Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 13.03.1997; Aktenzeichen 2 S 1439/94) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 13. März 1997 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 87 300 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
“ob die aufgrund § 6 Abs. 3 a.F. KAG Baden-Wüttemberg erlassene Vergnügungssteuersatzung die Ermächtigungsgrundlage des Art. 105 Abs. 2a GG und damit auch des § 6 Abs. 3 a.F. KAG bzw. § 6 Abs. 4 n.F. KAG Baden-Württemberg überschreitet”,
ist nicht klärungsbedürftig. Die Vereinbarkeit der streitigen Satzung sowie ihrer Ermächtigungsgrundlage in § 6 KAG mit Art. 105 Abs. 2a GG ergibt sich vielmehr auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen sowie aufgrund der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres. Die mit der Erhebung der Vernügungssteuer verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen – und damit auch die von der Beschwerde in Zweifel gezogene Rechtsnatur der Vergnügungssteuer als örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG – sind in einer Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen im einzelnen behandelt worden (vgl. u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Januar 1995 – BVerwG 8 N 2.93 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 28 S. 8 ff. und vom 22. März 1994 – BVerwG 8 NB 3.93 – Buchholz, a.a.O., Nr. 26 S. 1 ff. m.w.N.; BVerfG, Teilurteil vom 10. Mai 1962 – 1 BvL 31/58 – BVerfGE 14, 76 ff. und Beschluß vom 1. April 1971 – 1 BvL 22/67 – BVerfGE 31, 8 ff.). Danach steht – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – fest, daß die Vergnügungssteuer auf Spielapparate den Charakter einer Aufwandsteuer besitzt, die wegen der Begrenzung des Steuertatbestandes auf das Bereitstellen steuerpflichtiger Geräte in dem Gebiet der Gemeinde örtliche Wirkung im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG aufweist und bundesgesetzlich geregelten Steuern – insbesondere der Umsatzsteuer – nicht gleichartig ist (vgl. BFH, Beschluß vom 21. Februar 1990 – II B 98/89 – BFHE 160, 61 ≪65≫ und Urteil vom 26. Juni 1996 – II R 47/95 – BFH/NV 1996, R 352 ≪353≫ – zur Veröffentlichung in der Amtl. Sammlung vorgesehen).
Weitergehender Klärungsbedarf wird auch nicht durch den Einwand der Beschwerde aufgezeigt, die Steuerbemessung müsse nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Steuerpflichtigen einen Kernbestand des wirtschaftlichen Erfolges belassen; im vorliegenden Fall komme der Spielapparatesteuer jedoch erdrosselnde Wirkung zu. Dieses Vorbringen vermittelt der Rechtssache schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil aufgrund der mangels durchgreifender Verfahrensrügen bindend festgestellten Tatsachen in dem beabsichtigten Revisionsverfahren vom Gegenteil auszugehen wäre; der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich festgestellt, daß die Steuer abwälzbar ist und tatsächlich keine erdrosselnde Wirkung äußert. Für die von ihm angenommene fortbestehende Rentabilität der Spielapparate spricht die ebenfalls festgestellte Tatsache (vgl. UA S. 7 und 8), daß weder die Anzahl der von der Klägerin aufgestellten Spielautomaten noch die Gesamtzahl der Spielapparate im Gebiet der Beklagten zurückgegangen sind. Im übrigen ergeben sich aus der von der Beschwerde angeführten neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluß vom 22. Juni 1995 – 2 BvL 37/91 – BVerfGE 93, 121 ff.) keine neuen Maßstäbe für die rechtliche Beurteilung der Vergnügungssteuer. Dieser Beschluß befaßt sich ausschließlich mit anderen Steuerarten, äußert sich also nicht zu der Rechtsgrundlage für die Erhebung von Vergnügungssteuern. Ihm läßt sich nicht generell entnehmen, daß die in ständiger Rechtsprechung mit der Schwelle der Erdrosselung festgelegte steuerliche Grenze – wie die Beschwerde offensichtlich meint – nunmehr für jede Steuer auf eine steuerliche Maximalbelastung von 50 % gesenkt worden, das Kriterium der erdrosselnden Wirkung also allgemein durch die Obergrenze hälftiger Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand ersetzt worden sei. Vielmehr wird das Gebot, die Belastungsgrenze müsse in der Nähe einer hälftigen Teilung verbleiben (vgl. BVerfG, Beschluß vom 22. Juni 1995, a.a.O., S. 138), ausdrücklich und mehrfach aus den Besonderheiten der Vermögenssteuer abgeleitet, die auf “in der Regel bereits versteuertes Einkommen” zugreife und deshalb steuerlich bereits “vorbelastete” Gegenstände erneut erfasse (a.a.O., S. 137 und 141). Offenkundig geht auch das Bundesverfassungsgericht nicht von einer derartig weitreichenden Bedeutung seiner Entscheidung vom 22. Juni 1995 aus. In dem von der Beschwerde selbst erwähnten Beschluß vom 1. März 1997 – 2 BvR 1599/89 u.a. – (bisher nicht veröffentlicht) hat es nämlich verschiedene Verfassungsbeschwerden im Zusammenhang mit der Erhebung von Spielapparatesteuern – u.a. auch auf der Grundlage baden-württembergischen Landesrechts – nicht angenommen, weil die entscheidungserhebliche Frage in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits im Sinne der vorinstanzlichen Entscheidungen geklärt sei. Dabei hat es – erneut – hervorgehoben, dass das Verbot der Gleichartigkeit mit bundesrechtlichen Steuern in Art. 105 Abs. 2a GG herkömmlichen örtlichen Aufwandsteuern, zu denen die Vergnügungssteuer gehöre, nicht entgegensteht und dass die Vergnügungssteuer auch im übrigen grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar ist.
