Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 12.12.2007; Aktenzeichen 2 E 4/04.N) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die (ersten) zwei Grundsatzrügen, mit denen die Antragsteller auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsätze der Bestimmtheit und Normenklarheit (Beschwerdebegründung S. 4 bis 12) sowie den Gewaltenteilungsgrundsatz (Beschwerdebegründung S. 12 bis 17) verweisen und geltend machen, es sei ungeklärt, welche Maßstäbe für eine Ermächtigungsnorm zum Erlass von Rechtsverordnungen wie Bebauungsplänen in eilbedürftigen Fällen gelten (Beschwerdebegründung S. 5) und ob einem Ausschuss für eilbedürftige Fälle die Befugnis zum Erlass von Rechtsverordnungen übertragen werden kann (Beschwerdebegründung S. 13), rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Einen Klärungsbedarf im Hinblick auf die Auslegung von Bundesrecht zeigt die Beschwerde nicht – wie dies erforderlich wäre – auf.
Das Normenkontrollgericht hat offen gelassen, ob die Voraussetzungen der “Not”- bzw. “Eilkompetenz” nach § 20 Abs. 3 Satz 1 des Hamburgischen Bezirksverwaltungsgesetzes (BezG), die seiner Auffassung nach dem Hauptausschuss grundsätzlich die Befugnis geben, auch Beschlüsse über Bebauungspläne zu fassen (UA S. 12 unter I.2.a), tatsächlich vorlagen (UA S. 12 unter I.2.b), weil ein eventueller Verstoß nur ein bloßes Internum ohne Außenwirkung darstelle (UA S. 13) bzw. jedenfalls (“selbst wenn”) kein beachtlicher Verfahrensfehler i.S.d. Baugesetzbuches vorliege, weil hier nur eine Verletzung einer landesinternen Verfahrensnorm, nämlich § 20 Abs. 3 Satz 1 BezG 1997 in Betracht käme und sich die Rechtsfolgen eines solchen Verstoßes nach Landesrecht bestimmten (UA S. 13).
Abgesehen davon, dass die Fragen der Antragsteller lediglich auf die Kompetenz eines Ausschusses gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 BezG 1997 zum Erlass von Bebauungsplänen und nicht auf die vom Normenkontrollgericht vorgenommene Prüfung der Rechtsfolgen eines (eventuellen) Verstoßes gegen diese Bestimmung zielen und es insofern an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit fehlt, werden die Fragen nicht dadurch zu solchen des Bundesrechts, dass die Antragsteller die Vereinbarkeit einer landesrechtlichen Kompetenznorm mit Vorschriften und Grundsätzen des Bundes(verfassungs)rechts geklärt wissen wollen. Die Antragsteller beachten nicht, dass im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht die Vereinbarkeit der Auslegung und Anwendung von Landesrecht mit Bundesrecht einschließlich des Bundesverfassungsrechts auf den Prüfstand gestellt werden kann, sondern dass dargelegt werden muss, inwieweit die in Bezug genommene Norm des Bundes(verfassungs)rechts ihrerseits noch Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (Beschluss vom 16. Januar 2008 – BVerwG 4 B 4.08 –). Es genügt nicht zu behaupten, Verstöße gegen Landesrecht könnten auf Bundesrecht durchschlagen (Beschwerdebegründung S. 11). Als klärungsbedürftig erscheint hier nicht etwa das von den Antragstellern genannte Rechtsstaatsprinzip bzw. der Gewaltenteilungsgrundsatz, sondern allenfalls die Frage, wie § 20 Abs. 3 Satz 1 BezG 1997 auszulegen ist bzw. welche Folgen ein Verstoß gegen diese Regelung hat, ohne dass die Auslegung und Anwendung gegen die genannten verfassungsrechtlichen Grundsätze verstößt. Dass die Auslegung und Anwendung landesrechtlicher Bestimmungen und das ergänzende ungeschriebene Recht die grundrechtlichen Wertungen im Sinne verfassungskonformer Handhabung des