Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen staatsvertragliche Regelungen über die Rundfunkgebührenpflicht für neuartige Rundfunkempfangsgeräte, zu denen insbesondere Rechner zählen, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können.
I.
Gemäß § 13 Abs. 2 des Staatsvertrags über Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV, zuletzt geändert durch den Neunten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 31. Juli bis 10. Oktober 2006) wird die Rundfunkgebührenpflicht durch das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts begründet.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags (RGebStV) hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelungen der §§ 5 und 6 für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Grundgebühr und für das Bereithalten jedes Fernsehgerätes jeweils zusätzlich eine Fernsehgebühr zu entrichten. Gemäß § 4 Abs. 1 RGebStV beginnt die Rundfunkgebührenpflicht mit dem ersten Tag des Monats, in dem ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereitgehalten wird.
Durch Art. 5 Nr. 3 des Vierten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 17. Juli bis 31. August 1999 (GVBl Berlin 2000, S. 257) wurde in den Rundfunkgebührenstaatsvertrag folgender § 5a eingefügt:
§ 5a
Rundfunkwiedergabe aus dem Internet
Bis zum 31. Dezember 2003 sind für Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können, Gebühren nicht zu entrichten.
Diese Regelung wurde mehrfach verlängert beziehungsweise durch eine inhaltsgleiche Regelung ersetzt, zuletzt durch Art. 5 Nr. 7 und 11 des Achten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 8. bis 15. Oktober 2004 (GVBl. Nordrhein-Westfalen 2005, S. 192) mit Wirkung bis zum 31. Dezember 2006.
Durch Art. 5 Nr. 5 des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags wurde § 5 RGebStV neu gefasst. § 5 Abs. 3 RGebStV lautet danach nunmehr wie folgt:
§ 5
Zweitgeräte, gebührenbefreite Geräte
(…)
(3) Für neuartige Rundfunkempfangsgeräte (insbesondere Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können) im nicht ausschließlich privaten Bereich ist keine Rundfunkgebühr zu entrichten, wenn
- die Geräte ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind und
- andere Rundfunkempfangsgeräte dort zum Empfang bereitgehalten werden.
Werden ausschließlich neuartige Rundfunkempfangsgeräte, die ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind, zum Empfang bereitgehalten, ist für die Gesamtheit dieser Geräte eine Rundfunkgebühr zu entrichten.
Durch Art. 7 Nr. 4 des Neunten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 31. Juli 2006 (Neunter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) (SächsGVBl 2007, S. 18) wurde der bisherige § 11 RGebStV inhaltlich unverändert zu § 12 RGebStV.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Gebührenpflicht hinsichtlich neuartiger Rundfunkempfangsgeräte und beanstanden „die Interpretation des § 1 Abs. 1” RGebStV, „die durch § 5 Abs. 3 und § 11 Abs. 2” RGebStV in der Fassung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags „den die Gebühr einziehenden Rundfunkanstalten verbindlich vorgegeben” werde. Sie seien aufgrund der nunmehr anfallenden Rundfunkgebühr für neuartige Rundfunkempfangsgeräte in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 sowie – hilfsweise – Art. 14 Abs. 1 GG verletzt.
Der Rechtsweg habe durch die Beschwerdeführer nicht erschöpft werden können, da die Gebührenmitteilungen der Gebühreneinzugszentrale, die ab dem 1. Januar 2007 erlassen würden, rein mitteilenden Charakter hätten und daher von den Beschwerdeführern nicht angegriffen werden könnten. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vor.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde macht die Klärung verfassungsrechtlicher Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht erforderlich. Auch zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte ist die Annahme nicht angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdeführer haben den ihnen eröffneten Rechtsweg nicht, wie von § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG verlangt, erschöpft. Auch liegen die Voraussetzungen einer Vorabentscheidung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG nicht vor.
