Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

 

Beteiligte

Rechtsanwälte Dr. Hans-Heinrich Schmidt-Felzmann und Koll.

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

 

Tatbestand

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen die am 23. Februar 2002 in Kraft getretene Ausweitung der Aut-idem-Regelung (Abgabe eines wirkstoffgleichen Arzneimittels) im Krankenversicherungsrecht.

I.

Gemäß Art. 1 Nr. 1, 2 und 4 des Gesetzes zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz – AABG) vom 15. Februar 2002 (BGBl I S. 684) wurden § 73 Abs. 5, § 92 Abs. 2 und § 129 SGB V dahin geändert, dass dem Apotheker bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die Auswahl eines preisgünstigen wirkstoffgleichen Arzneimittels überlassen wird. Mit den vorgenannten Änderungen wurde eine Umkehr des bisher bestehenden Regel-Ausnahmeverhältnisses vorgenommen, weil die Ärzte von der bisherigen Möglichkeit, dem Apotheker die Auswahl eines preisgünstigen, wirkstoffgleichen Arzneimittels zu überlassen, unzureichend Gebrauch gemacht hätten (vgl. BTDrucks 14/7144, S. 5; 14/7827, S. 10).

Die Beschwerdeführerin macht geltend, aufgrund des zu erwartenden Verordnungsverhaltens der Ärzte und des zukünftigen Abgabeverhaltens der Apotheker komme es faktisch mittelbar zu einer Preisfestsetzung bzw. -regulierung, die die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletze.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Eine unmittelbar gegen ein Gesetz erhobene Verfassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 90, 128 ≪135≫; stRspr). Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist nicht zu entnehmen, dass sie selbst unmittelbar in ihren durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechten durch die angegriffenen gesetzlichen Regelungen betroffen ist. Zwar hat sie geltend gemacht, aufgrund des Verordnungsverhaltens der Vertragsärzte und des Abgabeverhaltens der Apotheker befürchte sie, dass Umsatz und Gewinn existenzbedrohend geschmälert würden, selbst eine Verdrängung vom Markt sei nicht ausgeschlossen. Es kann dahinstehen, ob es sich bei diesen Auswirkungen nicht lediglich um mögliche Reflexwirkungen der angegriffenen Regelungen handelt, die nicht ausreichen, um die Beschwerdeführerin als rechtlich selbst und unmittelbar betroffen anzusehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 1. November 1996 – 1 BvR 580/93 –; NJW 1997, S. 791 m.w.N.). Jedenfalls ist die faktisch mittelbare Beeinträchtigung nicht hinlänglich plausibel gemacht.

2. Insoweit fehlt es an der gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 92 BVerfGG erforderlichen substantiierten Begründung, in welchem Umfang sich ihr Umsatz bei den Originalpräparaten auf Generikahersteller verlagern wird. Dies ergibt sich nicht zwangsläufig, weil der verordnende Arzt nach wie vor berechtigt und in Einzelfällen sogar verpflichtet ist, bei der Verordnung auszuschließen, dass die Apotheken ein preisgünstigeres wirkstoffgleiches Arzneimittel anstelle des verordneten Mittels abgeben (vgl. § 73 Abs. 5 Satz 2 SGB V in der Fassung des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes). Noch ist offen, ob die Ärzte, die sich in Zukunft an Richtgrößen orientieren sollen, ihr Verordnungsverhalten ändern werden. Das hängt nicht zuletzt davon ab, in welchem Umfang die Ärzte andere Arzneimittel für therapeutisch gleichwertig halten. Insoweit hat die Beschwerdeführerin schon nach ihrem eigenen Vortrag wenig zu befürchten.

Die Anforderungen an die Substantiierung sind auch deshalb hoch, weil schon seit 1989, also vor In-Kraft-Treten des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes, eine Substitutionsregelung als „Ausnahme-Regel-Verhältnis” gemäß § 129 Abs. 1 Nr. 1 SGB V galt. Anhaltspunkte dafür, dass es zu einer bedeutsamen Verdrängung der Originalpräparatehersteller gekommen wäre, sind nach den von der Beschwerdeführerin mitgeteilten Umsatzzahlen nicht ersichtlich. Im Übrigen spricht gegen eine solche Annahme auch ihr eigener Vortrag zu den besonderen Merkmalen der von ihr hergestellten Arzneimittel, die einer Substitution ohnedies entgegenstünden. Ohne fachgerichtliche Vorklärung wird sich das Ausmaß der faktischen Betroffenheit nicht darstellen lassen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93 d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG).

 

Unterschriften

Jaeger, Hömig, Bryde

 

Fundstellen

Haufe-Index 743198

NJW 2002, 2772

ArztR 2003, 23

MedR 2002, 407

SGb 2002, 732

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