Entscheidungsstichwort (Thema)
Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde
Leitsatz (redaktionell)
1. Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde muß gem. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG der in der maßgeblichen Prozeßordnung vorgesehene Rechtsweg erschöpft sein. Eine Ausnahme hiervon ist ungerechtfertigt, wenn der tatsächliche Sachverhalt noch nicht ausreichend aufbereitet bzw. das fachgerichtliche Verfahren zumutbar ist.
2. Soweit die Nichtanwendbarkeit von EG-Recht in Deutschland behauptet wird (hier: Bananenmarktordnung), ist jedenfalls die Prüfungskompetenz der Fachgerichte eröffnet.
Normenkette
BVerfGG § 90 Abs. 2 S. 1; EWGV 404/93 Art. 16 Abs. 3, Art. 30; EGV 478/95
Gründe
Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde muß der Beschwerdeführer gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG den in der maßgeblichen Prozeßordnung vorgesehenen Rechtsweg erschöpfen. Er muß – gemäß dem allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde – zunächst die behauptete Grundrechtsverletzung im Interesse einer eingehenden Vorabprüfung der Beschwerdepunkte auch in allen weiteren fachgerichtlichen Verfahren geltend machen, die zur Beseitigung des Verfassungsverstoßes führen könnten. Ausnahmen vom Erfordernis, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG und auch alle sonstigen fachgerichtlichen Verfahren auszuschöpfen, sind eng zu begrenzen (vgl. BVerfGE 70, 180 ≪185 ff.≫ m.w.N.).
Eine solche Ausnahme liegt im Falle der Beschwerdeführerin nicht vor. Einerseits ist im vorliegenden Verfahren der tatsächliche Sachverhalt noch nicht ausreichend aufbereitet, andererseits erscheint es nicht unzumutbar, die Beschwerdeführerin jedenfalls für den einstweiligen Rechtsschutz auf das fachgerichtliche Verfahren zu verweisen.
Es ist auch nicht von vornherein auszuschließen, daß bei einem geeigneten Vortrag der Beschwerdeführerin der von dieser behauptete Konflikt zwischen der Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 und den Verpflichtungen der Bundesrepublik aus dem GATT im fachgerichtlichen Eilrechtschutzverfahren zugunsten eines – vorübergehenden – Nichtvollzugs der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 gelöst wird, da – möglicherweise – die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht als solchem dessen zeitweisem Nichtvollzug in einem oder mehreren Mitgliedstaaten nicht zwingend entgegensteht (vgl. dazu Vedder, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 234 Rn. 5). Insofern kann die Beschwerdeführerin vor den Fachgerichten ausreichenden Rechtsschutz erlangen, zumal diese sich erkennbar noch nicht mit der Verordnung (EG) Nr. 478/95 der Kommission vom 1. März 1995 und den dagegen erhobenen Einwänden auseinandergesetzt haben.
Soweit die Nichtanwendbarkeit von EG-Recht in Deutschland behauptet wird, ist jedenfalls die Prüfungskompetenz der Fachgerichte eröffnet. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchem Gesichtspunkt dem Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang ein Verwerfungsmonopol zukommen sollte.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 1503294 |
DVBl. 1995, 1232 |