Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstelle, Begründung des Beschlusses der –, Unterschrift der Mitglieder der Einigungsstelle
Leitsatz (amtlich)
Soweit gesetzlich eine Begründung der Entscheidung der Einigungsstelle vorgeschrieben ist, muß diese von sämtlichen Mitgliedern der Einigungsstelle unterschrieben werden.
Normenkette
LPVG NRW § 67 Abs. 6 S. 1
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 02.10.1985; Aktenzeichen CL 10/84) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.09.1983; Aktenzeichen PVL U/83) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 1 und zu 2 gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen – vom 2. Oktober 1985 werden zurückgewiesen.
Der Gegenstandwert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 4 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Nach längeren Verhandlungen einigten sich der Antragsteller, der Stadtdirektor der Stadt H., und der Beteiligte zu 2, der bei ihm gebildete Personalrat, auf den Entwurf einer Dienstvereinbarung über Dienst- und Schutzkleidung. Der Rat der Stadt lehnte jedoch diese Dienstvereinbarung aus Kostengründen ab. Der daraufhin von dem Beteiligten zu 2 unter Berufung auf sein Initiativrecht gestellte Antrag auf Abschluß der Dienstvereinbarung auf der Grundlage dieses Entwurfs blieb ohne Erfolg. Der Beteiligte zu 2 rief sodann die Einigungsstelle bei der Stadtverwaltung H. – die Beteiligte zu 1 – an, die in ihrer Sitzung am 29. Oktober 1982 eine Dienstvereinbarung beschloß, die weitgehend dem vom Beteiligten zu 2 vorgelegten Entwurf entsprach. Die Niederschrift über die Sitzung der Einigungsstelle mit der Beschlußfassung sowie der Begründung des Beschlusses wurde lediglich von dem Vorsitzenden der Einigungsstelle unterschrieben.
Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet, mit dem er die Aufhebung der Entscheidung der Beteiligten zu 1 beantragte.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die von den Beteiligten zu 1 und zu 2 gegen diesen Beschluß eingelegten Beschwerden wurden vom Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Der Beschluß der Beteiligten zu 1 sei rechtswidrig, weil er sich entgegen § 67 Abs. 5 Satz 4 LPVG NW a.F. nicht im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften halte. Es spreche bereits vieles dafür, daß er gegen § 66 Abs. 4 Satz 1 LPVG NW a.F. verstoße, wonach das Antragsrecht (Initiativrecht) des Personalrats nur hinsichtlich mitbestimmungspflichtiger „Maßnahmen” bestehe. Das Bundesverwaltungsgericht habe zwar ein auf den Abschluß einer Dienstvereinbarung gerichtetes Antragsrecht des Personalrats bejaht. Diese Rechtsauffassung begegne jedoch erheblichen rechtssystematischen Bedenken. Aber auch dann, wenn man sich dieser Auffassung anschlösse, müsse der Beschluß der Beteiligten zu 1 aufgehoben werden, weil er sich noch aus einem anderen Grund als rechtswidrig erweise. Entgegen der Auffassung des Antragstellers verstoße er allerdings nicht gegen Haushaltsrecht. Denn die aufgrund der Dienstvereinbarung erforderlichen Gesamtaufwendungen hätten sich im Jahre 1982 im Rahmen des Haushaltsansatzes gehalten. Der Beschluß der Beteiligten zu 1 beeinträchtige aber die kommunale Finanzhoheit, da der Rat dadurch gezwungen sein könnte, in den nachfolgenden Haushaltsjahren Haushaltsmittel in erheblicher Höhe für einen von ihm nicht gebilligten Zweck zur Verfügung zu stellen. Beschlüsse der Einigungsstelle, die finanzielle Auswirkungen mit sich brächten, müßten nämlich nicht nur die Haushaltssatzung des laufenden Haushaltsjahres beachten, sie dürften den Rat der Gemeinde auch nicht für die Folgejahre auf erhöhte Ausgaben festlegen. Der Beschluß der Beteiligten zu 1 habe aber für die Gemeinde im Jahre 1983 eine erhebliche finanzielle Belastung bedeutet; dies werde dadurch bestätigt, daß der Antragsteller für Dienst- und Schutzkleidung im Jahre 1983 etwa 40 v.H. weniger ausgegeben habe, als bei Anwendung der Dienstvereinbarung erforderlich gewesen wäre. Schließlich verstoße der Beschluß der Beteiligten zu 1 auch insoweit gegen Rechtsvorschriften, als die Dienstvereinbarung auch Regelungen hinsichtlich der Anschaffungs- und Reinigungskosten von Dienstkleidung enthalte. Insoweit liege der Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 15 LPVG NW a.F. (Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten) nicht vor, da die Dienstvereinbarung nicht etwa „Kleidervorschriften” enthalte, sondern lediglich die Kostentragung für Anschaffung, Ausbesserung und Reinigung von Dienstkleidung regele. Gegen die Rechtmäßigkeit des Beschlusses unter dem Gesichtspunkt der Tragung der Aufwendungen für Unfall- und Arbeitsschutzkleidung bestünden keine Bedenken.
