Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 07.01.2002; Aktenzeichen 9 UE 1650/98.A) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Januar 2002 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Verfahrensfehler durch Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Behandlung von Beweisanträgen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht schon nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Der Senat weist die Prozessbevollmächtigten des Klägers erneut darauf hin, dass die Beschwerdebegründung mehrere Rügen unstrukturiert, nämlich ungegliedert und ohne jede Hervorhebung im Text erhebt und ausführt. Eingangs der Beschwerdebegründung erweckt sie den Eindruck, dass lediglich eine Verfahrensrüge erhoben werden soll (Beschwerdebegründung S. 1/2). Die Beschwerde verkennt damit Sinn und Zweck des Darlegungserfordernisses, das gerade auch der Entlastung des Revisionsgerichts dienen soll. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, einen mehrseitigen und ungegliederten Beschwerdeschriftsatz daraufhin zu überprüfen, ob in ihm noch weitere Zulassungsrügen enthalten sind (vgl. bereits den Beschluss vom 8. April 2002 – BVerwG 1 B 84.02 – unter Hinweis auf den Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).
Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam die Frage, “ob alleinstehenden Personen aus Äthiopien ohne verwandtschaftliche Unterstützung Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren sind, weil auf Dauer das notwendige Existenzminimum in Äthiopien für diesen Personenkreis nicht gesichert ist”. Damit wird eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts nicht aufgezeigt. Die Beschwerde wendet sich vielmehr, wie auch der hierzu in der Art einer Berufungsbegründung gehaltene Beschwerdevortrag zeigt, in erster Linie gegen die dem Tatrichter vorbehaltene Feststellung und Würdigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, ohne eine bestimmte Rechtsfrage, zu der – im Übrigen rechtsgrundsätzlich bereits geklärten – Auslegung des § 53 Abs. 6 AuslG herauszuarbeiten und darzulegen, weshalb insoweit erneuter oder weiterführender Klärungsbedarf bestehen soll.
Soweit sich die Beschwerde mit ihrer Verfahrensrüge zunächst dagegen wendet, dass das Berufungsgericht drei in der mündlichen Verhandlung vom 7. Januar 2002 unbedingt gestellte Beweisanträge entgegen der Darstellung in der Verhandlungsniederschrift nicht verbeschieden habe, wird die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs schon nicht schlüssig vorgetragen. Das ergibt sich zum einen daraus, dass die Beschwerde nicht – wie bei der Gehörsrüge erforderlich – ausführt, was sie bei Gewährung des vermissten rechtlichen Gehörs mit Aussicht auf Erfolg noch vorgetragen hätte, was sie also bei ordnungsgemäßer Bescheidung der Beweisanträge und deren Bekanntgabe in der mündlichen Verhandlung mit dem aus dem Protokoll vom 7. Januar 2002 ergebenden Inhalt nach § 86 Abs. 2 VwGO noch geltend gemacht hätte, etwa welche weiteren Beweisanträge sie mit welchem voraussichtlichen Beweisergebnis ergänzend gestellt hätte. Zum anderen verkennt die Beschwerde, dass der Kläger die Revisionszulassung wegen des behaupteten Verfahrensmangels, sofern er denn vorläge, auch deshalb nicht mehr erreichen könnte, weil er sein Rügerecht mangels rechtzeitiger Rüge in der Berufungsinstanz verloren hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss ein Verfahrensmangel gemäß § 173 VwGO, § 295 Abs. 1 ZPO spätestens in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt werden, wobei hierunter auch der Teil der mündlichen Verhandlung zu verstehen ist, der sich unmittelbar an den Verfahrensabschnitt anschließt, in dem der Verfahrensrechtsverstoß geschehen sein soll (vgl. Urteil vom 6. Juli 1998 – BVerwG 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128, 132; Beschluss vom 15. Oktober 1999 – BVerwG 9 B 343.99 – ≪juris≫; m.w.N.). Danach hatte der Kläger ein etwaiges Rügerecht bereits in der Berufungsinstanz verloren, weil er die angeblich unterlassene Bescheidung seines unbedingt gestellten Beweisantrags nicht schon in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht beanstandet hat. Außerdem übersieht die Beschwerde die erhöhte Beweiskraft der Verhandlungsniederschrift hinsichtlich der Verkündung eines die Beweisanträge ablehnenden Beschlusses nach § 105 VwGO i.V.m. § 165, § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO. Es bedarf keiner abschließenden Prüfung, ob der nach Ablehnung des Protokollberichtigungsantrags durch das Berufungsgericht (auf der Grundlage einer dienstlichen Erklärung der Einzelrichterin) und nach Ablehnung einer weiteren Gegenvorstellung lediglich in pauschaler Weise aufrechterhaltene Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers, er halte an seiner gegenteiligen Darstellung fest, überhaupt geeignet wäre, die Beweiskraft des Protokolls in Frage zu stellen. Insoweit spricht allerdings viel dafür, dass die Beschwerde den allenfalls erheblichen Einwand einer Fälschung des Protokolls selbst nicht erheben will (vgl. ähnlich Beschluss vom 29. April 1998 – BVerwG 7 B 22.98 – ≪juris≫).
