Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 24.04.2007; Aktenzeichen 1 KN 74/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. April 2007 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen wäre. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt.
Nach den Feststellungen des Normenkontrollgerichts ergibt sich aus der Planbegründung, dass die Antragsgegnerin die auf die Planung folgende Umlegung in der Abwägung berücksichtigt und gewichtet hat (UA S. 10). Die Antragsgegnerin habe schon während des Planaufstellungsverfahrens eine Umlegung innerhalb des Plangebiets begonnen, wobei das Grundstück des Antragstellers aufgrund des Normenkontrollverfahrens zunächst von der Umlegung ausgenommen, ihm aber angekündigt wurde, dass es durch eine weitere Umlegung einzubeziehen sei (UA S. 3). In Besprechungen zwischen den Beteiligten sei die Frage der Kostenbelastung wiederholt zur Sprache gekommen. In einem Umlegungsentwurf unter Einbeziehung des Grundstücks des Antragstellers vom 22. Februar 2005 sei der Umlegungsausschuss zu einer prognostizierten Ausgleichsforderung in Höhe von 43 245 € zu Lasten des Antragstellers gekommen (UA S. 4). Die Antragsgegnerin habe bei der Abwägung nicht nur die Tatsache der Umlegung, sondern auch die dem Antragsteller drohende Kostenlast berücksichtigt (UA S. 12). Unschädlich sei es, dass die Antragsgegnerin keine konkreten Beträge in die Abwägung eingestellt habe. Konkrete Ausgleichsbeträge für die einzelnen Grundstückseigentümer müssten nicht in die Abwägung des Bebauungsplanes einbezogen werden. Das Baugesetzbuch zwinge die Gemeinde nicht, den Umlegungsplan so frühzeitig aufzustellen, dass dessen Ergebnisse im Detail schon in die Planung Eingang finden könnten. Die früher im Bundesbaugesetzbuch enthaltene Pflicht zur Kostenschätzung in der Begründung zum Bebauungsplan sei im BauGB nicht mehr enthalten (UA S. 10).
1.1 Die vom Antragsteller aufgeworfene Frage, ob “die Gemeinde im Rahmen der Abwägung die Kosten eines Umlegungsverfahrens berücksichtigen” muss, hat das Normenkontrollgericht bejaht; sie stellt sich angesichts der Feststellungen des Normenkontrollgerichts nicht. Mit der – sinngemäßen – Behauptung, die Antragsgegnerin habe mangels Benennung der voraussichtlichen Kosten diese auch nicht in die Abwägung eingestellt, übt er lediglich Kritik an der Auffassung des Normenkontrollgerichts, wonach es für die Abwägung genügt, dass die Antragsgegnerin erkannt hat, dass der Antragsteller – im Falle einer auf die Planung folgenden Umlegung – als Ausgleich für den Wertzuwachs mit entsprechenden Kosten belastet werden wird. Dabei geht das Normenkontrollgericht erkennbar davon aus, dass der Antragsgegnerin auch bewusst war, dass die Betroffenen nicht unerheblich belastet würden, denn sie hat “(s)chon im Jahr 2000 … auf die Kostenfolge der Umlegung hingewiesen” (UA S. 10) und Besprechungen mit den Beteiligten zur Frage der Kostenfolge geführt (UA S. 4).
1.2 Soweit der Antragsteller – wie die weitere Begründung es nahe legt – mit der Frage geklärt wissen will, ob die Antragsgegnerin bereits im Rahmen der Abwägung die Kosten der Umlegung im Einzelnen hätte ermitteln und ausdrücklich benennen müssen, ist diese Frage, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, unschwer aus dem Gesetz und auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des beschließenden Senats zu beantworten.
