Leitsatz (amtlich)
Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG schließt die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung nicht grundsätzlich aus.
Eine Auslegung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, nach der das Verbot der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit sich auch auf den Fall der erschlichenen Einbürgerung erstreckte, entspricht nicht dem Willen des Verfassungsgebers; sie liegt außerhalb des Schutzzwecks der Norm.
Für den Fall der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung, über deren Voraussetzungen der Eingebürgerte selbst getäuscht hat, bietet § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz für Baden-Württemberg eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage.
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 04.03.2004; Aktenzeichen 13 S 424/04) |
VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 04.03.2004; Aktenzeichen 13 S 537/04) |
VG Karlsruhe (Beschluss vom 18.12.2003; Aktenzeichen 2 K 3081/03) |
VG Karlsruhe (Urteil vom 18.12.2003; Aktenzeichen 2 K 1706/03) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Rücknahme einer durch Täuschung erwirkten Einbürgerung.
I.
1. Der Beschwerdeführer stammt aus Nigeria. Im November 1999 beantragte er seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Dabei gab er an, bei einer Gerüstbaufirma in Hanau beschäftigt zu sein, und legte eine auf seinen Namen ausgestellte Bescheinigung der Firma über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses sowie eine Lohnabrechnung vor. Am 17. Januar 2000 wurde ihm eine Einbürgerungszusicherung unter dem Vorbehalt der Aufgabe der nigerianischen Staatsangehörigkeit erteilt. Die Botschaft der Bundesrepublik Nigeria bestätigte mit Schreiben vom 25. Januar 2000 unter dem Betreff „Verzicht auf die nigerianische Staatsangehörigkeit” den Erhalt des Reisepasses des Beschwerdeführers und erhob keine Einwände gegen den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit. Am 9. Februar 2000 wurde der Beschwerdeführer auf der Grundlage der §§ 8, 9 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) eingebürgert.
In einem in der Folgezeit gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Ermittlungsverfahren stellte sich heraus, dass der Beschwerdeführer bei der Firma, bei der er angeblich arbeitete, nicht bekannt, sondern eine andere Person, deren Identität nicht geklärt werden konnte, dort unter seinem Namen beschäftigt war.
Durch Urteil des Amtsgerichts Pforzheim wurde der Beschwerdeführer am 31. Juli 2001 wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 120 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, die auf seine Berufung hin durch Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 20. Februar 2002 auf drei Jahre herabgesetzt wurde.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2002 nahm die Stadt Pforzheim, gestützt auf § 48 des baden-württembergischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG BW), die Einbürgerung rückwirkend zum Datum ihres Wirksamwerdens zurück, erklärte die Einbürgerungsurkunde sowie den Reisepass und den Personalausweis, die dem Beschwerdeführer ausgestellt worden waren, für ungültig und ordnete die Rückgabe der genannten Dokumente sowie die sofortige Vollziehung des Bescheids an. Die Einbürgerung sei rechtswidrig gewesen, weil sie gemäß § 9 in Verbindung mit § 8 StAG voraussetze, dass der Ausländer imstande sei, sich und seine Angehörigen zu ernähren. Dies sei tatsächlich nicht der Fall gewesen. Da der Beschwerdeführer die Einbürgerungsbehörde durch Vorlage wissentlich falscher, entscheidungserheblicher Unterlagen über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses arglistig getäuscht habe, sei sein Vertrauen auf den Bestand der Einbürgerung nicht schutzwürdig. Wegen der strafrechtlichen Verurteilung lägen die Voraussetzungen eines Einbürgerungsanspruchs auch im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer weiterhin im Besitz der nigerianischen Staatsangehörigkeit sei, so dass er durch die Rücknahme seiner Einbürgerung nicht staatenlos werde. Sollte er tatsächlich staatenlos werden, hindere im Übrigen auch dies die Rücknahme nicht, denn er sei aufgrund arglistiger Täuschung eingebürgert worden, so dass kein schutzwürdiges Vertrauen bestehe. Art. 16 GG schütze nur die wohlerworbene Staatsangehörigkeit.
Den Widerspruch des Beschwerdeführers wies das Regierungspräsidium Karlsruhe auf der Grundlage derselben Rechtsauffassung mit ergänzenden Gründen zurück. Dabei ging es davon aus, dass der Beschwerdeführer weiterhin im Besitz der nigerianischen Staatsangehörigkeit sei und daher durch die Rücknahme der Einbürgerung nicht staatenlos werde.
2. a) Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Dezember 2003 ab. Mangels einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung im Staatsangehörigkeitsrecht seien im Falle einer von vornherein rechtswidrigen Einbürgerung die allgemeinen Rücknahmevorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze jedenfalls dann anzuwenden, wenn die Einbürgerung durch Täuschung erwirkt worden sei. Das in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Verbot der Entziehung der Staatsangehörigkeit stehe dem, wie auch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestätige, nicht entgegen. Dieses sei als Reaktion auf die vom nationalsozialistischen Regime praktizierte Aberkennung der Staatsangehörigkeit aus rassistischen, politischen und religiösen Gründen entstanden und solle gezielte Zwangsausbürgerungen verhindern. Einen Vertrauensschutz für durch Täuschung erwirkte Einbürgerungen habe der Verfassungsgeber nicht im Blick gehabt. Hinzu komme, dass die Bestimmung nicht isoliert gesehen werden dürfe, sondern im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung stehe. Dieses Gebot vermöge selbst unter Berücksichtigung des in Art. 16 Abs. 1 GG zum Ausdruck gebrachten hohen Werts der Gewährleistung der grundsätzlich unentziehbaren Staatsangehörigkeit die Aufhebung einer erschlichenen Einbürgerung zu rechtfertigen.
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme seien hier gegeben. Die Einbürgerung des Beschwerdeführers sei rechtswidrig gewesen, da er die mit der gefälschten Bescheinigung vorgetäuschte Voraussetzung der Unterhaltsfähigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG) nicht erfüllt habe. Aufgrund des vom Beschwerdeführer – wie bei seiner strafrechtlichen Verurteilung festgestellt – seit 1998 betriebenen Drogenhandels habe es zudem an der Einbürgerungsvoraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG gefehlt, da der Ausweisungsgrund des § 47 Abs. 2 Nr. 2 AuslG vorgelegen habe.
Auch der Gesichtspunkt der drohenden Staatenlosigkeit stehe im Hinblick auf das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung der Rücknahme einer durch bewusste Täuschung erwirkten Einbürgerung nicht entgegen; dieser Gesichtspunkt sei aber in die bei der Rücknahmeentscheidung zu treffenden Ermessenserwägungen einzustellen. Ob der Beschwerdeführer die nigerianische Staatsangehörigkeit tatsächlich verloren habe, könne zwar nicht abschließend geklärt werden. Nach den dargelegten Grundsätzen begegne die Rücknahme hier aber auch für den Fall, dass dem Beschwerdeführer tatsächlich Staatenlosigkeit drohen sollte, keinen Bedenken.
b) Den Antrag des Beschwerdeführers, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung seiner Klage wiederherzustellen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Dezember 2003 ab. Da nach dem Urteil vom gleichen Tage die Klage des Beschwerdeführers keinen Erfolg habe, gebühre dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers, vom Vollzug vorläufig verschont zu werden.
c) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 4. März 2004 ab. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils habe der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend dargelegt und begründet, dass eine durch Täuschung erwirkte Einbürgerung nach § 48 LVwVfG BW zurückgenommen werden könne.
Mit dem Einwand, seine privaten Interessen überwögen das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, könne der Beschwerdeführer nicht durchdringen. Die mögliche Staatenlosigkeit des Beschwerdeführers sei berücksichtigt, dem Grundsatz der Vermeidung der Staatenlosigkeit aber angesichts der Täuschung ein geringeres Gewicht beigemessen worden als dem Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
d) Durch Beschluss vom gleichen Tag wies der Verwaltungsgerichtshof auch die Beschwerde gegen den im Eilrechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zurück. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes komme nicht mehr in Betracht, nachdem die Verfügung der Beklagten im Hauptsacheverfahren rechtskräftig bestätigt worden sei.
II.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 16 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG.
Die Rücknahme der Einbürgerung stelle einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG dar. Der Beschwerdeführer verliere durch einen einseitigen Staatsakt gegen seinen Willen seine Staatsangehörigkeit. Die Annahme, dass die „erschlichene” Einbürgerung nicht in den Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG falle oder jedenfalls keinen Bestandsschutz in Anspruch nehmen könne, finde im Wortlaut der Bestimmung keinen Anhaltspunkt. Vielmehr werde die Staatsangehörigkeit hier gegen den Entzug, d.h. gegen den Verlust gegen den Willen des Betroffenen, generell geschützt. Der Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts stehe nicht in Einklang mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsprinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die Einbürgerung könne schon deshalb nicht nach § 48 LVwVfG BW zurückgenommen werden, weil das Staatsangehörigkeitsrecht die Gründe für den Verlust der Staatsangehörigkeit abschließend regele. Die Möglichkeit, gemäß § 48 Abs. 4 LVwVfG BW die Einbürgerung auch noch nach Jahren zurückzunehmen, wie auch das der Verwaltung in § 48 LVwVfG BW eingeräumte Ermessen stünden in Widerspruch zum Bedürfnis nach Rechtssicherheit in der statusrechtlichen Frage der Staatsangehörigkeit. Wegen der weitreichenden Folgen für den Betroffenen habe bereits das Preußische Oberverwaltungsgericht (PrOVGE 13, 408) die Auffassung vertreten, die Rücknahme einer Einbürgerung sei unzulässig. Obwohl die Frage seit Jahren umstritten sei, habe der Gesetzgeber bei der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts darauf verzichtet, eine Rücknahmemöglichkeit zu schaffen.
Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verbiete zudem einen Verlust der Staatsangehörigkeit, wenn der Betroffene dadurch staatenlos werde. Dies sei hier der Fall. Zwar schienen die angefochtenen Entscheidungen – insbesondere der Widerspruchsbescheid – davon auszugehen, dass die Rücknahme der Einbürgerung zum Wiederaufleben seiner ursprünglichen nigerianischen Staatsangehörigkeit führen werde. Diese Annahme werde jedoch nicht näher begründet. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG gewähre umfassenden Schutz gegen Staatenlosigkeit. Dieser Schutz könne nicht durch die nicht belegte Vermutung ausgehöhlt werden, dass der Beschwerdeführer seine ursprüngliche nigerianische Staatsangehörigkeit noch innehabe. Er könne auch nicht mit dem Hinweis umgangen werden, dass die Vorschrift nur Schutz für die „wohlerworbene” Staatsbürgerschaft gewähre. Diese Auslegung setze sich über den Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, der eine solche Einschränkung nicht enthalte, hinweg. Außerdem werde die besondere Schutzrichtung dieser Bestimmung verkannt. Der Wortlaut lasse entgegen der in den angegriffenen Entscheidungen vertretenen Auffassung auch nicht erkennen, dass diese Norm lediglich eine in die Ermessensentscheidung über die Rücknahme einer Einbürgerung einzustellende Wertentscheidung enthalte. Die zwingende Formulierung lasse für eine Ermessensentscheidung keinen Raum.
III.
Das Innenministerium und das Justizministerium des Landes Baden-Württemberg, die Regierungen der übrigen Bundesländer, der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung, der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts und die Stadt Pforzheim erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. Die Bundesregierung erachtet die Verfassungsbeschwerde als unbegründet. Es erscheine bereits fraglich, ob in den Fällen der sogenannten erschlichenen Einbürgerung der Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG eröffnet sei. Jedenfalls sei die Rücknahme einer durch Täuschung erwirkten Einbürgerung über eine historische und teleologische Auslegung und im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu rechtfertigen. Der vom Beschwerdeführer zugrundegelegte Begriff der Entziehung als „Verlust gegen den Willen des Betroffenen” sei zu eng, da Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG selbst von der Möglichkeit eines Verlusts der Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen ausgehe. Nach der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Kammerbeschluss vom 22. Juni 1990 (NJW 1990, S. 2193) zugrundegelegten Definition der Entziehung als „Verlust, den der Betroffene nicht beeinflussen kann”, fielen weder die gesetzlichen Verlustgründe des § 17 StAG noch die Rücknahme der durch Täuschung oder durch falsche Angaben des Betroffenen unter das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 GG, denn in den genannten Fällen habe der Betroffene es selbst in der Hand, auf den Statuserhalt Einfluss zu nehmen.
