Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 24.03.1998; Aktenzeichen 2 L 4703/96) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. März 1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 29 200 DM
festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die mit ihr begehrte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder wegen Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
Die mit der Beschwerde in erster Linie als vermeintlich grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
„welche Bedeutung hat die Änderung einer gesetzlichen Vorschrift während des Widerspruchsverfahrens, in dem die Rechts- und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes zu überprüfen ist, die die Beteiligung/Mitbestimmung der Personalvertretung und die Verpflichtung des Dienstherrn betrifft, den betroffenen Beamten darauf hinzuweisen, die Beteiligung/Mitbestimmung der Personalvertretung beantragen zu können?”,
wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren so allgemein gefaßt nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat in Anwendung und Auslegung der Übergangsvorschrift des § 121 Nds.PersVG angenommen, in dem nach den bisherigen Vorschriften zu Ende zu führenden Zwangspensionierungsverfahren habe es gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 6 Nds.PersVG a.F. keines Hinweises der Dienststelle auf das Antragsrecht des Klägers bedurft. In bezug auf diese insoweit selbständig tragende Begründung des angefochtenen Urteils wird ein Revisionszulassungsgrund nicht geltend gemacht. Das schließt bereits eine Revisionszulassung aus. Im übrigen kommt der Auslegung von Übergangsvorschriften in aller Regel – wie auch hier – keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu (stRspr; vgl. etwa Beschluß vom 24. August 1994 – BVerwG 11 B 24.94 – ≪Buchholz 442.041 § 7 Nr. 1≫ m.w.N.).
Die weitere von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,
„welche Bedeutung hat die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gem. Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m. den Verpflichtungen aus dem Grundsatz des Sozialstaates gem. Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG für die Frage der Belehrungs-/Hinweispflicht des Dienstherrn und deren Ausgestaltung in Fällen der gesetzlichen Beteiligung der Personalvertretung bei Personalmaßnahmen von denen besonders schutzbedürftige Beamte betroffen sind?”,
bedarf keiner Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren. Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, daß dem Dienstherrn keine aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht abzuleitende allgemeine Pflicht zur Belehrung seiner Bediensteten über die für sie einschlägigen Vorschriften obliegt. Das trifft insbesondere hinsichtlich der Befugnis des Beamten zu, bei einer ihn betreffenden Personalmaßnahme – hier die Zwangspensionierung – Beamte unschwer beschaffen kann (vgl. BVerwGE 68, 197 ≪200 f.≫; Urteile vom 29. Oktober 1992 – BVerwG 2 C 19.90 – ≪Buchholz 239.1 § 56 Nr. 5≫ und vom 30. Januar 1997 – BVerwG 2 C 19.96 – ≪Buchholz 232 § 79 Nr. 113≪ jeweils m.w.N.). Im vorliegenden Fall war der Kläger im Zwangspensionierungsverfahren bereits seit dem 22. Dezember 1991 anwaltlich vertreten. Für die Annahme einer sich ausnahmsweise wegen einer gesteigerten Schutzbedürftigkeit des Beamten aus der Fürsorgepflicht ergebenden Notwendigkeit einer Rechtsbelehrung war danach von vornherein kein Raum.
Damit erledigen sich zugleich die beiden von der Beschwerde in diesem Zusammenhang zusätzlich aufgeworfenen Fragen:
„Besteht gegenüber Beamten, die zwar nicht förmlich als Schwerbehinderte anerkannt sind, sich selbst auch gegen die Zuschreibung einer Erkrankung/Behinderung wehren, die aber auf der Grundlage einer sachverständigen medizinischen Beurteilung vom Dienstherrn als erkrankt im Sinne einer Schwerbehinderung behandelt werden, eine gesteigerte Fürsorgepflicht des Dienstherrn gem. Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG? Welcher Bedeutung kommt bei der Beantwortung dieser Frage dem Umstand zu, daß der Widerstand des Beamten gegen die Zuschreibung der vom Dienstherrn angenommenen Erkrankung/Behinderung gerade auf der Art der aufgrund sachverständiger Beurteilung vom Dienstherrn angenommenen Erkrankung/Behinderung beruht?”
