Verfahrensgang
AG Weiden i.d. OPf. (Beschluss vom 13.07.2011; Aktenzeichen 350 UR II 890/11) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG); ihre Annahme erscheint auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Zwar wird die Entscheidung des Amtsgerichts den Anforderungen an eine Sicherung der Rechtswahrnehmungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG nicht gerecht, doch wirkt sich dies nicht entscheidungserheblich aus.
1. Das Grundgesetz verbürgt in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und 3 GG den Anspruch auf grundsätzlich gleiche Chancen von Bemittelten und Unbemittelten bei der Durchsetzung ihrer Rechte auch im außergerichtlichen Bereich, somit im Hinblick auf die Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz (vgl. BVerfGE 122, 39 ≪48 ff.≫). Die Auslegung und Anwendung des Beratungshilfegesetzes obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Diese überschreiten den ihnen zustehenden Entscheidungsspielraum, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den die Rechtswahrnehmung für unbemittelte Rechtsuchende im Vergleich zu bemittelten Rechtsuchenden unverhältnismäßig eingeschränkt wird (vgl. BVerfGK 15, 438 ≪441≫; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. Mai 2011 – 1 BvR 3151/10 –, juris, Rn. 9; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2009 – 1 BvR 1517/08 –, juris, Rn. 25 ff.). Allerdings muss Beratungshilfe nicht zugesprochen werden, wenn ein Antrag voreilig gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Januar 2012 – 1 BvR 2852/11 –, juris, Rn. 11); dies ist der Fall, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ausnahmsweise ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung haben soll.
2. Ein Gericht verkennt in der Regel das Grundrecht auf Rechtsschutzgleichheit, wenn es für einen Widerspruch, nicht aber für einen Antrag auf Feststellung einer aufschiebenden Wirkung desselben Beratungshilfe bewilligt.
3. Vorliegend wirkt sich allerdings die Auslegung des § 7 BerHG durch das Amtsgericht nicht entscheidungserheblich aus.
Voraussetzung für eine Bewilligung von Beratungshilfe für den Antrag auf Feststellung oder Anordnung einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Auflage, 2010, Rn. 960; Schoreit/Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 10. Auflage, 2010, § 1 BerHG Rn. 110). An diesem fehlt es hier. Der von der Beschwerdeführerin eingelegte Widerspruch gegen den sie noch belastenden Erstattungsbescheid und gegen die Aufrechnung hat aufschiebende Wirkung. § 39 Nr. 1 SGB II ist hier unanwendbar (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012, § 86a Rn. 16b; Eicher, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, 2008, § 39 Rn. 12, 15). Deswegen ist der Beschwerdeführerin bereits mit dem Widerspruch gedient. Ein darüber hinaus gestellter Antrag auf Feststellung einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist ohne Vorliegen außergewöhnlicher Umstände überflüssig. Wer für einen solchen Antrag keine Beratungshilfe erhält, steht im Ergebnis nicht schlechter als bemittelte Rechtsuchende.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Schluckebier, Baer
Fundstellen