Entscheidungsstichwort (Thema)
Spielautomatensteuer. örtliche Aufwandsteuer. kalkulatorische Abwälzbarkeit. erdrosselnde Wirkung. Erdosselungsgrenze. Fälligkeitsregelung. Jahressteuer
Leitsatz (amtlich)
Art. 105 Abs. 2a GG steht einer satzungsrechtlichen Regelung nicht entgegen, die die Entstehung und die Festsetzung der Spielautomatensteuer zum Beginn eines Kalenderjahres vorsieht.
Normenkette
GG Art. 105 Abs. 2a; KAG BW § 6
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 24.07.1997; Aktenzeichen 2 S 3166/97) |
VG Karlsruhe (Entscheidung vom 20.09.1995; Aktenzeichen 5 K 2469/93) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 24. Juli 1997 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 800 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weicht das Berufungsurteil von der angegebenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
1. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
a) Die von der Beschwerde zunächst aufgeworfene Frage,
“ob die aufgrund § 6 Abs. 3 a.F. KAG BW erlassene Vergnügungssteuersatzung der Beklagten die Ermächtigungsgrundlage des Art. 105 Abs. 2a GG und damit auch des § 6 Abs. 3 a.F. KAG bzw. § 6 Abs. 4 n.F. KAG BW überschreitet”,
ist nicht klärungsbedürftig. Die grundlegende Vereinbarkeit der Spielapparatesteuer mit höherrangigem Recht ist durch eine Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen bereits geklärt (vgl. die ebenfalls Verfahren der Klägerin betreffenden, ihr bekannten Beschlüsse vom 19. Juni 1997 – BVerwG 8 B 127.97 – BWGZ 1997, 547 f. und vom 21. März 1997 – BVerwG 8 B 51.97 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 30, jeweils mit weiteren Nachweisen; BVerfG, Beschluß vom 1. März 1997 – 2 BvR 1599/89 u.a. – NVwZ 1997, 573 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Beschlüssen vom 21. März 1997 und 19. Juni 1997 (a.a.O.) auch festgestellt, daß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 – 2 BvL 37/91 – (BVerfGE 93, 121 ff.) keine neuen Maßstäbe für die rechtliche Beurteilung der Vergnügungssteuer – etwa in Gestalt einer Maximalbelastung von 50 % – aufstellt. Das dort formulierte Gebot, die Belastungsgrenze müsse in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleiben (BVerfGE 93, 121 ≪138≫), wird vielmehr ausdrücklich und mehrfach aus der Besonderheit der Vermögensteuer abgeleitet (a.a.O. S. 137 und 141) und läßt sich auf andere Steuerarten nicht ohne weiteres übertragen; in dem Beschluß vom 1. März 1997 (a.a.O.) werden dementsprechend in dieser Richtung keinerlei rechtliche Bedenken gegen die Vergnügungssteuer erhoben.
Soweit die Beschwerde sich gegen die vermeintlich unrichtige Verneinung der erdrosselnden Wirkung der Steuersätze durch die Vorinstanzen wendet, fehlt es schon an einer klärungsbedürftigen Frage des Bundesrechts. Daß die “Erdrosselungsgrenze” nach wie vor eine äußerste Schranke der Besteuerung darstellt, ist unbestritten (vgl. BVerfG, Beschluß vom 1. März 1997, a.a.O.). Die bloße Behauptung, der Vergnügungssteuer komme entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall erdrosselnde Wirkung zu, weil sie tatsächlich nicht auf die Spieler abwälzbar sei, vermittelt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Diese Rüge geht von tatsächlichen Voraussetzungen aus, die im Berufungsurteil so nicht festgestellt sind; das Verwaltungsgericht geht vielmehr vom Gegenteil aus (vgl. Gerichtsbescheid S. 12). Fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen, die für die Erheblichkeit der aufgeworfenen Frage wesentlich sind, so kann die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zugelassen werden (stRspr, Beschluß vom 30. Juni 1992 – BVerwG 5 B 99.92 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 309, S. 43). Das Vorbringen könnte im übrigen auch als Verfahrensrüge nicht zur Revisionszulassung führen, weil die Beschwerde insoweit übersieht, daß ein Verfahrensvorwurf auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts zu beurteilen wäre, also auf die Situation aller Spielapparateaufsteller im Bereich der Beklagten – nicht nur auf die Lage der Klägerin – (vgl. hierzu Berufungsurteil S. 3 in Verbindung mit S. 9 f. und 12 des Gerichtsbescheides) abheben müßte.
