Verfahrensgang
VG Gera (Urteil vom 18.02.2008; Aktenzeichen 6 K 821/06 Ge) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2008 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Gera wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 302,66 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es liegt weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch ein Verfahrensfehler vor, auf dem die Entscheidung beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Rz. 2
1. Die Divergenzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist unbegründet. Sie setzt voraus, dass das Verwaltungsgericht einen Rechtssatz aufgestellt hat, der einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht. Keine Divergenz in diesem Sinne liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts vermeintlich unzutreffend angewendet hat.
Rz. 3
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 20. September 2001 – BVerwG 7 C 4.01 – (Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 7) festgestellt, dass die Restitution zugunsten eines einzelnen Miterben nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG ausgeschlossen ist, wenn der Nachlassgegenstand ohne Schädigung der Erbengemeinschaft aus dem Nachlassvermögen ausgeschieden ist und deshalb die Restitution zu einer dem Grundsatz der Konnexität widersprechenden Begünstigung der nicht geschädigten Miterben führen würde. Demgegenüber scheitert die Restitution nicht an dem Grundsatz, dass sie einer Schädigung der Betroffenen entsprechen muss, wenn die Rechtsstellung des geschädigten Miterben ohne eine solche Begünstigung der nicht geschädigten Miterben wiederherstellbar ist. Diese Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ohne einen ihr widersprechenden abstrakten Rechtssatz aufzustellen.
Rz. 4
Der von der Beschwerde unterstellte Rechtssatz, dass die Begründung einer anderen als der zum Zeitpunkt der Schädigung bestehenden Gesamthandsgemeinschaft gegen den Grundsatz der Konnexität verstoße und deshalb die Wiederherstellung der Erbengemeinschaft mangels Schädigung der anderen Erben nicht möglich sei, ist weder dem o.g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. September 2001 noch dem Urteil vom 24. Oktober 1996 – BVerwG 7 C 14.96 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 93) zu entnehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 20. September 2001 ausdrücklich festgestellt, dass eine Erbengemeinschaft von Volkseigentum und privatem Erbanteil, die durch dessen Entzug schädigungsbedingt beendet wurde, im Wege der Restitution mit dem gegenwärtigen Verfügungsberechtigten wiederherzustellen sei. Der 7. Senat hat weitergehend auch in einer im Wege der Restitution begründeten Gesamthandsgemeinschaft des Mitberechtigten und des jetzigen Verfügungsberechtigten keine Divergenz zu dem Urteil vom 24. Oktober 1996 (a.a.O.) gesehen (vgl. Beschluss vom 6. August 1997 – BVerwG 7 B 142.99 – RÜ BAROV 1999 Nr. 15 17-20), wenn zunächst allein die erbrechtliche Mitberechtigung entschädigungslos enteignet und in Volkseigentum überführt wurde (§ 1 Abs. 1 Buchst. a VermG), während die übrigen Mitberechtigungen erst später nach dem Aufbaugesetz enteignet wurden, ohne dass insoweit eine Schädigung nach § 1 VermG vorlag. Die Klägerin übersieht in ihrer Beschwerdebegründung (S. 4), dass in diesem Fall zum Zeitpunkt der Schädigung zwar die später restituierte Mitberechtigung in Volkseigentum überführt wurde, die übrigen erbrechtlichen Mitberechtigungen – auf die es für die Wiederherstellbarkeit des Gesamthandsgemeinschaft mit dem Berechtigten ankommt – sich aber in privater Hand befanden. Insoweit würde es sich im Sinne der Argumentation der Klägerin auch in dem dem Beschluss vom 6. August 1999 (a.a.O.) zugrundeliegenden Fall zum Zeitpunkt der Schädigung um eine “andere” Gemeinschaft als die später wiederhergestellte Gesamthandsgemeinschaft handeln. Hieraus ergibt sich, dass nach dem Beschluss des 7. Senats der Wiederherstellbarkeit der Gesamthandsgemeinschaft nicht entgegenstand, dass sich zum Schädigungszeitpunkt die übrigen, nicht im Sinne des § 1 VermG geschädigten Erbanteile noch in privater Trägerschaft befanden, erst später ohne Schädigung in Volkseigentum überführt und nach der Wiedervereinigung dem jetzigen Verfügungsberechtigten zugeordnet wurden.
Rz. 5
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht darüber hinaus den Rechtssatz aufgestellt, dass es keinen Unterschied mache, ob bei einer Erbengemeinschaft Erbanteile sukzessive in Volkseigentum übernommen wurden, wobei zumindest eine der Übernahmen keine schädigende Maßnahme darstellte, oder ob – wie hier – die Übernahmen dieser Erbanteile zeitgleich erfolgten und zumindest eine der betroffenen Übernahmen keine schädigende Maßnahme darstellte. Damit konnte das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht abweichen, da die Frage bisher vom Bundesverwaltungsgericht nicht entschieden worden ist. Sie stellt nur eine Fortsetzung dieser Rechtsprechung dar.
