Entscheidungsstichwort (Thema)
Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG durch Ablehnung eines Antrags auf Bestimmung als Zollflugplatz nach § 5 Abs. 4 ZollV
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Entscheidung, ob ein Flugplatz zum Zollflugplatz zu bestimmen ist, gestaltet unmittelbar die rechtlichen Rahmenbedingungen der Berufsausübung des Flugplatzbetreibers und greift damit in dessen Berufsausübungsfreiheit ein.
2. Art. 38 Abs. 1 ZK und § 2 Abs. 2 und 4 ZollVG dienen der Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs; die Entscheidung über die Bestimmung eines Flugplatzes zum Zollflugplatz ist nach dem Gesichtspunkt einer effektiven zollamtlichen Überwachung des Warenverkehrs sowie nach verwaltungsorganisatorischen, verwaltungsökonomischen, haushaltsrechtlichen und gegebenenfalls sicherheitspolitischen Gesichtspunkten zu treffen. Diese nähere Eingrenzung begegnet im Ausgangspunkt jedenfalls dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die zur Entscheidung berufenen Behörden und Gerichte zusätzlich auch die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Flugplatzbetreibers mit dem ihr zukommenden Gewicht berücksichtigen.
3. Dem Gesetzgeber ist es auch nicht verwehrt, strukturpolitische Folgen etwa für die Raumordnung mit in den Blick zu nehmen.
Orientierungssatz
1a. Art 12 Abs 1 GG schützt die Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin als deutscher juristischer Person des Privatrechts, gewährleistet allerdings keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb oder auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten (vgl BVerfG, 17.12.2002, 1 BvL 28/95, BVerfGE 106, 275 ≪299≫).
1b. Ein solcher, von der Verfassung nicht geschützter Anspruch ist aber auch nicht Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens. Die Entscheidung, den Flughafen L. nicht zum Zollflugplatz zu bestimmen, gestaltet unmittelbar die rechtlichen Rahmenbedingungen der Berufsausübung der Beschwerdeführerin und greift damit in ihre Berufsausübungsfreiheit ein.
1c. Von einem selbständigen Beruf kann bei Tätigkeiten keine Rede sein, die nur als Bestandteil eines umfassenderen oder als Erweiterung eines anderen Berufes – vorliegend die begehrte Bestimmung zum Zollflugplatz – ausgeübt werden und deren Regelung die eigentliche Berufstätigkeit als Grundlage der Lebensführung unberührt lässt (vgl BVerfG, 05.05.1987, 1 BvR 724/81, BVerfGE 75, 246 ≪274≫).
1d. Die Berufsfreiheit ist aber dann berührt, wenn sich die Maßnahmen zwar nicht auf die Berufstätigkeit selbst beziehen, aber die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern und infolge ihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben (vgl BVerfG, 13.07.2004, 1 BvR 1298/94, BVerfGE 111, 191 ≪213≫).
1e. Da durch die Wahl eines funktionalen Äquivalents eines Eingriffs die Grundrechtsbindung nicht entfällt (vgl BVerfG, 26.06.2002, 1 BvR 558/91, BVerfGE 105, 252 ≪273≫), kann der Abwehrgehalt auch bei faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen Eingriffen gleichkommen (vgl BVerfG aaO ≪303≫).
1f. Hier: Die Entscheidung über die Bestimmung eines Flughafens zum Zollflugplatz verändert die Rahmenbedingungen des Flughafenbetriebs und stellt damit eine jedenfalls eingriffsgleiche Regelung der Berufsausübung der Beschwerdeführerin dar.
2a. Die im Ausgangsverfahren vom BFH vertretene Auffassung, die Bestimmung zum Zollflugplatz sei nicht eine an den Flugplatzbetreiber gerichtete Entscheidung, sondern um eine an den jeweiligen Flugzeugführer gerichtete zollrechtliche Verkehrsregelung, schöpft den Regelungsgehalt der Maßnahme nicht aus:
Die Qualifikation eines Flughafens als Zollflugplatz führt nicht allein zu günstigen tatsächlichen Rahmenbedingungen für den Betreiber, sondern hat darüber hinaus Art und Umfang des rechtlich zulässigen Flughafenbetriebs zum Gegenstand. Sie ist rechtliche Voraussetzung dafür, dass außereuropäischer Frachtverkehr regelmäßig auf dem jeweiligen Flughafen abgewickelt werden kann. Die Zulassung als Zollflugplatz eröffnet dem begünstigten Flughafenbetreiber mithin erweiterte rechtliche Handlungsmöglichkeiten.