Grundsätzliche Bedeutung kommt der Sache auch nicht im Zusammenhang mit der satzungsrechtlich vorgesehenen Entstehung der Steuer “am 01. Januar eines jeden Jahres für die im Gemeindegebiet aufgestellten Geräte” (§ 5 Abs. 1) und der Steuerfestsetzung zu Beginn eines Kalenderjahres (§ 5 Abs. 4 Satz 1) zu. Die Beschwerde sieht in dieser Regelung eine gegen die Ermächtigungsgrundlage im Kommunalabgabengesetz verstoßende Vorauszahlung oder Vorfinanzierung. Mit diesem Einwand wird indessen keine streitige, die Revisionszulassung eröffnende Frage des Bundesrechts bezeichnet; die richtige Auslegung und Anwendung des Landesrechts ist Sache des Verwaltungsgerichtshofs. An dieser Beurteilung ändert sich zugunsten der Klägerin auch durch den Hinweis auf Art. 105 Abs. 2a GG nichts. Daß die Vergnügungssteuer generell mit Art. 105 Abs. 2a GG vereinbar ist, hat das Bundesverfassungsgericht – wie erwähnt – mehrfach bestätigt (vgl. zuletzt Beschluß vom 1. März 1997, a.a.O.). Dem ist nichts hinzuzufügen. Inwiefern die Fälligkeitsregelung der Satzung der Beklagten mit Art. 105 Abs. 2a GG kollidieren sollte, hat die Beschwerde nicht hinreichend dargelegt. Ein verfassungswidriger Widerspruch zum Begriff oder zum Wesen der Aufwandsteuer ist nicht erkennbar. Die gebotene Abwälzbarkeit wird durch die Steuererhebung zum Beginn eines Kalenderjahres nicht in Frage gestellt, weil der Automatenaufsteller den geschuldeten und im voraus entrichteten Steuerbetrag für das gesamte Jahr seinen unternehmerischen Entscheidungen kalkulatorisch zugrunde legen kann. Unverhältnismäßig ist eine derartige “Vorauszahlungsregelung” jedenfalls dann nicht, wenn – wie hier – auf die Anzahl der zu Beginn des Erhebungszeitraums aufgestellten Geräte abgestellt und Veränderungen im Bestand umgehend – mit der Folge entsprechender Rückerstattungen – Rechnung getragen wird (vgl. § 5 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 2 der Satzung). Art. 105 Abs. 2a GG schließt eine derartige Fälligkeitsregelung mit Blick auf das Wesen der Aufwandsteuer begrifflich nicht aus. Zwar rechtfertigt sich die Vergnügungssteuer als Aufwandsteuer daraus, daß letztlich die Einkommensverwendung des Spielers, also dessen Aufwand, besteuert werden soll. Das steht einer Erhebung der Steuer zu Beginn eines Quartals oder – wie hier – des Kalenderjahres jedoch nicht entgegen. Allerdings ist zu diesem Fälligkeitszeitpunkt der konkrete Aufwand der Spieler noch nicht entstanden. Die Beschwerde übersieht jedoch, daß die Spielapparatesteuer aus Gründen der Praktikabilität – mit Billigung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BVerfG, Teilurteil vom 10. Mai 1962 – 1 BvL 31/58 – BVerfGE 14, 76 ≪93, 101 f.≫ und Beschluß vom 1. April 1971 – 1 BvL 22/67 – BVerfGE 31, 8 ≪21, 26 f.≫) – vom Veranstalter des Vergnügens, nicht von den Spielern selbst erhoben wird und pauschal an der Zahl der Spielapparate anknüpfen darf (vgl. BVerfG, Beschluß vom 1. März 1997, a.a.O.). Demzufolge ist Steuergegenstand regelmäßig nicht die konkrete Benutzung der Spielapparate, sondern deren Bereithalten durch den Veranstalter oder Aufsteller (BVerfGE 14, 76 ≪79≫). Die Bestimmung des Erhebungszeitraums und der Fälligkeit der Vergnügungssteuer im einzelnen unterliegt dem Gestaltungsermessen des Normgebers. Unter den genannten Umständen ist die Satzungsregelung im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden (vgl. Birk in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3 Rn. 203 f. sowie Darstellung in BWGZ 1990, 230 ≪254≫). Für die Zweitwohnungssteuer – ebenfalls eine örtliche Aufwandsteuer – hat das Bundesverfassungsgericht eine vergleichbare Regelung nicht beanstandet (vgl. Beschluß vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 – BVerfGE 65, 325 ≪329, 343 ff., 349≫).
