (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 100, 214 ≪222≫). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. durch das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das Grundrecht ist daher vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Im Rahmen seines Gestaltungsauftrags ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei bei seiner Entscheidung, an welche tatsächlichen Verhältnisse er Rechtsfolgen anknüpft und wie er von Rechts wegen zu begünstigende Personengruppen definiert. Eine Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn durch Bildung einer rechtlich begünstigten Gruppe andere Personen von der Begünstigung ausgeschlossen werden und sich für diese Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtsfertigungsgrund finden lässt. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit unterliegt die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise zwar einer weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Aber auch hier muss die von ihm getroffene Regelung durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 99, 165, 177 f., ≪179≫).
b) Die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. benachteiligt in der Auslegung, die ihr das Bundesverwaltungsgericht gegeben hat, den Beschwerdeführer gegenüber jenen Studenten, die spätestens zum dritten Fachsemester in eine andere Fachrichtung wechselten und die gefördert wurden, obgleich sie mangels anrechenbarer Leistungen in dem neuen Studium in das erste Fachsemester eingereiht wurden. Die bei ihm vorgenommene Anrechnung von Fachsemestern aus dem bisherigen Studium auf das andere Studium wird bei dieser Auslegung nicht berücksichtigt.
c) Die dargestellte Benachteiligung des Beschwerdeführers wird nicht durch sachliche Gründe, jedenfalls nicht durch Gründe von einem solchen Gewicht getragen, dass es gerechtfertigt ist, ihn nach dem Wechsel der Fachrichtung vollständig von der öffentlichen Förderung auszuschließen.
aa) Der Gesetzgeber hatte § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. vor allem damit begründet, im Interesse eines sinnvollen Einsatzes der Fördermittel müsse der Auszubildende angehalten werden, sich vor Beginn des dritten Fachsemesters darüber klar zu werden, ob die Ausbildung in einer bestimmten Fachrichtung seinen Neigungen und seinem Leistungsvermögen entspricht (vgl. BTDrucks 13/4246, S. 13 f.). Diese Erwägung trägt die rechtliche Benachteiligung des Beschwerdeführers nicht. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat sich sein Neigungswandel bereits im ersten Fachsemester vollzogen (vgl. OVG NRW, DVBl 2001, S. 582 ≪583≫). Ein Wechsel in das Wunschstudium gelang ihm allein wegen der dort vorhandenen Zulassungsbeschränkung erst nach dem vierten Fachsemester. Auch zusätzliche öffentliche Mittel hätte der Beschwerdeführer, wäre er in seinem anderen Studium weiter gefördert worden, nicht in Anspruch genommen. Insgesamt, also einschließlich der Gewährung eines Bankdarlehens nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG, dauerte die Förderung der Vergleichsgruppen gleich lang. Ein Student, der ohne Anrechnung zum dritten Fachsemester wechselte, wurde für zwei Semester der Erstausbildung und für die Förderungshöchstdauer der anderen Ausbildung gefördert. Der Beschwerdeführer erhielt für vier Semester seines ersten Studiums Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz; dafür wäre aber nach § 15 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG die Förderungshöchstdauer des neuen Studiums wegen der Anrechnung um zwei Semester gekürzt worden. Selbst wenn der Beschwerdeführer aber insgesamt eine längere Förderung hätte erhalten können – was nicht der Fall war –, wäre dadurch der effektive Einsatz staatlicher Mittel nicht ernsthaft gefährdet worden. Wegen § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG umfasst die Regelförderung aus Zuschuss und öffentlichem Darlehen nur die Förderungshöchstdauer unter Kürzung um die Fachsemester der vorangegangenen, nicht abgeschlossenen Ausbildung. Allenfalls die restliche Förderung durch ein verzinsliches Bankdarlehen gemäß § 18 c BAföG hätte länger angedauert. Eine nennenswerte Belastung der für die Ausbildungsförderung verfügbaren Haushaltsmittel wäre damit aber nicht, auch nicht unter Berücksichtigung des § 18 c Abs. 10 BAföG, verbunden gewesen.