Nach der Rechtsprechung des Senats muss eine Gemeinde die erst mit der Durchführung des Bebauungsplans oder im Zusammenhang mit der Umlegung verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Folgeprobleme nicht im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan verbindlich und abschließend regeln, wenn sie realistischerweise davon ausgehen kann, dass die Probleme im Zusammenhang mit dem Vollzug gelöst werden können (Beschluss vom 30. März 1998 – BVerwG 4 BN 2.98 – juris Rn. 4). Das Abwägungsgebot zwingt auch nicht dazu, die Satzung erst zu beschließen, wenn zugleich die Bewältigung dieser Probleme durch anderweitiges Verwaltungshandeln rechtlich gesichert ist (Beschluss vom 25. August 1997 – BVerwG 4 BN 4.97 – juris Rn. 4). Die Gemeinde muss (nur) die Folgeprobleme erkennen und in die Abwägung einstellen; Details der nachfolgenden Problemlösung hat der Plangeber (noch) nicht in den Blick zu nehmen. Daraus folgt, dass es seitens der Gemeinde zu dem für die Abwägung maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht bereits der Ermittlung der voraussichtlichen Kosten bedarf, die auf den planbetroffenen Grundstückseigentümer bei der Durchführung des Bebauungsplans oder im Zusammenhang mit der Umlegung zukommen werden. Der Plangeber soll von dem mit einer Kostenschätzung verbundenen Verwaltungsmehraufwand entlastet werden. Dem entspricht der verfahrensmäßige Grundsatz, dass eine Umlegung nach Aufstellung des ihr zugrundeliegenden Bebauungsplans eingeleitet werden soll. Vorbehaltlich der Ausnahmeregelung des § 47 Abs. 2 Satz 1 BauGB, der ein so genanntes Parallelverfahren erlaubt, sind daher erst nach Aufstellung des Bebauungsplans von der dafür zuständigen Umlegungsstelle (§ 46 Abs. 1 BauGB) die konkreten Kosten zu ermitteln. Soweit der Antragsteller unter Hinweis auf die Rechtsprechung zur “Zusammenstellung der Abwägungsbelange”, für die er eine Fundstelle als Beispiel zitiert, meint, “(v)or dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Benennung konkreter Kosten bzw. eine Kostenschätzung … grundsätzlich nicht in die Abwägung mehr eingestellt werden muss, weil das BauGB anders als das BBauG diese Pflicht nicht mehr ausdrücklich vorsieht”, verkennt er, dass die früher im Bundesbaugesetzbuch in § 9 Abs. 8 Satz 4 enthaltene und mit Einführung des Baugesetzbuches im Jahr 1987 gestrichene Hinweis- und Nachweispflicht zu den “überschlägig ermittelten Kosten” der finanziellen Selbstkontrolle der Gemeinden bzw. der Überprüfung der finanziellen Realisierbarkeit mit Blick auf die gemeindliche Leistungsfähigkeit diente (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG, Stand August 1981, § 9 Rn. 94).
1.3 Die Frage, ob “ein Planbetroffener gehalten (ist), eine möglicherweise bestehende Sondersituation vorsorglich im Beteiligungsverfahren geltend zu machen” bzw. ob “ein Einwender, der schuldlos ohne genaue Kenntnis des Sachverhalts ist, gehalten (ist, ins) Blaue hinein Einwendungen zu erheben, um sich nicht den Vorwurf mangelnder Mitwirkung im Beteiligungsverfahren auszusetzen”, genügt nicht dem Darlegungserfordernis. Zum einen ist die Frage, in welchem Umfang und mit welchem Konkretisierungsgrad der Bürger verpflichtet ist, im Rahmen der Bürgerbeteiligung nach § 3 BauGB seine Interessen vorzutragen, in dieser Allgemeinheit einer abstrakten Klärung kaum zugänglich, da es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommen wird (Beschluss vom 30. März 1998 – BVerwG 4 BN 2.98 – juris Rn. 3). Zum anderen hat das Normenkontrollgericht mit seinem Hinweis auf die Obliegenheit eines Planbetroffenen, dem Plangeber eine Sondersituation mitzuteilen, nicht verlangt, dass der Grundstückseigentümer die auf ihn entfallenden Kosten der Umlegung selbst abschätzt oder ins Blaue hinein Einwendungen erhebt. Soweit der Antragsteller ausführt, er sei mangels Kenntnis der Kosten und damit “schuldlos ohne genaue Kenntnis des Sachverhalts” daran gehindert gewesen, eine Sondersituation geltend zu machen, verkennt er, dass das Normenkontrollgericht hier nicht auf die drohende Kostenlast aufgrund des ausgleichspflichtigen Wertzuwachses abstellt, sondern danach fragt, ob – ungeachtet der konkreten Kosten – in der Person des Betroffenen besondere Umstände im Sinne einer Sondersituation vorliegen, die der Plangeber nicht kennen kann.