2b. Vorliegend hat der BFH Bedeutung und Tragweite des Art 12 Abs 1 GG verkannt, indem es ausdrücklich für nicht geboten erachtet, die aus seiner Sicht maßgeblichen Vorschriften des einfachen Rechts im Lichte des Art 12 Abs 1 GG zu würdigen, und dem Grundrecht der Berufsfreiheit die Funktion eines interpretationsleitenden Maßstabs für die Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften abgesprochen. Diese völlige Ausblendung des Grundrechts ist mit der Verfassung nicht vereinbar, da die Versagung der Bestimmung zum Zollflugplatz eine zumindest eingriffsgleiche Regelung für die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin darstellt.
3. Die von der Verfassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob die normativen Grundlagen im ZollVG und in der ZollV insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Normenbestimmtheit mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar sind, hängt zunächst von ihrer einfachrechtlichen Interpretation ab, die in der bisherigen Entscheidung noch nicht geleistet wurde:
3a. Grundsätzlich bedürfen Eingriffe in die Berufsfreiheit nach Art 12 Abs 1 S 2 GG einer gesetzlichen Regelung, dh die eingreifende Norm muss kompetenzgemäß erlassen worden sein, ist durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl BVerfG, 30.07.2008, 1 BvR 3262/07, BVerfGE 121, 317 ≪346≫).
3b. Allerdings können Beschränkungen der Berufsfreiheit auch durch richterliche Auslegung eines bestehenden Gesetzes hinreichende Konturen erhalten. Selbst das Fehlen einer ausdrücklichen und bestimmten normativen Regelung bedeutet noch nicht, dass eine die Berufsausübung einschränkende Gerichtsentscheidung den Anforderungen des Art 12 Abs 1 S 2 GG widersprechen müsste. Auch aus einer Gesamtregelung kann sich unter Berücksichtigung ihrer Auslegung in Rechtsprechung und Schrifttum eine hinreichend erkennbare und bestimmte, den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügende Regelung der Berufsausübung ergeben (vgl BVerfG, 01.07.1980, 1 BvR 23/75, BVerfGE 54, 224 ≪234 f≫).
3c. Anhand dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben wird der BFH das Begehren der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der genannten Maßstäbe erneut zu prüfen haben.
Da sich gegenwärtig nicht feststellen lässt, dass eine tragfähige normative Grundlage für die vom BMF getroffene Entscheidung nicht existiert und eine für die Beschwerdeführerin günstige Entscheidung zumindest nicht ausgeschlossen ist, war die Sache an den BFH zurückzuverweisen.
Bei einer erneuten Entscheidung wird dieser auch zu berücksichtigen haben, dass die Maßnahme lediglich mittelbar in die Berufsausübung des Flugplatzbetreibers eingreift und so dem Gesetzgeber auch im Hinblick auf die erforderliche Dichte des gesetzlichen Regelungsprogramms bei der Ausgestaltung der normativen Vorgaben ein erheblicher Spielraum zukommt.
Hierbei ist es ihm auch nicht verwehrt, strukturpolitische Folgen etwa für die Raumordnung mit in den Blick zu nehmen. Hinsichtlich der spezifischen Belange der Beschwerdeführerin wird in den Blick zu nehmen sein, dass ein nachhaltiger konkreter Bedarf für die Abwicklung von Frachtverkehr mit Drittländern bisher noch nicht zu Tage getreten ist, sich angesichts der rechtlichen Einschränkungen aber auch nicht ohne weiteres entfalten konnte.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1; BVerfGG § 93c Abs. 1 S. 1; EWGV 2913/92 Art. 38 Abs. 1; ZK Art. 38 Abs. 1; ZollVG § 2 Abs. 2, 4 S. 2, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Oktober 2007 – VII R 36/06 – verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesfinanzhof zurückverwiesen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob der von der Beschwerdeführerin betriebene Flughafen zum „Zollflugplatz” zu bestimmen ist.