Gegen diesen Beschluß haben sowohl die Beteiligte zu 1 als auch der Beteiligte zu 2 die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der sie beantragen,
unter Änderung der Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
– Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen – vom 2. Oktober 1985 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf – Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen – vom 29. September 1983 den Antrag des Antragstellers abzulehnen.
Zur Begründung wenden sie sich gegen die vom Beschwerdegericht hinsichtlich eines Antragsrechtes des Personalrats auf Abschluß einer Dienstvereinbarung erhobenen Bedenken. Außerdem machen sie geltend, daß die beschlossene Dienstvereinbarung das kommunale Selbstverwaltungsrecht nicht beeinträchtige, da dieses nur im Rahmen bzw. nach Maßgabe der Gesetze bestehe. Diese Voraussetzung sei aber erfüllt, da auch nach Auffassung des Beschwerdegerichts das Haushaltsrecht nicht verletzt sei. Im übrigen seien die finanziellen Mittel nicht etwa wegen des Beschlusses der Beteiligten zu 1, sondern schon aufgrund der diesem zugrundeliegenden tarifrechtlichen Regelung erforderlich gewesen.
Der Antragsteller beantragt,
die Rechtsbeschwerden zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluß für zutreffend.
Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, sich zu den in dem Beschluß des Senats vom 10. März 1987 – BVerwG 6 P 17.85 – enthaltenen Ausführungen zur Schriftform der Beschlüsse von Einigungsstellen zu äußern.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerden sind unbegründet. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und zu 2 gegen den erstinstanzlichen Beschluß jedenfalls im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Der Beschluß der Beteiligten zu 1 über den Abschluß einer Dienstvereinbarung, betreffend die Dienst- und Schutzkleidung für Beschäftigte in der Dienststelle des Antragstellers, ist – unabhängig von den in der angefochtenen Entscheidung erörterten Rechtsfragen – schon deshalb rechtswidrig, weil er an einem zu seiner Unwirksamkeit führenden Formfehler leidet.
