Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit auf Antrag des Beamten. Erklärung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten zur Dienstfähigkeit des Beamten. keine Nichtigkeit der Ruhestandsversetzung wegen nicht ausdrücklicher
Leitsatz (amtlich)
Die auf den Antrag des Beamten ausgesprochene Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist nicht deshalb nichtig, weil der unmittelbare Dienstvorgesetzte die erforderliche Erklärung, er halte den Beamten für dienstunfähig, nicht ausdrücklich abgegeben hat.
Normenkette
HBG § 52; BBG § 43; HVwVfG § 44; VwVfG § 44
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 32 942 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde, mit der die Zulassungsgründe der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, und der Abweichung von der Entscheidung eines anderen Oberverwaltungsgerichts, § 127 Nr. 1 BRRG, geltend gemacht werden, ist unbegründet.
Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig wirft die Beschwerde der Sache nach die Fragen auf,
- ob die nach § 52 Abs. 1 des Hessischen Beamtengesetzes (HBG) erforderliche Erklärung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten, dass der seine vorzeitige Zurruhesetzung anstrebende Beamte dienstunfähig ist, eine ausdrückliche Erklärung sein muss, sowie,
- ob der Bescheid über die Versetzung des Beamten in den Ruhestand nichtig ist, wenn es an einer ausdrücklichen Erklärung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten, dass der Beamte dienstunfähig ist, fehlt.
Die erste Frage könnte nicht geklärt werden. Sie würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren mangels Erheblichkeit nicht stellen.
Nach § 52 Abs. 1 HBG wird in den Fällen, in denen ein Beamter schriftlich seine Versetzung in den Ruhestand nach § 51 HBG beantragt oder dieser schriftlich zustimmt, seine Dienstunfähigkeit dadurch festgestellt, dass sein unmittelbarer Dienstvorgesetzter aufgrund eines ärztlichen Gutachtens über seinen Gesundheitszustand erklärt, er halte den Beamten nach pflichtgemäßem Ermessen für dauernd unfähig, seine Amtspflichten zu erfüllen. Für den Erfolg der Klage, mit der die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 18. Februar 2002 über die Versetzung in den Ruhestand begehrt wird, würde es nicht genügen, wenn im Sinne einer bejahenden Antwort auf die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage § 52 Abs. 1 HBG eine ausdrückliche Erklärung des Dienstvorgesetzten verlangen würde. Das Fehlen einer etwa erforderlichen ausdrücklichen Erklärung im Zurruhesetzungsverfahren des Klägers würde den Bescheid vom 18. Februar 2002 zwar rechtswidrig machen, würde aber nicht ohne Weiteres zur Nichtigkeit führen, die der Kläger festgestellt wissen will. Nichtig wäre der Bescheid nach § 44 Abs. 1 HVwVfG – der mit § 44 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes wortgleich ist – nur, wenn der im Fehlen einer ausdrücklichen Erklärung möglicherweise liegende Rechtsfehler besonders schwerwiegend und dies bei einer Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlich wäre.
Die Frage, ob der Bescheid vom 18. Februar 2002 nichtig ist, weil der unmittelbare Dienstvorgesetzte nicht ausdrücklich erklärt hat, er halte den Kläger für dienstunfähig, lässt sich bereits anhand des Gesetzeswortlauts und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten; der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es dazu nicht.
Wenn der unmittelbare Dienstvorgesetzte die Erklärung, er halte den Beamten für dauernd unfähig, seine Amtspflichten zu erfüllen, nicht ausdrücklich, sondern konkludent abgibt – jedenfalls in dem Verfahren beteiligt wird und keine gegenteilige Auffassung vertritt –, ist dies, sofern darin überhaupt ein Rechtsfehler liegt, jedenfalls kein solcher, der offensichtlich von besonderer Schwere ist. § 52 Abs. 1 HBG verlangt seinem Wortlaut nach keine ausdrückliche Erklärung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten. Dem gesetzlichen Erfordernis, dass der Dienstvorgesetzte „erklärt”, er halte den Beamten für dienstunfähig, wird auch durch eine konkludente Äußerung dieses Inhalts genügt. Auch bei Berücksichtigung von Rechtscharakter und Funktion der Erklärung im Verfahren der vorzeitigen Zurruhesetzung nach § 52 HBG stünde eine nicht ausdrückliche, sondern lediglich konkludente Erklärung des Dienstvorgesetzten in keinem grundlegenden, schlechthin unerträglichen Widerspruch zur Rechtsordnung (vgl. Urteil vom 7. Oktober 1964 – BVerwG 6 C 59 und 64/63 – BVerwGE 19, 284 ≪287 ff.≫; Bundessozialgericht, Urteil vom 29. Mai 1962 – 6 RKa 24/59 – BSGE 17, 79 ≪83≫). Die Erklärung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten dient lediglich der Information der Behörde, die die Entscheidung über die Versetzung des Beamten in den vorzeitigen Ruhestand trifft. Dieser Behörde wird berichtet, wie der unmittelbare Dienstvorgesetzte persönlich die Dienstfähigkeit des Beamten einschätzt. Die Erklärung ist nicht an den Beamten gerichtet, hat also keine Außenwirkung. Da sie die über die Versetzung entscheidende Behörde nicht bindet, entbehrt sie auch jeglicher Verbindlichkeit.
Schließlich wäre die – zu unterstellende – schwere Fehlerhaftigkeit der Zurruhesetzungsverfügung für einen unvoreingenommenen, mit den wesentlichen Umständen vertrauten verständigen Beobachter nicht ohne weiteres ersichtlich. Die – mögliche – Dienstunfähigkeit des Beamten ist Gegenstand der Selbsteinschätzung des Beamten, aufgrund derer das Verfahren nach § 52 HBG in Gang gekommen ist. Sie ist ferner Thema des dem unmittelbaren Dienstvorgesetzten vorliegenden und in seiner Äußerung zu berücksichtigenden ärztlichen Gutachtens und steht schließlich im Mittelpunkt der Entscheidung, welche die dafür zuständige Behörde in alleiniger Verantwortung über die Ruhestandsversetzung trifft. Wenn in dieser Kette von Äußerungen zur Dienstunfähigkeit des Beamten diejenige des unmittelbaren Dienstvorgesetzten nicht ausdrücklich, sondern konkludent abgegeben wird, ist ein etwaiger darin liegender Rechtsfehler nicht offenkundig besonders schwerwiegend.
Die geltend gemachte Divergenz der berufungsgerichtlichen Entscheidung zum Urteil des Badischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juli 1951 – Az.: 56/50 – (DVBl 1951 S. 667 ≪669≫) rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil das Urteil des Badischen Verwaltungsgerichtshofs zu §§ 73, 74 DBG und damit zu einer anderen Rechtsvorschrift ergangen ist als § 44 VwVfG, der die Voraussetzungen für die Nichtigkeit von Fehlern auch bei Anwendung des § 52 HBG bestimmt. Im Übrigen wäre es auch bei einem ausschließlichen Streit um die Anforderungen des § 52 HBG unerheblich, dass die Rechtsfrage, die von den Obergerichten bei der Auslegung und Anwendung der beiden sich im Wortlaut nur wenig voneinander unterscheidenden Rechtsvorschriften zu beantworten war, gleichartig ist. Denn auch die Divergenzrevision nach § 127 Nr. 1 BRRG beruht – nicht anders als die Divergenzrevision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO – auf dem Grundgedanken, dass nicht allgemeine auf mehreren Rechtsgebieten oder in mehreren Gesetzen auftretende Rechtsfragen übereinstimmend beantwortet werden sollen, sondern dass die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in der Auslegung ein und derselben Rechtsvorschrift gesichert werden soll (stRspr, vgl. Beschluss vom 10. April 1963 – BVerwG 8 B 16.62 – BVerwGE 16, 53 m.w.N.; Beschluss vom 21. Juli 1988 – BVerwG 1 B 44.88 – Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 S. 5 und Beschluss vom 12. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 68.91 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Dr. Bayer
Fundstellen
ZBR 2006, 96 |
DÖD 2006, 153 |
DVBl. 2005, 1531 |