Die Beschwerdeführerin betreibt den Flugplatz L. Im April 2001 beantragte die Beschwerdeführerin, in die Liste der Zollflugplätze nach § 2 Abs. 2 des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG) aufgenommen zu werden. Das Bundesministerium der Finanzen ermächtigte daraufhin die zuständige Oberfinanzdirektion, der Beschwerdeführerin für die Dauer von einem Jahr Einzelabfertigungen gemäß § 5 Abs. 4 der Zollverordnung (ZollV) für gewerbliche Drittlandsflüge zu genehmigen (Probebetrieb). Noch vor Ablauf des Jahres stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verlängerung des Probebetriebs. Das Bundesministerium der Finanzen lehnte sowohl den Antrag auf Bestimmung als Zollflugplatz als auch die Verlängerung der Ermächtigung zu Einzelabfertigungen ab.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte vor dem Finanzgericht Erfolg, welches das Bundesministerium der Finanzen zur Neubescheidung des Antrags der Beschwerdeführerin verpflichtete. Auf die Revision des Bundesministeriums der Finanzen hob der Bundesfinanzhof mit dem angegriffenen Urteil die Entscheidung des Finanzgerichts auf und wies die Klage ab. Die im Streitfall heranzuziehenden Rechtsvorschriften gäben dem Betreiber eines Flugplatzes keinen Anspruch darauf, dass auf oder an seinem Flugplatz eine Zollabfertigungsstelle eingerichtet und der Flugplatz in die Liste der Zollflugplätze aufgenommen werde. Die einschlägigen Vorschriften dienten ausschließlich der Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs und begründeten weder Rechte von Flugplatzbetreibern auf Aufnahme in die Liste der Zollflugplätze noch verpflichteten sie die Zollverwaltung, bei der Bestimmung von Zollflugplätzen wirtschaftliche Interessen der Flugplatzbetreiber zu berücksichtigen. Die Zollverwaltung treffe ihre Entscheidung, welcher Flugplatz als Zollflugplatz ausgewiesen werde, grundsätzlich nach dem Gesichtspunkt einer effektiven zollamtlichen Überwachung des Warenverkehrs sowie nach verwaltungsorganisatorischen, verwaltungsökonomischen, haushaltsrechtlichen und gegebenenfalls sicherheitspolitischen Gesichtspunkten. Aufgrund des bewilligten Probebetriebs und in Anbetracht des in diesem Zeitraum nur sehr geringen Frachtverkehrs mit nur drei Ausfuhrabfertigungen habe die Beschwerdeführerin kein schützenswertes Vertrauen darauf entwickeln können, dass der Flugplatz als Zollflugplatz bestimmt werde. Die Beschwerdeführerin werde durch die Entscheidung des Bundesministeriums der Finanzen auch nicht in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung verletzt, weil diese keine berufsregelnde Tendenz erkennen lasse.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Sie könne die Abfertigung von Frachtflügen aus Drittländern aufgrund der Versagung der Eigenschaft als Zollflugplatz nicht mehr in der gewünschten Weise ausüben. Die Entscheidung des Bundesministeriums der Finanzen komme damit einer objektiven Berufswahlbeschränkung gleich, die unverhältnismäßig und verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei. Eine tragfähige gesetzliche Grundlage für diesen Grundrechtseingriff gebe es nicht. Die vom Bundesfinanzhof angeführten Gründe könnten die Ablehnung ihres Antrags auch in der Sache nicht rechtfertigen. Das gelte auch dann, wenn nur ein Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit gegeben sei.
Zu der Verfassungsbeschwerde hat sich namens der Bundesregierung das Bundesministerium der Finanzen geäußert.
III.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr statt, da die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG vorliegen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs verletzt Art. 12 Abs. 1 GG.
1. Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin als deutscher juristischer Person des Privatrechts. Das Grundrecht gewährleistet allerdings keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb oder auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerfGE 24, 236 ≪251≫; 34, 252 ≪256≫; 106, 275 ≪299≫). Ein solcher, von der Verfassung nicht geschützter Anspruch ist aber auch nicht Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens. Die Entscheidung, den Flughafen L. nicht zum Zollflugplatz zu bestimmen, gestaltet unmittelbar die rechtlichen Rahmenbedingungen der Berufsausübung der Beschwerdeführerin und greift damit in ihre Berufsausübungsfreiheit ein.
a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist allerdings ihre Berufswahlfreiheit nicht berührt. Die Bestimmung eines Flughafens zum Zollflugplatz hat zwar unmittelbar Einfluss auf die Berufstätigkeit des Flughafenbetreibers. Sie ist indessen ein Vorgang, der sich innerhalb der Berufsausübung abspielt (vgl. BVerfGE 16, 286 ≪296≫; 48, 376 ≪388≫). Von einem selbständigen Beruf kann bei Tätigkeiten keine Rede sein, die nur als Bestandteil eines umfassenderen oder als Erweiterung eines anderen Berufes ausgeübt werden und deren Regelung die eigentliche Berufstätigkeit als Grundlage der Lebensführung unberührt lässt (vgl. BVerfGE 68, 272 ≪281≫; 75, 246 ≪274≫). Von letzterem ist hier auszugehen. Der Betrieb des Flughafens L. stellt die eigentliche Berufstätigkeit als Grundlage der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin dar. Diese Berufstätigkeit soll durch die begehrte Bestimmung zum Zollflugplatz lediglich ergänzt und erweitert werden.
b) Die Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin begehrte Bestimmung ihres Flughafens zum Zollflugplatz bedeutet eine jedenfalls eingriffsgleiche Regelung ihrer Berufsausübung.
aa) Der Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit ist einerseits umfassend angelegt, schützt aber andererseits nur vor solchen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Beeinträchtigung bezogen sind. Der Schutzbereich ist daher nicht schon dann eröffnet, wenn eine Rechtsnorm, ihre Anwendung oder andere hoheitliche Maßnahmen unter bestimmten Umständen Rückwirkung auf die Berufsfreiheit entfalten. Die Berufsfreiheit ist aber dann berührt, wenn sich die Maßnahmen zwar nicht auf die Berufstätigkeit selbst beziehen, aber die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern und infolge ihrer Gestaltung in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 111, 191 ≪213≫).
Dabei ist der Grundrechtsschutz nicht auf Eingriffe im herkömmlichen Sinne beschränkt. Vielmehr kann der Abwehrgehalt auch bei faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen Eingriffen gleichkommen (vgl. BVerfGE 105, 279 ≪303≫; 116, 202 ≪222≫). Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs entfällt die Grundrechtsbindung nicht (vgl. BVerfGE 105, 252 ≪273≫; 116, 202 ≪222≫). An der für die Grundrechtsbindung maßgeblichen eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehlt es jedoch, wenn mittelbare Folgen ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind (vgl. BVerfGE 116, 202 ≪222≫).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben stellt die hier zu beurteilende Maßnahme eine jedenfalls eingriffsgleiche Regelung der Berufsausübung der Beschwerdeführerin dar. Die Entscheidung über die Bestimmung eines Flughafens zum Zollflugplatz verändert die Rahmenbedingungen des Flughafenbetriebs und weist eine berufsregelnde Tendenz auf.
(1) Nach der in der angegriffenen Entscheidung vertretenen Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei dieser Bestimmung nicht um eine an den Flugplatzbetreiber gerichtete Entscheidung, mit der seinem Flugplatz ein besonderer Status verliehen wird, sondern um eine an den jeweiligen Flugzeugführer gerichtete zollrechtliche Verkehrsregelung. Dies entnimmt der Bundesfinanzhof den aus seiner Sicht hier maßgeblichen zollrechtlichen Vorschriften, namentlich Art. 38 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK) und § 2 Abs. 2 ZollVG. Diese Auslegung des einfachen Rechts ist im Ausgangspunkt insoweit nicht zu beanstanden, als der Bundesfinanzhof der Maßnahme Rechtsfolgen für den Flugzeugführer beimisst.
Doch schöpft die Auffassung des Bundesfinanzhofs den Regelungsgehalt der Maßnahme nicht aus. Diese berührt die Rechtsstellung des Flughafenbetreibers nicht – wie der Bundesfinanzhof meint – nur reflexhaft. Die Qualifikation eines Flughafens als Zollflugplatz führt nicht allein zu günstigen tatsächlichen Rahmenbedingungen für den Betreiber, sondern hat darüber hinaus Art und Umfang des rechtlich zulässigen Flughafenbetriebs zum Gegenstand. Die Bestimmung zum Zollflugplatz ist rechtliche Voraussetzung dafür, dass außereuropäischer Frachtverkehr regelmäßig und ohne weiteres auf dem jeweiligen Flughafen abgewickelt werden kann. Liegt eine solche Qualifikation eines Flughafens hingegen nicht vor, so ist die Abfertigung von Drittlandfracht auf diesem Flugplatz grundsätzlich untersagt und nur dann zulässig, wenn im Einzelfall eine vorherige Genehmigung nach § 5 Abs. 4 ZollV eingeholt wird. Die Zulassung als Zollflugplatz eröffnet dem begünstigten Flughafenbetreiber mithin erweiterte rechtliche Handlungsmöglichkeiten. Sie geht deswegen über vorteilhafte wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie etwa für den Betreiber günstige Infrastrukturmaßnahmen – beispielsweise in Gestalt einer guten Anbindung an Straßen- oder Eisenbahnverkehr – substantiell hinaus. Denn während letztere dem Flughafenbetreiber zwar tatsächliche, aber nicht unmittelbar rechtliche Vorteile bringen, verändert die Bestimmung zum Zollflugplatz die rechtlichen Voraussetzungen des Flughafenbetriebs.
Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass nach der im einfachrechtlichen Ausgangspunkt auch für die verfassungsgerichtliche Würdigung zunächst maßgeblichen Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs die materiellen Kriterien für die Entscheidung nicht in erster Linie die Rechtsposition des Flughafenbetreibers in den Blick nehmen. Denn auch wenn die Vorschriften des Zollrechts für den Flugzeugführer aus einem Drittland die Verpflichtung enthalten, nur auf einem Zollflughafen zu landen und von einem Zollflughafen abzufliegen (vgl. § 2 Abs. 2 ZollVG), so steht dieser Pflicht spiegelbildlich das Recht des Betreibers dieses Zollflughafens gegenüber, die Landung zu gestatten und den abgehenden Flug von seinem Flughafen abfliegen zu lassen (vgl. die entsprechende Argumentation in den Nichtraucherschutzfällen in BVerfGE 121, 317 ≪345 f.≫). Die behördliche Entscheidung der Frage, ob einem Flughafenbetreiber diese rechtliche Befugnis zusteht oder nicht, gestaltet folglich dessen Berufsausübung und hat damit zumindest eingriffsgleiche Wirkung.
(2) Das Vorliegen eines Eingriffs lässt sich auch nicht mit der Erwägung verneinen, dass die Beschwerdeführerin mit der Einrichtung einer Zollabfertigungsstelle auf ihrem Flugplatz ausschließlich eine Maßnahme auf dem Gebiet der Zollverwaltungsorganisation begehre und damit einen Leistungsanspruch geltend mache, der aus Art. 12 Abs. 1 GG jedenfalls hier nicht folge. Denn die Beschwerdeführerin begehrt ausschließlich die Bestimmung ihres Flughafens zum Zollflugplatz und die Aufnahme in die entsprechende Liste. Nur diese Statusentscheidung ist Gegenstand des Ausgangsverfahrens und der verfassungsrechtlichen Beurteilung. Ob die Zollverwaltung verpflichtet ist, auf jedem von ihr bestimmten Zollflugplatz auch eine Zollabfertigungsstelle einzurichten, stellt eine – vom Finanzgericht im Übrigen verneinte – Frage des einfachen Rechts dar, die seitens der Zollverwaltung gegebenenfalls nach der Bestimmung eines Flughafens zum Zollflugplatz zu klären ist und jedenfalls nicht der Einordnung der Statusentscheidung als einer an Art. 12 Abs. 1 GG zu messenden Maßnahme entgegensteht.
2. Die angegriffene Entscheidung des Bundesfinanzhofs steht mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht im Einklang.
a) Die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den Einzelfall sind grundsätzlich allein Sache der dafür zuständigen Gerichte und einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫; 106, 28 ≪45≫, stRspr). Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist jedoch dann erreicht, wenn die Entscheidung des Fachgerichts Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 68, 361 ≪372≫; 79, 292 ≪303≫). Das ist hier der Fall.