Rechts zu beachten hat, ist nicht zweifelhaft und bedarf keiner revisionsgerichtlichen Bestätigung (Beschluss vom 19. September 2000 – BVerwG 4 B 65.00 – Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 15). Im Übrigen übersehen die Antragsteller, dass das Rechtsstaatsprinzip für die staatliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Länder, der auch die Schaffung von örtlichen Rechtsnormen durch gemeindliche Satzung zuzuordnen ist, seine Ausformung im jeweiligen Landesverfassungsrecht gefunden hat (vgl. Beschluss vom 16. Mai 1991 – BVerwG 4 NB 26.90 – BVerwGE 88, 204). Das gilt auch für die Ausführungen des Normenkontrollgerichts zur Unbeachtlichkeit eines eventuellen Verstoßes im Lichte des Demokratieprinzips (UA S. 14). Zwar sind Bebauungspläne ein Rechtsinstitut des Bundesrechts. Das führt jedoch nicht zur Revisibilität von landesrechtlichen Vorschriften über die Organkompetenz zum Erlass von Bebauungsplänen. Bei der Frage, ob bei Beschlussfassung die gemeindliche Kompetenzordnung gewahrt worden ist, handelt es sich um ein nach Landesrecht zu beurteilendes formelles Gültigkeitserfordernis.
2. Die dritte Frage, mit der die Antragsteller geklärt sehen wollen, ob eine Eilkompetenz zur Beschlussfassung über einen Bebauungsplan in Anspruch genommen werden kann, obwohl das Planungsinstrument der Veränderungssperre zur Verfügung steht (Beschwerdebegründung S. 17 bis 20), beruht auf der Prämisse, dass aus der “Systematik des BauGB” (Beschwerdebegründung S. 20) eine Pflicht folge, zur Vermeidung der Situation der Eilbedürftigkeit von dem Instrumentarium der Veränderungssperre Gebrauch zu machen. Abgesehen davon, dass das Normenkontrollgericht – wie dargelegt – offen gelassen hat, ob die Voraussetzungen der “Not”- bzw. “Eilkompetenz” nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BezG 1997 vorlagen, so dass es bereits aus diesem Grund an der Entscheidungserheblichkeit fehlt, zeigt die Beschwerde auch nicht auf, dass das Normenkontrollgericht Anlass gehabt hätte, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Der Sache nach erschöpft sich die Rüge in dem Vorwurf, das Normenkontrollgericht sei zu Unrecht von einem Fall der Eilbedürftigkeit i.S.d. § 20 Abs. 3 Satz 1 BezG 1997 ausgegangen.
3. Die beiden letzten Fragen, mit denen zum einen unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Planung i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB (Beschwerdebegründung S. 21 bis 23) und zum anderen hinsichtlich der besonderen städtebaulichen Gründe i.S.d. § 1 Abs. 9 BauNVO (Beschwerdebegründung S. 23 bis 26) geklärt werden soll, ab welcher Anzahl von Spielhallen in einem Gebiet von einem trading-down-Effekt auszugehen ist, der einen Ausschluss von Spielhallen (im Kerngebiet) rechtfertigt (Beschwerdebegründung S. 21, 24), führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Die Antragsteller meinen, diese Fragen seien klärungsbedürftig, weil faktisch in dem festgesetzten Gebiet aufgrund dessen geringer Größe nur eine oder wenige Spielhallen angesiedelt werden könnten. Sinngemäß machen sie mit der ersten Frage geltend, es liege ein Fall der Verhinderungsplanung vor und wenden sich mit der zweiten Frage gegen die Auffassung des Normenkontrollgerichts, das besondere städtebauliche Gründe im Sinne eines trading-down-Effekts mit der Begründung bejaht hat, dass die negativen Auswirkungen von Spielhallen u.ä. hier besonders zum Tragen kommen dürften, da sie durch die Größe des Gebiets nicht aufgefangen und nivelliert werden könnten (UA S. 19).
