Verfahrensgang
AG Göppingen (Beschluss vom 02.02.2009; Aktenzeichen III 1513/08) |
AG Göppingen (Beschluss vom 13.01.2009; Aktenzeichen III 1513/08) |
AG Göppingen (Beschluss vom 11.12.2008; Aktenzeichen III 1513/08) |
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung ohne Aussicht auf Erfolg ist.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von Beratungshilfe.
I.
1. Die Beschwerdeführerin erhielt von der Bundesagentur für Arbeit ein Schreiben, wonach Erkenntnisse vorlägen, dass eine bestimmte Leistung zu Unrecht bezogen worden sei. Da die Beschwerdeführerin eine Änderung der Verhältnisse nicht angezeigt habe, sei eine Überzahlung entstanden. Die Beschwerdeführerin habe mit ihrer Unterschrift im Leistungsantrag bestätigt, über ihre Mitteilungspflichten unterrichtet worden zu sein. Es wurde ihr nach § 24 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Gelegenheit gegeben, sich zu dem dargestellten Sachverhalt zu äußern.
Der von der Beschwerdeführerin eingeschaltete Rechtsanwalt erklärte, dass sich seine Mandantin nicht daran erinnern könne, den Leistungsantrag unterschrieben zu haben. Es begründe sich der Verdacht, dass der von ihr getrennt lebende Ehemann den Antrag gestellt habe.
Der Beratungshilfeantrag wurde vom Rechtspfleger des zuständigen Amtsgerichts zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Erinnerung blieb ebenso erfolglos wie die zuletzt erhobene Anhörungsrüge. Das Amtsgericht bezog sich auf § 1 Abs. 1 Nr. 2 Beratungshilfegesetz (BerHG) und hielt es für zumutbar, dass sich die Beschwerdeführerin zunächst durch Nachfrage bei der Agentur für Arbeit um eine Klärung der Angelegenheit bemühe.
2. Mit ihrer gegen die gerichtlichen Entscheidungen gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 103 Abs. 1 GG.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG sind nicht erfüllt. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist sie zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt bezeichneten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
Es ist nicht substantiiert dargelegt, dass das Amtsgericht die Bedeutung und Tragweite der verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführerin dadurch verkannt hat, dass es die Beratung durch die zuständige Behörde im Anhörungsverfahren für zumutbar gehalten hat.
Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit 20 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG gewährleistet auch im außergerichtlichen Bereich Rechtswahrnehmungsgleichheit (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 14. Oktober 2008 – 1 BvR 2310/06 –, NJW 2009, S. 209 ff.). Danach ist ein unbemittelter Rechtsuchender einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der bei seiner Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigt und vernünftig abwägt. Der Rechtsuchende darf zunächst auf zumutbare andere Möglichkeiten für eine fachkundige Hilfe bei der Rechtswahrnehmung verwiesen werden (vgl. BVerfG, NJW 2009, S. 209 ≪210≫).
Der Begriff der Zumutbarkeit wird von den Fachgerichten überdehnt, wenn ein Rechtsuchender für das Widerspruchsverfahren zur Beratung an dieselbe Behörde verwiesen wird, gegen die er sich mit dem Widerspruch richtet (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2009 – 1 BvR 1517/08 –, juris). Die hier angegriffenen Beschlüsse betreffen jedoch das Verfahrensstadium der Anhörung. Insoweit sind nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin gegen die Auslegung des Amtsgerichts keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken ersichtlich.
Die Beschwerdeführerin setzt sich nicht mit dem Kostenrisiko eines bemittelten Rechtsuchenden auseinander. Aufwendungen für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts können im Erfolgsfall für das Widerspruchsverfahren (§ 63 Abs. 2 SGB X), nicht aber für ein Anhörungsverfahren erstattet werden (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1990 – 9a/9 RVs 13/89 –, SozR 3-1300 § 63 Nr. 1). Der Bemittelte würde unabhängig vom Ausgang des Verfahrens in jedem Fall die Kosten der Rechtsverfolgung tragen und damit seine vorhandenen Mittel schmälern.
Die Inanspruchnahme einer Beratung durch die Behörde, zu der diese insbesondere nach § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verpflichtet ist, erscheint hier nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin auch nicht unzumutbar. Die Behörde hat nach § 2 Abs. 2 SGB I die sozialen Rechte bei der Auslegung der Vorschriften und der Ausübung von Ermessen zu beachten. Von einer Gegnerschaft zwischen Behörde und Rechtsuchendem kann erst im Widerspruchsverfahren gesprochen werden. Anders als im Fall des Widerspruchsverfahrens ist im Anhörungsstadium eine belastende Entscheidung der Behörde noch nicht getroffen worden.
Das Anhörungsschreiben enthält ein Angebot zur Kontaktaufnahme, bevor eine beeinträchtigende Regelung erfolgt.
Konkrete Umstände, die den persönlichen Kontakt mit der Behörde unzumutbar erscheinen lassen, wurden nicht vorgetragen.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hohmann-Dennhardt, Gaier, Kirchhof
Fundstellen
NJW 2009, 3420 |
FamRZ 2009, 1655 |
JurBüro 2009, 545 |
DÖV 2009, 820 |
Rpfleger 2009, 685 |
BerlAnwBl 2009, 314 |
FF 2009, 513 |
GuT 2009, 260 |
HRA 2009, 12 |
RVGreport 2009, 359 |
FSt 2010, 440 |
info-also 2009, 174 |