b) aa) Der Bundesfinanzhof hat Bedeutung und Tragweite des Art. 12 Abs. 1 GG verkannt, indem er dem Grundrecht der Berufsfreiheit keine Bedeutung für die von ihm zu treffende Entscheidung beigemessen hat. Mit seiner Annahme, es handele sich bei der zu beurteilenden Maßnahme nicht um eine an den Flugplatzbetreiber gerichtete Entscheidung, mit der dessen Flugplatz ein besonderer Status verliehen werde, lässt der Bundesfinanzhof die mittelbaren Auswirkungen dieser Entscheidung, namentlich ihre berufsregelnde Tendenz, außer Acht. Er hat es ausdrücklich für nicht geboten erachtet, die aus seiner Sicht maßgeblichen Vorschriften des einfachen Rechts im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG zu würdigen, und dem Grundrecht der Berufsfreiheit die Funktion eines interpretationsleitenden Maßstabs für die Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften abgesprochen. Diese völlige Ausblendung des Grundrechts ist mit der Verfassung nicht vereinbar, da die Versagung der Bestimmung zum Zollflugplatz eine zumindest eingriffsgleiche Regelung für die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin darstellt. Eine Auslegung und Anwendung der einschlägigen zollrechtlichen Bestimmungen im Licht des Art. 12 Abs. 1 GG hat der Bundesfinanzhof bislang nicht vorgenommen.
bb) Die Verfassungsbeschwerde wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob die normativen Grundlagen im Zollverwaltungsgesetz und in der Zollverordnung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, die das Grundgesetz an eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit stellt. Ob die einschlägigen zollrechtlichen Bestimmungen, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der erforderlichen Normenbestimmtheit, mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind, hängt zunächst von ihrer einfachrechtlichen – wenn auch von dem Grundrecht der Berufsfreiheit geleiteten – Interpretation ab, die insoweit vom Bundesfinanzhof noch nicht geleistet wurde.
(1) Eingriffe in die Berufsfreiheit sind nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung erlaubt, die den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Dies ist der Fall, wenn die eingreifende Norm kompetenzgemäß erlassen worden ist, durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. BVerfGE 95, 193 ≪214≫; 102, 197 ≪213≫; 121, 317 ≪346≫). Das an den Gesetzgeber gerichtete grundsätzliche Gebot der Differenzierung nach der Schwere des Eingriffs (vgl. BVerfGE 7, 377 ≪405 ff.≫) gilt dabei auch innerhalb der Berufsausübungsregelungen; der Gesetzgeber ist inhaltlich umso freier, je mehr er nur die Berufsausübung trifft, umso stärker gebunden, je mehr zugleich die Berufswahl berührt ist (vgl. BVerfGE 11, 30 ≪42≫). Je einschneidender die Freiheit der Berufsausübung beengt wird, desto höher müssen die Anforderungen an die Dringlichkeit der öffentlichen Interessen sein, die zur Rechtfertigung solcher Beengung ins Feld geführt wird (vgl. BVerfGE 11, 30 ≪43≫).
Beschränkungen der Berufsfreiheit können auch durch richterliche Auslegung hinreichende Konturen erhalten. Die Konkretisierung gesetzlicher Tatbestandsmerkmale gehört zu den anerkannten Aufgaben der Rechtsprechung, die sie auch im Interesse der verfassungsrechtlich geforderten Rechtssicherheit wahrnimmt. Entscheidend ist, dass die Berufsausübungsbeschränkungen aus den genannten Vorschriften selbst und ihrem Regelungszusammenhang ableitbar sind (vgl. BVerfGE 80, 269 ≪279≫). Selbst das Fehlen einer ausdrücklichen und bestimmten normativen Regelung bedeutet noch nicht, dass eine die Berufsausübung einschränkende Gerichtsentscheidung den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG widersprechen müsste. Auch aus einer Gesamtregelung kann sich unter Berücksichtigung ihrer Auslegung in Rechtsprechung und Schrifttum eine hinreichend erkennbare und bestimmte, den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügende Regelung der Berufsausübung ergeben (vgl. BVerfGE 54, 224 ≪234 f.≫).
(2) Der Bundesfinanzhof wird das Begehren der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der genannten Maßstäbe erneut zu prüfen haben. Gegenwärtig lässt sich nicht feststellen, dass eine tragfähige normative Grundlage für die vom Bundesministerium der Finanzen getroffene Entscheidung nicht existiert.