2. Soweit der Antragsteller in einem Satz anmerkt, “(f)erner greift hier der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Satz 2 VwGO”, fehlt jegliche Begründung, woraus sich ein Rechtssatzwiderspruch ergeben könnte.
3. Soweit der Antragsteller im Zusammenhang mit dem Thema “Sondersituation” als Verfahrensrüge dem Normenkontrollgericht vorwirft, es sei “von einem unvollständigen, auch dem Akteninhalt widersprechenden Sachverhalt” ausgegangen, weil es nicht zur Kenntnis genommen habe, dass ihm trotz seiner an die planende Stelle gerichteten Bitte die geschätzten Kosten nicht mitgeteilt worden seien, so dass ihm keine Obliegenheitsverletzung vorgeworfen werden könne, wird nicht beachtet, dass sich – nach der maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts – eine Sondersituation nicht bereits aus der Höhe der voraussichtlichen Kostenbelastung ergibt. Das Normenkontrollgericht musste sich daher nicht zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung veranlasst sehen. Abgesehen davon legt der Antragsteller auch nicht dar, welche besonderen Umstände er zur Begründung der behaupteten Sondersituation vorgetragen hätte, wenn ihm die (inzwischen aufgrund des Umlegungsentwurfs vom 22. Februar 2005 bekannte) Höhe der Kosten (damals) bekannt gewesen wäre.
4. Den Vorwurf, die Begründung des Normenkontrollgerichts, dass die Antragsgegnerin habe berücksichtigen dürfen, dass eine Lücke in den überbaubaren Flächen entlang der Erschließungsstraße städtebauliche Konflikte auslösen könnte, weil auf den überbaubaren Flächen der Nachbargrundstücke gerade aufgrund der Vielfalt der im Allgemeinen Wohngebiet zulässigen Regelnutzungen (z.B. nicht störende Handwerksbetriebe, Anlagen für sportliche Zwecke) Immissionen entstehen könnten, die auf den gärtnerisch genutzten Bereich des klägerischen Grundstückes einwirken würden (UA S. 8), sei “schlichtweg nicht nachvollziehbar und unlogisch”, versteht der Antragsteller – wie sich aus der Gliederung seiner Beschwerdeschrift ergibt – als Verfahrensrüge. Zwar kann eine denkfehlerhafte Bewertung von Tatsachen ein die Verfahrensrüge eröffnender Verstoß gegen eine ordnungsgemäße richterliche Überzeugungsbildung sein (Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271, 272 f.). Hier behauptet der Antragsteller aber nur einen Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts. Denn er wendet sich mit seinem Einwand, auf seinem Grundstück hätte eine Grünfläche festgesetzt werden können, nur gegen die Einschätzung des Normenkontrollgerichts, dass das planungsrechtliche Konfliktpotential zwischen einem Grünflächengebiet und einem Allgemeinen Wohngebiet größer ist als dasjenige zwischen Nutzungen innerhalb eines Allgemeinen Wohngebiets (UA S. 9). Die als “unlogisch” angegriffenen Ausführungen dienen lediglich der Veranschaulichung der vom Normenkontrollgericht bejahten Konfliktlage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Philipp, Dr. Bumke
Fundstellen
Haufe-Index 1856154 |
BauR 2008, 1106 |
BauR 2008, 1493 |