Soweit die Beschwerde vorsorglich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die (protokollierte und im Urteil aufgegriffene) Ablehnung der drei Beweisanträge geltend macht (Beschwerdebegründung S. 3 ff.), fehlt es ebenfalls bereits an einer schlüssigen Darlegung des geltend gemachten Verfahrensrechtsverstoßes.
Bezüglich des Beweisantrags Nr. 1 teilt die Beschwerde nicht mit, inwiefern dessen Ablehnung fehlerhaft sein soll. Bezüglich des Beweisantrags Nr. 2 erläutert die Beschwerde nicht, weshalb die von ihr zitierte Ablehnungsbegründung im Gesetz keine Stütze finden und deshalb das rechtliche Gehör verletzen soll. Soweit andeutungsweise gegen die Bejahung eigener Sachkunde des Gerichts eingewandt wird, das Berufungsgericht stütze sich “im Wesentlichen auf Quellen Mitte bis Ende der 90iger Jahre” (Beschwerdebegründung S. 4), wird damit ein Verfahrensverstoß nicht hinreichend dargelegt. Abgesehen davon enthält die in das Verfahren eingeführte “Liste von Dokumenten” (Bl. 137, 138 ff. der Berufungsakten) entgegen der Darstellung der Beschwerde zahlreiche neuere und neueste Erkenntnismittel. Inwiefern unter diesen Umständen die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung zusätzlicher Sachverständigengutachten und einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amts den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 19. September 2001 – BVerwG 1 B 158.01 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 315; Beschluss vom 27. Februar 2001 – BVerwG 1 B 206.00 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 46 jeweils m.w.N.) nicht entsprechen soll, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.
Mit ihren Einwendungen gegen die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 3 greift die Beschwerde schließlich im Kern lediglich die der Ablehnung zugrunde liegende Rechtsauffassung des Berufungsgerichts an, dass eine Gesamtschau – wie die Beschwerde referiert – schon deshalb nicht in Betracht komme, weil beachtliche Verfolgungsgründe nicht dargetan seien bzw. nicht vorlägen, die beantragte Beweiserhebung also letztlich auf rechtlich unerhebliche Tatsachenermittlung gerichtet sei. Mit einem Angriff auf die der Ablehnung als entscheidungsunerheblich zugrunde liegende Rechtsauffassung lässt sich indessen ein Verstoß gegen das Verfahrensrecht und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht begründen. Im Übrigen bezieht sich das Berufungsgericht offensichtlich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass auch bei einer Gesamtschau nur asylrechtlich beachtliche Maßnahmen die Beurteilung der Verfolgungssituation als politische Verfolgung im Sinne des Asylrechts rechtfertigen können (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 – BVerwG 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200, 204), eine Zusammenrechnung für sich betrachtet nicht asylrechtlich erheblicher Übergriffe und Diskriminierungen, allgemeiner politischer Entwicklungen und sonstiger Lageeinschätzungen die Feststellung politischer Verfolgung im Einzelfall nicht ersetzen kann. Dass das Berufungsgericht eine Gesamtschau aller Gefährdungselemente bei der Prognosebildung zu Lasten des Klägers in einer sein Gehör verletzenden Weise unterlassen hat, ergibt sich aus dem Beschwerdevortrag nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Hund, Richter
Fundstellen