Gegen die durch Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG grundsätzlich gewährleistete Unentziehbarkeit der Staatsangehörigkeit sei das Verfassungsprinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abzuwägen. Der Hinweis des Beschwerdeführers, dass der historische Gesetzgeber ursprünglich alle Verlustgründe im Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 habe abschließend regeln wollen, berücksichtige nicht, dass nach Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze mit der Möglichkeit der Rücknahme von fehlerhaften Verwaltungsentscheidungen eine gänzlich andere Situation in Bezug auf die Rechtssicherheit der Betroffenen eingetreten sei. Der noch vom Preußischen Oberverwaltungsgericht (PrOVGE 13, 408 ≪418≫) befürchtete „völlig unsichere und prekäre Zustand” für den Betroffenen bei Korrektur eines fehlerhaften Erwerbs der Staatsangehörigkeit bestehe seitdem nicht mehr. Bei der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts habe der Gesetzgeber, dem das Problem der Korrektur rechtswidriger Einbürgerungsentscheidungen durchaus bewusst gewesen sei, spezialgesetzliche Regelungen deshalb nicht getroffen, weil er die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen vorhandenen allgemeinen Regelungen für ausreichend gehalten habe. Mit der dort vorgesehenen Ermessensentscheidung könne auf bestimmte Fallkonstellationen wie zum Beispiel auf die Mitbetroffenheit von Kindern viel flexibler reagiert werden als mit starren gesetzlichen Regelungen.
Die hier getroffene Ermessensentscheidung sei rechtmäßig. Auch ein Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG liege nicht vor. Aufgrund zahlreicher Anfragen von deutschen Behörden an das Auswärtige Amt habe die Botschaft in Abuja/Nigeria mit Bericht vom 27. November 2002 und zuletzt mit Bericht vom 15. September 2004 dem Auswärtigen Amt mitgeteilt, dass nach vorliegenden Erkenntnissen aufgrund fehlender Implementierungsvorschriften ein Verzicht auf die nigerianische Staatsangehörigkeit, wie ihn die Verfassung an sich ermögliche, bislang in der Praxis nicht möglich sei. Die dazu verfassungsrechtlich erforderliche formelle Registrierung gebe es bislang nicht. Das nigerianische Innenministerium sei lediglich bereit, den Eingang der Verzichtserklärung zu bestätigen, was jedoch keine Registrierung im Sinne der Verfassungsbestimmungen bedeute. Die Bestätigung der nigerianischen Botschaft vom 25. November 2000 über den Erhalt des nigerianischen Reisepasses des Beschwerdeführers tauge daher nicht als Indiz für eine Entlassung aus der Staatsangehörigkeit. Der Beschwerdeführer habe demnach zu keinem Zeitpunkt die nigerianische Staatsangehörigkeit verloren.
Im Übrigen stehe Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung auch bei drohender Staatenlosigkeit grundsätzlich nicht entgegen, da auch insoweit das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in der Regel Vorrang habe. Eine entsprechende Wertung liege auch dem Übereinkommen zur Vermeidung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961 und dem Europäischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit vom 6. November 1997 zugrunde.
2. Die Landesregierung Baden-Württemberg erachtet die Verfassungsbeschwerde als nicht begründet. Die Annahme, die speziellen Verlustregelungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes schlössen einen Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte aus, sei unzutreffend. Die Konsequenzen einer von Anfang an rechtswidrigen Einbürgerung regele das Staatsangehörigkeitsgesetz nicht und schließe daher die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts auf erschlichene Einbürgerungen nicht aus.
Auch Art. 16 Abs. 1 GG stehe der Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung nicht entgegen. Diese Bestimmung sei unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Zwangsausbürgerungspraxis in das Grundgesetz eingefügt worden. Bei der Rücknahme der Einbürgerung nach § 48 LVwVfG BW gehe es dagegen um den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG). Für die Sorge, die Möglichkeit der Korrektur des fehlerhaften Erwerbs der Staatsangehörigkeit führe für alle eingebürgerten Personen zu einem unsicheren und prekären Zustand, bestehe angesichts der rechtsstaatlich unbedenklichen Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze heute kein Grund mehr. Die Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung sei auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG, denn es handele sich nicht um einen Verlust, den der Betroffene nicht beeinflussen könne. Würde die Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung als verbotene Entziehung aufgefasst, so begründete dies im Ergebnis einen vom Verfassungsgeber nicht beabsichtigten Vertrauensschutz für durch Täuschung erwirkte Einbürgerungen; eine solche Rechtspraxis würde Manipulationen geradezu provozieren. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG schütze unstreitig nicht den rechtsunwirksamen Staatsangehörigkeitserwerb. Mit Blick auf den Schutzgedanken des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG sei es aber nicht gerechtfertigt, die erschlichene Einbürgerung anders zu behandeln, denn wer die Rechtswirksamkeit der Einbürgerung schuldhaft herbeigeführt habe, sei nicht schutzwürdiger als der von der Unwirksamkeit seiner Einbürgerung Betroffene.
Auch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG hindere die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung nicht. Nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG (seit 1. Januar 2005: § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG) sei grundsätzlich Voraussetzung der Einbürgerung, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgebe oder verliere. Würde die Rücknahme der Einbürgerung auf den Ausnahmefall der unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit erfolgten Einbürgerung beschränkt, käme sie in Baden-Württemberg in 75 % aller Fälle nicht in Betracht. Eine solche Besserstellung desjenigen, der eine ihm günstige Verwaltungsentscheidung mittels einer Täuschung erreiche, könne nicht die von Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG intendierte Rechtsfolge sein. Das Bundesverwaltungsgericht weise deshalb zu Recht darauf hin, dass nach Art. 8 Abs. 2 des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit der Grundsatz des Art. 8 Abs. 1 dieses Übereinkommens, wonach ein Vertragsstaat keiner Person ihre Staatsangehörigkeit entziehen dürfe, wenn diese dadurch staatenlos werde, nicht zur Anwendung komme, wenn die Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben worden sei. Art. 8 Abs. 1 des Übereinkommens stimme inhaltlich mit Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG überein, so dass der Rechtsgedanke des Art. 8 Abs. 2 des Übereinkommens auch zur Auslegung dieser Grundgesetzbestimmung herangezogen werden könne.
3. Die Bayerische Staatsregierung sieht Art. 16 Abs. 1 GG ebenfalls nicht verletzt. Wegen der weit reichenden Statusfolgen einer Einbürgerung geböten es das Rechtsstaatsprinzip und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Möglichkeit vorzusehen, dass bei rechtswidriger Einbürgerung gesetzmäßige Zustände wiederhergestellt würden und eine objektiv willkürliche Verleihung der Staatsangehörigkeit rückgängig gemacht werde. Die Auffassung, die Rücknahme einer Einbürgerung wegen Täuschung nach § 48 VwVfG sei unzulässig, da das Staatsangehörigkeitsrecht abschließende Regelungen für die Verlustgründe enthalte, widerspreche den Grundsätzen der Gesetzesauslegung und lasse die rechtlichen Änderungen nahezu eines Jahrhunderts unberücksichtigt. Der Fall eines durch Täuschung bewirkten rechtsgrundlosen Erwerbs der Staatsangehörigkeit sei in § 17 StAG nicht geregelt. § 48 VwVfG müsse auch für das Staatsangehörigkeitsrecht gelten; anderenfalls werde bei einer durch Täuschung erwirkten Einbürgerung das Täuschungsverhalten belohnt. Zudem verböten das Rechtsstaatsprinzip und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die generelle Hinnahme rechtswidriger und damit objektiv willkürlicher Statusverleihungen. Schutzwürdigen Interessen des Betroffenen und Dritter könne im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens Rechnung getragen werden.
Auch die Rüge der Verletzung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG überzeuge nicht. Die im Einzelfall durch Staatenlosigkeit verursachten Beeinträchtigungen privater Belange seien gegen das ebenfalls verfassungsrechtlich verankerte Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abzuwägen; dabei überwiege hier angesichts der Hintergründe und Tatumstände – massiver Rauschgifthandel anstelle der vorgetäuschten Erwerbstätigkeit – das öffentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Im Übrigen sei der Beschwerdeführer nach vorliegenden Erkenntnissen zum nigerianischen Staatsangehörigkeitsrecht nicht staatenlos geworden.
4. Nach Auffassung der Stadt Pforzheim greift die Rücknahme der Einbürgerung bereits nicht in den Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 GG ein. Unter „Entziehung” werde die durch einseitigen Staatsakt gegen den Willen des Betroffenen erfolgende und für ihn damit unvermeidbare Wegnahme der Staatsangehörigkeit verstanden. Demgegenüber werde der Verlust der Staatsangehörigkeit definiert als eine vom Betroffenen gesteuerte und damit vermeidbare Folge seines eigenen bewussten Handelns. Danach komme hier allenfalls ein Verlust der Staatsangehörigkeit in Betracht. Tatsächlich falle die Rücknahme aber schon nicht in den Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 GG. Dieser Schutzbereich sei von einer Rücknahme nicht betroffen, sofern die Gründe dafür ausschließlich im Erwerbsvorgang und insbesondere in der Sphäre des Einbürgerungsbewerbers lägen. Art. 16 Abs. 1 GG schütze nur die wohlerworbene deutsche Staatsangehörigkeit. Durch den Staatsangehörigkeitsbewerber bewusst hervorgerufene Fehler im Erwerbsvorgang seien bei der Schaffung des Art. 16 Abs. 1 GG nicht im Blickfeld der Väter des Grundgesetzes gewesen.
Zur Frage des Verlusts der nigerianischen Staatangehörigkeit hätten weder die deutschen Behörden vor Ort noch die in der Bundesrepublik Deutschland sichere Feststellungen treffen können. Der Beschwerdeführer sei daher aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt nicht aufklärbaren nigerianischen Rechtslage unter eventueller Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert worden. Somit sei offen, ob der Beschwerdeführer durch die Rücknahme der Einbürgerung staatenlos wurde.
5. Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Äußerung des 5. Senats übersandt. Der Senat stellt fest, Art. 16 Abs. 1 GG setze den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit voraus. Diese besitze, wer sie erworben habe. Sei die Einbürgerung unwirksam, erwerbe der Ausländer die deutsche Staatsangehörigkeit nicht. Einfaches, zur Zeit der Einbürgerung geltendes Recht könne unter anderem bestimmen, dass Einbürgerungen mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden könnten und durch die Rücknahme von Anfang an unwirksam seien (§ 43 Abs. 2, § 48 VwVfG). Sei aber eine Einbürgerung nach einfachem Recht von Anfang an unwirksam, könne sie nicht Erwerbsgrund für die deutsche Staatsangehörigkeit sein. Die Rücknahme einer Einbürgerung, die auf Täuschung über das Vorliegen der zur Zeit der Entscheidung geltenden Einbürgerungsvoraussetzungen beruhe, sei im Sinne des Art. 16 Abs. 1 GG weder Entzug noch Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, sondern nehme der rechtswidrigen Einbürgerung rückwirkend von Anfang an die Wirksamkeit, so dass es gar nicht zu einem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung gekommen sei.
6. In der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2005 haben der Beschwerdeführer, die Bundesregierung und die Landesregierung Baden-Württemberg ihr schriftliches Vorbringen vertieft. Die Bundesregierung hat erklärt, in der Praxis gebe es nur wenig Fälle, in denen eine Einbürgerung wegen des Beruhens auf vorsätzlich falschen Angaben zurückgenommen worden sei. Bei mehr als 420.000 Einbürgerungen in den Jahren 2002 bis 2004 seien für den Zeitraum von 2002 bis einschließlich Oktober 2005 – neben einer Anzahl von Fällen, in denen Verfahren noch bei den Gerichten anhängig seien – nur 84 bestandskräftige Rücknahmen zu verzeichnen.
Entscheidungsgründe
B.
Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen die angegriffenen Beschlüsse im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes richtet, ist sie mangels ausreichender Begründung (§§ 23, 92 BVerfGG) unzulässig. Gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, nach rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache komme die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht mehr in Betracht, hat der Beschwerdeführer verfassungsrechtliche Einwände nicht geltend gemacht.
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Durch die angegriffenen Entscheidungen werden Grundrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt. Das Verbot der Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) steht der Rücknahme einer durch Täuschung erwirkten rechtswidrigen Einbürgerung nicht grundsätzlich entgegen (I.). Auch der in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Schutz vor Staatenlosigkeit verbietet die Rücknahme einer solchen Einbürgerung gegen den Willen des Betroffenen nicht in jedem Fall, in dem der Betroffene durch eine gegen seinen Willen erfolgende Rücknahme staatenlos wird (II.). § 48 LVwVfG BW reicht als gesetzliche Grundlage der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung nach Ansicht der die Entscheidung gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 BVerfGG tragenden Richter aus (III.; die Ansicht der anderen Richter folgt unter IV.).