Wie der erkennende Senat in dem Beschluß vom 10. März 1987 – BVerwG 6 P 17.85 – (BVerwGE 77, 91 = DVBl. 1987, 743 = ZBR 1987, 244 = PersR 1987, 171 = PersV 1988, 128 = DÖV 1987, 739) zu der Regelung über das Zustandekommen von Entscheidungen der Einigungsstelle in § 71 Abs. 3 und 4 BPersVG ausgeführt hat, bedarf der Beschluß der Einigungsstelle stets der Schriftform, weil anderenfalls der gesetzlichen Verpflichtung, den Beschluß den am Einigungsverfahren Beteiligten „zuzustellen” (§ 71 Abs. 4 Satz 1 BPersVG), nicht genügt werden kann. Die Einigungsstelle ist jedoch, soweit dies nicht gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist, nicht verpflichtet, das Ergebnis ihrer Beratungen in einer schriftlichen Begründung niederzulegen. Insbesondere ist eine Begründung der Entscheidung nicht allgemein aus verfassungsrechtlichen Gründen, etwa aufgrund des Rechtsstaats prinzips, geboten (so zu der entsprechenden Regelung in § 76 Abs. 3 Satz 2 BetrVG auch das BVerfG, Beschluß vom 18. Oktober 1986 – 1 BvR 1426/83 – und BAG, AP § 87 BetrVG 1972 – Arbeitszeit – Nr. 8). Als „Beschluß” der Einigungsstelle, auf dessen Zustellung die Beteiligten einen Rechtsanspruch haben und der deswegen in einer zustellungsfähigen Form, d.h. schriftlich, ergehen muß, ist dann allein die Beschlußformel anzusehen. Diese muß allerdings von allen Mitgliedern der Einigungsstelle unterschrieben werden, weil anderenfalls nicht festzustellen ist, ob die schriftlich niedergelegte Formel wirklich den „Beschluß der Einigungsstelle”, einen unverbindlichen Entwurf eines solchen Beschlusses oder eine nur von einem oder einigen Mitgliedern der Einigungsstelle durch ihre Unterschrift gebilligte, letztlich aber nicht von der Einigungsstelle beschlossene Fassung des Beschlusses darstellt. Soweit jedoch für den Beschluß der Einigungsstelle gesetzlich keine Begründung vorgesehen ist, gebietet es die Schriftform der Entscheidung nicht, daß die Mitglieder der Einigungsstelle neben der von ihnen unterzeichneten Beschlußformel auch eine Fassung des Beschlusses zu unterschreiben haben, die neben der Beschlußformel die für die Entscheidung maßgebenden Gründe nennt.
Bei Anwendung dieser Grundsätze, die auch bei der Beschlußfassung der Einigungsstellen im Geltungsbereich des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG) – zu beachten sind, genügt der strittige Beschluß der Beteiligten zu 1 schon deshalb nicht der erforderlichen Schriftform, weil sowohl die Niederschrift über die Sitzung der Einigungsstelle, in der die Dienstvereinbarung betreffend die Dienst- und Schutzkleidung beschlossen wurde, als auch der der Niederschrift beigefügte Wortlaut der Dienstvereinbarung lediglich die Unterschrift des Vorsitzenden der Einigungsstelle tragen. Das ergibt sich eindeutig aus den in der ersten Instanz vorgelegten Akten über das Verfahren der Beteiligten zu 1, auf die die Entscheidung des Beschwerdegerichts ausdrücklich Bezug nimmt und die damit Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens geworden sind.
Darüber hinaus verstößt der Beschluß der Beteiligten zu 1 dadurch gegen das gesetzliche Gebot der schriftlichen Niederlegung der Begründung, daß die ihm gemäß § 67 Abs. 6 Satz 1 LPVG beigegebene Begründung ebenfalls nur von dem Vorsitzenden der Einigungsstelle unterschrieben ist. Die in dem Beschluß des Senats vom 10. März 1987 – BVerwG 6 P 17.85 – (a.a.O.) als damals nicht entscheidungserheblich offengebliebene Frage, ob im Anwendungsbereich von Landespersonalvertretungsgesetzen, die einen gesetzlichen Begründungszwang enthalten, nicht nur die Beschlußformel, sondern auch die Begründung der Unterschrift sämtlicher Mitglieder der Einigungsstelle bedarf, ist im Hinblick auf den vom Gesetzgeber damit verfolgten Zweck zu bejahen. Zwar gibt es – wie der Senat in dem o.a. Beschluß im einzelnen dargelegt hat – keinen allgemeinen Grundsatz, daß mit Gründen versehene Kollegialentscheidungen stets von allen Mitgliedern des Kollegiums unterschrieben werden müssen. Wenn jedoch der Gesetzgeber im Personalvertretungsrecht ausdrücklich die Begründung der von der Einigungsstelle getroffenen Entscheidung verlangt, so läßt er damit erkennen, daß ihr im Zusammenhang mit der Beschlußformel tragende Bedeutung zukommen soll. Dabei soll durch das Begründungsgebot nicht in erster Linie eine inhaltliche Kontrolle der Entscheidung der Einigungsstelle durch die Gerichte erleichtert werden, da diese nach der Ausgestaltung des Einigungsverfahrens nur in engen Grenzen zum Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung gemacht werden kann. Der Begründungszwang dient vielmehr vorrangig dem Zweck, daß den am Einigungsverfahren Beteiligten – und zwar schon vor der etwaigen Einleitung eines personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens – die für den Beschluß maßgebenden Erwägungen und deren Sachgerechtigkeit erläutert werden und damit die Überzeugungskraft der Entscheidung verstärkt wird. Dies kann jedoch nur dann erreicht werden, wenn die Begründung das Beratungsergebnis der Einigungsstelle unter Berücksichtigung der in ihrer konkreten Besetzung zum Ausdruck kommenden gegensätzlichen Interessen objektiv wiedergibt. Es ist daher geboten, daß im Falle einer gesetzlichen Begründungspflicht nicht nur die Beschlußformel, sondern auch die Begründung von allen Mitgliedern der Einigungsstelle unterschrieben und damit gebilligt wird (vgl. Hess. VGH, Beschluß vom 28. März 1984 – HPV TL 33/82 –).
Die von den Beteiligten zu 1 und zu 2 im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen diese Anforderungen an die Schriftform des Beschlusses der Einigungsstelle erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Sie machen hierzu im wesentlichen geltend, daß die von den streitenden Parteien in die Einigungsstelle entsandten Beisitzer nachträglich jeweils etwaige Fehler in der Beschluß- oder Begründungsformulierung beanstanden könnten und im übrigen durch Befragung der Beisitzer die Richtigkeit und Vollständigkeit des Beschlusses überprüft werden könne. Dieses Vorbringen verkennt jedoch die Bedeutung des Formerfordernisses, durch das – wie ausgeführt – gewährleistet werden soll, daß der den Beteiligten zugestellte Beschluß der Einigungsstelle mit Begründung tatsächlich dem Beratungsergebnis entspricht. Es würde dem Gebot der Rechtsklarheit widersprechen, wenn dies erst in einem personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren durch Vernehmung des Vorsitzenden und der Beisitzer festgestellt werden müßte. Im Hinblick darauf, daß das Formerfordernis ohne Ausnahme zu beachten ist, kann ein ohne die erforderlichen Unterschriften ergangener Beschluß der Einigungsstelle auch dann keine bindende Wirkung entfalten, wenn im Einzelfall die Beisitzer bereit sein sollten, die Richtigkeit des lediglich von dem Vorsitzenden unterschriebenen Beschlusses zu bestätigen. Die Befürchtung der Beteiligten zu 1 und zu 2, die Beisitzer der unterlegenen Minderheit hätten es damit in der Hand, durch Verweigerung ihrer Unterschrift einen Beschluß der Einigungsstelle zu blockieren, ist nicht gerechtfertigt, da aufgrund des gesetzlichen Formerfordernisses jedes Mitglied der Einigungsstelle verpflichtet ist, seine Unterschrift zu leisten.
Da sonach die von der Beteiligten zu 1 beschlossene Dienstvereinbarung schon aus formellen Gründen keinen Bestand haben kann, besteht keine Veranlassung, in dieser Entscheidung auf die Bedenken des Beschwerdegerichts gegen die Rechtsprechung des Senats zum Initiativrecht des Personalrats auf Abschluß einer Dienstvereinbarung (vgl. Beschluß vom 1. November 1983 – BVerwG 6 P 28.82 – ZBR 1984, 151) sowie auf die Frage der Vereinbarkeit einer mehrjährigen Dienstvereinbarung, betreffend Dienst- und Schutzkleidung, mit der kommunalen Finanzhoheit einzugehen. Wenn auch der Beteiligte zu 2 angekündigt hat, er wolle gegebenenfalls erneut mit dem Antragsteller über den Abschluß einer derartigen Dienstvereinbarung verhandeln, ist doch ungewiß, ob sich diese Fragen dann wiederum stellen werden. Insbesondere ist es möglich, daß eine neue Dienstvereinbarung bei entsprechender Gestaltung ihres Inhalts (einschließlich der Geltungsdauer und der Regelung des Kündigungsrechts) auch die Zustimmung des Rates der Stadt findet.
Die Rechtsbeschwerden sind nach alledem zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO a.F.
Unterschriften
Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst, Dr. Seibert
Fundstellen
Haufe-Index 1210610 |
ZBR 1989, 150 |