Zwar ist der Beschwerdeführerin einzuräumen, dass § 2 Abs. 2 und 4 ZollVG sowie § 3 ZollV für sich genommen keinerlei materielle Kriterien enthalten, nach denen sich die Entscheidung, ob ein Flughafen zum Zollflugplatz zu bestimmen ist, auf der Tatbestandsseite richten könnte. Namentlich § 2 Abs. 4 Satz 2 ZollVG und § 3 Abs. 1 ZollV regeln nur die Bekanntmachung eines Zollflughafens, setzen aber voraus, dass die entsprechende Statusentscheidung bereits erfolgt ist. Ebenso fehlt es hinsichtlich der Rechtsfolgen an einer Aussage des Gesetz- und des Verordnungsgebers dazu, ob der Zollverwaltung ein Ermessens- oder ein Abwägungsspielraum eingeräumt ist.
Auf der anderen Seite steht die Verfassung aber auch nicht von vornherein einer Auslegung der genannten Normen entgegen, die – wie es der Bundesfinanzhof tut – insbesondere der Systematik und der Zwecksetzung der maßgeblichen zollrechtlichen Vorschriften ein materielles Entscheidungsprogramm entnimmt. Der angegriffenen Entscheidung ist – lässt man die verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Ausblendung der Belange des Flugplatzbetreibers außer Acht – zu entnehmen, dass Art. 38 Abs. 1 ZK und § 2 Abs. 2 und 4 ZollVG der Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs (§ 1 Abs. 1 ZollVG) dienen und dass die Entscheidung über die Bestimmung zum Zollflugplatz nach dem Gesichtspunkt einer effektiven zollamtlichen Überwachung des Warenverkehrs sowie nach verwaltungsorganisatorischen, verwaltungsökonomischen, haushaltsrechtlichen und gegebenenfalls sicherheitspolitischen Gesichtspunkten zu treffen ist. Diese nähere Eingrenzung der entscheidungserheblichen Belange knüpft an Umstände an, die sich teilweise aus dem Zollverwaltungsgesetz selbst, teilweise aus nahe liegenden Sachgesetzlichkeiten ergeben, und begegnet im Ausgangspunkt jedenfalls dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die zur Entscheidung berufenen Behörden und Gerichte zusätzlich auch die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Flugplatzbetreibers mit dem ihr zukommenden Gewicht berücksichtigen.
Erst auf der Grundlage einer solchen Interpretation der maßgeblichen Vorschriften kann entschieden werden, ob eine hinreichend tragfähige, rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Forderungen genügende Grundlage für die Entscheidung über die Eigenschaft als Zollflugplatz vorhanden ist. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass die Maßnahme lediglich mittelbar in die Berufsausübung des Flugplatzbetreibers eingreift und so dem Gesetzgeber – auch im Hinblick auf die erforderliche Dichte des gesetzlichen Regelungsprogramms – bei der Ausgestaltung der normativen Vorgaben ein erheblicher Spielraum zukommt. Hierbei ist es ihm auch nicht verwehrt, strukturpolitische Folgen etwa für die Raumordnung mit in den Blick zu nehmen. Hinsichtlich der spezifischen Belange der Beschwerdeführerin wird in den Blick zu nehmen sein, dass ein nachhaltiger konkreter Bedarf für die Abwicklung von Frachtverkehr mit Drittländern bisher weder während des einjährigen Probebetriebs noch danach zu Tage getreten ist, sich angesichts der rechtlichen Einschränkungen aber auch nicht ohne weiteres entfalten konnte.
3. Die angegriffene Entscheidung beruht auch auf dem Verfassungsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass der Bundesfinanzhof bei der gebotenen Berücksichtigung des Art. 12 Abs. 1 GG zu einer der Beschwerdeführerin günstigeren Entscheidung gekommen wäre. Das folgt daraus, dass der Bundesfinanzhof die Belange der Beschwerdeführerin aufgrund seiner Verkennung der Tragweite des Grundrechts der Berufsfreiheit nicht hinreichend berücksichtigt hat. Die Offenheit der Entscheidung ergibt sich auch aus dem Umstand, dass das Finanzgericht zugunsten der Beschwerdeführerin entschieden und dieses Ergebnis auf einen Ermessensfehlgebrauch zu Lasten der Beschwerdeführerin gestützt hat.
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Unterschriften
Papier, Eichberger, Masing
Fundstellen
BFH/NV 2010, 1404 |
NVwZ 2009, 1486 |
ZfZ 2009, 291 |
DÖV 2009, 1006 |
DVBl 2009, 1440 |
GewArch 2009, 448 |
DVBl. 2009, 1440 |
GuT 2009, 360 |
RÜ 2009, 799 |