I.
Das in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesprochene Verbot, die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen, schließt die Rücknahme erschlichener oder auf vergleichbar vorwerfbare Weise erwirkter Einbürgerungen nicht aus.
Während Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, ist die Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausnahmslos verboten. Die Bedeutung dieses Verbots ist von jeher umstritten.
Dem Wortsinn nach liegt eine Entziehung nur vor, wenn dem Betroffenen etwas gegen seinen Willen genommen, nicht dagegen, wenn es freiwillig abgegeben wird. Die auch in Teilen der Literatur vertretene Auffassung des Beschwerdeführers, jeder gegen den Willen des Betroffenen eintretende Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit sei eine nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verbotene Entziehung (vgl. etwa Ziemske, Die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Grundgesetz, 1995, S. 220 f.; Bleckmann, Staatsrecht II, S. 1104, Rn. 5), wird jedoch durch den Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 GG selbst widerlegt. Nach Satz 2 dieser Bestimmung darf ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nur aufgrund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird. Damit setzt das Grundgesetz selbst voraus, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch ein gegen den Willen des Betroffenen eintretender Verlust rechtmäßig sein kann. Eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit liegt demnach nur dann, aber nicht immer dann vor, wenn der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen eintritt. Welche zusätzlichen Merkmale die unzulässige Entziehung im Unterschied zum nicht generell ausgeschlossenen Verlust charakterisieren, ist dem Wortsinn der Vorschrift nicht zu entnehmen.
a) Die Entstehungsgeschichte des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG lässt zwar eine allgemeine Zielrichtung des Entziehungsverbots, nicht aber dessen genaue Bedeutung erkennen. Die Bestimmung geht zurück auf eine Anregung des Abgeordneten von Mangoldt im Grundsatzausschuss des Parlamentarischen Rates. Von Mangoldt verwies auf Art. 13 der UN-Menschenrechtserklärung „Niemand kann willkürlich seiner Staatsangehörigkeit oder des Rechtes beraubt werden, seine Staatsangehörigkeit zu wechseln”), der sich auf die Ausbürgerungen in der Zeit des Nationalsozialismus beziehe, und warf die Frage auf, ob man gegen Gesetze über die Aberkennung der Staatsangehörigkeit eine verfassungsrechtliche Sicherung vorsehen solle (vgl. Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Band 5/II, Ausschuss für Grundsatzfragen, Boppard am Rhein 1993, Nr. 32, S. 709). Die erklärte Absicht, im Einklang mit völkerrechtlichen Bestrebungen Vorkehrung zu treffen gegen missbräuchliche Aberkennungen der Staatsangehörigkeit, wie es sie in der Zeit des Nationalsozialismus gegeben habe und gegenwärtig „im Osten” gebe (von Mangoldt, a.a.O., S. 709 und Nr. 33, S. 714), blieb unumstrittene Grundlage der weiteren Beratungen zu Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG im Parlamentarischen Rat. Von besonderer Bedeutung für die Auslegung des Entziehungsverbots sind demnach die historischen Missbräuche, von denen das Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit sich abgrenzt und vor deren Wiederkehr es schützen soll.
b) Im nationalsozialistischen Deutschland ermöglichte bereits 1933 das Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit den Widerruf unerwünschter Einbürgerungen – mit Wirkung auch für Dritte, die ihre Staatsangehörigkeit von dem unmittelbar Betroffenen ableiteten – sowie die Aberkennung der Staatsangehörigkeit von Bürgern, die sich im Ausland aufhielten, für den Fall, dass diese durch treuewidriges Verhalten deutsche Belange geschädigt oder eine Rückkehraufforderung nicht befolgt hatten. Für den Widerruf machte das zugehörige Verordnungsrecht ausdrücklich völkisch-nationale Gesichtspunkte maßgebend. Die Aberkennung wurde in der durch Erlasse bestimmten Praxis nicht nur gegen politisch missliebige Personen, sondern in weitem Umfang auch aus rassischen Gründen sowie zur Sanktionierung von Verstößen gegen Straf-, Steuer- und Devisengesetze verhängt (vgl. Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933, RGBl I S. 480; Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 10. Juli 1935, RGBl I S. 1015; Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 26. Juli 1933, RGBl I S. 538; zur Praxis Lehmann, Acht und Ächtung politischer Gegner im Dritten Reich, in: Hepp ≪Hrsg.≫, Die Ausbürgerung deutscher Staatsangehöriger 1933-45 nach den im Reichsanzeiger veröffentlichten Listen, Bd. 1, 1985, S. IX ≪XIII f.≫).
Mit dem Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935 und dazu erlassenem Verordnungsrecht wurde neben dem Staatsangehörigkeitsstatus ein weiterer, an rassische und treuebezogene Voraussetzungen gebundener Zugehörigkeitsstatus, das Reichsbürgerrecht, geschaffen, an das nunmehr die Inhaberschaft der vollen politischen Rechte geknüpft war; die Einführung des Reichsbürgerstatus wirkte damit als Teileinziehung des Staatsangehörigkeitsstatus gegenüber denen, die die geforderten Voraussetzungen nicht erfüllten (vgl. Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935, RGBl I ≪1935≫ S. 1146; Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935, RGBl I S. 1333; vgl. dazu Ernst, Das Staatsangehörigkeitsrecht im Deutschen Reich unter der Herrschaft der Nationalsozialisten und seine Auswirkungen auf das Recht der Bundesrepublik Deutschland, Diss. Münster 1999, S. 39 ff., sowie, zur Anknüpfung auch ökonomischer und sozialer Entrechtung der Betroffenen in der Folgezeit, Gosewinkel, Einbürgern und Ausschließen, 2001, S. 393 ff.).
Die Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz (vom 25. November 1941, RGBl I S. 722) beraubte jüdische Deutsche ihrer deutschen Staatsangehörigkeit, indem sie für Juden den Verlust daran knüpfte, dass der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte oder nahm; zum Verlust der Staatsangehörigkeit führte danach nicht nur die Emigration – hier waren vor allem die in großer Zahl bereits früher Emigrierten betroffen –, sondern auch die Deportation in eines der außerhalb der Reichsgrenzen gelegenen Vernichtungslager (vgl. auch Lehmann, a.a.O., S. XIV f.).
Nachdem spezielle staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen bereits für bestimmte Personengruppen in den eingegliederten Ostgebieten den Erwerb einer Staatsangehörigkeit auf Widerruf vorgesehen hatten, führte 1943 die Zwölfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz neben einer Schutzangehörigkeit für nicht volksdeutsche Reichseinwohner die Staatsangehörigkeit auf Widerruf als eine weitere, neue Zugehörigkeitskategorie des allgemeinen Staatsangehörigkeitsrechts ein (Zwölfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. April 1943, RGBl I S. 268; dazu Verordnung über die Staatsangehörigkeit auf Widerruf vom 25. April 1943, RGBl I S. 269). Von der Widerrufsmöglichkeit, die bereits 1933 das Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit eingeführt hatte, unterschied sich die hier vorgesehene dadurch, dass sie an keinerlei bestimmte Voraussetzungen gebunden war.
Bei der Bezugnahme auf Ausbürgerungspolitiken „im Osten” stand den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates die Praxis der in kommunistischen Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg teils unmittelbar durch Rechtsnormen bewirkten, teils einzelaktförmigen Ausbürgerungen von Staatsbürgern, die ihrer Volkszugehörigkeit nach ehemaligen Kriegsgegnern zugerechnet wurden, vor Augen – vor allem die Ausbürgerungen im Zusammenhang mit der Vertreibung Deutscher (vgl. Der Parlamentarische Rat, a.a.O., Nr. 42, S. 947; siehe z.B. für die Ausbürgerungen in der Tschechoslowakei das Verfassungsdekret des Präsidenten der Republik vom 2. August 1945 über die Regelung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft der Personen deutscher und madjarischer Nationalität – eines der sogenannten Beneš-Dekrete –, abgedruckt in: Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte ≪Hrsg.≫, Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Band IV/1, Die Vertreibung der Deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, 1957, S. 240 f., sowie den Runderlass des Ministeriums des Innern vom 24. August 1945 über die Regelung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft nach dem Dekret vom 2. August 1945, ebd. S. 245 ff.; als Beispiel für vorgesehene einzelaktförmige Ausbürgerungen siehe das polnische Dekret vom 13. September 1946 über den Ausschluss von Personen deutscher Nationalität aus der polnischen Volksgemeinschaft, abgedruckt in: Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte ≪Hrsg.≫, Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, Band I/3, 1960, S. 293 ff.; weitere einschlägige staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen dort S. 34 ff. u.a.).
c) In der Frage, wie das beabsichtigte Verbot gefasst werden und was alles darunter fallen müsse, um Entwicklungen dieser Art für die Zukunft vorzubeugen, gingen die Meinungen im Parlamentarischen Rat auseinander. Umstritten war vor allem, ob es notwendig und ausreichend sei, ein Verbot „willkürlicher” Verlustzufügungen vorzusehen. Eine entsprechende Formulierung „Niemand darf willkürlich seiner Bundesangehörigkeit beraubt werden”; in der ersten Lesung des Hauptausschusses geändert in „Die Bundesangehörigkeit darf nicht willkürlich entzogen werden”) setzte sich im Grundsatzausschuss zunächst auf Vorschlag des Abgeordneten von Mangoldt durch. Jedes Staatsangehörigkeitsgesetz, so hatte von Mangoldt ausgeführt, werde gewisse Vorschriften über den Verlust der Staatsangehörigkeit enthalten müssen; als Beispiele nannte er die Frau, die einen Ausländer heirate und dessen Staatsangehörigkeit erwerbe, und den Deutschen, der sich ins Ausland begebe und dort ohne Genehmigung von deutscher Seite ein Amt übernehme oder in das Militär eintrete und sich den Pflichten in Deutschland entziehe (Der Parlamentarische Rat, a.a.O., Bd. 5/II, Nr. 33, S. 714).
Im weiteren Verlauf setzte sich nach wiederholten kontroversen Diskussionen die schließlich Gesetz gewordene Fassung durch, die das Wort „willkürlich” nicht enthielt. Für die Streichung dieses Wortes und, in einer späteren Phase, gegen dessen Wiederaufnahme in den Text hatten sich verschiedene Abgeordnete mit unterschiedlichen Argumenten ausgesprochen. Der Abgeordnete Wagner sah in einer derart interpretationsoffenen Formulierung keinen hinreichenden Schutz gegen die Fehlentwicklungen, denen vorgebeugt werden sollte; zu dem Beispielsfall einer Verletzung der Treuepflicht durch Betätigung in ausländischen Diensten gab er zu bedenken, ob nicht ein irgendwann etwa heraufziehender neuer Nationalismus schon eine Propaganda für internationale Verständigung als Im-Dienst-Stehen beim Feind betrachten könne (Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, 44. Sitzung, S. 569 ≪581≫). Der Abgeordnete Schmid nahm auf das andere von von Mangoldt angeführte Fallbeispiel – das der deutschen Frau, die heiratsbedingt eine ausländische Staatsangehörigkeit erwirbt – Bezug, wandte sich gegen die „in der Gesetzgebung aller Staaten seit einigen Jahrzehnten” festzustellende Tendenz, mehrfache Staatsangehörigkeiten auszuschließen, und sprach sich dafür aus, den Verlust der Staatsangehörigkeit überhaupt auf Fälle des freiwilligen Verzichts zu beschränken (a.a.O., S. 581). Den Einwand, ein nicht auf Willkürfälle beschränktes Entziehungsverbot widerspreche dem zweiten Satz des Art. 16 Abs. 1 GG, der Entziehungen zulasse, wies in einer späteren Sitzung der Abgeordnete Zinn mit der Interpretation zurück, das Entziehungsverbot des Satzes 1 betreffe die einseitige Wegnahme durch Verwaltungsakt, während der nach Satz 2 zulässige Verlust als Folge eines gesetzlich festgelegten Tatbestandes, zum Beispiel der Eheschließung mit einem Ausländer, eintrete (a.a.O., S. 618).
d) Ein klares, zumindest innerhalb der jeweiligen Mehrheiten einheitliches Verständnis des Entziehungsverbots im Parlamentarischen Rat wird aus diesen Diskussionen nicht ersichtlich. Auch auf Seiten derer, die sich gegen eine Qualifizierung des Entziehungsverbots durch das wertende Kriterium der Willkür ausgesprochen hatten, bestand schon hinsichtlich der erörterten Fallgruppen – etwa hinsichtlich der Frage, ob ehebedingter Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit zum Verlust der deutschen führen solle – keine Einigkeit darüber, ob sie von dem Verbot erfasst sein sollten oder nicht. Erst recht tritt kein mehrheitlicher Konsens über allgemeine Kriterien zutage, durch die die verbotene Entziehung sich vom nicht grundsätzlich ausgeschlossenen Verlust der Staatsangehörigkeit unterscheiden soll.