1. Ein fachgerichtlicher Rechtsweg, der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Gebührenschuld ermöglicht, ist den Beschwerdeführern eröffnet.
a) Die Rundfunkgebührenpflicht entsteht kraft Gesetzes, ist also nicht von der Anzeige, zu der der Rundfunkteilnehmer gemäß § 3 RGebStV verpflichtet ist, oder anderen zusätzlichen Erklärungen, Anträgen oder Genehmigungen und auch nicht vom Erlass eines Gebührenfestsetzungsbescheides abhängig (vgl. Hermann/Lausen, Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2004, § 31 Rn. 50, S. 794). Rückständige Gebühren können von der Rundfunkanstalt durch Gebührenbescheid eingezogen werden (vgl. Ohliger, in: Hahn/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Aufl. 2008, § 7 RGebStV, Rn. 42).
b) Diese Rechtslage ermöglicht in jeder denkbaren Konstellation fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen die Zahlungspflicht (vgl. zusammenfassend Naujock, in: Hahn/Vesting, § 1 RGebStV, Rn. 46 ff. sowie Ohliger, a.a.O., § 7 RGebStV, Rn. 54 ff.).
Es bedarf vorliegend keiner Klärung, ob die kraft Gesetzes entstehende Gebührenschuld ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 VwGO begründet, das zum Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage gemacht werden kann (bejahend etwa VG Braunschweig, Urteil vom 13. Juli 2007 – 4 A 226/06 –). Sollte eine solche Feststellungsklage deshalb für unzulässig gehalten werden, weil der Betroffene von der vorrangigen Möglichkeit Gebrauch machen kann, einen Gebührenbescheid gegen sich ergehen zu lassen und gegen diesen eine Anfechtungsklage zu erheben (vgl. BayVGH, Urteil vom 22. Oktober 1998 – 7 ZB 98.2559 –, MMR 1999, S. 291; VG Göttingen, Urteil vom 26. November 2006 – 2 A 281/06; Naujock, in: Hahn/Vesting, § 1, Rn. 49 ff.), steht dem Betroffenen die Möglichkeit offen, den Bescheid, gegebenenfalls nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (§ 68 VwGO), im Wege der Anfechtungsklage bei den Verwaltungsgerichten anzugreifen.
Hat der Rundfunkteilnehmer eine Gebühr gezahlt, die nach seiner Meinung nicht berechtigt gewesen ist, so kann er darüber hinaus nach § 7 Abs. 4 RGebStV Erstattung wegen ungerechtfertigter Bereicherung verlangen. Die Entscheidung über einen Anspruch erfordert ebenfalls die Überprüfung der Berechtigung der Gebühr. Auch hierfür steht der Rechtsweg offen. Lehnt die Rundfunkanstalt einen Antrag auf Erstattung einer Gebühr ab, so kann der Anspruch im Wege der auf Erlass eines Erstattungsbescheides gerichteten Verpflichtungsklage verfolgt werden. Andernfalls kann der Betroffene unmittelbar allgemeine Leistungsklage auf Rückzahlung erheben (vgl. zu den Einzelheiten Ohliger, a.a.O., § 7 RGebStV, Rn. 56 f.).
c) Die Beschreitung des Rechtsweges ist für die Beschwerdeführer auch nicht ausnahmsweise unzumutbar.
Dies gilt selbst dann, wenn die Beschwerdeführer einen Gebührenbescheid gegen sich ergehen lassen müssen, um fachgerichtlichen Rechtsschutz geltend machen zu können. Unzumutbar ist die Beschreitung des Rechtsweges zwar, wenn der Betroffene zunächst gegen eine Norm verstoßen müsste, um damit die Auferlegung einer Geldbuße zu provozieren und dann im Verfahren gegen den Bußgeldbescheid inzident die Verfassungswidrigkeit der Norm zu beanstanden (vgl. BVerfGE 81, 70 ≪82 f.≫; 97, 157 ≪165≫; s. zur Parallelproblematik bei der verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage Naujock, in: Hahn/Vesting, § 1 RGebStV, Rn. 52). Die bloße Erwirkung eines Rundfunkgebührenbescheides ist einer solchen Situation jedoch nicht vergleichbar. Zwar ist die Nichtzahlung der Rundfunkgebühr für einen längeren Zeitraum als sechs Monate nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 RGebStV mit Bußgeld bedroht. Der Betroffene kann der Verwirklichung des Ordnungswidrigkeitentatbestandes jedoch dadurch entgehen, dass er die streitige Gebühr einstweilen entrichtet und später, falls sie unberechtigt war, seinen Erstattungsanspruch nach § 7 Abs. 4 RGebStV geltend macht. Angesichts der – auch bei längerer Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens – überschaubaren Höhe der einstweilen zu zahlenden Rundfunkgebühr ist diese Vorgehensweise für den Betroffenen nicht unzumutbar.