Die Grundsatzrevision kann schließlich auch nicht wegen der Frage zugelassen werden:
„Ist die Verpflichtung des Dienstherrn zur Beteiligung der Hauptfürsorgestelle gem. § 50 Abs. 2 SchwbG auch in den Fällen anzunehmen, in denen Bedienstete zwar nicht förmlich als Schwerbehinderte anerkannt sind, der Dienstherr aber aufgrund sachverständiger Beurteilung die Bediensteten so behandelt, als läge eine Erkrankung vom Gewicht einer Schwerbehinderung im Sinne von § 3 Abs. 1 SchwbG mit einem GdB von mindestens 50 v.H. vor und die Nichtanerkennung als Schwerbehinderter wegen der Nichtbeteiligung der Versorgungsbehörden gerade auf der Besonderheit der Erkrankung beruht, die den Begriff einer Schwerbehinderung im Sinne des § 3 SchwbG mit einem GdB von mindestens 50 v.H. ausfüllt und die der Dienstherr zu Lasten des Beamten als vorhanden annimmt?”
Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und der dazu bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Sollen schwerbehinderte Beamte vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden, so ist gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 SchwbG vorher die Hauptfürsorgestelle zu hören. Soweit die Schwerbehinderteneigenschaft noch nicht versorgungsamtlich festgestellt worden ist, wird den Rechten des Schwerbehinderten dadurch Rechnung getragen, daß die Stellungnahme der Hauptfürsorgestelle unabhängig von dem Vorliegen der versorgungsamtlichen Bescheinigung beantragt werden kann. Die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle ist in solchen Fällen eine vorsorgliche Maßnahme mit dem immanenten Vorbehalt, daß das Verfahren vor dem Versorgungsamt zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft des Beamten führt (vgl. BVerwGE 81, 84 ≪85 ff.≫; Beschluß vom 22. August 1990 – BVerwG 2 B 15.90 – ≪Buchholz 436.61 § 50 Nr. 3≫). Die rechtlichen Wirkungen der Schwerbehinderteneigenschaft treten jedoch nicht ohne weiteres ein. Rechte aus dem Schwerbehindertengesetz müssen vielmehr in Anspruch genommen werden (BVerwGE 81, 84 ≪86 f.≫). Hat ein Beamter vor seiner Zwangspensionierung nicht auf seine Schwerbehinderteneigenschaft hingewiesen, die unabhängig von ihrer versorgungsamtlichen Bestätigung die Schutzvorschriften des Schwerbehindertengesetzes zu seinen Gunsten hätte zum Tragen bringen können, so kann er sich nach der Entscheidung des Dienstherrn über seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand nicht mehr darauf berufen (vgl. Beschluß vom 22. August 1990, a.a.O. m.w.N.). Im übrigen führt die unterbliebene Anhörung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 25 Abs. 2 SchwbG nicht zur Rechtswidrigkeit einer getroffenen Maßnahme (vgl. Beschluß vom 25. Oktober 1989 – BVerwG 2 B 115.89 – ≪Buchholz 237.8 § 58 Nr. 1≫ m.w.N.).
Das angefochtene Urteil weicht auch nicht von dem in der Beschwerdebegründung bezeichneten Urteil des beschließenden Senats vom 24. November 1983 – BVerwG 2 C 27.82 – (BVerwGE 68, 197 ≪202≫) ab. Eine die Revision eröffnende Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur dann vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz widersprochen hat (stRspr; vgl. etwa Beschluß vom 21. Januar 1994 – BVerwG 11 B 116.93 – ≪Buchholz 442.16 § 15 Nr. 22≫ m.w.N.). Die in dieser Weise voneinander abweichenden Rechtssätze müssen sich aus der angefochtenen wie aus der angezogenen Entscheidung unmittelbar und so deutlich ergeben, daß nicht zweifelhaft bleibt, welchen Rechtssatz die Entscheidungen jeweils aufgestellt haben (ebenso: BVerfGE 92, 140 ≪149≫ m.w.N.). An einem solchen hinreichend deutlich erkennbaren Rechtssatzwiderspruch fehlt es hier. Das angefochtene Urteil folgt ausdrücklich der in ihm zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 24. November 1983 (a.a.O.). Ob es die in diesem Urteil aufgestellten abstrakten Rechtsgrundsätze zutreffend auf den vorliegenden Einzelfall angewendet und dessen tatsächliche Verhältnisse richtig und erschöpfend gewürdigt hat, ist für die Frage einer Revisionszulassung unter dem Blickwinkel der Divergenz unerheblich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a, Satz 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Franke, Dr. Silberkuhl, Dr. Bayer
Fundstellen