Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 13.06.2007; Aktenzeichen 10 B 10457/07.OVG) |
VG Koblenz (Beschluss vom 25.04.2007; Aktenzeichen 6 L 258/07.KO) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes in einem richterrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren. Weil der Dienstherr die Urkunde an den ausgewählten Bewerber unmittelbar nach Zustellung der Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts ausgehändigt hat, rügt er insbesondere, dass ihm die Möglichkeit, Rechtsschutz beim Bundesverfassungsgericht zu beantragen, genommen worden sei.
1. Der Beschwerdeführer bewarb sich um die vom Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz ausgeschriebene Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz. Die Auswahl fiel jedoch auf einen Mitbewerber, auch der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb erfolglos und wurde letztinstanzlich durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Juni 2007 zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde den Beteiligten am 22. Juni 2007 per Telefax übermittelt; in unmittelbarem Anschluss hieran wurde dem Beigeladenen die Ernennungsurkunde ausgehändigt.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 33 Abs. 2 GG.
Er ist der Auffassung, durch die unmittelbar nach Zustellung der Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz erfolgte Aushändigung der Ernennungsurkunde habe ihm der Dienstherr die Möglichkeit genommen, effektiven Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Dies gelte insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass er bereits im Vorfeld angekündigt habe, im Ablehnungsfall Verfassungsbeschwerde erheben zu wollen, und einen entsprechenden Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht auch bereits angekündigt habe.
Auch in materieller Hinsicht müssten die Auswahlentscheidung des Justizministers sowie die diese bestätigenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte als verfassungswidrig beurteilt werden. Bereits das Anforderungsprofil für die ausgeschriebene Stelle sei unzutreffend festgelegt worden, weil entgegen der bisherigen Übung des Landes auf Fachkenntnisse und Vorerfahrung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit verzichtet worden sei. Angesichts der Tatsache, dass der Präsident des Oberlandesgerichts auch als Spruchrichter tätig werde, erweise sich dies jedoch als fehlerhaft. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts habe das Ministerium auch auf eine Berücksichtigung der vorangegangenen Beurteilungen verzichtet. Eine Einbeziehung der Beurteilungsentwicklung ergebe jedoch einen deutlichen Vorsprung des Beschwerdeführers. Die Beurteilung des Beigeladenen erweise sich als fehlerhaft, weil zu ihrer Erstellung keine eigenen Beurteilungsgrundlagen eingeholt worden seien. Darüber hinaus seien die dienstlichen Beurteilungen nicht vergleichbar, weil sie einen unterschiedlichen Beurteilungszeitraum umfassten. Schließlich erweise sich auch die Auswahlentscheidung als fehlerbehaftet, weil die umfangreiche Erfahrung des Beschwerdeführers als Zivilrichter und die unterschiedliche Größe der von den Konkurrenten geleiteten Gerichte nicht angemessen berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus seien wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt worden, so dass in Zusammenschau mit dem Ablauf der Bewerbung des Beigeladenen davon ausgegangen werden müsse, dass der Justizminister bei seiner Auswahlentscheidung nicht unvoreingenommen gewesen sei und sich von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen. In den Medien seien angesichts dieser Ungereimtheiten politische Motive für die Auswahlentscheidung vermutet worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil ihr der Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht. Dem Beschwerdeführer steht die Möglichkeit zur Seite, zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten zu suchen, dessen Inanspruchnahme nicht offensichtlich aussichtslos erscheint.
1. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass aus Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG eine Verpflichtung des Dienstherrn folgt, vor Aushändigung der Ernennungsurkunde einen ausreichenden Zeitraum abzuwarten, um dem unterlegenen Mitbewerber die Möglichkeit zu geben, Eilantrag, Beschwerde oder Verfassungsbeschwerde zu erheben, wenn nur so die Möglichkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes besteht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juli 2007 – 2 BvR 206/07 –). Die trotz bereits angekündigter Absicht der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts unmittelbar nach Zustellung der Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts erfolgte Aushändigung der Ernennungsurkunde verletzt den Beschwerdeführer daher in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG.
2. Zur Verfolgung seiner Rechte steht dem Beschwerdeführer jedoch zunächst die Hauptsacheklage vor den Verwaltungsgerichten offen. Angesichts der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die in verschiedenen Konstellationen die Durchführung des Hauptsacheverfahrens trotz bereits erfolgter Ernennung eines Mitbewerbers für zulässig hält, kann die Durchführung des grundsätzlich vorgängigen Hauptsacheverfahrens der Fachgerichtsbarkeit nicht als offensichtlich aussichtslos bewertet werden. Dem Beschwerdeführer ist die Erschöpfung des Rechtswegs daher zuzumuten.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich der Bewerbungsverfahrensanspruch grundsätzlich nur vor Ernennung des ausgewählten Konkurrenten mittels einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sichern. Wird hingegen die im Streit stehende Stelle besetzt, bleibt dem unterlegenen Bewerber sowohl die erfolgreiche Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes als auch primärer Rechtsschutz in der Hauptsache grundsätzlich versagt. Der um eine Beförderungsauswahl geführte Rechtsstreit erledigt sich grundsätzlich mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle. Von diesen Grundsätzen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber dann eine Ausnahme zu machen, “wenn die Verwaltung durch ihr Verhalten rechtzeitigen vorläufigen Rechtsschutz verhindert oder sich über dessen erfolgreiche Inanspruchnahme hinweggesetzt hat” (vgl. BVerwGE 118, 370 ≪374 f.≫). Dem Dienstherrn dürfe keine Möglichkeit zukommen, den verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutz zu vereiteln. Für die Konstellationen, in denen der unterlegene Bewerber vom Ausgang der Stellenbesetzung erst nach der Ernennung des Mitbewerbers erfährt oder wenn sich der Dienstherr mit der Ernennung des Konkurrenten über eine einstweilige Anordnung des Gerichts hinweggesetzt hat, ist nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts daher die Verfolgung des Bewerbungsverfahrensanspruchs im Hauptsacheverfahren möglich.
Angesichts der sachlichen Übereinstimmung dieser Fallgestaltungen zu den Umständen des der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahrens, in dem die bereits angekündigte Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts durch die unmittelbar nach Zustellung erfolgte Aushändigung der Ernennungsurkunde vereitelt wurde, ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer sein Rechtsschutzziel im Wege des Hauptsacheverfahrens vor den Verwaltungsgerichten weiterverfolgen kann. Die grundsätzliche Aufgabenverteilung zwischen der Fachgerichtsbarkeit einerseits und dem Bundesverfassungsgericht andererseits gebietet daher, zunächst den Verwaltungsgerichten die Möglichkeit zu geben, effektiven Rechtsschutz zu gewähren und die Folgen des Verfassungsverstoßes in die Systematik des Verwaltungsprozessrechts und des Beamtenrechts einzufügen.
b) Dabei werden auch die materiellen Rügen des Beschwerdeführers – die nicht von vornherein als unbegründet bewertet werden können – einer vertieften Prüfung zugeführt werden müssen. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil der Rechtsmittelzug im Hauptsacheverfahren auch die Revision zum Bundesverwaltungsgericht vorsieht, und die vorgetragenen Verstöße gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts so einer fachgerichtlichen Klärung zugeführt werden können, bevor das Bundesverfassungsgericht hierzu Stellung nimmt. Durch den Verweis ins Hauptsacheverfahren wird dem Bundesverwaltungsgericht – dessen Anrufung im Eilrechtsschutz nicht möglich ist – überdies Gelegenheit gegeben, die nicht abschließend geklärte Frage der zulässigen Rechtsmittel zu klären. Hierzu besteht insbesondere in Anbetracht der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Notarsachen, der in Abgrenzung zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts am Grundsatz der Ämterstabilität festhält (vgl. BGHZ 165, 139), hinreichender Anlass.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (vgl. § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen