Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Personalrats bei kurzfristiger Überstundenanordnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG erfaßt auch die Regelung über die zeitliche Lage einer Überstunde, die nur für einen einzelnen Tag und eine bestimmte Uhrzeit angeordnet worden ist. Voraussetzung ist, daß zeitliche Dispositionsmöglichkeiten bestehen und die Anordnung generell, d.h. auf alle Beschäftigte oder eine Gruppe von Beschäftigten bezogen, ist.
2. Das Mitbestimmungsrecht gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG für die Anordnung von Überstunden wird durch § 75 Abs. 4 BPersVG auf die Aufstellung von Grundsätzen beschränkt, wenn sie für Gruppen von Beschäftigten nach Erfordernissen, die die Dienststelle in den näheren Einzelheiten nicht voraussehen kann, unregelmäßig und kurzfristig festgesetzt werden müssen.
Normenkette
BPersVG § 75 Abs. 4; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 1, § 68 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Gründe
I.
Der Antragsteller, der Personalrat beim Postamt in H., macht ein Mitbestimmungsrecht bei der Anordnung von einer Stunde Überzeit in der Briefverteilung des Postamts geltend, die nur für einen Tag und für eine bestimmte Uhrzeit erlassen wurde.
In der Eingangsstelle des Postamts (Stelle 148) in H., die für die Eingangsverteilung der Kurzbriefe verantwortlich ist, hatten sich Anfang Februar 1989 erhebliche Rückstände bei der Verteilung der Kurzbriefe gebildet. Es waren insbesondere 33 000 Drucksachen noch nicht verteilt, die zusätzlich zu den normalen Eingängen verspätet bei dem Postamt eingetroffen waren. Dabei reichten die Einlieferungstage bis zum 27. Januar 1989 zurück. Deshalb wurde am 6. Februar 1989 (Rosenmontag) eine Überstunde eingelegt. Da dadurch die Rückstände nicht ausreichend abgebaut werden konnten, ordnete der Vorsteher der Stelle 148 noch am Morgen des 6. Februar 1989 mündlich an, daß die in der Eingangsverteilung "Kurzbriefe" tätigen Teilzeitkräfte am nächsten Morgen (Fastnachtsdienstag) im Anschluß an ihre normale Arbeitszeit erneut ab 8.00 Uhr eine Überstunde leisten sollten. Der Antragsteller, der dies erfahren hatte, wandte sich noch am 6. Februar 1989 beim Beteiligten, dem Amtsvorsteher des Postamts H., schriftlich gegen die Maßnahme. Er begründete dies damit, es sei rechtlich unzulässig und aus personalfürsorgerischen Gründen auch unzumutbar, so kurzfristig Überstunden anzuordnen. Die von der Anordnung betroffenen Beschäftigten hätten meist bereits familiäre Festlegungen getroffen. Die Kinder hätten schulfrei, viele Ehemänner würden nicht arbeiten. Da die Innenstadt wegen des um 14.00 Uhr beginnenden Fastnachtsumzuges abgesperrt sei, könnten an diesem Tag die während der Überstunde verteilten Drucksachen ohnehin kaum zugestellt werden. Nach erfolglosen Erörterungen blieb die Anordnung aufrechterhalten, zumal am 7. Februar 1989 erneut unvorhergesehen viele Drucksachen eingetroffen waren. Die Überstunde wurde von den Beschäftigten zum vorgesehenen Zeitpunkt geleistet. Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet. Er hat die Feststellung beantragt, daß die Anordnung von Überzeitarbeit durch die Stellenleitung der Stelle 148 für alle nicht vollbeschäftigten Arbeiterinnen der Kurzbriefverteilung am 7. Februar 1989 sein Beteiligungsrecht verletzt habe. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt.
Die dagegen eingelegte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen, im wesentlichen mit folgender Begründung:
Der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG beziehe sich (nur) auf Regelungen über die zeitliche Lage der regelmäßigen Arbeitszeit und auf Regelungen über die zeitliche Lage von etwa abzuleistender Mehrarbeit/Überstunden/Überzeitarbeit, jedenfalls sofern in ihnen das Merkmal des Wiederkehrenden enthalten sei. Er beziehe sich nicht auf eine Regelung, in welcher die zeitliche Lage der in einem Einzelfall kurzfristig angeordneten Mehrarbeit/Überstunden/Überzeitarbeit auf einen einzelnen Tag festgelegt werde. Diese Auslegung werde durch die Regelung des § 75 Abs. 4 BPersVG bestätigt, wonach sich die Mitbestimmung des Personalrats auf die Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne beschränke, wenn "für Gruppen von Beschäftigten die tägliche Arbeitszeit (Abs. 3 Nr. 1) nach Erfordernissen, die die Dienststelle nicht voraussehen kann, unregelmäßig und kurzfristig festgesetzt" werden müsse. Das zeige, daß für den Gesetzgeber bei dem Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG der Gesichtspunkt der Regelmäßigkeit und damit der Dauer der Regelung über die Lage der Arbeitszeit bedeutsam gewesen sei, und zwar unabhängig davon, ob im Einzelfall die Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 BPersVG erfüllt seien. Da der Leiter der Stelle 148 im Einklang mit den arbeitsrechtlichen Regelungen die einstündige Überstunde wegen eines kurzfristig aufgetretenen hohen Arbeitsanfalls angeordnet habe, sei diese Maßnahme nicht mitbestimmungspflichtig gewesen. Auch die Festsetzung der zeitlichen Lage der einstündigen Mehrarbeit auf 8.00 Uhr - 9.00 Uhr habe nicht der Mitbestimmungspflicht unterlegen. Es habe sich auch hierbei um eine Einzelregelung nur für einen Tag gehandelt.
Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers. Er ist im Gegensatz zum Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, es spreche nichts dafür, daß das Beteiligungsrecht gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG bei einer Anordnung von Überstunden nur für einen Tag oder Teile eines Tages ausgeschlossen sein solle. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut, aber auch aus dem Zweck der Vorschrift. In der Regel würden Überstunden nur für einen Tag angeordnet. Nur in seltenen Ausnahmefällen seien sie an mehreren Tagen hintereinander zu leisten. Anderenfalls gebe es Probleme mit den Arbeitszeitvorschriften. Hätte der Gesetzgeber diesen Normalfall nicht der Beteiligung unterwerfen wollen, dann hätte er dies auch zum Ausdruck bringen müssen, was nicht geschehen sei. Auch aus § 75 Abs. 4 BPersVG ergebe sich nichts anderes. Dort komme es nicht auf die Regelmäßigkeit, sondern auf die Vorhersehbarkeit an. Der in dieser Bestimmung enthaltene Hinweis auf das Mitbestimmungsrecht des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG und die besondere Hervorhebung der Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden zeige, daß das Gesetz vom Beteiligungsrecht bei der Anordnung von Überstunden nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG als dem Regelfall ausgehe. Der Antragsteller beantragt,
den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden- Württemberg vom 16. Januar 1990 - 15 S 2535/89 - und den Beschluß des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 4. August 1989 - B - PVG 3/89 - aufzuheben und festzustellen, daß die Anordnung von Überzeitarbeit durch die Leitung der Stelle 148 für alle nicht vollbeschäftigten Arbeiterinnen der Verteilung Kurzbriefe auf den 7. Februar 1989 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt hat.
Der Beteiligte beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß. Er meint, jedenfalls bestehe deshalb kein Mitbestimmungsrecht, weil der Zeitpunkt der Überzeitarbeit so eng mit deren Anordnung verknüpft sei, daß beide nicht voneinander getrennt werden könnten. Würde in diesen Fällen ein Mitbestimmungsrecht bejaht, führe dies zu einer unzulässigen Mitbestimmung über die staatliche Aufgabenerledigung. Aber auch im Falle der Ablehnung dieser Meinung sei ein Mitbestimmungsrecht nicht gegeben. Die Überzeitarbeit habe nach Erfordernissen, die die Dienststelle nicht habe voraussehen können, kurzfristig festgesetzt werden müssen. Das sei ein Fall des § 75 Abs. 4 BPersVG, der den Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG verdränge.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
Auch wenn die Überstunde am 7. Februar 1989 von den Beschäftigten der Stelle 148 bereits abgeleistet worden ist, besteht ein Rechtsschutzinteresse an der Fortsetzung des Verfahrens. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das schutzwürdige Interesse an der gerichtlichen Klärung zu bejahen, da sich der tatsächliche Vorgang - kurzfristige Anordnung einer Überstunde - zwischen den Verfahrensbeteiligten jederzeit wiederholen kann und sich die an ihn anknüpfenden Rechtsfragen erneut stellen können (vgl. Beschluß vom 5. Oktober 1989 - BVerwG 6 P 2.88 - Buchholz 250 § 19 BPersVG Nr. 5 m.w.N.).
Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.
Im Ergebnis zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, daß die Anordnung von einer Stunde Überzeit für die Beschäftigten des Postamts (Stelle 148) in H. für den 7. Februar 1989, 8.00 Uhr - 9.00 Uhr, nicht mitbestimmungspflichtig war. Entgegen der Meinung des Beschwerdegerichts waren aber die Voraussetzungen einer Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG erfüllt. Dieses Recht ist jedoch unter den - hier gegebenen - Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 BPersVG auf die Mitbestimmung an Grundsätzen für die Anordnung von Überstunden beschränkt. Derartige Grundsätze gab es im Postamt in H. jedoch nicht.
Dem Verwaltungsgerichtshof kann nicht gefolgt werden, wenn er die Mitbestimmungspflicht aus § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG deshalb verneint, weil dieser Beteiligungstatbestand sich nicht auf eine Regelung beziehe, in welcher die zeitliche Lage der in einem Einzelfall kurzfristig angeordneten Überstunde auf einen einzelnen Tag festgelegt werde, da diese Vorschrift nur Regelungen beinhalte, in denen das Merkmal des Wiederkehrenden enthalten sei. Diese Auslegung rechtfertigt sich weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck der Bestimmung.
Der Wortlaut läßt eindeutig erkennen, daß Gegenstand des Mitbestimmungsrechts die Verteilung der von den Beschäftigten nach gesetzlicher Vorschrift oder tariflicher Festlegung abzuleistenden Arbeitszeit auf die zur Verfügung stehenden Arbeitstage und die Festlegung ihrer zeitlichen Lage am einzelnen Arbeitstag ist. Das der Personalvertretung in § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG eingeräumte Mitbestimmungsrecht wird in diesem Zusammenhang erst berührt, wenn die Anordnung durch die Festlegung bestimmter Tage und Tageszeiten, an denen die Mehrarbeit bzw. die Überstunden zu leisten sind, konkretisiert werden soll (Beschluß vom 20. Juli 1984 - BVerwG 6 P 16.83 - BVerwGE 70, 1). Hierbei kann es keinen Unterschied machen, ob die Mehrarbeit bzw. die Überstunden für einen bestimmten Tag und eine bestimmte Zeit festgelegt werden oder ob diese für wiederkehrende Tage oder Uhrzeiten bestimmt werden. Der Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs, durch den Zusatz "sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage" in § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG werde erkennbar gemacht, daß der Mitbestimmungstatbestand auch solche Regelungen einbeziehe, "in denen in wöchentlicher Abfolge oder nach anderen Abfolgen und Maßgaben sich ergebende wiederkehrende Uhrzeiten festgelegt werden, an denen für die von der Regelung betroffenen Beschäftigten Arbeitszeit ist", steht dem nicht entgegen. Der Wortlaut läßt sowohl Überstundenanordnungen zu, die sich auf einen bestimmten Zeitpunkt beziehen, als auch solche Verfügungen, "in denen das Merkmal des Wiederkehrenden" enthalten ist. Auch der Begriff der "täglichen" Arbeitszeit beinhaltet nicht notwendigerweise, wie der Verwaltungsgerichtshof meint, daß dieser Mitbestimmungstatbestand nur solche Festlegungen umfasse, die über einen einzelnen Tag hinausreichen. Anderenfalls ergäbe sich ein Widerspruch zu § 75 Abs. 4 BPersVG, der einerseits die Anwendbarkeit des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG voraussetzt und andererseits vorsieht, daß die "tägliche" Arbeitszeit durch die Anordnung von Überstunden "kurzfristig" festgesetzt werden kann. Kurzfristig kann auch die Anordnung für einen Tag sein.
Der Zweck des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG steht dem nicht entgegen. Bei der Mitbestimmung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ist es Aufgabe des Personalrats, darauf zu achten, daß die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften insbesondere für die Beschäftigung von Frauen und Jugendlichen bei der Festlegung der Arbeitszeit berücksichtigt und daß berechtigte Wünsche von Bediensteten, die sich beispielsweise bei allzu frühem Dienstbeginn aus dem Fehlen zumutbarer Verkehrsverbindungen ergeben können, in Einklang mit den dienstlichen Erfordernissen gebracht werden (Beschluß vom 14. Juni 1968 - BVerwG 7 P 9.66 - BVerwGE 30, 39). Diese Erwägungen gelten uneingeschränkt auch für die Festlegung einer Überstunde auf einen bestimmten Tag und auf eine bestimmte Uhrzeit, wo diese Gesichtspunkte wegen der kurzfristigen Anordnung eine besondere Bedeutung erhalten.
Das Mitbestimmungsrecht ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn der Zeitpunkt der Überstunde so eng mit deren Anordnung verknüpft ist, daß beides nicht voneinander getrennt werden kann. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn Überstunden aus Anlaß von konkreten, zeitlich festliegenden Einzelfällen zu einem bestimmten Zeitpunkt angeordnet werden müssen, so daß für zeitliche Dispositionen kein Raum ist. Anderenfalls würde in diesen Fällen - unzulässigerweise - der Personalvertretung auch die Mitbestimmung über die staatliche Aufgabenerledigung eingeräumt. Ein Mitbestimmungsrecht besteht daher nur dann, wenn sich die Anordnung der Überstunden und deren Ableistung ohne weiteres trennen lassen (so auch OVG NW, PersV 1980, 246; HessVGH, ESVGH 38, 219). Nach dem festgestellten Sachverhalt war diese Trennung möglich, weil eine Disposition über den Zeitpunkt der Überstunde nicht ausgeschlossen war. Der Antragsteller begehrt nicht die Mitbestimmung darüber, ob die Anordnung der Überstunde gerechtfertigt war. Dies wäre unzulässig, weil diese Entscheidung allein dem Direktionsrecht des Beteiligten unterliegt und insoweit mitbestimmungsfrei ist. Er beanstandet nur die Festlegung der Überstunde auf den Karnevalsdienstag und auf die Zeit zwischen 8.00 Uhr und 9.00 Uhr, also das "Wie" der Anordnung. Aufgrund der Tatsachenfeststellungen des Beschwerdegerichts ist davon auszugehen, daß andere zeitliche Dispositionen bezüglich des Zeitpunkts der Ableistung der Überstunde im vorliegenden Fall möglich waren. Der Beteiligte hat zwar vorgetragen, wegen der angewachsenen Rückstände habe nur durch die Festlegung der Überstunde auf Fastnachtsdienstag 8.00 Uhr bis 9.00 Uhr eine weitere drohende Verschlechterung der Dienstleistung abgewendet werden können. Zu diesen Behauptungen fehlt es jedoch an Tatsachenfeststellungen des Beschwerdegerichts. Dem steht insbesondere entgegen, daß die Rückstände bereits bis zum 27. Januar 1989 zurückreichten und es sich um Drucksachen handelte, deren Weiterversendung nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht so eilbedürftig ist wie die Versendung anderer Postsachen. Besondere Gesichtspunkte, die die Festlegung allein auf Karnevalsdienstag zu dem vom Beteiligten vorgesehenen Zeitpunkt zwingend erforderlich gemacht hätten, sind nicht geltend gemacht worden. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb - wäre die Erledigung so unaufschiebbar gewesen - die Rückstände nicht bereits vor dem 6. Februar 1989 durch Überstunden abgebaut worden sind. Einer Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht hinsichtlich dieses Punktes bedarf es deshalb nicht. Ausgehend von der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse durch das Beschwerdegericht ist jedenfalls aus revisionsrichterlicher Sicht nicht auszuschließen, daß noch eine gewisse Dispositionsfreiheit hinsichtlich der Festlegung des Zeitpunkts der Überstunde bestand, über die der Dienststellenleiter und der Personalrat miteinander verhandeln konnten.
Die Anordnung erfüllte auch das weitere Erfordernis für das Beteiligungsrecht gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG, nämlich daß sie umfassend und allgemein war (vgl. Beschluß vom 1. Juni 1987 - BVerwG 6 P 8.85 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 48 m.w.N.). Die Verfügung erfaßte eine Gruppe von Beschäftigten des Postamts, nämlich die in der Stelle 148 teilzeitbeschäftigten Arbeiterinnen.
