Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. September 2010
Verfahrensgang
BVerwG (Beschluss vom 19.08.2008; Aktenzeichen 4 A 1001.08 (4 A 1025.06)) |
BVerwG (Beschluss vom 02.07.2008; Aktenzeichen 4 A 1025.06 (4 A 1010.04)) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die beiden Beschwerdeführer haben mit Erfolg Verfassungsbeschwerde gegen die Höhe der Entschädigung erhoben, die ihnen für die Übernahme ihres Grundstücks, das in einem für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld festgelegten Entschädigungsgebiet liegt, zugestanden wurde. Mit Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. Februar 2010 hob das Bundesverfassungsgericht den letztinstanzlichen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts wegen Verletzung des Eigentumsrechts der Beschwerdeführer auf (NVwZ 2010, S. 512) und verwies die Sache zurück an das Bundesverwaltungsgericht. Die Bundesrepublik Deutschland wurde verpflichtet, die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer zu tragen. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wurde auf 145.000 EUR festgesetzt.
Der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer beantragte im Kostenfestsetzungsverfahren auf Grundlage eines Gegenstandswerts von 145.000 EUR die Kosten für das anwaltliche Tätigwerden vor dem Bundesverfassungsgericht zu erstatten. Neben der – nicht in Streit stehenden – Verfahrensgebühr und Auslagenpauschale wurde die Festsetzung einer Erhöhungsgebühr mit einem Satz von 0,3 in Höhe von 475,50 EUR beantragt. Die Erhöhungsgebühr sei nach dem Gebührentatbestand der Nr. 1008 des Vergütungsverzeichnisses des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (nachfolgend: VV-RVG) zu berücksichtigen, da in dieser Sache mehrere Auftraggeber vorhanden gewesen seien und der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe gewesen sei. Letzteres sei der Fall, wenn mehrere Parteien ein einheitliches Recht in gemeinschaftlicher Trägerschaft geltend machten. So seien im Streitfall die beiden Beschwerdeführer durch den angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts in ihrer Eigentümerstellung an ein und derselben Sache verletzt worden. Das betroffene Grundstück stehe in gemeinschaftlicher Trägerschaft der Beschwerdeführer.
Die Rechtspflegerin wies in ihrem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. September 2010 den Antrag auf Festsetzung einer Erhöhungsgebühr zurück. Im Verfahren der Verfassungsbeschwerde bestimme die subjektive Beschwer der jeweiligen Beschwerdeführer den Gegenstand des Verfahrens. Es komme insoweit bei mehreren Beschwerdeführern nur eine Erhöhung des Gegenstandswerts, jedoch keine Festsetzung einer Erhöhungsgebühr in Betracht.
Gegen die teilweise Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags haben die Beschwerdeführer fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt und auf ihre bisherige Begründung verwiesen. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin erhobene sofortige Beschwerde ist nach § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 2 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthaft. In Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beruht die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen auf § 34a BVerfGG. Diese Regelung schließt es jedoch nicht aus, ergänzend Grundsätze des sonstigen Prozessrechts heranzuziehen, soweit dem nicht Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens entgegen stehen (vgl. BVerfGE 46, 321 ≪323≫; 50, 254 ≪255≫; 81, 387 ≪389≫, 89, 313 ≪314≫; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Juli 2008 – 2 BvR 274/03, 2 BvR 937/03 –, NJW 2008, S. 3207). Im Regelfall spricht nichts dagegen, die Grundsätze des § 91 ZPO entsprechend anzuwenden (vgl. BVerfGE 50, 254 ≪255≫; 89, 313 ≪314≫); eine schematische Anwendung der Regelungen der ZPO kommt indes nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 46, 321 ≪323≫).
Eine – nach § 22 BVerfGG vor dem Bundesverfassungsgericht zulässige – Vertretung durch einen Rechtsanwalt lässt dann eine Erhöhungsgebühr entstehen, wenn ein Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Beschwerdeführer tätig wird und wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist (Nr. 1008 VV-RVG).
Eine solche Identität des Gegenstands ist indes nicht gegeben, wenn Verfassungsbeschwerden mehrerer Auftraggeber sich gegen denselben Akt der öffentlichen Gewalt wenden. Der Gegenstand des Verfahrens wird durch die jeweilige subjektive verfassungsrechtliche Beschwer jedes einzelnen Beschwerdeführers bestimmt. Der über das subjektive Interesse jedes Beschwerdeführers hinausgehenden objektiven Bedeutung des Verfahrens wird in solchen Verfahren gegebenenfalls durch eine Erhöhung des Gegenstandswerts im Rahmen der Festsetzung nach § 37 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 1 RVG Rechnung getragen (vgl. BVerfGE 96, 251 ≪257 f.≫; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Juni 2000 – 1 BvR 1864/94 –, NJW-RR 2001, S. 139; Graßhof, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 34a Rn. 79 ≪April 2008≫). So liegt es im Streitfall. Die beiden Beschwerdeführer haben mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihres jeweiligen Eigentumsrechts an dem gemeinsamen Grundstück gerügt und damit unterschiedliche Verfahrensgegenstände begründet.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Kirchhof, Eichberger, Masing
Fundstellen
ZAP 2011, 238 |
AGS 2011, 428 |
RENOpraxis 2011, 130 |
RVGreport 2011, 59 |