b) Die weitere Frage,
“ob die Verwaltungsgerichte … die Belastungen des Steuerpflichtigen durch die Vergnügungssteuer feststellen und die Auswirkungen auf den Betrieb des Steuerpflichtigen werten müssen”,
bezieht sich der Sache nach auf den Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht hinsichtlich der Feststellung der “Erdrosselungsgrenze”; sie ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ebenfalls schon geklärt. Danach steht fest, daß die Vergnügungssteuer nur dann eine unzulässige erdrosselnde Wirkung hat, wenn sie dazu führt, daß die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage wären, den gewählten Beruf des Spielautomatenaufstellers ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 16. März 1971 – 1 BvR 52, 665, 667, 754/66 – BVerfGE 30, 292 ≪314≫; BVerwG, Urteil vom 24. März 1988 – BVerwG 3 C 48.86 – Buchholz 451.512 MGVO Nr. 4 S. 22 ≪30≫; Beschluß vom 17. Juli 1989 – BVerwG 8 B 159.88 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 24 S. 1 ≪3≫). Nur insoweit sind tatsächliche Feststellungen erforderlich. Die Lage des konkreten Klägers an einem bestimmten Standort oder gar nur hinsichtlich eines bestimmten Spielapparats ist hierfür hingegen nicht entscheidend. Hierzu hat das Verwaltungsgericht – auf dessen Ausführungen das Berufungsgericht Bezug nimmt – festgestellt (Gerichtsbescheid S. 9 f.), es sei nicht ersichtlich, daß im Gebiet der Beklagten “Spielautomaten generell nicht mehr mit Gewinn betrieben werden können”; es bestehe deshalb kein Anhaltspunkt für den von der Klägerin behaupteten Ausschluß der Abwälzbarkeit der Steuer auf die Spieler.
c) Auch die dritte Frage,
“ob die Erhebung der Vergnügungssteuer wegen Gleichartigkeit mit der Umsatzsteuer gegen Art. 33 RL EWG 77/388 verstößt”,
ist bereits mehrfach sowohl durch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschlüsse vom 21. März 1997 und 19. Juni 1997, jeweils a.a.O.) als auch durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschluß vom 1. März 1997, a.a.O.) verneint worden. Das Beschwerdevorbringen nötigt zu keiner erneuten Erörterung.
2. Das Berufungsurteil weicht auch nicht von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. April 1971 – 1 BvL 22/67 – (BVerfGE 31, 8 ff.) ab.
Die Beschwerde begründet die vermeintliche Divergenz mit der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O. S. 20), aus der letztlich beabsichtigten Besteuerung des Aufwands der Spieler und dem daraus resultierenden Erfordernis der Abwälzbarkeit der Vergnügungssteuer sei zu folgern, daß die Steuer “gewissermaßen als durchlaufender Posten aus denjenigen Aufwendungen gedeckt werden soll, die die Spieler als Einsatz für ihr Spielvergnügen aufbringen”; demgegenüber habe das Berufungsgericht angenommen (BU S. 4), die Vergnügungssteuer sei “als beim Geräteaufsteller lediglich durchlaufender Rechnungsposten nicht gefordert”. Diese Aussagen sind jedoch nur scheinbar widersprüchlich. Der von der Beschwerde herausgestellte Rechtssatz des Berufungsgerichts ist nämlich nur die Folgerung aus der davor dargelegten Annahme, die ausreichende kalkulatorische Abwälzbarkeit der Steuer in Form ihrer Einstellung als Rechnungsposten in die Selbstkosten des Aufstellers stelle – bei einem verbleibenden Gewinn – “die letztlich ausschlaggebende steuerliche Belastung des Vergnügungsaufwands” her; “von daher” komme es auf einen – gemeint ist: konkret feststellbaren – durchlaufenden Rechnungsposten nicht an. Der Verwaltungsgerichtshof geht danach in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht ersichtlich ebenfalls davon aus, das Abwälzbarkeitsgebot müsse nicht im konkreten Einzelfall gewährleisten, daß der Steuerschuldner den von ihm entrichteten Betrag immer von der Person erhält, die nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll (BVerfGE 31, 8 ≪20≫). Die Steuerüberwälzung ist ein wirtschaftlicher Vorgang; für die gebotene kalkulatorische Abwälzbarkeit genügt es, daß der Steuerpflichtige nach Einstellung der Steuer in seine Selbstkosten durch geeignete Maßnahmen – Umsatzsteigerung oder Senkung sonstiger Kosten – die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens aufrechterhalten kann. Auch das Bundesverfassungsgericht fordert danach keine konkret nachweisbare Weitergabe der Spielapparatesteuer an den jeweiligen Spieler, sondern überläßt Art und Höhe der Überwälzung dem Unternehmer (vgl. auch BFH, Urteil vom 26. Juni 1996 – II R 47/95 – BFHE 180, 497 ≪501≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Sailer, Golze
Fundstellen
Haufe-Index 1460798 |
NVwZ-RR 1998, 672 |
ZKF 1998, 228 |
DÖV 1998, 734 |
DVBl. 1998, 1223 |
Städtetag 1998, 657 |