Verfahrensgang
VG Dresden (Aktenzeichen 7 K 2681/95) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nicht-zulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7. September 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Kläger streben die Feststellung ihrer Berechtigung auf Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung von Grundstücken an, die ursprünglich zum Hotelunternehmen „L.” in Z. gehörten. Im Jahre 1990 hatte die Erbengemeinschaft nach Josef K., dem Großvater der Kläger, einen Anspruch auf Rückübertragung des Unternehmens angemeldet. Die Erbengemeinschaft erwarb im Jahr 1993 im Rahmen eines Investitionsvorrangverfahrens das Eigentum an dem streitigen Grundstück zum Preis von 3,3 Mio DM. Die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft traten ihre Ansprüche an die Kläger ab.
Das Hotel „L.” wurde aufgrund eines Pachtvertrages aus dem Jahr 1948 bis Anfang 1965 zunächst als FDGB-Genesungsheim und später vom Rat des Bezirks, Abteilung Kur- und Bäderwesen, für medizinische Zwecke genutzt. Im Dezember 1965 veräußerte die Erbengemeinschaft nach Josef K. das Flurstück 197/1, auf dem sich das Hotelgebäude befand, an den HO-Kreisbetrieb zum Preis von 103 700 M. Dieser plante den Ausbau zu einem Hotel für ausländische Gäste im Zusammenhang mit den Biathlon-Weltmeisterschaften in Altenberg im Februar 1967; das Vorhaben scheiterte, weil es nicht gelang, die notwendigen Baumaterialien zu besorgen und Handwerker zu beauftragen. Mit Wirkung vom 1. Januar 1967 wurde das Ministerium für Staatssicherheit Rechtsträger des nunmehr volkseigenen Grundstücks. Nachdem Verhandlungen des MfS mit Herbert K., dem Vater der Kläger, über eine Veräußerung weiterer, ursprünglich zum Hotelunternehmen gehörender Grundstücke erfolglos verlaufen waren, wurden die Flurstücke Nr. 195, 196 und 197/2 auf der Grundlage des § 10 des Verteidigungsgesetzes vom 20. September 1961 (GBl DDR I S. 175) enteignet; Rechtsträger der Grundstücke wurde ebenfalls das Ministerium für Staatssicherheit.
Mit Bescheid vom 22. September 1995 lehnte das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Antrag auf Erlösauskehr gemäß § 16 des Investitionsvorranggesetzes aus der Veräußerung des Hotelunternehmens „L.” ab, weil kein Schädigungstatbestand im Sinne des § 1 VermG gegeben sei. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen; die Revision hat es nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben. Weder liegen die gerügten Verfahrensfehler vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch kommt der Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Rügen betreffen zwei rechtlich und tatsächlich selbständige Erwerbsvorgänge, nämlich die Veräußerung des Flurstücks Nr. 197/1 im Dezember 1965 (1) und die Enteignung der Flurstücke Nr. 195, 196 und 197/2 im Jahr 1976 (2).
1. Soweit es die Veräußerung des Flurstücks Nr. 197/1 betrifft, machen die Kläger folgende Verfahrensfehler geltend:
a) Die Kläger sehen einen Verstoß gegen die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) darin, dass das Verwaltungsgericht die von ihnen für eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG vorgetragenen Tatsachen nicht berücksichtigt habe. So sei von ihnen dargelegt worden, dass das Kreisbauamt ihrem Rechtsvorgänger zunächst Auflagen für bauliche Maßnahmen gemacht und auch vorgeschrieben habe, welche Handwerker diese Arbeiten durchzuführen hätten; gleichzeitig sei aber diesen Handwerkern verboten worden, im Auftrag ihres Rechtsvorgängers diese Baumaßnahmen durchzuführen. Entgegen den Darlegungen der Kläger hat das Verwaltungsgericht diesen Vortrag nicht nur in dem Tatbestand des Urteils wiedergegeben, sondern auch in den Entscheidungsgründen berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht hat sich damit auseinander gesetzt, dass der Rechtsvorgänger der Kläger „aufgrund fehlender Baumaterialien und für ihn nicht verfügbarer Handwerker nicht in der Lage gewesen ist, die gemäß der behördlichen Auflagen notwendigen Sanierungsarbeiten durchzuführen”. Damit ist auch das Vorbringen nicht unberücksichtigt geblieben, dass das Kreisbauamt einerseits Auflagen erteilt, andererseits Handwerkern die Durchführung der Arbeiten untersagt habe. Wie sich aus den weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts – auch zu den Schwierigkeiten des HO-Betriebes im Jahr 1966 – ergibt, hat das Verwaltungsgericht das Verhalten des Kreisbauamtes darauf zurückgeführt, dass offenbar für derartige Bauarbeiten keine ausreichende Zahl von Handwerkern zur Verfügung stand, und deshalb hierin keine zielgerichtete Maßnahme gegen den Rechtsvorgänger der Kläger gesehen.
b) Auch die weiteren Gehörsrügen gehen fehl. So hat das Verwaltungsgericht den Vortrag der Kläger nicht unberücksichtigt gelassen, dass ihr Rechtsvorgänger und die gesamte Familie K. bereits „seit dem Jahr 1957” von Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit beobachtet worden und von der Staatssicherheit geplant gewesen sei, den Rechtsvorgänger der Kläger aus dem Eigentum zu drängen, um sich seines Objekts zu bemächtigen. Das Verwaltungsgericht ist in den Entscheidungsgründen ausdrücklich darauf eingegangen, dass das Ministerium für Staatssicherheit bereits seit 1952 Informationen über den Rechtsvorgänger der Kläger gesammelt habe. Es hat jedoch festgestellt, dass ein Bezug dieser Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit zur Veräußerung des Hotels „L.” im Jahr 1965 nicht hergestellt werden könne. Zum einen habe sich die Sammlung der Informationen auf Vorfälle beschränkt, die keine Absicht, die Hotelanlage erwerben zu wollen, hätten erkennen lassen; zudem sei zum Zeitpunkt der Maßnahmen kein Verkauf des „L.” geplant gewesen.
c) Auch hat sich das Verwaltungsgericht entgegen den Darlegungen der Kläger mit der Minderung des Pachtzinses durch den Rat des Bezirks als Pächter auseinander gesetzt. Es hat die Auffassung vertreten, dass die Minderung des Pachtzinses und die nachfolgende Kündigung des Pachtvertrages Ende 1964 „nachvollziehbar” gewesen sei, da der bauliche Zustand des Hotels mangelhaft gewesen sei, wie sich auch aus den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen ergeben habe.
d) Soweit die Kläger mit ihren Rügen sinngemäß auch geltend machen wollen, dass das Verwaltungsgericht ihren Vortrag und die Beweisunterlagen nicht richtig gewürdigt habe, ergibt sich hieraus ebenfalls kein Verfahrensverstoß im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung im Rahmen des Indizienbeweises (vgl. hierzu Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.99 – BVerwGE 84, 271 ≪273 f.≫; Beschluss vom 3. April 1996 – BVerwG 4 B 253.95 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 269 S. 28) können einen Verfahrensmangel nur begründen, wenn die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt. Hierfür haben die Kläger nichts geltend gemacht.
e) Die Kläger weisen ferner darauf hin, dass das Verwaltungsgericht die Akten des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes hätte beiziehen müssen, wie sie es in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 7. September 2000 angeregt hätten. Soweit hierin eine selbständige Rüge der Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) zu sehen ist, würde diese den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügen. Die Bezeichnung des Verfahrensmangels erfordert auch eine Auseinandersetzung mit den Gründen, die das Verwaltungsgericht in dem Urteil dafür genannt hat, warum es der Beweisanregung nicht nachgegangen ist. Als Gründe hat es in dem Urteil genannt, dass nicht zu ermitteln gewesen sei, ob diese Akte noch existiert und wo sie sich ggf. befindet. Es hat insoweit auf erfolglose Nachforschungen durch das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen sowie der beiden Beigeladenen und der Kläger verwiesen. Die Kläger tragen nichts dafür vor, dass die vom Verwaltungsgericht für die Ablehnung der Beweiserhebung genannten Gründe unrichtig sind oder aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht weitere Nachforschungen nach dem Verbleib der Akten hätte vornehmen müssen.
2. Soweit es die Enteignung der Flurstücke Nr. 195, 196 und 197/2 im Jahr 1976 betrifft, sehen die Kläger die Klärung folgender Rechtsfrage als im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzlich bedeutsam an:
„Stellt es eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG dar, wenn ein im Privatbesitz befindliches Grundstück zur Errichtung eines Ferien- und Erholungsheims für Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit nach § 10 des Verteidigungsgesetzes i.V.m. § 16 der Verordnung über die Anspruchnahmen von Leistungen, Grundstücken und Gebäuden für die Landesverteidigung der DDR (GBl I S. 265) zur Verbesserung der Dienst-, Arbeits- und Lebensbedingungen der Angehörigen, Zivilbeschäftigten und Beschäftigten der bewaffneten Organe in Anspruch genommen wird?”
Zur Beantwortung dieser Rechtsfrage bedarf es nicht der Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Enteignungen dann als willkürlich oder manipulativ anzusehen sind und den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfüllen, wenn ein den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben als Enteignungszweck nur vorgeschoben wurde, um in Wahrheit zu ganz anderen Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erlangen, oder wenn der wahrheitsgemäß angegebene Grund der Inanspruchnahme offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte (vgl. z.B. Urteil vom 28. Oktober 1999 – BVerwG 7 C 38.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 6 S. 27; zu § 10 Abs. 1 Satz 1 des Verteidigungsgesetzes vgl. Beschluss vom 21. November 1994 – BVerwG 7 B 91.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 33 S. 68 f.; Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 57.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 114 S. 352 f.). Auf die zuletzt genannte Alternative zielt die weitere Begründung in der Beschwerdeschrift. Insoweit hat aber das Verwaltungsgericht festgestellt, dass das Verteidigungsgesetz vom 20. September 1961 (GBl DDR I S. 175) auch die Inanspruchnahme von Grundstücken zur Errichtung von Freizeit- und Erholungseinrichtungen für Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit ermöglicht habe. Dieses weite Verständnis des § 10 Abs. 1 Satz 1 des Verteidigungsgesetzes i.V.m. § 28 der Leistungsverordnung vom 16. August 1963 (GBl DDR II S. 667) habe der Rechtswirklichkeit der DDR entsprochen und sei im Jahr 1978 im neuen Verteidigungsgesetz lediglich nachvollzogen worden (vgl. § 16 Buchst. f und § 17 Abs. 1 der Leistungsverordnung vom 26. Juli 1979 ≪GBl DDR I S. 265≫, wonach „im Interesse der Landesverteidigung” auch Grundstücke für Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Angehörigen, Zivilbeschäftigten und Beschäftigten der bewaffneten Organe in Anspruch genommen werden konnten). Gegen diese tatsächliche Feststellung haben die Kläger ebenso wenig Verfahrensrügen geltend gemacht wie gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die enteigneten Flurstücke für Zwecke des Erholungsheims benötigt wurden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Gödel, Kley, Neumann
Fundstellen