Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 07.01.2002; Aktenzeichen 9 UE 1423/98.A) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Januar 2002 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und Verfahrensfehler durch Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf die Behandlung eines Beweisantrags (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht schon nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Der Senat weist die Prozessbevollmächtigten des Klägers erneut darauf hin, dass die Beschwerdebegründung mehrere Rügen unstrukturiert, nämlich ungegliedert und ohne jede Hervorhebung im Text erhebt und ausführt. Eingangs der Beschwerdebegründung erweckt sie den Eindruck, dass lediglich eine Verfahrensrüge erhoben werden soll (Beschwerdebegründung S. 1/2). Die Beschwerde verkennt damit Sinn und Zweck des Darlegungserfordernisses, das gerade auch der Entlastung des Revisionsgerichts dienen soll. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, einen mehrseitigen und ungegliederten Beschwerdeschriftsatz daraufhin zu überprüfen, ob in ihm noch weitere Zulassungsrügen enthalten sind (vgl. bereits den Beschluss vom 8. April 2002 – BVerwG 1 B 84.02 – unter Hinweis auf den Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).
Die Beschwerde hält – wie im Parallelverfahren BVerwG 1 B 95.02 – für grundsätzlich bedeutsam die Frage, “ob alleinstehenden Personen aus Äthiopien ohne verwandtschaftliche Unterstützung Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren sind, weil auf Dauer das notwendige Existenzminimum in Äthiopien für diesen Personenkreis nicht gesichert ist” (Beschwerdebegründung S. 4 ff.). Damit wird eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts nicht aufgezeigt (vgl. den gleichzeitig ergehenden Beschluss im Parallelverfahren BVerwG 1 B 95.02). Im vorliegenden Verfahren (Beschwerdebegründung S. 3 f.) sieht die Beschwerde zusätzlich als grundsätzlich bedeutsam die Frage an, “ob in einer Gesamtschau aller Gefährdungselemente sowohl Vorflucht- als auch Nachfluchtgründe einzubeziehen sind”. Sie meint, insoweit bestehe ein “Dissens zwischen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (“Urteil vom 27.06.99 Az.: 9 C 1/89” ≪gemeint ist offensichtlich das vom Berufungsgericht zitierte Urteil vom 27. Juni 1989 – BVerwG 9 C 1.89 – BVerwGE 82, 171≫) und des Bundesverfassungsgerichts (“vgl. BVerfGE 83, 216, 236”). In die Gefährdungsprognose seien notwendigerweise alle Gefährdungselemente einzubeziehen, auch die nach der Flucht in Form von subjektiven Nachfluchtgründen entstandenen. In “BVerfGE 83” werde die Auffassung vertreten, dass für die Beurteilung einer Rückkehrgefährdung eine Gesamtschau aller Gefährdungselemente vorgenommen werden müsse, wobei “nicht zwischen Vorflucht- und Nachfluchtgründen” unterschieden werde. Mit diesem Vortrag wird eine grundsätzliche Bedeutung der angesprochenen Rechtsfrage nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO geforderten Weise bezeichnet, weil bereits nicht im Einzelnen dargelegt ist, weshalb sich die Frage im vorliegenden Zusammenhang entscheidungserheblich in dem angestrebten Revisionsverfahren überhaupt stellen würde. Die mit dieser Rüge – und mit der zugleich insoweit erhobenen Divergenzrüge (vgl. dazu sogleich) – angegriffene Rechtsauffassung des Berufungsgerichts findet sich – wie die Beschwerde zutreffend mitteilt – in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils bei der Ablehnung des Beweisantrags Nr. 3 (UA S. 37/38). Insoweit ist der Beschwerde einzuräumen, dass die angeführte Ablehnungsbegründung – zumal im Rahmen der Erörterung eines Abschiebungsschutzanspruchs nach § 51 Abs. 1 AuslG (unter II. des Urteils) durchgreifenden prozessrechtlichen Bedenken begegnen mag. Eine Grundsatzrüge käme insoweit jedoch nur in Betracht, wenn die Berufungsentscheidung im Ergebnis hierauf beruhen könnte. Damit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander; sie wird insoweit ihrer Darlegungspflicht nicht gerecht. Hätte sich die Beschwerde damit näher befasst, so hätte sie erkannt, dass die aufgeworfene Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren auch nicht geklärt werden könnte, weil das Berufungsgericht den Beweisantrag nach dem Inhalt der Verhandlungsniederschrift (Bl. 187 ff., 195 der Berufungsakten) noch mit einer weiteren Begründung abgelehnt hat; Bedenken dagegen sind nicht vorgetragen (und im Übrigen auch nicht ersichtlich). Auch sonst ist weder dargelegt noch erkennbar, dass das Berufungsurteil auf der mit Grundsatzrüge angegriffenen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts beruhen kann.