2. Die Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG, unter denen ausnahmsweise ohne Erschöpfung des Rechtsweges vorab über eine Verfassungsbeschwerde entschieden werden kann, liegen nicht vor.
a) Ein schwerer und unabwendbarer Nachteil droht den Beschwerdeführern nicht, wenn sie zunächst auf den Rechtsweg verwiesen werden.
b) Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die Verfassungsbeschwerde aufgrund der Vielzahl einschlägiger Fälle und des Widerhalls, den die Problematik in der Öffentlichkeit gefunden hat, allgemeine Bedeutung aufweist, ist eine Vorabentscheidung hier nicht veranlasst. Denn die allgemeine Bedeutung auftretender Fragen im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG ist stets nur ein Moment der Abwägung für und wider die sofortige Sachentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 8, 222 ≪226 f.≫; 71, 305 ≪349≫; 86, 382 ≪388≫). Diese fällt hier zu Lasten der Beschwerdeführer aus.
Dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung liegt der Gedanke zugrunde, dass es nach der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung zunächst Aufgabe der Fachgerichte ist, die Grundrechte zu wahren. Die Verfassungsbeschwerde ist daher subsidiär gegenüber den fachgerichtlichen Rechtsbehelfen (vgl. BVerfGE 107, 395 ≪414≫). Eine Vorabentscheidung ohne vorherige Rechtswegerschöpfung setzt voraus, dass besondere Gründe dies ausnahmsweise sachgerecht erscheinen lassen. Solche Gründe bestehen vorliegend nicht.
Zwar kann eine Vorabentscheidung im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG in Betracht gezogen werden, wenn die Klärung verfassungsrechtlicher Fragen, wie es hier möglicherweise der Fall ist, keine umfangreiche Sachverhaltsfeststellung erfordert (vgl. insoweit etwa BVerfGE 8, 222 ≪227≫; 86, 382 ≪388≫). Andererseits spricht es gegen die Vorabentscheidung, wenn eine der verfassungsrechtlichen Klärung vorausgehende Klärung einfachrechtlicher Fragen sachgerecht erscheint (vgl. BVerfGE 86, 382 ≪388≫). Ein solcher Fall liegt hier vor, da die einfachrechtlichen Voraussetzungen der verfahrensgegenständlichen Gebührenschuld insbesondere in Bezug auf die Reichweite des Begriffs der „neuartigen Rundfunkempfangsgeräte” und der technischen Voraussetzungen des Bereithaltens nicht vollständig geklärt sind (vgl. zu den streitigen Fragen Libertus, in: Hahn/Vesting, § 13 RStV, Rn. 31 f. mit Nachweisen; Schreier, MMR 2005, S. 572 ≪574≫; Kitz, NJW 2006, S. 406 ff.; Degenhart, K&R 2007, S. 1 ≪6≫). Es erscheint nicht zweckmäßig, einen Gebührentatbestand in verfassungsrechtlicher Hinsicht zu überprüfen, dessen einfachrechtliche Reichweite nicht ausreichend geklärt ist.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Hoffmann-Riem, Eichberger
Fundstellen
Haufe-Index 1930166 |
AfP 2008, 660 |
ZUM 2008, 592 |