Die wiedergegebene Äußerung des Abgeordneten Zinn ist zur Grundlage einer Auslegung geworden, nach der „Entziehung” die einseitige Wegnahme im Einzelfall oder die Wegnahme durch Verwaltungsakt ist (Schätzel, Staatsangehörigkeit, in: Die Grundrechte, Bd. 2, 1954, S. 535 ≪570, 574≫; Lichter, Die Staatsangehörigkeit nach deutschem und ausländischem Recht, 2. Aufl. 1955, S. 49; Kokott, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Rn. 16 zu Art. 16 GG; Hesselberger, in: ders., GG, 13. Aufl. 2003, Rn. 3 zu Art. 16 GG). Diese formale Abgrenzung entspricht, so weit sie reicht, der in der Streichung des Wortes „willkürlich” zutage getretenen Absicht, den Schutz vor Entziehung gegen politisch motivierte Fehldeutungen des Entziehungsbegriffs abzusichern. Zugleich verfehlt diese Abgrenzung aber ihrerseits den unumstrittenen Zweck des Entziehungsverbots, denn der beabsichtigte Schutz vor allem gegen rassisch und politisch motivierte Ausbürgerungen ist mit ihr nicht ausreichend zu gewährleisten. Selbst eindeutig ausgrenzende und menschenrechtswidrige Ausbürgerungen oder Verkürzungen des Staatsangehörigkeitsstatus wären von einem so definierten Entziehungsbegriff nicht erfasst, soweit sie, wie es bei vielen der betrachteten historischen Ausbürgerungspraktiken der Fall war, durch rechtssatzförmige Regelungen bewirkt werden, die den Verlust der Staatsangehörigkeit als automatische Folge der Verwirklichung bestimmter Tatbestände vorsehen.
Gegen eine Auslegung, die in der Verwaltungsakt- oder Einzelaktförmigkeit das entscheidende Merkmal der Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG sieht, spricht auch, dass derselbe Begriff in Art. 116 GG anders verwendet wird. Nach Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG sind frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, auf Antrag wieder einzubürgern. Unter den Entziehungsbegriff fallen hier unstreitig nicht nur Aberkennungen der Staatsangehörigkeit durch Einzelakt; vielmehr erfasst die Bestimmung jede, auch die durch allgemeine Regelung wie die Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz erfolgte, Aberkennung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen (vgl. Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, Rn. 90 zu Art. 116 GG; Makarov/von Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Bd. 2, Art. 116 Rn. 82; Boetius, AöR 92 ≪1967≫, S. 33 ≪46≫).
Das historische Material enthält auch keinen Hinweis darauf, dass an einen zusammengesetzten Entziehungsbegriff gedacht war, der das Verbot einzelaktförmiger Verlustzufügungen als eines von mehreren, je für sich den Entziehungscharakter einer Maßnahme begründenden Merkmalen enthält. Gegen eine solche Interpretation spricht auch, dass der Weg der rechtssatzförmigen Regelungen, etwa der unstreitig nicht prinzipiell unzulässigen Nichtigkeitsregelungen, auf den der Gesetzgeber damit gedrängt würde, keineswegs der für die betroffenen Einzelnen und die Stabilität der Staatsangehörigkeitsverhältnisse insgesamt schonendere ist. Auch eine rechtssatzförmige Bestimmung kann unangemessen eingreifenden, zu weitreichenden Charakter haben, und gerade Nichtigkeitsregelungen können zu einer Rechtsunsicherheit führen, die in Staatsangehörigkeitsfragen nicht hinnehmbar ist.
Im Gesetz zur Regelung der Staatsangehörigkeit vom 22. Februar 1955, das die Folgen der Sammeleinbürgerungen deutscher Volkszugehöriger in unter nationalsozialistischer Herrschaft angeschlossenen und besetzten Gebieten regelt, zeigt sich dies in der Umgehungslösung, die der Gesetzgeber – damals in der Annahme, das Entziehungsverbot schließe Einbürgerungsrücknahmen wegen ihres Einzelaktcharakters aus – mit § 24 StARegG gewählt hat (vgl. Makarov/von Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Rn. 9 zu § 24 StARegG).
4. Die Auslegung des Entziehungsbegriffs kann daher nur an den allgemeinen und unumstrittenen Zweck des Entziehungsverbots anknüpfen. Bei den historischen Praktiken, von denen das Verbot der Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit sich abgrenzt, handelte es sich um Beeinträchtigungen des Staatsangehörigkeitsstatus durch Aufspaltung in Zugehörigkeitsverhältnisse besserer und minderer Güte und um Wegnahmen der Staatsangehörigkeit nach Maßgabe unterschiedlicher Kriterien der Würdigkeit. Die Wegnahmen und Verkürzungen des Staatsangehörigkeitsstatus unterschieden sich dabei in den rechtlichen Formen, glichen sich aber darin, dass sie der Staatsangehörigkeit ihre Bedeutung als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit raubten und sie damit in ein Mittel der Ausgrenzung statt der Integration verkehrten. Entziehung ist danach jede Verlustzufügung, die die – für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame – Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt.
Eine Beeinträchtigung der Verlässlichkeit und Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus liegt insbesondere in jeder Verlustzufügung, die der Betroffene nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1990, NJW 1990, S. 2193; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. August 2001 – 2 BvR 2101/00 –, NVwZ 2001, S. 1393; BVerwGE 100, 139 ≪145≫; für Vermeidbarkeit oder Beeinflussbarkeit oder zumutbare Vermeidbarkeit als Kriterium der Abgrenzung zwischen zulässigem Verlust und verbotener Entziehung auch Gross, DVBl 1954, S. 801 ≪802≫; Boetius, AöR 92, S. 49 ff. ≪53≫; Seifert, DÖV 1972, S. 671 ≪672≫; Scholz/Uhle, NJW 1999, S. 1510 ≪1511≫; Randelzhofer, in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 16 Rn. 49; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Rn. 12 zu Art. 16 GG; Allesch, in: Umbach/Clemens, GG Bd. 1, 2002, Rn. 10 zu Art. 16 GG; Kämmerer, in: Bonner Kommentar, Art. 16 Rn. 49). Zur Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus gehört auch die Vorhersehbarkeit eines Verlusts und damit ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Bereich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verlustregelungen.
Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG schließt danach die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung nicht grundsätzlich aus. Wenn demjenigen, der durch Täuschung oder vergleichbares Fehlverhalten, etwa durch Bestechung oder Bedrohung, eine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt hat, die missbräuchlich erworbene Rechtsposition nicht belassen wird, beeinträchtigt dies weder ein berechtigtes Vertrauen des Betroffenen noch kann das Vertrauen Anderer, die sich im Verfahren ihrer Einbürgerung solche Missbräuche nicht haben zuschulden kommen lassen, beschädigt werden. Auch eine Diskriminierung liegt angesichts des guten, vom Betroffenen selbst gesetzten Grundes für die Rücknahme offensichtlich nicht vor.
II.
Der in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Schutz vor Staatenlosigkeit steht der Rücknahme der Einbürgerung des Beschwerdeführers nicht entgegen.
1. Die Rücknahme einer durch bewusst falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen, aber nicht nichtigen Einbürgerung bedeutet für den Betroffenen, dass er die ihm wirksam verliehene deutsche Staatsangehörigkeit verliert. Dem Wortlaut nach scheint daher Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, der Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Verlusts der Staatsangehörigkeit aufstellt, uneingeschränkt anwendbar zu sein. Die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung daran scheitern zu lassen, dass der Betroffene dadurch möglicherweise staatenlos wird, läge aber so eindeutig außerhalb des Sinns und Zwecks der Vorschrift, dass der insoweit überschießende Wortlaut für die Auslegung nicht maßgebend sein kann.
Die Anwendbarkeit des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ist im vorliegenden Fall allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Rücknahme der Einbürgerung rückwirkend ausgesprochen wurde. Daran, dass die Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bewirkt, ändert sich auch dann nichts, wenn die Rücknahme rückwirkend zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Einbürgerung erfolgt. Da Art. 16 Abs. 1 GG, wie die Verfassung insgesamt, nicht nur der rechtlichen Beurteilung im Nachhinein dienen, sondern auch und vor allem schon im Vorhinein steuernde Wirkung entfalten soll, muss seine Bedeutung aus der zeitlichen Betrachtung ex ante ermittelt werden. Aus der Perspektive vor Erlass eines Rechtsaktes, der eine Einbürgerung rückwirkend beseitigt, stellt sich die rückwirkende Beseitigung aber als Beseitigung einer bestehenden Staatsangehörigkeit dar. Dementsprechend ist allgemein anerkannt, dass auch Regelungen, die eine Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Staatsangehörigkeitserwerbs ex tunc vorsehen, gegen das Entziehungsverbot verstoßen können (vgl. statt vieler Masing, in: Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Rn. 75 zu Art. 16). Genügte der Umstand, dass ein Wegfall der Staatsangehörigkeit rückwirkend zum Zeitpunkt des Erwerbs eintritt, um die Vorgaben des Art. 16 Abs. 1 GG unanwendbar zu machen, so liefe der Schutz des Grundrechts ganz unabhängig davon, wie es im Übrigen interpretiert wird, gegenüber jeder gesetzlichen Regelung leer, die eine Wegnahme der Staatsangehörigkeit ex tunc vorsieht oder ermöglicht. Das Grundrecht könnte dann selbst gegen Maßnahmen nicht mehr schützen, die im Kern seiner historischen Schutzrichtung liegen.
2. Eine Auslegung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, nach der das Verbot der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit sich auch auf den Fall der erschlichenen Einbürgerung erstreckte, entspricht nicht dem Willen des Verfassungsgebers; sie liegt außerhalb des Schutzzwecks der Norm.
a) Einen Vertrauensschutz für durch Täuschung erwirkte Einbürgerungen hat der Verfassungsgeber, wie das Bundesverwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, nicht im Blick gehabt (BVerwGE 118, 216 ≪220≫). Das heutige Staatsangehörigkeitsrecht, das unter detailliert normierten Voraussetzungen Rechtsansprüche auf Einbürgerung einräumt, zeichnete sich zur Zeit der Beratungen des Parlamentarischen Rates noch nicht entfernt ab. Auch die naheliegende Gefahr, dass dieses Rechtsangebot, von Vielen wahrgenommen, des öfteren auch zu Erschleichungen missbraucht wird, drängte sich nicht auf.
Die bloße Tatsache, dass eine Fallgestaltung nicht im Blickfeld des Gesetzgebers lag, rechtfertigt es zwar für sich genommen nicht, diese Fallgestaltung vom Anwendungsbereich eines Gesetzes auszunehmen, das sie dem Wortlaut nach erfasst. Gegen die Annahme, dass mit Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ein Verbot der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit auch für die Fälle der Rücknahme erschlichener oder auf andere Weise bewusst durch rechtswidriges Handeln erwirkter Einbürgerungen aufgestellt werden sollte, sprechen jedoch weitere, zwingende Gründe.
b) Der Schaffung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG lag die erklärte Absicht zugrunde, sich in Abgrenzung von der nationalsozialistischen Ausbürgerungspolitik und den Ausbürgerungen, von denen Deutsche im Zuge der Vertreibungen betroffen waren, an völkerrechtliche Bestrebungen zur Bekämpfung der Staatenlosigkeit anzuschließen (vgl. die Äußerungen des Abgeordneten von Mangoldt in der 26. und der 32. Sitzung des Grundsatzausschusses, in: Der Parlamentarische Rat 1948-1949, Akten und Protokolle, Band 5/II, Ausschuss für Grundsatzfragen, Boppard am Rhein 1993, Nr. 33, S. 715 und Nr. 42, S. 947).
Staatenlosigkeit als Folge eines Verlusts der Staatsangehörigkeit ausnahmslos zu vermeiden, war von dieser Zielsetzung her nicht geboten. Dass dies auch nicht beabsichtigt war, zeigt sich darin, dass Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit mit der Folge der Staatenlosigkeit ausdrücklich für diejenigen Fälle nicht ausschließt, in denen der Verlust mit Willen des Betroffenen eintritt. Dieser Fallgruppe eines ausdrücklich zugelassenen Eintritts von Staatenlosigkeit kann der Fall der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung, durch die der Betroffene staatenlos wird, nicht unmittelbar zugeordnet werden; er steht ihr aber bei wertender Betrachtung insofern nahe, als der Betroffene hier jedenfalls die Ursachen für die Rücknahme willentlich und darüber hinaus in vorwerfbarer Weise selbst gesetzt hat.