Das damit gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG gegebene Mitbestimmungsrecht des Personalrats ist aber unter den - hier vorliegenden - Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 BPersVG eingeschränkt. Danach beschränkt sich die Mitbestimmung auf die Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne, insbesondere für die Anordnung von Dienstbereitschaft, Mehrarbeit und Überstunden, wenn für Gruppen von Beschäftigten die tägliche Arbeitszeit (Abs. 3 Nr. 1) nach Erfordernissen, die die Dienststelle nicht voraussehen kann, unregelmäßig und kurzfristig festgesetzt werden muß. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu der im wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 67 Abs. 2 PersVG u.a. folgendes ausgeführt:
"Daraus ergibt sich, daß nach dem Willen des Gesetzgebers das Mitbestimmungsrecht nur dann dieser Beschränkung unterworfen werden soll, wenn es aus unvermeidbaren Gründen anders praktisch nicht zur Geltung zu bringen ist. Die Schwierigkeit seiner Praktizierbarkeit wird bei kurzfristiger Festsetzung der Arbeitszeit aber nicht durch die Unregelmäßigkeit des Festsetzungsvorgangs, sondern die Unregelmäßigkeit der festzusetzenden Arbeitszeit bedingt. ... Wenn, wie es hier der Fall ist, die Dienstpläne nicht früher als wenige Tage vor Beginn der maßgeblichen Dienstperiode und nur für die Dauer von zehn Tagen festgesetzt werden, dann läßt sich die Kurzfristigkeit der Festsetzung im Sinne von § 67 Abs. 2 PersVG nicht leugnen, so daß sie sowohl für die Zeitspanne zwischen Festsetzung und Inkrafttreten des Dienstplanes als auch für den festgesetzten Zeitraum zutrifft. Unter diesen Umständen ist aus zeitlichen Gründen eine wirksame Ausübung des Mitbestimmungsrechts im Sinne von § 67 Abs. 1 Buchst. a PersVG (Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen) nicht möglich. Es ist nicht vorstellbar, wie innerhalb einer Frist von wenigen Tagen der Personalrat von dem Leiter der Dienststelle unterrichtet werden, der Personalrat beraten, seinen Beschluß dem Leiter der Dienststelle zustellen und bei Nichtzustandekommen einer Einigung die übergeordnete Dienststelle, gegebenenfalls die oberste Dienstbehörde, angerufen und beim Scheitern einer Übereinkunft ein Einigungsverfahren durchgeführt werden könnte. Dies würde praktisch darauf hinauslaufen, daß der den Gegenstand des Mitbestimmungsverfahrens bildende Dienstplan durch Zeitablauf längst gegenstandslos geworden wäre, ehe das Mitbestimmungsverfahren zum Abschluß gebracht werden kann. Deshalb wäre der Dienststellenleiter bei Nichtzustandekommen einer Einigung ... regelmäßig genötigt, gemäß § 62 Abs. 6 PersVG in Verbindung mit § 61 Abs. 6 PersVG (entspricht § 69 Abs. 5 BPersVG) eine vorläufige Regelung zu treffen, d.h. nach dem von ihm festgesetzten Dienstplan zu verfahren. ... Daß sowohl die Unregelmäßigkeit als auch die Kurzfristigkeit der Dienstplangestaltung ihre Ursache in der mangelnden Voraussehbarkeit der dienstlichen Erfordernisse haben, ist ... ebenfalls zu bejahen" (Beschluß vom 16. Dezember 1960 - BVerwG 7 P 12.59 - Buchholz 238.3 § 67 PersVG Nr. 4).
Diese für die Festlegung von Dienstplänen gemachten Ausführungen gelten in gleicher Weise für die Anordnung von Überstunden. Auch hier ist nicht vorstellbar, wie innerhalb einer Frist von einem Tag der Personalrat beraten, seinen Beschluß dem Leiter der Dienststelle zustellen und bei Nichtzustandekommen einer Einigung die übergeordnete Dienststelle, gegebenenfalls die oberste Dienstbehörde, anrufen und beim Scheitern einer Übereinkunft ein Einigungsverfahren durchführen kann.
Die für die Anwendung des § 75 Abs. 4 BPersVG erforderlichen Kriterien waren im vorliegenden Fall auch erfüllt. Nach dem vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten Sachverhalt konnte nach den Erfordernissen, die für den Beteiligten nicht voraussehbar waren, die Überstunde nur unregelmäßig und kurzfristig festgesetzt werden. Nachdem die 33 000 Drucksachen zusätzlich zu den normalen Eingängen verspätet beim Postamt eingetroffen waren und die Einlieferungstage bis zum 27. Januar 1989 zurückreichten, ordnete der Leiter der Stelle 148 am 6. Februar 1989 eine Überstunde an. Dabei konnten die Rückstände nicht ausreichend abgebaut werden. Damit ergab sich für ihn der vor dem 6. Februar 1989 nicht ohne weiteres vorhersehbare Sachverhalt, daß zum Abbau der Rückstände eine weitere Überstunde angeordnet werden mußte. Dies mußte auch kurzfristig geschehen, weil die Drucksachen bereits zehn Tage im Postamt lagerten. Die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der kurzfristigen Anordnung einer Überstunde wurde noch dadurch verstärkt, daß am 7. Februar 1989 erneut unvorhergesehen viele Drucksachen eingetroffen waren. Da somit die Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 BPersVG erfüllt waren, beschränkte sich das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers auf die Beteiligung an der Aufstellung von Grundsätzen über die Anordnung von Überstunden. Diese Grundsätze sind im Postamt in H. nicht erlassen worden. Damit entfällt ein Beteiligungsrecht des Antragstellers, obwohl die Voraussetzungen des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG erfüllt waren.
Dieses Ergebnis mag für die Beschäftigten unbefriedigend sein, weil wegen des Fehlens von Grundsätzen ihre Interessen möglicherweise nur unzulänglich berücksichtigt werden. Es mag sein, daß damit auch die Dienststellenleiter "belohnt" werden, die es unterlassen haben, allgemeine Grundsätze aufzustellen, obwohl in ihrem Bereich mit der Anordnung von Überstunden zu rechnen ist und damit die Notwendigkeit einer derartigen Regelung besteht. In diesen Fällen haben aber die Personalvertretungen aufgrund ihres gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG gegebenen Initiativrechts die Möglichkeit, auf dem Erlaß von derartigen Grundsätzen zu bestehen. Dieses hat der Antragsteller jedoch nach dem feststehenden Sachverhalt nicht getan.
Dieser Auslegung steht nicht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entgegen. Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, daß hinsichtlich der Anordnung von Überstunden das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats einen kollektiven Tatbestand voraussetzt und nicht bei individuellen Maßnahmen ohne kollektiven Bezug eingreift. Dieses Bedürfnis nach einer kollektiven Regelung müsse entweder vorausschauend durch die Aufstellung allgemeiner Grundsätze oder Verfahrensregeln oder, wenn es dazu nicht komme, notfalls im Einzelfall geregelt werden (Beschlüsse vom 11. November 1986 - 1 ABR 17/85 - AP § 87 BetrVG 1972 Nr. 21 und vom 12. Januar 1988 - 1 ABR 54/86 - AP § 81 ArbGG 1979 Nr. 8). Eine Divergenz liegt deshalb nicht vor, weil zwar gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit - ebenso wie nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG - der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen, eine dem § 75 Abs. 4 BPersVG vergleichbare Regelung aber fehlt.
Demzufolge hat zwar prinzipiell ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG an der Festlegung des Zeitpunkts und der Uhrzeit der Überstunde, die am 7. Februar 1989 abgeleistet worden ist, bestanden. Das Mitbestimmungsrecht ist aber gemäß § 75 Abs. 4 BPersVG auf die Festlegung von Grundsätzen für die Anordnung des Beginns und des Endes derartiger Überstunden beschränkt. Diese Grundsätze sind zwischen dem Beteiligten und dem Antragsteller nicht vereinbart worden, so daß dessen Mitbestimmungsrecht nicht zum Tragen kommt. Die Rechtsbeschwerde war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Die Fragen, ob der Beteiligte etwa verpflichtet war, entsprechende Grundsätze aufzustellen (vgl. dazu Beschluß vom 1. Juni 1987 - BVerwG 6 P 8.85 - a.a.O.), und ob er möglicherweise durch ein diesbezügliches Unterlassen das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 75 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 BPersVG verletzt hat, stellen sich im vorliegenden Verfahren nicht. Sie sind nach den Anträgen des Antragstellers nicht Gegenstand des Verfahrens.
Fundstellen
Haufe-Index 543794 |
Buchholz 250 § 75 BPersVG, Nr 74 (LT) |
DokBer B 1992, 104 (L) |
BWVPr 1992, 283 (L) |
DOK 1993, 184 (L) |
Quelle 1992, Nr 10, 26 (S) |
USK, 9170 (LT) |
WzS 1992, 279 (L) |
ZBR 1992, 109 |
ZBR 1992, 109-111 (LT) |
ZTR 1992, 171-173 (LT) |
BWV 1992, 181-182 (L,ST) |
DVBl 1992, 162-164 (LT) |
NJ 1992, 232 (L) |
PersR 1992, 16-19 (S,LT) |
PersV 1992, 166-169 (LT) |
ZfPR 1992, 7-10 (LT) |