Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 17.12.1996; Aktenzeichen 2 S 2385/96) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1996 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 35 100 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt die ihr allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
“ob die aufgrund § 6 Abs. 3 a.F. KAG Baden-Wüttemberg erlassene Vergnügungssteuersatzung und damit mittelbar auch § 6 Abs. 3 a.F. KAG bzw. § 6 Abs. 4 n.F. KAG Baden-Württemberg die Ermächtigungsgrundlage des Art. 105 Abs. 2a GG überschreitet”,
ist nicht klärungsbedürftig. Die Vereinbarkeit der streitigen Satzung sowie ihrer Ermächtigungsgrundlage in § 6 KAG mit Art. 105 Abs. 2a GG ergibt sich vielmehr auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen sowie aufgrund der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres. Die mit der Erhebung der Vernügungssteuer verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen – und damit auch die von der Beschwerde in Zweifel gezogene Rechtsnatur der Vergnügungssteuer als örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG – sind in einer Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen im einzelnen behandelt worden (vgl. u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Januar 1995 – BVerwG 8 N 2.93 – Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 28 S. 8 ff. und vom 22. März 1994 – BVerwG 8 NB 3.93 – Buchholz, a.a.O., Nr. 26 S. 1 ff. m.w.N.; BVerfG, Teilurteil vom 10. Mai 1962 – 1 BvL 31/58 – BVerfGE 14, 76 ff. und Beschluß vom 1. April 1971 – 1 BvL 22/67 – BVerfGE 31, 8 ff.). Danach steht – wie das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat – fest, daß die Vergnügungssteuer auf Spielapparate den Charakter einer Aufwandsteuer besitzt, die wegen der Begrenzung des Steuertatbestandes auf das Bereitstellen steuerpflichtiger Geräte in dem Gebiet der Gemeinde örtliche Wirkung im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG aufweist und bundesgesetzlich geregelten Steuern – insbesondere der Umsatzsteuer – nicht gleichartig ist (vgl. BFH, Beschluß vom 21. Februar 1990 – II B 98/89 – BFHE 160, 61 ≪65≫ und Urteil vom 26. Juni 1996 – II R 47/95 – BFH/NV 1996, R 352 ≪353≫ – zur Veröffentlichung in der Amtl. Sammlung vorgesehen).
Die “örtliche Radizierung” der Spielapparatesteuer wird auch durch den Hinweis der Beschwerde auf das Verbot von Vergnügungssteuern in Bayern und die daraus resultierende Ungleichheit im Wettbewerb nicht in Frage gestellt. Die für den Erlaß örtlicher Aufwand- und Verbrauchsteuern allein maßgebliche Kompetenz aus Art. 105 Abs. 2a GG hat notwendigerweise zur Folge, daß diese Steuern unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG nur an den Verhältnissen des jeweiligen örtlichen Gesetzgebers zu messen sind und der Vergleich mit anderen Gemeinden – die keine entsprechende örtliche Steuer erheben – oder anderen Ländern auszublenden ist. Deshalb kann eine kompetenzrechtlich und auch im übrigen zulässige örtliche Steuer nicht deshalb erfolgreich angegriffen werden, weil in der Nachbargemeinde oder in einem Nachbarland der örtliche Satzungsgeber keine vergleichbare Steuer vorgesehen hat. Die Anerkennung eines solchen Arguments und die Ausweitung der Vergleichsmaßstäbe nach Art. 3 Abs. 1 GG auf Verhältnisse außerhalb der Zuständigkeit des jeweiligen Gesetzgebers würde zwangsläufig dessen von der Verfassung eingeräumte örtliche Gesetzgebungskompetenz unterlaufen (vgl. Beschluß vom 14. Juni 1996 – BVerwG 8 NB 6.95 – NVwZ-RR 1997, 111 ≪112≫).
Weitergehender Klärungsbedarf wird auch nicht durch den Einwand der Beschwerde aufgezeigt, die Steuerbemessung müsse nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Steuerpflichtigen einen Kernbestand des wirtschaftlichen Erfolges belassen; im vorliegenden Fall komme der Spielapparatesteuer jedoch erdrosselnde Wirkung zu. Dieses Vorbringen vermittelt der Rechtssache schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil aufgrund der mangels durchgreifender Verfahrensrügen bindend festgestellten Tatsachen in dem beabsichtigten Revisionsverfahren davon auszugehen wäre, daß der Klägerin – auch ohne die streitige Berücksichtigung der Wirteprovision – ein “nicht unerheblicher Reingewinn gesichert” wäre (VG-Urteil S. 10). Für die vom Verwaltungsgericht angenommene Rentabilität der Spielapparate spricht auch die festgestellte Tatsache (vgl. UA S. 10), daß die Anzahl der von der Klägerin aufgestellten Spielautomaten nicht zurückgegangen ist. Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellungen hat das Verwaltungsgericht deshalb auch zutreffend die geltend gemachte erdrosselnde Wirkung der Spielapparatesteuer verneint (UA S. 11).