Mit der an völkerrechtliche Bestrebungen gegen die Staatenlosigkeit anknüpfenden Zielsetzung des Verfassungsgebers ist die Inkaufnahme von Staatenlosigkeit im Fall der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung vereinbar. Es gab und gibt weder einen allgemeinen Grundsatz des Völkerrechts noch eine die Bundesrepublik Deutschland bindende völkerrechtliche Vereinbarung, die die Inkaufnahme von Staatenlosigkeit in einem solchen Fall ausschließen. Bereits das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961 (BGBl 1977 II S. 597 ff.), das auf Arbeiten der International Law Commission und eine Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1954 zurückgeht, verbietet zwar in Art. 8 Abs. 1 grundsätzlich die Entziehung der Staatsangehörigkeit für den Fall, dass der Betroffene dadurch staatenlos wird, lässt aber eine Ausnahme ausdrücklich für den Fall zu, dass die Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben wurde (Art. 8 Abs. 2 Buchst. b) des Übereinkommens). Das im Rahmen des Europarats aufgelegte Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (BGBl 2004 II, S. 578), das die Bundesrepublik Deutschland am 11. Mai 2005 ratifiziert hat, gestattet in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b) einen Verlust der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates unter anderem für den Fall, dass diese in einer dem Antragsteller zurechenbaren Weise durch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder Verschleierung einer erheblichen Tatsache erworben wurde, erstreckt in Art. 7 Abs. 2 diese Verlustmöglichkeit auch auf Kinder des Antragstellers, und nimmt in Art. 7 Abs. 3 diese Fallkonstellation von dem Verbot eines Staatsangehörigkeitsverlusts, der zur Staatenlosigkeit führt, aus.
Dass der Schutz vor Staatenlosigkeit, den Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet, entstehungsgeschichtlich an entsprechende Bestrebungen der internationalen Gemeinschaft anknüpfte, bedeutet nicht, dass dieser Schutz in seiner Reichweite von vornherein auf den diesbezüglichen Stand des Völkerrechts beschränkt wäre. Gegen eine derart einschränkende Auslegung spricht nicht nur der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, sondern auch der Umstand, dass das Anliegen, Staatenlosigkeit zu vermeiden, zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes noch keine völkerrechtliche Gestalt angenommen hatte, die einer solchen Auslegung zugrundegelegt werden könnte (vgl. Weis, Nationality and Statelessness in International Law, 1956, S. 165 ff.; Hofmann, Art. Denationalization and Forced Exile, in: Encyclopedia of Public International Law, Vol. 1, 1992, S. 1001 ff.).
Darin, dass in völkerrechtlichen Vereinbarungen Staatenlosigkeit gerade für den Fall der Rücknahme erschlichener Einbürgerungen ausdrücklich hingenommen wird, liegt jedoch keine bloße Zufälligkeit des Völkerrechts. Vielmehr zeigt sich darin ein allgemeiner Rechtsgedanke, der auch für die Verfassungsauslegung von Bedeutung ist. Die völkerrechtlichen Bestimmungen, die die Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung auch in diesem Fall zulassen, sind Ausdruck der Selbstbehauptung des Rechts.
c) Eine Rechtsordnung, die sich ernst nimmt, darf nicht Prämien auf die Missachtung ihrer selbst setzen. Sie schafft sonst Anreize zur Rechtsverletzung, diskriminiert rechtstreues Verhalten (vgl. BVerfGE 84, 239 ≪268 ff.≫; 110, 94 ≪112 ff.≫) und untergräbt damit die Voraussetzungen ihrer eigenen Wirksamkeit.
Es ist grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung, auf welche Weise neben der normativen Geltung des Rechts auch dessen praktische Wirksamkeit am besten zu sichern ist (vgl. BVerfGE 88, 203 ≪261 ff.≫). In der Regel besteht hier ein großes Spektrum von Möglichkeiten, das weichere und härtere, direkt und indirekt wirkende, bürgerlichrechtliche, öffentlichrechtliche und strafrechtliche Instrumente einschließt. Auch soweit es um die Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und hier besonders um den Schutz vor der gezielten Herbeiführung rechtswidriger Entscheidungen durch Täuschung, Bestechung oder Bedrohung der Entscheidungsträger geht, ist dem Gesetzgeber im Allgemeinen nicht der Einsatz bestimmter einzelner Sicherungsmittel von Verfassungs wegen vorgegeben. So verbietet die Verfassung es nicht prinzipiell, auch begünstigende Verwaltungsakte, die auf diese Weise erwirkt worden sind, in Geltung zu lassen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen dürfen jedoch insgesamt jedenfalls nicht so beschaffen sein, dass sie – zumindest aus der Sicht der weniger Gewissenhaften – zu rechtswidrigem Verhalten oder zur Herstellung rechtswidriger Zustände geradezu einladen. Die Bereitschaft zu rechtmäßigem Verhalten darf nicht dadurch untergraben werden, dass statt des rechtstreuen Verhaltens der Rechtsverstoß begünstigt wird.
Nicht zufällig gewährt daher das Recht dem missbräuchlich Handelnden für Rechtspositionen, die er in Widerspruch zum geltenden Recht durch Täuschung oder noch schwerwiegendere Missbräuche erwirkt hat, in der Regel keinen Bestandsschutz, sondern ermöglicht es, mindestens innerhalb gewisser Fristen den Erwerb der Rechtsposition rückgängig zu machen. Es handelt sich um die nächstliegende Möglichkeit, dem geltenden Recht Nachdruck zu verleihen und eine Begünstigung von Rechtsverstößen zu vermeiden.
Wie die oben wiedergegebene Äußerung des Abgeordneten Schmid im Parlamentarischen Rat zeigt, war den am Verfassungsgebungsverfahren Beteiligten bewusst, dass das einfachgesetzliche Einbürgerungsrecht seit längerem – damals noch deutlicher als heute – von der Tendenz geprägt war, mehrfache Staatsangehörigkeiten zu vermeiden. Zu dieser Ausrichtung des Staatsangehörigkeitsrechts gehörte und gehört, dass Einbürgerungen im Regelfall die Aufgabe der früheren Staatsangehörigkeit voraussetzen (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 12 StAG) und dass demzufolge die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung im Regelfall Staatenlosigkeit des Betroffenen zur Folge hat.
Auch wenn es bei derartigen Einbürgerungen im Einzelfall gute Gründe geben kann, auf eine Rücknahme als die nächstliegende Reaktion des Rechtsstaates zu verzichten, kann angesichts der Bedeutung dieser Reaktionsmöglichkeit für die Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht angenommen werden, dass der Verfassungsgeber gerade im Einbürgerungsrecht diese Möglichkeit verschließen wollte oder ein solches Ergebnis hätte hinnehmen wollen.
Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer tatsächlich im Zusammenhang mit seiner Einbürgerung die nigerianische Staatsangehörigkeit aufgegeben hat, kommt es danach nicht an.
3. Die Entscheidung zu II. ist mit 6: 2 Stimmen ergangen.
III.
Die Rücknahme der Einbürgerung erfolgte auf der Grundlage des § 48 LVwVfG BW. Nach Ansicht der den Entscheidungsausspruch tragenden Richter Hassemer, Di Fabio, Mellinghoff und Landau genügt diese gesetzliche Bestimmung den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts, jedenfalls wenn der Betroffene die Einbürgerung durch Täuschung bewirkt hat.
1. Die Anwendung des § 48 LVwVfG BW ist nicht wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz des Landes Baden-Württemberg ausgeschlossen. Zwar handelt es sich bei der Regelung der Voraussetzungen und Folgen einer Einbürgerungsrücknahme nicht allein um Verwaltungsverfahrensrecht im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG, sondern auch um materielles Staatsangehörigkeitsrecht (vgl. BVerwGE 74, 357 ≪362≫; BVerwG, Beschluss vom 9. März 1988, NJW 1988, S. 2552), für das nach Art. 73 Nr. 2 GG eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht. Soweit man die Regelung der Voraussetzungen und Folgen einer Einbürgerungsrücknahme nicht zum Verwaltungsverfahrensrecht im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG, sondern zum materiellen Staatsangehörigkeitsrecht rechnet, ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz der Länder für Rücknahmeregelungen, wie sie die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder übereinstimmend enthalten, jedenfalls aus Art. 71 GG in Verbindung mit der ausdrücklichen bundesgesetzlichen Ermächtigung durch § 1 Abs. 3 VwVfG (vgl. Hoffmann, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., § 1 Rn. 74; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 1 Rn. 61; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 1 Rn. 42). Der Gesetzgeber des Verwaltungsverfahrensgesetzes war sich der Tatsache bewusst, dass das Gesetz materielle Regelungen enthält, die, soweit eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes – wie vorliegend das Staatsangehörigkeitsrecht – betroffen ist, ohne eine Vorschrift wie § 1 Abs. 3 VwVfG der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers entzogen würden. Der im Vermittlungsausschuss eingefügte § 1 Abs. 3 VwVfG stellte die Reaktion auf die Stellungnahme des Bundesrates (BTDrucks 7/910, S. 99) dar, nach der es für die Behörden der Länder kein Nebeneinander von Bundes- und Landesverfahrensrecht geben dürfe. Der Bundesgesetzgeber wollte dem Landesgesetzgeber damit die Möglichkeit einer Gesamtkodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts in einem Landesverwaltungsverfahrensgesetz eröffnen.
2. Für den vorliegenden Fall der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung, über deren Voraussetzungen der Eingebürgerte selbst erwiesenermaßen getäuscht hat, bietet § 48 LVwVfG BW eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage. Die Anwendung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes steht in diesem Fall in Einklang mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Gemessen an dem Zweck des rechtsstaatlichen Eingriffsvorbehalts wie auch des konkreten Eingriffsvorbehalts des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG enthält § 48 LVwVfG BW für den Beschwerdeführer ein berechenbares rechtsstaatliches Abwägungsprogramm (a). Auch unter dem Aspekt der Gewaltenteilung ist die Anwendung des § 48 LVwVfG BW im vorliegenden Fall unbedenklich (b). Anlässlich dieses Falls ist nicht über andere Konstellationen zu entscheiden, in denen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG eine spezialgesetzliche Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber fordert (c).
a) Im Fall des Beschwerdeführers ist die Anwendung des § 48 LVwVfG BW unter Berücksichtigung des rechtsstaatlichen Gehalts des Vorbehalts des Gesetzes, konkretisiert durch Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, verfassungsgemäß.
Aus dem Rechtsstaatsprinzip können keine allgemeinen Vorgaben für jeden Sachverhalt abgeleitet werden; vielmehr bedarf dieses Prinzip der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten des Anwendungsfalls (vgl. BVerfGE 45, 187 ≪246≫). Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes ist ein Eingriff, auch wenn der Adressat des Verwaltungsaktes es darauf angelegt hat, sich in gesetzeswidriger Weise eine Rechtsposition zu verschaffen. Die Wiederherstellung einer gesetzesgemäßen Rechtslage darf gerade auch als Maßnahme der Missbrauchsbekämpfung nicht von vornherein aus dem Kreis möglicher Eingriffslagen ausgeschieden werden (Lerche, in Handbuch des Staatsrechts Bd. V, 2000, § 121 Rn. 51, gegen Dürig, AöR 79 ≪1953/54≫ 57 ≪86, auch 61≫). Diese Sachlage ist durch § 48 LVwVfG BW hinreichend bestimmt gefasst und durch die Rechtsprechung konkretisiert.
Der rechtsstaatlich-subjektive Gehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG schützt auch das Interesse des einzelnen Staatsbürgers daran, anhand der gesetzlichen Lage vorhersehen zu können, unter welchen Voraussetzungen er seinen Status verliert. Dieser vertrauensbildende Schutz ist besonders wichtig, da der Staatsangehörigkeitsstatus seiner Natur nach für den Einzelnen von grundlegender Bedeutung ist. Er bestimmt seine staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Der Grundrechtsschutz hat besonderes Gewicht, da er nicht graduell austariert werden kann, sondern für den Betroffenen immer eine Entscheidung über „Alles oder Nichts” darstellt. Die Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut hat über den subjektiven Gewährleistungsgehalt hinaus zugleich rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung, denn der bürgerschaftliche Status betrifft die konstituierenden Grundlagen der Rechtsordnung und des Gemeinwesens: Über ihn wird die Staatsgewalt – vermittelt über das Wahlrecht – legitimiert (vgl. Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2005 – 2 BvR 2236/04 –, NJW 2005, S. 2289 ≪2290≫). Daher fordert Art. 16 Abs. 1 GG eine dieser Bedeutung angemessene gesetzliche Ausgestaltung für den Erwerb, die Aufhebung der Einbürgerung und den Verlust der Staatsangehörigkeit. Ob diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allein nach der systematischen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Gesetz entschieden, sondern muss vor allem danach beurteilt werden, ob den inhaltlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung getragen wird.
Im vorliegenden Fall, da der Betroffene selbst nachweislich durch Täuschung die Einbürgerung herbeiführte und diese zeitnah zurückgenommen wird, ist der grundrechtlich geforderten Rechtssicherheit und Normenklarheit genüge getan, wenn der Betroffene anhand einer allgemeinen gesetzlichen Verwaltungsverfahrensvorschrift die Folge der Rücknahme voraussehen kann. In einem solchen Fall steht dem Täuschenden kein schützenswertes Vertrauen zu, so dass das rechtsstaatliche Interesse an der rückwirkenden Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände regelmäßig überwiegt. Diese Vorgaben kann der Betroffene § 48 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 analog LVwVfG BW (zur entsprechenden Anwendung des Abs. 2 vgl. BVerwGE 78, 139 ff.; BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 1994- 4 B 26/94 –, NVwZ 1994, S. 896 ≪897≫) und der gefestigten Rechtsprechung in Täuschungsfällen entnehmen (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 17. Juni 2002 – 5 B 01.1385 – JURIS, BVerwGE 118, 216 ff.; zu Parallelvorschriften vgl. BSG, Urteil vom 26. September 1990 – 9b/7 RAr 30/89 –, NVwZ 1991, S. 407). Im Rahmen des Ermessens hat die Verwaltung zwar einen Spielraum für besonders schutzwürdige Ausnahmefälle. Angesichts der notwendigen Flexibilität bei außergewöhnlichen Umständen könnten diese aber im vorliegenden Regelfall der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände auch in einem Spezialgesetz nicht präziser gefasst werden, ohne die mit einer Ermessensentscheidung eröffnete Möglichkeit einer dem Einzelfall angemessenen Reaktion zu gefährden (zu entsprechenden Gefahren: Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Neudruck der 20. Auflage, 1999, Rn. 509). Eine speziellere gesetzliche Regelung, die etwa dem Beispiel des § 12 Bundesbeamtengesetz folgte, könnte sich als behördliche Pflicht zur Rücknahme gerade zuungunsten des Betroffenen auswirken.
b) Es genügt dem Gebot der Gewaltenteilung im Rahmen des Vorbehalts des Gesetzes grundsätzlich, wenn die Verwaltung die lange erprobten allgemeinen Rücknahmeregelungen des § 48 LVwVfG BW anwendet.
Der verfassungsrechtlichen Forderung nach Tätigwerden des Gesetzgebers ist grundsätzlich schon dann entsprochen, wenn objektiv eine gesetzliche Regelung vorhanden ist, die nach den allgemeinen Grundsätzen der Gesetzesauslegung den in Frage stehenden Sachverhalt erfasst und inhaltlich verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (vgl. BVerfGE 77, 381 ≪404≫). Es ist dem Gesetzgeber dabei nicht von vorneherein verwehrt, Generalklauseln zu verwenden und Spielräume zu eröffnen (vgl. BVerfGE 13, 153 ≪161≫). Auch angesichts der Dichte verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gibt es kein Bedürfnis, die Bestimmtheitsanforderungen an den Gesetzgeber zu verschärfen (vgl. BVerfGE 40, 237 ≪250≫), etwa um drohender behördlicher Willkür in einem grundrechtssensiblen Bereich entgegenzuwirken. Die Rechtsprechung überprüft die Tatbestandsvoraussetzungen der Rücknahme und die Einhaltung der Ermessensgrenzen im Rahmen des § 48 LVwVfG BW. Sie kann dabei sowohl auf die Entwicklungen in anderen verwaltungsrechtlichen Konstellationen zurückgreifen als auch in dem speziellen Grundrechtsbereich die verfassungsrechtlichen Anforderungen konkretisieren.
Mit § 48 LVwVfG BW besteht eine Regelung, in der das Ermessen der Verwaltung durch ein rechtsstaatliches Abwägungsprogramm zwischen Vertrauensschutz und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung begrenzt wird (vgl. BVerfGE 59, 128 ≪166 ff.≫). Diese Norm ist verfassungsrechtlich vorgeprägt.
Bereits vor der Kodifizierung des Verwaltungsverfahrensrechts wurden die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wonach die Verwaltung rechtswidrige Verwaltungsakte zurücknehmen konnte, ständig angewandt (vgl. BVerwGE 19, 188 ff.), ohne dass ein Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes festgestellt wurde (für die leistungsgewährende Verwaltung ausdrücklich BVerfGE 8, 155 ≪166 f.≫; vgl. rückblickend BVerfGE 59, 128 ≪166 f.≫). Diskutiert und im Ergebnis verneint wurde lediglich die gegenläufige Frage, ob die öffentliche Gewalt aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet sei, jeden rechtswidrigen oder jedenfalls jeden verfassungswidrigen Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf seinen formellen Rechtsbestand von Amts wegen zu beseitigen (BVerfGE 20, 230 ≪235≫; vgl. auch BVerfGE 27, 297 ≪309 f.≫). Der Grund für die anerkannte Befugnis zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte ist das Prinzip der Gesetzmäßigkeit, das als bedeutsamer Teil des Rechtsstaatsprinzips Verfassungsrang hat. Bei der vorliegenden Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung handelt es sich um die Wiederherstellung eines Zustandes der Rechtmäßigkeit, der durch den Erlass und die Fortgeltung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes verletzt wird.
Der Gesetzgeber hat bei der Regelung der Staatsangehörigkeit auf eine verbreitete und bewährte Systematik zurückgegriffen. Besondere Verlust- und Entlassungsregelungen sind spezialgesetzlich in §§ 17 ff. StAG festgeschrieben. Im Übrigen gelten subsidiär die allgemeinen Regeln der Verwaltungsverfahrensgesetze (vgl. BVerwGE 118, 216 ≪218 ff.≫; 119, 17 ≪19≫; VGH BW, Beschluss vom 9. Mai 1990, NVwZ 1990, S. 1198 ≪1199≫; VGH BW, Beschluss vom 26. August 1993, JURIS; VGH BW, Urteil vom 29. November 2002, InfAuslR 2003, S. 205 ≪207≫; VGH BW, Urteil vom 23. September 2002, VBlBW 2003, S. 210 ff.; OVG NRW, Urteil vom 2. September 1996, InfAuslR 1997, S. 82 ff.; Hess. VGH, Urteil vom 4. Mai 1998, ZAR 1998, S. 184; Urteil vom 15. Mai 1998, InfAuslR 1998, S. 505 ≪506≫; Urteil vom 3. Dezember 2001, AuAS 2002, S. 76 ff.; Beschluss vom 20. April 2005 – 12 UZ 3160/04 –, Umdruck S. 3 ff.; Hamb. OVG, Beschluss vom 28. August 2001, NVwZ 2002, S. 885 ≪886≫; BayVGH, Urteil vom 17. Juni 2002 – 5 B 01.1385 –, JURIS; bestätigend BayVGH, Beschluss vom 19. Juni 2002 – 5 CS 02.1101 –, JURIS; OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Oktober 2004, NJW 2005, S. 524; a.A. OVG Berlin, Urteil vom 2. November 1988, JURIS; OVG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2003, InfAuslR 2003, S. 211; für die herrschende Auffassung in der Literatur statt vieler Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, Art. 16 GG Rn. 35 ff.). Das Ineinandergreifen allgemeiner und spezieller Aufhebungsvorschriften findet sich auch in anderen grundrechtlich relevanten Bereichen, wie beispielsweise im Asylrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 – 9 C 12/00 – NVwZ 2001, S. 335; Stelkens/Bonk/Sachs, § 48 Rz. 14), im Ausländerrecht (vgl. BVerwGE 98, 298) oder im Bereich der Berufsfreiheit (vgl. zur Personenbeförderung BayVGH, Beschluss vom 30. Juni 1995 – 4 CS 95.1776 –, JURIS; zur Gewerbezulassung OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. November 1993 – 3 L 91/92 –, JURIS; zur Gaststättenerlaubnis Hess. VGH, Urteil vom 18. März 1992 – 14 UE 29/87 –, NVwZ-RR 1993, S. 407).
Diese Systematik wurde im Gesetzgebungsverfahren zum Staatsangehörigkeitsneuregelungsgesetz im Jahr 1999 bewusst beibehalten. Die oppositionelle Fraktion der CDU/CSU hatte in ihrem Gesetzentwurf eine spezielle Regelung zur Aufhebung und Unwirksamkeit staatsangehörigkeitsrechtlicher Maßnahmen vorgesehen (§ 37 des Gesetzesentwurfs der CDU/CSU-Fraktion, BTDrucks 14/535, S. 10 f.). Danach sollte für Personen ab Vollendung des 13. Lebensjahres der Widerruf der Einbürgerung bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Aushändigung der Einbürgerungsurkunde möglich sein, wenn sie die Auflage, die Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit zu betreiben, nicht erfüllt haben. Für die Rücknahme lediglich feststellender Entscheidungen sollten „die allgemeinen Bestimmungen” gelten (§ 37 Abs. 6 des Entwurfs). Der Fall der erschlichenen, also durch Täuschungshandlung bewirkten Einbürgerung wurde speziell zum ansonsten anwendbaren § 44 VwVfG als Nichtigkeitstatbestand vorgeschlagen, wobei die Nichtigkeit durch schriftlichen Verwaltungsakt festgestellt werden sollte. Diesem Vorschlag ist die parlamentarische Mehrheit nicht gefolgt, woraus geschlossen werden kann, dass sie weiterhin die subsidiäre Anwendung allgemeiner verwaltungsverfahrensrechtlicher Regelungen in der Praxis befürwortet hat. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber in Kenntnis der inzwischen gefestigten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, die die Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung auf § 48 des jeweils geltenden Verwaltungsverfahrensgesetzes stützt, keinen Anlass gesehen hat, hier Abweichendes zu regeln (siehe insoweit den Hinweis in dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 2003, Umdruck S. 9).
Dem Beschwerdeführer waren die Konsequenzen seines Verhaltens erkennbar und vorhersehbar; der parlamentarische Gesetzgeber durfte die subsidiäre allgemeine Rücknahmeregelung des Verwaltungsverfahrensrechts auch für erschlichene Einbürgerungen gelten lassen. Er war nicht verpflichtet, eine besondere staatsangehörigkeitsrechtliche Regelung zu wählen und dabei, etwa dem Beispiel des Beamtenrechts folgend, eine zwingende Rücknahme speziell für die erschlichene Einbürgerung vorzusehen oder einen entsprechenden Nichtigkeitstatbestand zu formulieren.
Angesichts der verwaltungsverfahrensrechtlichen Ausgestaltung durch Gesetze des Bundes und der Länder sowie einer konkretisierenden Rechtsprechung ist die Rechtslage eine gänzlich andere als zu der Zeit, in der das Preußische Oberverwaltungsgericht im Jahr 1886 entschieden hat, die Rücknahme einer durch Täuschung erwirkten Einbürgerung als „unzweifelhaft unzulässig” anzusehen (PrOVGE 13, 408 ≪418≫). Das Preußische Oberverwaltungsgericht konnte damals aus der „ganzen Konstruktion” des Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit (vom 1. Juni 1870 BGBl des Norddeutschen Bundes S. 355) schließen, dass es der Wille des Gesetzgebers gewesen sei, die Verlustgründe im Gesetz abschließend zu regeln; dies lässt sich für das heute geltende Recht nicht feststellen. Ausschlaggebend ist, dass heute – anders als im 19. Jahrhundert – für die vorliegende Fallkonstellation eine klare gesetzliche Grundlage für die Rücknahme besteht, weswegen der vom Preußischen Oberverwaltungsgericht befürchtete „völlig unsichere und prekäre Zustand” nicht droht.