Die zweite Frage,
“ob die Erhebung der Vergnügungssteuer wegen Gleichartigkeit mit der Umsatzsteuer gegen Art. 33 RL EWG 77/388 verstößt”,
vermag die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ebenfalls nicht zu begründen. Zwar kann die Auslegungsbedürftigkeit einschlägiger europarechtlicher Vorschriften die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache begründen, wenn Fragen des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden sind, die durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bisher nicht beantwortet und in ihrer möglichen Beantwortung nicht unzweifelhaft sind, so daß das Bundesverwaltungsgericht in dem beabsichtigten Revisionsverfahren deshalb gemäß Art. 177 Abs. 3 EGV den Europäischen Gerichtshof anrufen müßte (vgl. Beschluß vom 25. März 1994 – BVerwG 3 B 77.93 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 1). Die Beschwerde hat aber den Klärungsbedarf mit Blick auf das Gemeinschaftsrecht angesichts hierzu zwischenzeitlich ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung mit gegenteiliger Aussage (vgl. Beschlüsse vom 21. März 1997 – BVerwG 8 B 51.97 – ≪bisher n.v.≫, ebenfalls in einer Sache der Klägerin und vom 9. April 1997 – BVerwG 8 B 79.97 – n.v. sowie BVerfG, Beschluß vom 1. März 1997 –, a.a.O., Abdruck S. 18) nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der bloße Einwand, die Erhebung der Vergnügungssteuer auf Spielautomaten sei mit Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren, reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht aus. So wie für eine prozeßordnungsgemäße Grundsatzrüge die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer von der Vorinstanz angewandten Vorschrift nicht genügt (stRspr), entbindet auch die bloße Behauptung des Verstoßes einer innerstaatlichen Norm gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht nicht von dem Erfordernis einer näheren Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage, es sei denn, diese Bedeutung wäre offensichtlich (BFH, Beschluß vom 15. Februar 1995 – VII B 100/94 – EuZW 1995, 455). Ein Fall derartiger Offenkundigkeit des gemeinschaftsrechtlichen Klärungsbedarfs liegt hier jedoch nicht vor; vielmehr hat umgekehrt die Beschwerde keinen vernünftigen Zweifel gegenüber der Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch das Berufungsgericht aufgezeigt, der zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nötigen würde (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs. 283/81 – CILFIT – Slg. 1982, 3415 ≪3430 Tz. 16≫). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit den in der Beschwerde erneut aufgeworfenen Fragen unter Würdigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im einzelnen auseinandergesetzt. Unter diesen Umständen und in Kenntnis der von der Beschwerde selbst zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 1997 hätte es zumindest eines näheren Eingehens auf diese Ausführungen und der Darlegung bedurft, weshalb trotz der u.a. vom Bundesverfassungsgericht zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der auf die bereitgestellten Spielapparate pauschal erhobenen Gerätesteuer gleichwohl der Charakter einer von Art. 33 der 6. Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – 77/388/EWG – (ABlEG Nr. L 145/1 vom 13. Juni 1977) erfaßten Umsatzsteuer zukommen sollte. Dies gilt um so mehr, als der Europäische Gerichtshof zur Erhebung einer französischen Spielautomatensteuer in Auslegung des Art. 33 der Richtlinie 77/388/EWG festgestellt hat, daß “eine Abgabe, die … lediglich auf die Bereitstellung dieses Gegenstandes für die Öffentlichkeit gelegt wird, ohne daß die durch diese Bereitstellung zu erzielenden Einnahmen tatsächlich berücksichtigt werden, nicht als Steuer angesehen werden (kann), die den Charakter einer Umsatzsteuer auf den Preis der Dienstleistungen hat” (Urteil vom 3. März 1988 – Rs. 252/86 – Bergandi – Slg. 1988, 1343 ≪1344, 1372 Tz. 16 und 1373 Tz. 20≫). Ferner hat der Europäische Gerichtshof in dem Urteil vom 27. November 1985 – Rs. 295/84 – (– Organic – Slg. 1985, 3759) ausgeführt, daß eine Steuer nur dann den Charakter einer Umsatzsteuer hat, wenn sie die kommerziellen Umsätze in der die Mehrwertsteuer kennzeichnenden Art und Weise erfaßt; dabei sei entscheidend, ob die streitige Steuer das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, indem sie den Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten belastet (vgl. Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Davon kann bei der Erhebung einer örtlichen Aufwandsteuer auf Spielapparate keine Rede sein. Die pauschale Spielapparatesteuer ist vielmehr offenkundig eine von dieser Richtlinie nicht berührte “Abgabe auf Spiele” bzw. allgemein eine Steuer, “die nicht den Charakter von Umsatzsteuern” hat (vgl. ebenso Sächsisches OVG, Urteil vom 13. Dezember 1995 – 2 S 193/95 – NVwZ-RR 1997, 113 ≪115 f.≫). Diese Einschätzung wird – wie bereits erwähnt – vom Bundesverfassungsgericht geteilt (vgl. Beschluß vom 1. März 1997, a.a.O., Abdruck S. 18 unter Ziff. 4). Weitergehenden Klärungsdbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Sailer, Golze
Fundstellen