Soweit die Antragsteller mit der ersten Frage rügen, es bleibe unbeantwortet, ab wann ein Erfordernis für einen Spielhallenausschluss i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB bestehe (Beschwerdebegründung S. 22), wird nicht beachtet, dass die Frage, ob die Voraussetzungen für den Ausschluss von bestimmten Arten der im Baugebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässigen Anlagen vorliegen, keine Frage der – vom Normenkontrollgericht bejahten (UA S. 15 f.) – Erforderlichkeit der Planung ist, sondern sich nach § 1 Abs. 9 BauNVO beantwortet. Der Sache nach zielt der Vortrag denn auch nur auf die mit der zweiten Grundsatzrüge thematisierte Frage, ab wann von einem trading-down-Effekt auszugehen ist. Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf wird damit nicht aufgezeigt. Die Antragsteller verkennen, dass sich die Frage, ab wann von einem trading-down-Effekt auszugehen ist, nicht allgemein, etwa durch Angabe einer bestimmten Anzahl solcher Vergnügungsstätten, sondern nur mit Blick auf die Umstände des konkreten Einzelfalls beantworten lässt.
Wie das Normenkontrollgericht ausgeführt hat und auch die Antragsteller sehen, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass es einem allgemeinen städtebaulichen Erfahrungssatz entspricht, dass sich Vergnügungsstätten negativ auf ihre Umgebung auswirken können. Die Verhinderung dieses sog. trading-down-Effekts stellt einen besonderen städtebaulichen Grund i.S.d. § 1 Abs. 9 BauNVO dar, der den Ausschluss derartiger Vergnügungsstätten rechtfertigen kann (Urteil vom 15. Dezember 1994 – BVerwG 4 C 13.93 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 172, Beschlüsse vom 21. Dezember 1992 – BVerwG 4 B 182.92 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 15 und vom 25. Februar 1997 – BVerwG 4 NB 30.96 – Buchholz 310 § 47 Nr. 116). Ob ein solcher trading-down-Effekt zu bejahen ist, beurteilt sich nicht nach quantitativen Faktoren. Die Feststellung, dass sich Vergnügungsstätten, zumindest wenn sie in einem Gebiet gehäuft vorhanden sind, negativ auf ihre Umgebung auswirken (Beschluss vom 15. Dezember 1994, a.a.O.), erlaubt nicht den Rückschluss, dass nur eine oder wenige Spielhallen keine solchen Auswirkungen haben können. Ob nur eine oder wenige Spielhallen in einem Kerngebiet gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO aus Sorge um eine Niveauabsenkung ausgeschlossen werden dürfen, beurteilt sich nach den konkreten Umständen der städtebaulichen Konfliktlage, die es mit der (Änderungs-)Planung zu bewältigen gilt. Es obliegt der tatrichterlichen Würdigung und ist revisionsgerichtlicher Klärung nicht zugänglich, ob etwa – wie das Normenkontrollgericht im vorliegenden Fall annimmt – die geringe Größe (UA S. 19) und die “soziale Wertigkeit” (UA S. 18) des betroffenen Gebiets, den städtebaulichen Erfahrungssatz vom trading-down-Effekt trägt. Der Sache nach wenden sich die Antragsteller im Gewande der Grundsatzrüge(n) nur gegen die Auffassung des Normenkontrollgerichts, wonach im vorliegenden Fall die negativen Auswirkungen von Spielhallen deswegen besonders zum Tragen kommen, weil sie durch die Größe des Gebiets nicht aufgefangen und nivelliert werden (UA S. 19).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Philipp, Dr. Bumke
Fundstellen
BauR 2009, 76 |
ZfBR 2008, 799 |
DVBl. 2008, 1461 |
FSt 2009, 531 |
FSt 2009, 625 |