Verfahrensgang
OLG Bamberg (Beschluss vom 21.08.2006; Aktenzeichen 4 U 310/05) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine – unter Mitwirkung der abgelehnten Richter ergangene – Entscheidung eines Oberlandesgerichts über die Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs als unzulässig.
1. Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist eine erbrechtliche Streitigkeit. Im Vorprozess wurde der Beschwerdeführer als Nachlassschuldner unter Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung rechtskräftig zur Zahlung von 80.000 Euro verurteilt. Im Ausgangsverfahren beantragte der Beschwerdeführer im Wege der Vollstreckungsgegenklage, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Vorprozesses in sein nicht zum Nachlass gehörendes Vermögen für unzulässig zu erklären. Das Landgericht gab der Vollstreckungsgegenklage des Beschwerdeführers im Wesentlichen statt. Nachdem der Beklagte Berufung eingelegt hatte, beantragte der Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe für den Berufungsrechtszug. Das Oberlandesgericht lehnte den Prozesskostenhilfeantrag entgegen § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO ab, weil die Entscheidung des Landgerichts offensichtlich fehlerhaft gewesen sei. Sodann ordnete das Oberlandesgericht die Durchführung einer Beweisaufnahme an. Einer Gegenvorstellung des Beschwerdeführers gab das Oberlandesgericht keine Folge.
Daraufhin lehnte der Beschwerdeführer die erkennenden Richter des Oberlandesgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Richter hätten sich in einer Weise festgelegt, die eine unvoreingenommene Würdigung der erst noch zu erhebenden Beweise ausschließe. Der Beschwerdeführer begründete diesen Vorwurf anhand verschiedener im Verlauf des Verfahrens ergangener Entscheidungen des Oberlandesgerichts und der darin enthaltenen Argumentationslinien, insbesondere machte er eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung durch den seinen Prozesskostenhilfeantrag zurückweisenden Beschluss geltend. Das Oberlandesgericht verwarf das Ablehnungsgesuch entgegen § 45 Abs. 1 ZPO unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig. In der Begründung des Ablehnungsgesuchs trete klar zu Tage, dass es von dem sachfremden Motiv der Verfahrensverzögerung getragen und damit offensichtlich missbräuchlich sei. Mit der Begründung des Ablehnungsgesuchs setzte sich das Oberlandesgericht sodann im Einzelnen auseinander. Eine Rechtsbeschwerde gegen den Verwerfungsbeschluss ließ das Oberlandesgericht nicht zu.
Gleichwohl beantragte der Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe für eine „sofortige Beschwerde/Rechtsbeschwerde/ein außerordentliches Rechtsmittel”. Der Bundesgerichtshof wies diesen Antrag ohne nähere Begründung zurück. Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts im Hauptverfahren ist noch nicht ergangen.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG. Sein Befangenheitsantrag habe nicht unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als missbräuchlich und damit unzulässig verworfen werden dürfen. Die Verwerfung eines Befangenheitsantrags und damit die Mitwirkung eines abgelehnten Richters bei der Beurteilung der Befangenheit verbiete sich jedenfalls dann, wenn ein auch nur geringfügiges inhaltliches Eingehen auf die Gründe des Befangenheitsantrags erforderlich sei, weil andernfalls der abgelehnte Richter in eigener Sache entscheide.
Ergänzend beantragte der Beschwerdeführer, das Hauptsacheverfahren vor dem Oberlandesgericht bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde im Wege der einstweiligen Anordnung auszusetzen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 ff.≫). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinn des § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG ist nicht gegeben. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig.
1. Die angegriffene Zwischenentscheidung des Oberlandesgerichts über das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers kann nach dem Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) nicht unmittelbar mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. Die Frage der Befangenheit ist zunächst im Rahmen des fachgerichtlichen Rechtszugs mit der Anfechtung der Endentscheidung des Berufungsgerichts einer Inzidentkontrolle durch das Revisionsgericht zuzuführen.
a) Eine Verfassungsbeschwerde gegen Zwischenentscheidungen ist grundsätzlich ausgeschlossen, weil Verfassungsverstöße mit der Anfechtung der Endentscheidung gerügt werden können (vgl. BVerfGE 21, 139 ≪143≫). Der Grund für den Ausschluss fehlt allerdings, wenn bereits die Zwischenentscheidung zu einem bleibenden rechtlichen Nachteil für den Betroffenen führt, der später nicht oder jedenfalls nicht vollständig behoben werden kann (vgl. BVerfGE 101, 106 ≪120≫). Entscheidungen der Fachgerichte über Ablehnungsgesuche können zu solchen bleibenden rechtlichen Nachteilen führen und daher als Zwischenentscheidungen selbständig angreifbar sein (vgl. BVerfGE 21, 139 ≪143 f.≫; 24, 56 ≪60 f.≫). Voraussetzung ist jedoch, dass sie Bindungswirkung für das weitere Verfahren entfalten, über eine wesentliche Rechtsfrage abschließend befinden und in weiteren Instanzen nicht mehr nachgeprüft und korrigiert werden können (vgl. BVerfGE 24, 56 ≪60 f.≫).
b) Diese Bindungswirkung des Zwischenverfahrens entsteht bei Entscheidungen der Berufungsgerichte über Ablehnungsgesuche in Zivilsachen nur bei Zulassung der Rechtsbeschwerde. Ist – wie im vorliegenden Fall – die Rechtsbeschwerde durch die Gerichte nicht zugelassen worden, so führt die durch das Oberlandesgericht ausgesprochene Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig bei der durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) vorgenommenen Differenzierung nach § 46 Abs. 2, § 574 Abs. 1 Nr. 2, § 557 Abs. 2 ZPO zu einer inzidenten Überprüfungsmöglichkeit durch den Bundesgerichtshof im Rahmen des Revisionsverfahrens gegen die instanzbeendende Entscheidung (vgl. G. Vollkommer, NJW 2001, S. 1827 ≪1831≫; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Auflage 2005, § 46 Rn. 14 a; Musielak/Heinrich, ZPO, 5. Auflage 2007, § 46 Rn. 4). Der entgegenstehenden früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, NJW 1964, S. 658; BGHZ 95, 302 ≪305≫) ist insoweit durch die Neuregelung des Beschwerderechts und des Instanzenzugs die Grundlage entzogen worden. Insbesondere steht einer Beurteilung durch das Revisionsgericht auch § 557 Abs. 2 ZPO nicht länger entgegen, da die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nunmehr auch gegen Zwischenentscheidungen des Berufungsgerichts zulässig ist, diese folglich nicht mehr grundsätzlich nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung unanfechtbar sind (vgl. Musielak/Ball, a.a.O., § 557 Rn. 9).
c) Eine inzidente Überprüfung der angegriffenen Entscheidung ist dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall selbst dann nicht verstellt, wenn das Oberlandesgericht im Berufungsurteil die Revision nicht zulassen sollte. Der Beschwerdeführer könnte dann mit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) geltend machen und auf diese Weise die Zulassung der Revision erreichen (vgl. BGHZ 154, 288 ≪296≫). Sollte, was im vorliegenden Fall fern liegt, eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO unzulässig sein, müsste der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil richten. Entsprechend wäre auch ein – hier weder zu erwartender noch den Beschwerdeführer belastender – Beschluss des Berufungsgerichts nach § 522 Abs. 2 ZPO mit der Verfassungsbeschwerde anzugreifen.
d) In einem eventuellen Revisionsverfahren kann das Revisionsgericht mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht nur über die hypothetische Begründetheit des Ablehnungsgesuchs, sondern auch darüber entscheiden, ob das Berufungsgericht von der den gesetzlichen Richter gewährleistenden Vorschrift des § 45 Abs. 1 ZPO abweichen durfte, indem es die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung der abgelehnten Richter traf. Die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 26 a StPO entwickelten Grundsätze entfalten insoweit entsprechende Geltung (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 2. Juni 2005, 2 BvR 625/01 u.a., NJW 2005, S. 3410 ≪3414≫; BVerfG, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 5. Juli 2005, 2 BvR 497/03, NVwZ 2005, S. 1304 ≪1309≫; BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 24. Februar 2006, 2 BvR 836/04, NJW 2006, S. 3129 ≪3132 f.≫).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist zudem nicht innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erhoben worden. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts vom 21. August 2006 wurde den Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 28. August 2006 zugestellt. Die Verfassungsbeschwerde wurde erst mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2006, eingegangen am 30. Oktober 2006, erhoben. Die Frist wurde auch nicht durch den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine „sofortige Beschwerde/Rechtsbeschwerde/ein außerordentliches Rechtsmittel” zum Bundesgerichtshof offen gehalten. Eine solche Beschwerdemöglichkeit war nach der Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht nämlich offensichtlich nicht gegeben (vgl. BGH, NJW-RR 2005, S. 294). Als offensichtlich unzulässiges Rechtsmittel war es nicht geeignet, den Lauf (und Ablauf) der Frist für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde zu beeinflussen (vgl. BVerfGE 5, 17 ≪19 f.≫; 91, 93 ≪106≫).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Gaier
Fundstellen
NJW-RR 2007, 409 |
www.judicialis.de 2006 |