Mit der zweiten aufgeworfenen Frage,
“ob die Erhebung der Vergnügungssteuer wegen Gleichartigkeit mit der Umsatzsteuer gegen Art. 33 RL EWG 77/388 verstößt”,
wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Zwar kann die Auslegungsbedürftigkeit einschlägiger europarechtlicher Vorschriften die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache begründen, wenn Fragen des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden sind, die durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bisher nicht beantwortet und in ihrer möglichen Beantwortung nicht unzweifelhaft sind, so daß das Bundesverwaltungsgericht in dem beabsichtigten Revisionsverfahren deshalb gemäß Art. 177 Abs. 3 EGV den Europäischen Gerichtshof anrufen müßte (vgl. Beschluß vom 25. März 1994 – BVerwG 3 B 77.93 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 1 n.L.). Die Beschwerde hat aber den Klärungsbedarf mit Blick auf das Gemeinschaftsrecht nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der bloße Einwand, die Erhebung der Vergnügungssteuer auf Spielautomaten sei mit Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren, reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1, § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht aus. So wie für eine prozeßordnungsgemäße Grundsatzrüge die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer von der Vorinstanz angewandten Vorschrift nicht genügt (stRspr), entbindet auch die bloße Behauptung des Verstoßes einer innerstaatlichen Norm gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht nicht von dem Erfordernis einer näheren Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage, es sei denn, diese Bedeutung wäre offensichtlich (BFH, Beschluß vom 15. Februar 1995 – VII B 100/94 – EuZW 1995, 455). Ein Fall derartiger Offenkundigkeit des gemeinschaftsrechtlichen Klärungsbedarfs liegt hier jedoch nicht vor; vielmehr hat umgekehrt die Beschwerde keinen vernünftigen Zweifel gegenüber der Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch das Verwaltungsgericht aufgezeigt, der zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nötigen würde (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs. 283/81 – CILFIT – Slg. 1982, 3415 ≪3430 Tz. 16≫). Das Verwaltungsgericht – auf dessen Begründung das Berufungsgericht Bezug nimmt – hat sich mit den in der Beschwerde erneut aufgeworfenen Fragen unter Würdigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im einzelnen auseinandergesetzt. Unter diesen Umständen hätte es zumindest eines näheren Eingehens auf diese Ausführungen und der Darlegung bedurft, weshalb trotz der vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der auf die bereitgestellten Spielapparate pauschal erhobenen Gerätesteuer gleichwohl der Charakter einer von Art. 33 der 6. Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – 77/388/EWG – (ABlEG Nr. L 145/1 vom 13. Juni 1977) erfaßten Umsatzsteuer zukommen sollte. Dies gilt um so mehr, als der Europäische Gerichtshof zur Erhebung einer französischen Spielautomatensteuer in Auslegung des Art. 33 der Richtlinie 77/388/EWG festgestellt hat, daß “eine Abgabe, die … lediglich auf die Bereitstellung dieses Gegenstandes für die Öffentlichkeit gelegt wird, ohne daß die durch diese Bereitstellung zu erzielenden Einnahmen tatsächlich berücksichtigt werden, nicht als Steuer angesehen werden (kann), die den Charakter einer Umsatzsteuer auf den Preis der Dienstleistungen hat” (Urteil vom 3. März 1988 – Rs. 252/86 – Bergandi – Slg. 1988, 1343 ≪1344, 1372 Tz. 16 und 1373 Tz. 20≫). Ferner hat der Europäische Gerichtshof in dem Urteil vom 27. November 1985 – Rs. 295/84 – (– Organic – Slg. 1985, 3759) ausgeführt, daß eine Steuer nur dann den Charakter einer Umsatzsteuer hat, wenn sie die kommerziellen Umsätze in der die Mehrwertsteuer kennzeichnenden Art und Weise erfaßt; dabei sei entscheidend, ob die streitige Steuer das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, indem sie den Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten belastet (vgl. Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Davon kann bei der Erhebung einer örtlichen Aufwandsteuer auf Spielapparate keine Rede sein. Die pauschale Spielapparatesteuer ist vielmehr offenkundig eine von dieser Richtlinie nicht berührte “Abgabe auf Spiele” bzw. allgemein eine Steuer, “die nicht den Charakter von Umsatzsteuern” hat (vgl. ebenso Sächsisches OVG, Urteil vom 13. Dezember 1995 – 2 S 193/95 – NVwZ-RR 1997, 113 ≪115 f.≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Kleinvogel, Sailer, Krauß
Fundstellen