Die Zurückhaltung des Gesetzgebers verfehlt auch nicht die Anforderungen der sogenannten Wesentlichkeitstheorie. Danach verpflichten das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes den Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen (BVerfGE 41, 251 ≪260≫; 45, 400 ≪417 f.≫; 47, 46 ≪78 f.≫). Die Grundentscheidung über die Rücknahme von Verwaltungsakten hat der jeweilige Gesetzgeber in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder getroffen. Der Bundesgesetzgeber ist von einer ergänzenden Anwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder ausgegangen; er hat die wesentlichen Bedingungen, unter denen eine erschlichene Einbürgerung zurückgenommen werden kann, nicht einer ungeregelten Verwaltungspraxis überlassen. Der Status der Staatsangehörigkeit ist zwar eine institutionell ausgeformte Rechtsposition; deshalb gelten aber keine gesteigerten Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung der Rücknahme von Einbürgerungen unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit.
c) Da im Falle des Beschwerdeführers eine rechtsstaatlich wie demokratisch unbedenkliche Gesetzesgrundlage im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG besteht, ist das Gericht nicht veranlasst, über Fragen zu entscheiden, die der Fall nicht aufwirft. Zwar muss niemand einen Grundrechtseingriff hinnehmen, der auf ein formell fehlerhaftes Gesetz gestützt wird. Dies gilt aber nur hinsichtlich der Vorschriften über die Kompetenz, die Organisation und das Verfahren des Gesetzes. Insofern stellt der Gesetzesvorbehalt eine materielle Verfassungsanforderung dar, auf die sich nur derjenige berufen kann, der selbst unmittelbar und gegenwärtig betroffen ist.
Der Beschwerdeführer kann sich nicht auf das grundrechtlich geschützte Stabilitätsvertrauen anderer Grundrechtsträger berufen, das in anderen Sachverhalten womöglich eine spezialgesetzliche Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers erfordert. Ebenso wenig könnte sich der Beschwerdeführer darauf berufen, dass Andere durch vom Gesetz bereits getroffene Spezialregelungen in ihren Grundrechten verletzt werden; insofern steht die Behauptung verfassungswidrigen Tuns der des verfassungswidrigen Unterlassens gleich. Denn Zweck der Verfassungsbeschwerde ist es, dass der Bürger seine grundrechtlich gewährten Garantien gegenüber dem Staat durchsetzen kann (vgl. BVerfGE 1, 97 ≪102≫). Nur zusätzlich und in zweiter Linie wird der Verfassungsbeschwerde ein „genereller Edukationseffekt” zugeschrieben (vgl. BVerfGE 33, 247 ≪259≫, vgl. auch § 78 Satz 2 BVerfGG). Ausnahmsweise kann bei der Verletzung öffentlichkeitsbezogener Grundrechte, die eine genaue Grenzziehung zwischen widerstreitenden Schutzgütern fordern, die Verfassungsrechtsprechung unmittelbar fallübergreifend wirken; auch diese Prüfung geht jedoch von der Grundrechtsbetroffenheit des Beschwerdeführers aus (BVerfGE 81, 278 ≪289 f.≫). Die isolierte Geltendmachung subjektiver Grundrechtspositionen Anderer lässt die Verfassungsbeschwerde dagegen nicht zu (BVerfGE 28, 314 ≪321≫). Verlöre man die vorliegende verfassungsgemäße Rechtsanwendung aus dem Blick, führte dies zu einer ausufernden Prüfung aller denkbaren mehr oder minder verwandten Fälle bei jeder Gelegenheit.
3. Gleichwohl sind Fallkonstellationen möglich, die in § 48 VwVfG keine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Wiederherstellung eines gesetzmäßigen Rechtszustandes finden, weil die grundrechtlich geschützte Erwartung eines Eingebürgerten eine am Maßstab des Gesetzes ausreichend vorhersehbare Verwaltungsentscheidung verlangt.
Dies ist denkbar in Fällen, in denen wesentliche Fragen der sachlichen und zeitlichen Reichweite der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen durch § 48 LVwVfG BW nicht grundrechtsspezifisch und konkret gelöst werden. Die Regelungsbedürftigkeit der Aufhebung von Einbürgerungen sowie der Nichtigkeit von Einbürgerungsakten zeigt sich insbesondere bei im vorliegenden Fall nicht einschlägigen Konstellationen, in denen die Rechtmäßigkeit der Einbürgerung von Angehörigen, insbesondere Kindern im Vordergrund steht. Hier stellen sich besondere grundrechtsbezogene Probleme, die eine hinreichend bestimmte Entscheidung des Gesetzgebers angezeigt erscheinen lassen. Die Frage, welche Auswirkungen ein Fehlverhalten im Einbürgerungsverfahren auf den Bestand der Staatsangehörigkeit Dritter haben kann, die an diesem Fehlverhalten nicht beteiligt waren, bedarf einer Antwort durch den Gesetzgeber. Der Gesetzgeber könnte darüber hinaus dem durch die Einbürgerung bewirkten Vertrauenstatbestand durch spezifische Regelungen Rechnung tragen, die die Möglichkeit, die Staatsangehörigkeit zurückzunehmen, einschränken, indem er insoweit zum Beispiel Befristungsregelungen oder Altersgrenzen einführt. Auch unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtsberechtigten besteht eine Vielfalt möglicher Lösungswege bei der Rücknehmbarkeit der Einbürgerung, die dazu führt, dass der Gesetzgeber die angemessenen Lösungen selbst auszuwählen und auszugestalten hat.
IV.
Nach Ansicht der Richterinnen und Richter Broß, Osterloh, Lübbe-Wolff und Gerhardt fehlt für die Rücknahme einer Einbürgerung die nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche gesetzliche Grundlage. § 48 LVwVfG BW reicht hierfür nicht aus.
1. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit nur aufgrund eines Gesetzes eintreten darf. Dieser Gesetzesvorbehalt enthält – im Grundsatz nicht anders als Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG für die Auslieferung (vgl. Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2005 – 2 BvR 2236/04 – BVerfGE 113, 273 ≪307 f.≫) – einen Abwägungsauftrag an den Gesetzgeber und verpflichtet diesen, die Voraussetzungen eines Verlustes der Staatsangehörigkeit selbst des Näheren zu bestimmen (vgl. BVerfGE 83, 37 ≪52≫). Das Grundrecht des Art. 16 Abs. 1 GG gebietet, die sachlichen und zeitlichen Voraussetzungen des Verlustes so bestimmt zu regeln, dass die Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit nicht beeinträchtigt wird.
a) Die Staatsangehörigkeit ist sowohl für den Einzelnen als auch für die Gemeinschaft von grundlegender Bedeutung. Regeln und Maßnahmen, die in den Bestand der Staatsangehörigkeit eingreifen, berühren das Zugehörigkeitsverhältnis, durch das das Staatsvolk als solches konstituiert wird (vgl. BVerfGE 83, 37 ≪51≫), und damit zugleich den Bestand aller Rechte und Pflichten, die an dieses Zugehörigkeitsverhältnis anknüpfen, einschließlich der Unionsbürgerschaft (Art. 17 EG). Sie berühren damit nicht nur die jeweils einzelnen Betroffenen, sondern auch die Bedeutung und die möglichen Integrationswirkungen dieses Zugehörigkeitsverhältnisses. Deshalb macht die Frage der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen Abwägungen erforderlich, die gerade auch die Besonderheiten des Status der Staatsangehörigkeit einbeziehen. Zu den speziellen Eigenheiten der Staatsangehörigkeit gehören die Vielfalt, personelle Reichweite und teilweise existenzielle Bedeutung der daran anknüpfenden Rechtsfolgen. Die Rücknahme der Einbürgerung, insbesondere eine solche mit Wirkung für die Vergangenheit, kann sich auf die verschiedensten Rechtsverhältnisse und auf Personen auswirken, denen der Grund der Rücknahme nicht zuzurechnen ist.
b) Der Gesetzgeber hat eine bewusste, diesen Besonderheiten Rechnung tragende Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchen Grenzen Täuschungen oder vergleichbares Fehlverhalten des Einbürgerungsbewerbers zur Rücknahme der Einbürgerung führen. Zunächst versteht es sich angesichts der Bedeutung der Staatsangehörigkeit als eines übergreifenden Rechtsstatus nicht von selbst, dass missbräuchliches Verhalten auf Seiten der Eingebürgerten über das Instrument der Einbürgerungsrücknahme und nicht auf andere Weise sanktioniert wird (vgl. oben C.II.2.c). Dabei sind auch die Folgen zu bedenken, die mit dem häufig zu erwartenden Eintritt von Staatenlosigkeit für den Einzelnen und die Allgemeinheit verbunden sind. Entscheidet sich der Gesetzgeber für die Möglichkeit der Rücknahme von Einbürgerungen, hat er Reichweite und Grenzen dieser Möglichkeit selbst zu bestimmen und die notwendigen Abwägungsentscheidungen unter Berücksichtigung der erwähnten Besonderheiten der Materie selbst zu treffen.
aa) Die Staatsangehörigkeit wurde jedenfalls seit dem Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juni 1886 (PrOVGE 13, 408 ff.) als ein Status gewürdigt, dessen Verlust – auch im Fall nachträglicher Aufhebung wegen Täuschung seitens des Eingebürgerten – ausdrücklich durch den Gesetzgeber vorgesehen sein muss. Demgemäß setzt die oben (unter C.I.) bereits wiedergegebene Äußerung des Abgeordneten von Mangoldt im Grundsatzausschuss des Parlamentarischen Rates als selbstverständlich voraus, dass gesetzliche Regelungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit als spezifisch staatsangehörigkeitsrechtliche, nämlich in einem Staatsangehörigkeitsgesetz zu treffen sein würden (Der Parlamentarische Rat, a.a.O., Bd. 5/II, Nr. 33, S. 714). Dieses Verständnis der Einbürgerung führte zu der lange Zeit vorherrschenden Annahme, die Verlustregelungen des Staatsangehörigkeitsrechts (vgl. § 17 ff. StAG) seien abschließender Natur (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 2. November 1988 – 1 B 53.87 – JURIS; OVG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2003, InfAuslR 2003, S. 211 ≪212 ff.≫; siehe auch OVG Lüneburg, Urteil vom 22. Oktober 1996, Nds.Rpfl. 1997, S. 85 ff. m.w.N.) und § 24 des Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes (Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22. Februar 1955, BGBl I S. 65, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 15. Juli 1999, BGBl I S. 1618), der die Rechtsfolgen eines vom Antragsteller verschuldeten Unbekanntbleibens einbürgerungserheblicher Tatsachen regelt, sei einer entsprechenden Anwendung bei Einbürgerungen außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nicht zugänglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. April 1989, NVwZ-RR 1990, S. 220).
Triftige Gründe, von diesem Ansatz abzurücken, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil entspricht es der allgemeinen Gesetzgebungspraxis, überall dort, wo es um den Bestand auf Dauer angelegter, in einem weiten Sinn „statusbildender” Entscheidungen geht, entweder eigenständige oder das allgemeine Verwaltungsrecht ergänzende, modifizierende oder dessen Anwendung ausdrücklich anordnende Rücknahmebestimmungen zu treffen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, den Gegebenheiten der jeweiligen Materie spezifisch Rechnung zu tragen.
bb) Die Rücknahme erschlichener oder auf andere Art dolos erwirkter Einbürgerungen wirft eine Reihe von Sachfragen auf, für deren Bewältigung durch die Verwaltung der Gesetzgeber Vorgaben machen muss, um den Anforderungen an Normenklarheit und Tatbestandsbestimmtheit (vgl. BVerfGE 108, 52 ≪75≫; 110, 33 ≪61 ff.≫; 112, 304 ≪315≫, jeweils m.w.N.) zu genügen. Das in Art. 16 Abs. 1 GG verankerte besondere Stabilitätsanliegen und der damit verbürgte erhöhte Vertrauensschutz erfordern entsprechend konkretisierte Eingriffstatbestände und eine Begrenzung der Rücknahmemöglichkeit in zeitlicher und sachlicher Hinsicht. In diesem Zusammenhang ist etwa zu klären, welche Bedeutung einem zwischenzeitlich erworbenen Einbürgerungsanspruch zukommt. Gesetzliche Vorgaben sind insbesondere auch unverzichtbar zur angemessenen und vorhersehbaren Begrenzung der Auswirkungen einer Rücknahme auf die Staatsangehörigkeit und andere Rechtsverhältnisse Dritter, die an dem die Rücknahme auslösenden Fehlverhalten nicht beteiligt waren.
Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht auf bestimmte Lösungen und Regelungstechniken beschränkt. Es liegt insbesondere im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit, innerhalb eines vorgegebenen sachlichen und zeitlichen Rahmens Spielräume für eine administrative Ermessensausübung vorzusehen, um so der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen gerecht zu werden. Allerdings folgen aus Art. 16 Abs. 1 GG im Vergleich zu anderen Rechtsmaterien erhöhte Anforderungen an die gesetzliche Regelungsdichte. Der Senat hat im Urteil vom 18. Juli 2005 (a.a.O.) zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ähnliche Anforderungen zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Vor allem aber ist zu beachten, dass Art. 16 Abs. 1 GG die Absicht des Verfassungsgebers zugrundeliegt, in Bezug auf den Bestand der Staatsangehörigkeit besonders strenge Vorkehrungen gegen gleichheitswidrige Behandlung zu treffen. Der gesetzlichen Vorprägung behördlicher Entscheidungen als der elementarsten Form der Gleichheitssicherung kommt daher gerade hier besonders große Bedeutung zu. Hierin wurzelt die herkömmlich hohe Regelungsdichte bei den Verlusttatbeständen des Staatsangehörigkeitsrechts. Sie darf auch für die Rücknahme unredlich erwirkter Einbürgerungen nicht unterschritten werden.
2. Gegen die Heranziehung von § 48 LVwVfG BW als Rechtsgrundlage für die Rücknahme von Einbürgerungen bestehen schon aus kompetenzrechtlichen Gründen erhebliche Bedenken. Jedenfalls genügt § 48 LVwVfG BW inhaltlich nicht den Anforderungen an eine Verlustregelung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG.
a) Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes, zu der gemäß Art. 73 Nr. 2 GG die Regelung der Voraussetzungen für Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit gehört (vgl. BVerfGE 83, 37 ≪52≫), haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden (Art. 71 GG). Die Rücknahme der Einbürgerung kann daher auf Landesrecht, hier § 48 LVwVfG BW, nur gestützt werden, wenn der Bundesgesetzgeber mit § 1 Abs. 3 VwVfG diesen Weg eröffnet hat. Nach dieser Vorschrift gilt für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes nicht, soweit die öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist. Damit wird bezweckt, dass die Landesbehörden nur ein Verfahrensgesetz anwenden müssen (vgl. BTDrucks 7/4798 S. 1).
Bestimmungen über die Rücknahme von Einbürgerungen haben ganz überwiegend sachlich-rechtlichen Gehalt und sind auf das (materielle) Staatsangehörigkeitsrecht bezogen. Bei Erlass des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes im Jahr 1976 gab es – abgesehen von § 24 des Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes – keine entsprechende Rechtsgrundlage. Es ist bereits nichts dafür ersichtlich, dass der Bundesgesetzgeber mit der Kodifizierung der ungeschriebenen Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts selbst das Staatsangehörigkeitsrecht um Verlusttatbestände ergänzen wollte; insbesondere hat ein speziell darauf gerichtetes und entsprechend gestaltetes Gesetzgebungsverfahren nicht stattgefunden. Erst recht fehlt es an jedem Anhalt dafür, dass der Bund mit der globalen und nicht an inhaltliche Maßgaben gebundenen Bestimmung des § 1 Abs. 3 VwVfG die Länder gemäß Art. 71 GG ermächtigen wollte, das Staatsangehörigkeitsrecht um materielle Regelungen zu ergänzen, die er selbst nicht getroffen hat. Der Zweck des Art. 71 GG, auch Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung einer regional differenzierten Sachregelung zugänglich zu machen (vgl. BVerfGE 18, 407 ≪418≫), greift hier offensichtlich nicht. Im Gegenteil geht aus Art. 73 Nr. 2 GG in Verbindung mit Art. 71 GG, der eine Gesetzgebungsbefugnis der Länder im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes nur bei entsprechender ausdrücklicher Ermächtigung durch ein Bundesgesetz vorsieht, deutlich hervor, dass der Verfassungsgeber eine grundsätzlich einheitliche Regelung der „Staatsangehörigkeit im Bunde” für geboten erachtet hat, und dass eine Ermächtigung der Länder, soweit überhaupt zulässig, jedenfalls von einem eindeutigen Entschluss des Bundesgesetzgebers getragen sein muss. § 1 Abs. 3 VwVfG erfüllt diese Voraussetzung nach Wortlaut und – ausschließlich an der Handhabbarkeit verfahrensrechtlicher Regeln orientierter – Zwecksetzung zumindest hinsichtlich der Befugnis zur Rücknahme von Einbürgerungen nicht.
b) § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG BW genügt den Anforderungen an eine gesetzliche Regelung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG nicht. Die allgemeine Bestimmung der Rücknahmevoraussetzungen „Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.”) enthält keine Vorgaben für das Ob und den Umfang behördlichen Eingreifens. Als materieller Maßstab gilt – nicht anders als vor der Kodifikation des allgemeinen Verwaltungsrechts in den Verwaltungsverfahrensgesetzen –, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt nur zurückgenommen werden darf, wenn das öffentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung das durch den Erlass des fehlerhaften Aktes begründete Vertrauen des Begünstigten in die Beständigkeit behördlicher Entscheidungen überwiegt (vgl. BVerfGE 59, 128 ≪166 f., 171 jeweils m.w.N.≫). Der Vertrauensschutz und seine Grenzen bei begünstigenden Verwaltungsakten sind in § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 4 LVwVfG BW zwar näher konkretisiert worden. Dies ändert indes nichts daran, dass die als allgemeine Auffangvorschrift für die Rücknahme von Verwaltungsakten konzipierte Bestimmung kein hinreichendes Entscheidungsprogramm für die Rücknahme von Einbürgerungen bereithält.
Die Vorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG BW, die Fälle fehlenden Vertrauensschutzes benennt, stellt ein solches Programm schon deshalb nicht zur Verfügung, weil § 48 Abs. 2 LVwVfG BW seinem klaren Wortlaut nach nur für bestimmte vermögensrelevante Verwaltungsakte – unter anderem Verwaltungsakte, die eine einmalige oder laufende Geldleistung gewähren – gilt und auf Fälle der Einbürgerungsrücknahme daher nicht unmittelbar anwendbar ist. Die dort getroffene Abwägung kann daher nur im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens nach § 48 Abs. 1 LVwVfG BW Berücksichtigung finden (vgl. BVerwGE 78, 139 ≪142≫; BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 1994, NVwZ 1994, S. 896 ≪897≫). Welche Grenzen hier der entsprechenden Anwendung des § 48 Abs. 2 LVwVfG BW dadurch gesetzt sind, dass die Rücknahme einer Einbürgerung etwas anderes ist als die Rücknahme eines Verwaltungsaktes, der eine Geldleistung gewährt – ob beispielsweise auch eine Einbürgerung schon dann zurückgenommen werden kann, wenn der Betroffene nicht über das Vorliegen der Einbürgerungsvoraussetzungen getäuscht, sondern nur grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung nicht erkannt hat (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 LVwVfG BW) – ist offen. Es spricht Überwiegendes dafür, dass eine Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die Verlässlichkeit des mit der Einbürgerung begründeten Zugehörigkeitsverhältnisses nur dann ausscheidet, wenn die Einbürgerung durch bewusstes Fehlverhalten des Betroffenen erwirkt wurde. § 48 LVwVfG BW enthält dazu aber die erforderliche gesetzliche Regelung nicht. Die gebotene Rechtsklarheit herzustellen bleibt damit der Verwaltungspraxis und richterlicher Rechtskonkretisierung überlassen (vgl. BVerwGE 118, 216 ≪221≫; BayVGH, Beschluss vom 19. Juni 2002 – 5 CS 02.1101 – JURIS).
Dasselbe gilt für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Rücknahmen mit Wirkung für die Vergangenheit oder nur für die Zukunft auszusprechen sind. § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG BW bestimmt, dass in den Fällen fehlenden Vertrauensschutzes im Sinne von Satz 3 der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird. Entsprechende Anwendbarkeit dieser Bestimmung bei Einbürgerungsrücknahmen unterstellt, wird die behördliche Ermessensausübung damit in eine Richtung gelenkt, die bei der Rücknahme der Einbürgerung in verstärktem Maße zu unüberschaubaren Folgen – etwa für Familien- oder Erbrechtsverhältnisse (Art. 13 ff. EGBGB), die Staatsangehörigkeit Dritter oder Verwaltungsrechtsbeziehungen (z.B. die Richtigkeit von Wählerverzeichnissen) – führen muss. Ob und inwieweit dies einer entsprechenden Anwendung entgegensteht, bleibt wiederum der Klärung durch Behörden und Gerichte überlassen.
Das Verwaltungsverfahrensrecht enthält auch keine zeitliche oder vergleichbar wirkende sachliche Begrenzung der Befugnis, begünstigende Verwaltungsakte zurückzunehmen. § 48 Abs. 4 LVwVfG BW setzt der Behörde lediglich eine Entschließungsfrist und ist zudem in Fällen dolos erwirkter Begünstigungen unanwendbar (§ 48 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG BW). Damit fehlt eine nach Art. 16 Abs. 1 GG gebotene wesentliche Regelung.
Die Bewältigung aller weiteren Fragen (Eintritt von Staatenlosigkeit; zivil- und öffentlichrechtliche Folgen aller Art; Staatsangehörigkeit Dritter) stellt § 48 LVwVfG BW in das Ermessen der Behörde, ohne für dessen Ausübung normative Leitlinien aufzustellen oder es auf andere Weise programmatisch zu steuern.
Es kann daher keine Rede davon sein, mit dem In-Kraft-Treten der Rücknahmevorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze bestehe, wie das Bundesverwaltungsgericht meint, „kein Grund mehr für die frühere Sorge des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, die Möglichkeit der Korrektur auch des fehlerhaften Erwerbs der Staatsangehörigkeit führe für alle eingebürgerten Personen zu einem 'völlig unsicheren und prekären Zustand'” (BVerwGE 118, 216 ≪219≫). Vielmehr hat der Gesetzgeber die erforderlichen grundrechtsspezifischen Entscheidungen mit der Kodifizierung des allgemeinen Verwaltungsrechts in § 48 VwVfG und dem entsprechenden Landesrecht gerade nicht getroffen. § 48 LVwVfG BW ist auf die besonderen Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Rücknahme von Einbürgerungsentscheidungen stellen, in keiner Weise zugeschnitten. Wesentliche Fragen der sachlichen und zeitlichen Reichweite der Rücknehmbarkeit von Einbürgerungen beantwortet die Vorschrift nicht (vgl. auch OVG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2003, InfAuslR 2003, S. 211 ≪214≫; Engst, Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, ZAR 2005, S. 227 ≪234≫).
c) Soweit sich die die Entscheidung tragenden Richter der Sache nach von der Erwägung leiten lassen, § 48 LVwVfG BW reiche als Rechtsgrundlage für die Bewältigung einfach gelagerter und eindeutiger Fälle erschlichener Einbürgerung wie des vorliegenden unabhängig von der möglichen Notwendigkeit spezialgesetzlicher Regelung in anderen Fällen aus, können die anderen Richter sich dem bereits im Hinblick darauf nicht anschließen, dass es auch für einen Fall wie den vorliegenden an der erforderlichen Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers fehlt. Diese Entscheidung hat der Gesetzgeber, wie ausgeführt, mit § 48 LVwVfG BW gerade nicht getroffen. Sie kann durch ein Evidenzerlebnis nicht ersetzt werden. Das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage ist von der materiellen Bewertung des Grundrechtseingriffs unabhängig.
Ob eine ausreichende Befugnisnorm für einen hoheitlichen Eingriff vorhanden ist, kann auch im Hinblick auf die durch Art. 3 Abs. 1 GG verbürgte Gleichheit vor dem Gesetz nicht von der mehr oder weniger zufälligen oder gar vom Betroffenen herbeigeführten Komplexität des zu bewältigenden Sachverhalts abhängig gemacht werden. Es ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, durch die umfassende Regelung einer als in wesentlichen Punkten regelungsbedürftig erkannten Materie für eine vorhersehbare und dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Fallbehandlung zu sorgen.
3. Die angegriffenen Entscheidungen wären danach mangels tragfähiger gesetzlicher Grundlage aufzuheben gewesen. Dem Gesetzgeber wäre es bei diesem Ausgang der Sache unbenommen geblieben, in dem durch Art. 16 Abs. 1 GG gesetzten Rahmen eine Regelung zu erlassen, auf deren Grundlage auch erschlichene Einbürgerungen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor dem Inkrafttreten der Regelung erfolgt sind, zurückgenommen werden können (vgl. BVerfGE 27, 231 ≪238 f.≫; ferner BVerfGE 14, 288 ≪300≫; 25, 142 ≪154≫; 43, 242 ≪286≫; 43, 291 ≪391≫; 67, 1 ≪15≫; 75, 246 ≪280≫; 105, 17 ≪40≫).
Unterschriften
Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 1970505 |
BVerfGE 2007, 24 |