Die im Hinblick auf die zuletzt erörterte Frage zugleich erhobene Divergenzrüge (Beschwerdebegründung S. 4) ist ebenfalls nicht in einer Weise dargelegt, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht. Soweit die Beschwerde angibt, das Bundesverfassungsgericht vertrete in der zitierten Entscheidung und an der zitierten Stelle (BVerfGE 83, 216, 232) die Auffassung, “dass für die Beurteilung einer Rückkehrgefährdung eine Gesamtschau aller Gefährdungselemente vorgenommen werden” müsse und dabei “nicht zwischen Vorflucht- und Nachfluchtgründen” zu unterscheiden sei, findet sich ein entsprechender Rechtssatz weder an der angeführten Stelle (a.a.O. S. 232) noch an der bei der Begründung der Grundsatzrüge angeführten weiteren Stelle (a.a.O. S. 236). Die Beschwerde führt hierzu ebenfalls nicht aus, weshalb die bei der Ablehnung des Beweisantrags geäußerte Rechtsauffassung des Berufungsgerichts entscheidungstragende Bedeutung haben und die angefochtene Entscheidung deshalb auf der behaupteten Divergenz beruhen soll. Auch insoweit verfehlt die Beschwerde die Anforderungen an die Bezeichnung einer Divergenzrüge. Zur Vermeidung von Missverständnissen bemerkt der Senat, dass die von der Beschwerde behaupteten und zur Grundlage der Divergenzrüge gemachten angeblichen Unterschiede in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts nicht bestehen (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 – BVerwG 9 C 158.94 – BVerwGE 96, 200 ≪203 ff., 208≫).
Soweit sich die Beschwerde mit ihrer Verfahrensrüge dagegen wendet, dass das Berufungsgericht den in der mündlichen Verhandlung vom 7. Januar 2002 unbedingt gestellten Beweisantrag entgegen der Darstellungen in der Verhandlungsniederschrift “nicht zurückgewiesen”, also nicht verbeschieden, sondern übergangen habe, wird die Verletzung des rechtlichen Gehörs schon nicht schlüssig gerügt. Das ergibt sich zum einen daraus, dass die Beschwerde nicht ausführt, was sie bei Gewährung des vermissten rechtlichen Gehörs mit Aussicht auf Erfolg noch vorgetragen hätte, und zum anderen daraus, dass der Kläger ein etwaiges Rügerecht verloren hat (vgl. hierzu im Einzelnen entsprechend die Ausführungen in dem gleichzeitig ergehenden Beschluss im Parallelverfahren BVerwG 1 B 95.02). Außerdem verkennt die Beschwerde auch hier die Beweiskraft der Verhandlungsniederschrift hinsichtlich der Verkündung des alle Beweisanträge ablehnenden Beschlusses nach § 105 VwGO i.V.m. § 165, § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO. Auch im vorliegenden Verfahren bedarf es keiner abschließenden Prüfung, ob der nach Ablehnung des Protokollberichtigungsantrags durch das Berufungsgericht (auf der Grundlage einer dienstlichen Erklärung der Einzelrichterin) und nach Ablehnung einer weiteren Gegenvorstellung lediglich in pauschaler Weise aufrechterhaltene Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers, er halte an seiner gegenteiligen Darstellung fest, überhaupt geeignet wäre, die Beweiskraft des Protokolls – auch hinsichtlich der protokollierten Ablehnungsbegründung – in Frage zu stellen.
Soweit die Beschwerde vorsorglich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die (protokollierte und im Urteil aufgegriffene) Ablehnung Beweisantrags Nr. 3 geltend macht (Beschwerdebegründung S. 2 ff.), fehlt es bereits an einer schlüssigen Darlegung des geltend gemachten Verfahrensrechtsverstoßes. Das hat der Senat in dem gleichzeitig ergehenden Beschluss im Parallelverfahren BVerwG 1 B 95.02 ausgeführt; hierauf wird Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Hund, Richter
Fundstellen