bb) Andere die in Frage stehende Ungleichbehandlung rechtfertigende sachliche Gründe von hinreichendem Gewicht sind nicht ersichtlich. Insbesondere besteht entgegen der Befürchtung des Bundesverwaltungsgerichts beim Studierenden in der Lage des Beschwerdeführers nicht die Gefahr, dass er das Parkstudium in der Hoffnung auf einen Wunschstudienplatz weiter betreibt, es aber abbricht, wenn sich der Wunsch nicht erfüllt. Auch bei einer ex-ante-Betrachtung war es für den Beschwerdeführer nicht ungewiss, dass und in welchem Maße seine bisherigen Leistungen auf das Wunschstudium angerechnet würden. Er konnte sich insoweit auf § 12 Abs. 1 und 2 ÄAppO und die bundesweit einheitliche Verwaltungspraxis der Landesprüfungsämter für Medizin verlassen. Ungewiss war allein, ob er einen Studienplatz in Humanmedizin erhalten würde. Das entsprechende Risiko trägt jedoch allein der Studierende und nicht die öffentliche Hand (vgl. Humborg, FamRZ 2003, S. 528 ≪529≫).
d) Eine verfassungsrechtliche Beanstandung des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. ist gleichwohl nicht veranlasst. Die Vorschrift ist einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend zugänglich, dass ein Student die Fachrichtung auch dann noch „bis zu Beginn des dritten Fachsemesters” wechselt, wenn er zwar mehr als zwei Semester in der bisherigen Fachrichtung studiert hat, unter Berücksichtigung der Anrechnung dieser Fachsemester aber die maßgebliche Zeitschwelle nicht überschreitet. Mit dem Wortlaut der Vorschrift ist eine Interpretation zwanglos vereinbar, die die Dauer der Erstausbildung um die Zahl der Fachsemester verkürzt, die in der anderen Ausbildung anerkannt werden. § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. bedarf nicht zwingend, um eine solche Auslegung ohne Verstoß gegen den Wortlaut zu ermöglichen, einer Ergänzung um den Satz – wie der Bundesrat vorgeschlagen hat (vgl. oben unter I 1 d) –, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine weitere Förderung in einem neuen Studium zu berücksichtigen ist, in welchem Umfang Semester auf die andere, neue Ausbildung angerechnet werden können. Eine solche Ergänzung der Vorschrift würde nur klarstellen, was bei verfassungsgemäßer Interpretation der Vorschrift ohnehin gilt.
Auch die Entstehungsgeschichte kann einer solchen Interpretation nicht entgegen gehalten werden. In dem hier maßgeblichen Gesetzgebungsverfahren, das dem 18. Änderungsgesetz von 1996 vorausgegangen ist, wurde die Förderung in einem anderen Studium zwar durch eine zeitliche Begrenzung der förderungsrechtlich „unschädlichen” Semesterzahl des bisherigen Studiums eingeschränkt. Nicht erörtert wurde jedoch die Frage, ob dies im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch für Fälle der vorliegenden Art zu gelten hat. Diese Frage ist erst im Zusammenhang mit dem 20. Änderungsgesetz von 2001 aufgeworfen und dort nicht abschließend beantwortet worden. Sinn und Zweck der in Frage stehenden gesetzlichen Regelung stehen einer verfassungskonformen Auslegung nicht entgegen. Die Ziele, die der Gesetzgeber mit der Regelung verfolgt hat (siehe oben unter I 1 b), werden durch sie – wie ausgeführt – nicht in Frage gestellt.
3. Nach § 95 Abs. 1 und 2 BVerfGG ist die Grundrechtsverletzung festzustellen, das angegriffene Urteil, das auf ihr beruht, aufzuheben und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Es ist nicht ausgeschlossen, das das Bundesverwaltungsgericht auf der Grundlage der hier zur Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. getroffenen Feststellungen die Revision gegen das den Beschwerdeführer günstige Berufungsurteil zurückweisen wird.
4. Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen