Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Studienleistungen bei Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund. Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund unter Anrechnung von Studienleistungen. Semesteranrechnung bei Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund
Leitsatz (amtlich)
Die Neufassung des § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG durch das 18. BAföG-Änderungsgesetz lässt einen Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund förderungsunschädlich nur (noch) “bis zum Beginn des dritten Fachsemesters” zu.
Diese Zeitschranke gilt mangels abweichender gesetzlicher Regelung auch im Falle einer Anrechnung von Semestern der alten Fachrichtung auf das Studium in der neuen Fachrichtung.
Normenkette
BAföG (F. 1996) 7 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 24.10.2000; Aktenzeichen 16 A 2971/00) |
VG Gelsenkirchen (Urteil vom 14.04.2000; Aktenzeichen 15 K 1898/99) |
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 2000 wird aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 14. April 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Der 1977 geborene Kläger begehrt nach einem Fachrichtungswechsel weitere Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Vom Wintersemester 1996/97 bis zum Sommersemester 1998 (vier Fachsemester) hat er Zahnmedizin an der Universität D…. studiert und in dieser Zeit Ausbildungsförderung erhalten. Zum Wintersemester 1998/99 ließ er sich an der Technischen Universität Dr. für den Studiengang Medizin einschreiben. Da das Landesprüfungsamt seine bisherigen Studienleistungen als zwei vorklinische Semester auf das Medizinstudium anrechnete, wurde er in das dritte Fachsemester eingestuft.
Mit Antrag vom 21. Oktober 1998 beantragte der Kläger weitere Förderung. Das Studentenwerk Dr. lehnte den Antrag mit der Begründung ab, es liege ein Fachrichtungswechsel vom Studiengang Zahnmedizin zum Studiengang Humanmedizin nach Ablauf von vier Semestern vor und es fehle dafür an einem unabweisbaren Grund im Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG (Bescheid vom 19. November 1998). Den Widerspruch des Klägers wies das Landesamt für Ausbildungsförderung Nordrhein-Westfalen zurück, nachdem der Kläger sich im November 1998 an der Universität Dr. exmatrikuliert hatte, um sein Studium im Studiengang Humanmedizin an der R….-Universität in B…. fortzusetzen (Widerspruchsbescheid vom 10. März 1999).
Die daraufhin zunächst gegen das Studentenwerk B.… erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung für sein Studium der Humanmedizin ab Oktober 1998. Ausbildungsförderung für eine andere Hochschulausbildung werde nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG nur geleistet, wenn der Auszubildende bis zum Beginn des dritten Fachsemesters die Ausbildung aus wichtigem Grund abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt habe. Dies gelte auch dann, wenn ein Wechsel von einem Park- zu einem Wunschstudium erfolge. Der Kläger habe erst zu Beginn des fünften Fachsemesters von dem Studiengang Zahnmedizin zu dem Studiengang Humanmedizin gewechselt.
Auf die Berufung des Klägers, der seit dem Wintersemester 1999/2000 sein Studium an der Universität D.… fortsetzte, hat das Oberverwaltungsgericht nach entsprechender Umstellung der Klage auf das dortige Studentenwerk dieses in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils verpflichtet, dem Kläger für den Bewilligungszeitraum 10/98 bis 9/99 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Bei dem Studium der Zahnmedizin und dem der Humanmedizin handele es sich um zwei verschiedene Studiengänge. Bei seinem Fachrichtungswechsel könne sich der Kläger nicht auf einen “unabweisbaren Grund” im Sinne des § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG berufen, doch sei der Fachrichtungswechsel aus “wichtigem Grund” (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG) erfolgt. Nach dem Vorbringen des Klägers habe ein Neigungswechsel vorgelegen; er habe gemerkt, dass das Zahnmedizinstudium nicht seine “wahre Erfüllung”, also nicht sein Wunschstudium sei, zumal “die Zahnmedizin ein sehr großes handwerkliches Vermögen” verlange. Ein solcher Neigungswechsel sei als wichtiger Grund anzuerkennen. Es gereiche dem Kläger nicht zum Nachteil, dass er den Fachrichtungswechsel erst zum Beginn des fünften Fachsemesters vollzogen habe. Er habe sich bereits zum Sommersemester 1997, zum Wintersemester 1997/98 und zum Sommersemester 1998 bei der ZVS um einen Studienplatz in Medizin beworben, aber jeweils einen Ablehnungsbescheid erhalten. Unter diesen Umständen sei es für einen Auszubildenden unschädlich, wenn er ein Studium “zweiter Wahl”& fortsetze und die zur Verfügung stehenden Bewerbungsmöglichkeiten für einen Fachrichtungswechsel nutze. Der Anspruch des Klägers auf Ausbildungsförderung scheitere auch nicht an § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG, wonach eine Förderung nur in Betracht komme, wenn der Fachrichtungswechsel ““ bis zum Beginn des dritten Fachsemesters” erfolge. Der Kläger habe den Fachrichtungswechsel zwar erst zum Beginn des fünften Fachsemesters vollzogen, ihm seien aber von seinem Zahnmedizinstudium zwei Fachsemester auf das Medizinstudium angerechnet worden, sodass er sogleich in das dritte Fachsemester Humanmedizin eingestuft worden sei. Deshalb habe er Anspruch darauf, ebenso behandelt zu werden wie diejenigen, die – ohne Anrechnung – bis zum dritten Fachsemester einen Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund vollzogen haben. Eine derartige Auslegung des Gesetzes sei nach dem Sinn und Zweck der Regelung und unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG geboten. Der Sinn der zeitlichen Höchstgrenze von zwei Semestern, innerhalb derer ein Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund förderungsunschädlich nur noch vollzogen werden könne, bestehe darin, beim Widerstreiten des privaten Interesses des Auszubildenden an der Durchführung einer neigungsgerechten Ausbildung und des öffentlichen Interesses an einem möglichst sparsamen Einsatz öffentlicher Mittel für die Gewährung von Ausbildungsförderung das öffentliche Interesse dann überwiegen zu lassen, wenn mehr als zwei Semester in dem bisherigen Studiengang verbracht worden seien, weil nur im Umfang von zwei Semestern ein letztlich nutzloser Einsatz von Ausbildungskapazitäten und Förderungsmitteln angesichts knapper öffentlicher Finanzressourcen hingenommen werden solle. Immer dann, wenn eine Anrechnung von Studienleistungen erfolge, finde aber insoweit eine Verschwendung öffentlicher Mittel überhaupt nicht statt. Würden nach einem Studium von vier Semestern zwei Fachsemester auf das neue Studium angerechnet, so befinde sich der Auszubildende in der gleichen Situation wie ein Auszubildender, der (aus wichtigem Grund) zu Beginn des dritten Fachsemesters – ohne Anrechnung von Studienleistungen – das Studium gewechselt habe; in beiden Fallgestaltungen seien faktisch nur zwei Semester verloren und in beiden Fällen ergebe sich bei gleichem Studiengang eine gleich lange Förderung.
Mit der Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG, der eine eindeutige Zeitschranke beinhalte.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Rechtsauffassung des Beklagten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beklagten, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Die Klageabweisung durch das Verwaltungsgericht ist rechtens, das Berufungsurteil ist mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht vereinbar und unter Zurückweisung der Berufung aufzuheben (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
Der Kläger hat nach § 7 Abs. 3 BAföG in der hier maßgeblichen Fassung des am 1. August 1996 in Kraft getretenen 18. BAföG-Änderungsgesetzes vom 17. Juli 1996 (BGBl I S. 1006) keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Ausbildungsförderung. Die Bestimmung lautet:
“Hat der Auszubildende
- erstmals und aus wichtigem Grund oder
aus unabweisbarem Grund
die Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt, so wird Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung geleistet; bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen gilt Nummer 1 nur bis zum Beginn des dritten Fachsemesters.
”
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht das Vorliegen eines “unabweisbaren Grundes” für den Fachrichtungswechsel des Klägers verneint, mit Blick auf den vom Kläger vorgetragenen “Neigungswandel” aber einen “wichtigen Grund” bejaht (vgl. dazu Urteile des Senats vom 12. Februar 1976 – BVerwG 5 C 86.74 – ≪BVerwGE 50, 161, 164≫; Urteil vom 9. Juni 1983 – BVerwG 5 C 8.80 – ≪BVerwGE 67, 235, 237, 243 f.≫). Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG (F. 1996) gilt die Förderungsgewährleistung bei einem Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund gemäß Nummer 1 aber “nur bis zum Beginn des dritten Fachsemesters”, so dass der Kläger, der sich erst nach Abschluss des vierten Fachsemesters und zu Beginn seines fünften Studiensemesters im Studiengang Humanmedizin immatrikuliert hat, nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung von der Ausbildungsförderung “für eine andere Ausbildung” ausgeschlossen ist.
Auf die Rechtsprechung des Senats zu § 7 Abs. 3 BAföG in früherer Fassung (Fassung vom 16. Juni 1986, BGBl I S. 897, bzw. vom 6. Juni 1983, BGBl I S. 645), welcher bei einem Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund die Leistung von Ausbildungsförderung “für eine andere Ausbildung” ohne die – erst durch das 18. BAföG-Änderungsgesetz eingeführte – zeitliche Begrenzung des Fachrichtungswechsels vorsah, kann der Kläger sich nach der Gesetzesänderung nicht mehr berufen. Nach dieser Rechtsprechung war ein Förderungsanspruch nach einem Fachrichtungswechsel erst dann ausgeschlossen, wenn ein vorangegangenes (Park-)Studium länger als vier Semester gedauert hatte (vgl. Urteil vom 22. Juni 1989 – BVerwG 5 C 42.88 – ≪BVerwGE 82, 163, 166≫); im Rahmen der Interessenabwägung bei der Prüfung der Voraussetzungen eines “wichtigen Grundes” war die Anrechenbarkeit von Studienleistungen aus einem Parkstudium auf das Wunschstudium zu berücksichtigen, wenn sich dadurch die Semesterzahl dieses Studiums verminderte (vgl. etwa Urteil vom 28. November 1985 – BVerwG 5 C 64.82 – ≪Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 50≫; Urteil vom 16. Mai 1990 – BVerwG 5 C 9.87 – ≪Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 93≫). Zweck der Gesetzesänderung war es ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes zum 18. BAföG-Änderungsgesetz, die als zu großzügig empfundene Rechtsprechung zur Förderung bei einem Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund einzuschränken (BTDrucks 13/4246, S. 13/14 unter c)):
“Einschränkungen der Förderung von Zweitstudien nach Fachrichtungswechsel sind vorgesehen. Sie sind erforderlich geworden, um einen sinnvollen Einsatz der begrenzten Förderungsmittel auch in Zukunft zu sichern: …
die Rechtsprechung hat zudem die Anforderungen für die Förderungsfähigkeit einer Ausbildung nach Fachrichtungswechsel sehr weit ausgelegt (Anerkennung bis zum vierten Fachsemester). … Es ist nach Auffassung der Bundesregierung Auszubildenden … möglich und auch zumutbar, sich binnen eines Jahres darüber klar zu werden, ob die Ausbildung in einer bestimmten Fachrichtung seinen Neigungen und seinem Leistungsvermögen entspricht.”…
Weiter heißt es dort (a.a.O. S. 15/16):
“Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings ein Fachrichtungswechsel sogar bis zum vierten Fachsemester anzuerkennen, wenn der Auszubildende zu einem früheren Zeitpunkt zu der Ausbildung an einer Hochschule oder anderen Ausbildungsstätte aus Kapazitätsgründen nicht zugelassen wurde und deshalb ein Alternativstudium durchführt.…
Durch die Neufassung des § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG wird die Förderung nach einem Abbruch der Ausbildung oder einem Wechsel der Fachrichtung eingeschränkt, um einen sinnvollen Einsatz der Fördermittel zu sichern. Zum einen ist in Zukunft nur ein einmaliger Ausbildungsabbruch oder Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund förderungsrechtlich anzuerkennen. Zum anderen wird insbesondere bei Studierenden eine andere Ausbildung grundsätzlich nur noch dann gefördert, wenn der Abbruch der Ausbildung oder der Wechsel der Fachrichtung vor Beginn des dritten Fachsemesters stattfinden. Hierdurch sollen die Auszubildenden angehalten werden, sich stärker als bisher über die Anforderungen der jeweiligen Berufsausbildung und -ausübung zu informieren.”
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe trotz der Realisierung des Fachrichtungswechsels erst nach Abschluss des vierten Fachsemesters im Parkstudium einen Anspruch auf weitere Ausbildungsförderung, weil ihm von seinem Studium der Zahnmedizin zwei Fachsemester auf das Medizinstudium angerechnet worden seien, läuft dem Anliegen des Gesetzgebers zuwider, den förderungsunschädlichen Fachrichtungswechsel einzuschränken.
Die weitere Gesetzesgeschichte bestätigt, dass die starre Zeitschranke “nur bis zum Beginn des dritten Fachsemesters” eine Berücksichtigung angerechneter Fachsemester nicht zulässt. Eine Ergänzung des § 7 Abs. 3 BAföG um einen die Anrechnung ermöglichenden weiteren Satz (“Hierbei ist zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang Semester auf die andere Ausbildung angerechnet werden können.”) ist vom Bundesrat mit dem Ziel einer Wiederherstellung des bis zum In-Kraft-Treten des 18. BAföG-Änderungsgesetzes geltenden Rechtszustandes für das Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung – Ausbildungsförderungsreformgesetz (AföRG) vom 19. März 2001 (BGBl I S. 390) vorgeschlagen worden (vgl. BRDrucks 585/00 vom 10. November 2000 mit ablehnender Gegenäußerung der Bundesregierung), nachdem das Bundesministerium für Bildung und Forschung die weitere Anwendung der bis zum In-Kraft-Treten des 18. BAföG-Änderungsgesetzes geltenden Anrechnungsregeln in den Verwaltungsvorschriften der BAföGVwV Tz. 7.3.8 für nicht möglich erklärt hatte und diese gestrichen worden waren; dieser Vorschlag des Bundesrates ist aber nicht Gesetz geworden.
Soweit das Berufungsgericht der Auffassung ist, die Berücksichtigung einer Semesteranrechnung sei auch ohne entsprechende Gesetzesänderung im Wege einer (verfassungskonformen) Auslegung des § 7 Abs. 3 BAföG im Lichte des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) möglich und geboten, kann dem nicht gefolgt werden. Ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Reduktion des Geltungsbereichs des Förderungsausschlusses als verfassungskonforme Auslegung rechtlich möglich wäre, kann hier dahingestellt bleiben; denn jedenfalls begegnet § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG in der hier maßgeblichen Fassung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG wegen des Fehlens einer Berücksichtigung von Semesteranrechnungen.
Art. 3 Abs. 1 GG ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. etwa BVerfGE 70, 230, 239 f. m.w.N.). Der Gesetzgeber war unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraumes, der ihm bei der Festlegung hochschul- und ausbildungsförderungsrechtlicher Differenzierungskriterien zuzubilligen ist, nicht zur Vermeidung eines Gleichheitsverstoßes gehalten, Studierende, die nach dem ersten oder zweiten Semester aus wichtigem Grund die Fachrichtung wechseln, und solche Studierende, die den Fachrichtungswechsel wegen hochschulrechtlicher Zulassungsbeschränkungen erst später vollziehen können und, statt sich zu exmatrikulieren, ihr bisheriges Studium bis auf Weiteres als Parkstudium fortgesetzt haben, nach erfolgtem Fachrichtungswechsel förderungsrechtlich gleich zu behandeln; dies gilt auch dann, wenn infolge von Semesteranrechnungen aus dem Parkstudium auf das Wunschstudium nicht mehr als zwei Studiensemester verlorengehen.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 3. Juli 1985 – 1 BvR 1428/82 – (BVerfGE 70, 230) unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes mit zulassungsrechtlichen Hindernissen gegenüber einem sofortigen Wechsel in das Wunschstudium befasst und eine Auslegung des Begriffs des wichtigen Grundes in § 7 Abs. 3 BAföG in der vor dem 18. BAföG-Änderungsgesetz geltenden Fassung für geboten gehalten, welche jedenfalls bei Studenten, “die bei einem Neigungswandel ihr Studium nach dem ersten Semester nicht sofort abbrechen, sondern diesen Abbruch um einige Monate verzögern, um abzuwarten, ob sie eine Zulassung zu dem von ihnen gewünschten Studium erhalten”, den Ausschluss von jeder weiteren Förderung vermeidet: “Angesichts dieses unverhältnismäßigen Ergebnisses, das auf dem Fehlen einer gesetzlichen Zwischenlösung beruht, ist der Richter gehalten, den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes durch eine weitergehende Differenzierung in der Auslegung des ‘wichtigen Grundes’ in § 7 Abs. 3 BAföG zu genügen” (a.a.O. S. 241).
Diese Entscheidung befasst sich zwar nicht mit Anrechnungsfragen, ist hier aber insofern von Bedeutung, als sie Erstsemestern, die nach einem Neigungswandel den Fachrichtungswechsel aus zulassungsrechtlichen Gründen nicht sofort vollziehen können, aus Gleichbehandlungsgründen im praktischen Ergebnis einen förderungsunschädlichen Aufschub der Exmatrikulation um ein Wartesemester gewährt. Wie lang die dem Studierenden zu gewährende Frist zum Abwarten der Zulassung im Wunschstudium bei einem höheren als dem ersten Semester reicht, hat das Bundesverfassungsgericht offen gelassen (a.a.O. S. 241). Die Zeitspanne von “einigen Monaten” Abwartens, deren Gewährung danach in verfassungskonformer Auslegung des Begriffes des “wichtigen Grundes” in § 7 Abs. 3 BAföG a.F. geboten war, deckt jedenfalls nicht ein sich über drei Semester hinziehendes Verweilen im Parkstudium. Zwar ist der vollständige Wegfall der Förderung bei einem Fachrichtungswechsel nach Beginn des dritten Fachsemesters ein Nachteil von erheblichem Gewicht, doch ist es generell nicht unverhältnismäßig, das in der Regel ungewisse “Warterisiko” der Zulassung in ein Zulassungsbeschränkungen unterliegendes Studienfach dem Studenten zuzurechnen und ihm zur Erhaltung der Förderungsfähigkeit des Wunschstudiums eine Exmatrikulation aus dem Parkstudiengang anzusinnen.
Auch der hier vorliegende Umstand, dass der Kläger die Wartezeit zielstrebig und erfolgreich dazu genutzt hat, im Parkstudium auf das Wunschstudium anrechenbare Leistungen zu erbringen, so dass sich für ihn unter Berücksichtigung der Anrechnung nicht mehr als zwei verlorene Semester ergeben, gebietet es nicht, ihn förderungsrechtlich Studenten gleichzustellen, die den Fachrichtungswechsel schon nach dem zweiten Fachsemester vollziehen konnten oder sich in Abwarten der Zulassungsentscheidung exmatrikuliert haben. Mit der zeitlichen Begrenzung des förderungsunschädlichen Fachrichtungswechsels will der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erreichen, dass Studierende sich zügig über ihre Neigungen und Fähigkeiten klar werden und daraus auch die gebotenen Konsequenzen ziehen. Der Möglichkeit, dass es – wie hier beim Kläger – nachträglich zu einer Anrechnung von Fachsemestern auf das Wunschstudium kommt, brauchte der Gesetzgeber nicht Rechnung zu tragen; er durfte berücksichtigen, dass die bei einer exante Betrachtung ungewisse Anrechnung von Studiensemestern unter dem Aspekt der Vermeidung eines nicht sinnvollen Einsatzes von Fördermitteln zu vermeidende Gefahr in sich birgt, dass Studenten trotz Neigungswandels in einem Parkstudium in der Hoffnung verweilen, dort auf ihr Wunschstudium anrechenbare Leistungen erbringen zu können. Stehen dem Wunschstudium Zulassungsbeschränkungen entgegen, die einen Fachrichtungswechsel auch nach einem Wartesemester ausschließen, kann dem Studierenden die Exmatrikulation angesonnen werden, um für das Wunschstudium die Förderungsfähigkeit zu erhalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
Haufe-Index 886249 |
NWB 2003, 1580 |
BVerwGE 2003, 86 |
FamRZ 2003, 526 |
NVwZ 2003, 611 |
ZAP 2003, 385 |
WissR 2003, 260 |
DVBl. 2003, 472 |
NWVBl. 2003, 264 |