Rz. 6
Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist das entscheidende Kriterium für die Frage, ob eine Restitution ausgeschlossen ist, nicht, aus welchen Mitgliedern die Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft bestanden hat – hier können Rechtsnachfolgen eingetreten sein –, sondern entscheidend ist, ob durch die Rückübertragung des geschädigten Erbanteils gleichzeitig nicht geschädigte Miterben begünstigt werden. Nur dies soll verhindert werden. Dass die Klägerin als Verfügungsberechtigte durch die Rückübertragung des geschädigten Erbanteils im Umfang ihrer Rechte beeinträchtigt wird, entspricht nach Gegenstand und Umfang nur der wiedergutzumachenden Schädigung, die ihrem Rechtsvorgänger zugute gekommen war.
Rz. 7
Soweit die Beschwerde darüber hinaus darauf abstellt, dass es auch nicht möglich sei, anstelle des früheren Eigentums der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft nunmehr Bruchteilseigentum für den früheren Erbanteil einzuräumen, geht dies an der Begründung des angefochtenen Urteils vorbei. Die Frage einer Restitution von Bruchteilseigentum hat sich im vorliegenden Verfahren nicht gestellt.
Rz. 8
2. Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die gerügte Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor. Es gehört zu der dem Tatsachengericht durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragenen Aufgabe, sich im Wege der freien Beweiswürdigung unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden (vgl. etwa Beschluss vom 14. März 1988 – BVerwG 5 B 7.88 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199 S. 31 ≪32 f.≫). Revisionsrechtlich sind die Grundsätze der Beweiswürdigung dem sachlichen Recht zuzurechnen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann deshalb ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO regelmäßig nicht bezeichnet werden (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 12. Januar 1995 – BVerwG 4 B 197.94 – Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 1 ≪4≫). Allenfalls könnte eine Verletzung der Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung der Vorinstanz als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden (vgl. dazu Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271 ≪272 f.≫). Ein Tatsachengericht hat aber nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fernliegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen. Es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; Urteil vom 20. Oktober 1987 – BVerwG 9 C 147.86 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 ≪4≫). Davon kann hier keine Rede sein.
Rz. 9
Soweit die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der staatliche Verwalter auf Weisung des Rates der Stadt Erfurt den Erbanteil der Lotte W… veräußert oder zumindest die Initiative des Rates der Stadt zum Verkauf aufgegriffen habe, weil eine Weisung in den Akten nicht enthalten sei, setzt sie ihre Bewertung des Akteninhalts an die Stelle der des Verwaltungsgerichts. Das bezeichnet keinen Verstoß gegen Denkgesetze. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind auch nicht aktenwidrig, denn den Akten ist nicht zu entnehmen, dass der staatliche Verwalter nicht auf Weisung oder Initiative des Rates der Stadt E… gehandelt hat. Vielmehr ergibt sich aus der Mitteilung des Referates Grundstücksverkehr an die Abteilung Finanzen Sachgebiet Staatliches Eigentum vom 6. Dezember 1974 (BA III Bl. 8), dass durch Beschluss des Rates der Stadt vom 24. Oktober 1974 das streitgegenständliche Grundstück käuflich erworben werden müsse und die Abteilung Finanzen vom Referat Grundstücksverkehr gebeten wird, den Betriebsleiter des VEB Kommunale Wohnungsverwaltung, Herrn E…, als staatlichen Verwalter schnellstmöglich zu bevollmächtigen, den Verkauf des Anteils der Lotte W… vorzunehmen. In einer weiteren Mitteilung des Referates Grundstücksverkehr an die Abteilung Finanzen vom 21. Dezember 1977 (BA III Bl. 12) wird darauf hingewiesen, dass der Kaufvertrag über das streitgegenständliche Grundstück auf der Grundlage des Ratsbeschlusses vom 24. Oktober 1974 abgeschlossen wurde. Wenn das Verwaltungsgericht aus diesen und anderen Teilen der Akten den Schluss zieht, dass der staatliche Verwalter mit der Vollmacht den Auftrag bekommen hat, den Erbanteil der Lotte W… zu verkaufen, so ist dies nicht aus Gründen der Logik schlechthin unmöglich. Die Ausführungen der Beschwerde über eine Initiative seitens der Erbengemeinschaft stellen demgegenüber bloße Vermutungen dar, für die sich aus den Akten keinerlei Anhaltspunkte ergeben.
Rz. 10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 47, 52 GKG.
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Dr. von Heimburg
Fundstellen