Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Begriff der Negativplanung (hier: Verhinderung einer Stätte der Religionsausübung)
Normenkette
GG Art. 4 Abs. 1; BauGB § 14
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 11.04.2016; Aktenzeichen 2 D 30/15.NE) |
Gründe
Rz. 1
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
Als grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift wirft die Beschwerde die Frage auf,
ob und unter welchen Bedingungen der Wille einer Gemeinde, Ausübungsstätten bestimmter Religionen zu kontingentieren, mit den Instrumenten des Bauplanungsrechts erreicht werden kann.
Rz. 3
Diese Fragestellung kann schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision führen, weil sie zum einen ("unter welchen Bedingungen") eine Vielzahl möglicher Fallgestaltungen betrifft und daher nur nach Art eines Lehrbuchs beantwortet werden könnte, was nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens ist, und weil sie zum anderen, soweit sie vom Willen einer Gemeinde ausgeht, Ausübungsstätten "bestimmter" Religionen zu "kontingentieren", einen Sachverhalt zugrunde legt, den das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat und der mithin in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre.
Rz. 4
Unabhängig davon führt auch ein weiter gefasstes, diese Einwände vermeidendes Verständnis der Frage, nämlich ob eine Veränderungssperre zulässig ist, wenn die Gemeinde damit eine bislang bauplanungsrechtlich zulässige Stätte zur Religionsausübung verhindern will, um eine Konzentration derartiger Nutzungen zu vermeiden, zu keinem anderen Ergebnis. Denn die damit aufgeworfenen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.
Rz. 5
Danach darf eine Veränderungssperre erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 4 C 1.11 - BVerwGE 144, 82 Rn. 10 m.w.N.). Sie liegt aber nicht schon deswegen vor, weil die Gemeinde die Planung aus Anlass eines konkreten, bisher zulässigen Vorhabens betreibt, das sie verhindern will, oder weil sie das Ziel verfolgt, eine Ausweitung bestimmter bisher zulässiger Nutzungen zu verhindern, selbst wenn dies jeweils den Hauptzweck einer konkreten Planung darstellt (BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 - 4 NB 8.90 - NVwZ 1991, 875 ≪876 ff.≫ = juris Rn. 12 ff). Das gilt auch, wenn es sich um Nutzungen handelt, denen aufgrund bauplanerischer Vorschriften (etwa als privilegierte Vorhaben, BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 - 4 NB 8.90 - a.a.O. S. 876 = juris Rn. 14) oder - wie hier vom Beschwerdeführer unter Berufung auf Art. 4 Abs. 1 GG geltend gemacht - nach Verfassungsrecht besonderes Gewicht zukommt. Allerdings ist eine Veränderungssperre unwirksam, wenn sie eine von vornherein rechtswidrige Bauleitplanung sichern soll (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1993 - 4 NB 40.93 - Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr. 23 S. 12 f. = juris Rn. 3 f.). Hiervon ist aber nur auszugehen, wenn der beabsichtigten Planung unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen, nicht hingegen im Falle etwaiger Abwägungsmängel dieser Planung, denn als bloßes Mittel der Sicherung der Bauleitplanung, das nicht dazu dient, bauliche und sonstige Nutzungen der Grundstücke vorzubereiten und zu leiten, unterliegt die Veränderungssperre selbst nicht dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB (BVerwG, Beschlüsse vom 27. Juli 1990 - 4 B 156.89 - NVwZ 1991, 62 ≪63≫ = juris Rn. 9 und vom 30. September 1992 - 4 NB 35.92 - Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr. 20 S. 8 f. = juris Rn. 6).
Rz. 6
In Anwendung dieser Rechtssätze ist das Oberverwaltungsgericht zum Ergebnis gelangt, dass die Veränderungssperre rechtmäßig ist, weil eine hinreichend konkretisierte Planungsabsicht der Antragsgegnerin besteht, die sich nicht in einer reinen Verhinderung der Nutzungswünsche des Antragstellers erschöpft, und das Planungsziel rechtmäßig erreicht werden kann. Mit ihrer Kritik, das Planungsziel diene der Einschränkung von Art. 4 Abs. 1 GG und könne kein legitimes Ziel der Bauleitplanung sein, wendet sich die Beschwerde in der Art einer Revisionsbegründung gegen die Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht, zeigt aber einen über die höchstrichterlich geklärten Rechtsfragen hinausgehenden Klärungsbedarf, der wegen der im Wesentlichen nur verbleibenden irrevisiblen Einzelfallfragen ohnehin eher fernliegt, nicht auf.
Rz. 7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen