Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfung des Beschlusses einer Einigungsstelle. Antragsbefugnis des Gesamtpersonalrats. Rechtsschutzinteresse bei Änderung der Rechtslage
Normenkette
LPVG NW § 67 Abs. 5 S. 4, § 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 78 Abs. 4, § 79 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 24.06.1982; Aktenzeichen CL 42/81) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.03.1981; Aktenzeichen PVL 27/80) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen – Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen – vom 24. Juni 1982 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der Gesamtpersonalrat der Stadtverwaltung K., der Antragsteller, stellte mit Schreiben vom 25. Juli 1978 beim Oberstadtdirektor der Stadt, dem Beteiligten zu 1) den Antrag, für diejenigen Mitarbeiter, die bereits in das von der Stadt erworbene und im Ausbau befindliche, als Stadthaus bezeichnete Gebäude umgesetzt worden waren, probeweise die gleitende Arbeitszeit einzuführen. Der Beteiligte zu 1) lehnte den Antrag mit der Begründung ab, daß in anderen Städten nur schlechte Erfahrungen mit der gleitenden Arbeitszeit gemacht worden seien. Daraufhin beantragte der Antragssteller die Entscheidung der Einigungsstelle, der Beteiligten zu 2). Diese beschloß in ihrer Sitzung vom 15. April 1980 eine Regelung in der Form einer Dienstvereinbarung, nach der für die Beschäftigten des Stadthauses die gleitende Arbeitszeit probeweise eingeführt werden sollte. Die Einhaltung der Arbeitszeit sollte durch Zeiterfassungsgeräte kontrolliert werden. Außerdem setzte die Einigungsstelle die Kernzeiten, in denen alle Beschäftigten anwesend sein mußten, sowie die Gleitspannen, während deren die Beschäftigten nach eigenem Belieben anwesend sein konnten, fest.
Der Beteiligte zu 1) lehnte jedoch die Durchführung dieses Beschlusses mit der Begründung ab, daß er abwarten wolle, wie sich die Situation entwickele, wenn noch mehr Bedienstete in das Stadthaus eingezogen seien; auch sei er keineswegs sicher, ob er dem Rat der Stadt vorschlagen solle, die bei Einführung der gleitenden Arbeitszeit erforderlichen Mittel für die Beschaffung von Zeiterfassungsgeräten zur Verfügung zu stellen. Der Antragsteller leitete daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren ein mit dem Antrag,
festzustellen, daß der Beschluß der Einigungsstelle vom 15. April 1980 den Beteiligten zu 1) noch bindet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die von dem Antragsteller dagegen eingelegte Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Erwägungen:
Der Beschluß der Einigungsstelle, der im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterliege, sei zwar nicht, wie das Verwaltungsgericht angenommen habe, deshalb rechtswidrig, weil die von dem Antragsteller beantragte Maßnahme nur probeweise durchgeführt werden solle. Die Rechtswidrigkeit des Beschlusses ergebe sich jedoch daraus, daß bei der Einführung der gleitenden Arbeitszeit, eines komplexen Vorganges, dessen Systemeinzelheiten personalvertretungsrechtlich jeweils gesondert zu prüfen seien, nur die Festsetzung der Kernzeit und die Regelung der Gleitspannen der Mitbestimmung nach § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 LPVG NW unterlägen, nicht aber die Einführung der gleitenden Arbeitszeit selbst. Erst die Festlegung von Kernzeit und Gleitspannen wirke sich konkret auf Beginn und Ende und auf die Dauer der täglichen Arbeitszeit sowie ihre Verteilung über die Woche aus, nicht jedoch die Entscheidung über das „Ob” der Einführung der gleitenden Arbeitszeit. Diese sei ein im Direktionsrecht des Dienststellenleiters begründeter Organisationsakt, der grundsätzlich nicht mitbestimmungspflichtig sei. Mangels eines Mitbestimmungsrechts und damit eines förmlichen Initiativrechts des Antragstellers sei daher die Einigungsstelle nicht befugt gewesen, den angefochtenen Beschluß zu fassen.
Davon abgesehen halte sich der Beschluß der Einigungsstelle nicht im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Haushaltsgesetzes; unter den Begriff „Haushaltsgesetz” falle auch der vom Rat der Stadt zu beschließende Haushaltsplan. Der Ankauf oder auch nur die Anmietung von Zeiterfassungsgeräten erfordere erhebliche Mittel; zudem sei zur Auswertung der erfaßten Zeiten in jedem Fall zusätzliches Personal erforderlich. Die erforderlichen Mittel und Planstellen seien jedoch in den Haushaltsplänen der Stadt nicht vorgesehen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er seinen Feststellungsantrag weiterverfolgt. Er rügt die fehlerhafte Anwendung der §§ 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 67 Abs. 5 Satz 4 LPVG NW sowie des § 104 Satz 3 BPersVG. Die Einigungsstelle habe in ihrem Beschluß nicht nur der Einführung der gleitenden Arbeitszeit als solcher zugestimmt, sondern im einzelnen festgelegt, wie und in welcher Form die gleitende Arbeitszeit durchgeführt werden solle. Der Beschluß dürfe nicht in zwei voneinander unabhängige Teile aufgespalten werden, sondern müsse als Einheit gewürdigt werden. Im übrigen werde die Einführung der gleitenden Arbeitszeit keine erheblichen Auswirkungen auf die Allgemeinheit haben.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß des Beschwerdegerichts.
Die Beteiligte zu 2) hat sich im Verfahren nicht geäußert.
Der Oberbundesanwalt stimmt der Auffassung des Beschwerdegerichts zu, daß bei Einführung der gleitenden Arbeitszeit allein die Festlegung der Kernzeit und der Gleitspannen der Mitbestimmung unterliege, weil nur diese sich konkret auf Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit auswirkten. Die Einführung der gleitenden Arbeitszeit bedeute einen wesentlich stärkeren Eingriff in die Organisation der Dienststelle als die Festsetzung bestimmter Arbeitszeiten, weil dadurch der Zeitraum, in dem der Bürger sicher mit der Anwesenheit des von ihm gewünschten Ansprechpartners in der Verwaltung rechnen könne, erheblich verkürzt werde.
Entscheidungsgründe
II.
Die – zulässige – Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluß im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Der Antrag hätte allerdings nicht aus sachlichen Gründen sondern mangels Antragsbefugnis des Gesamtpersonalrats abgelehnt werden müssen.
Dem Beschwerdegericht ist darin beizupflichten, daß der Streit darüber, ob und ggf. in welchem Umfange eine Entscheidung der Einigungsstelle die Beteiligten bindet, vor den besonderen für Personalvertretungssachen zuständigen Spruchkörpern der Verwaltungsgerichte nach den Vorschriften des arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens auszutragen ist (BVerwGE 50, 176 ≪178≫). Diese Zuständigkeit folgt, was die hier umstrittene Vereinbarkeit eines solchen Beschlusses mit den Rechtsvorschriften angeht, jedoch entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts unmittelbar aus § 79 Abs. 1 Nr. 6 LPVG NW, wonach die Verwaltungsgerichte über Streitigkeiten aus § 67, also auch über solche aus § 67 Abs. 5 Satz 4 LPVG NW entscheiden (vgl. Havers, Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, 6. Aufl. 1985, § 79 Anm. 11; Krieg/Orth/Welkoborsky, Landespersonalvertretungsgesetz für Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1982, § 79 Anm. 9). Die Zuständigkeitsnorm der Nr. 6 des § 79 Abs. 1 LPVG NW geht insoweit der generellen Regelung der Nr. 3, die u.a. Streitigkeiten über Zuständigkeit und Geschäftsführung von Personalvertretungen betrifft, vor (vgl. BVerwGE 68, 116 ≪118≫). Die Rechtslage nach dem Personalvertretungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen ist demnach nicht anders zu beurteilen als in den vom früher für Personalvertretungssachen zuständigen 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts entschiedenen Fällen, in denen Beschlüsse von Einigungsstellen nach den Vorschriften des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen (vgl. BVerwGE 50, 176 ≪178≫) und des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes (vgl. BVerwGE 50, 186 ≪187≫) auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen waren. Eines Rückgriffs auf allgemeine rechtsstaatliche Grundsätze bedarf es daher für die Begründung der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte insoweit nicht (anderer Ansicht OVG Münster, Beschluß vom 30. September 1980 – CL 54/78 – ≪PersV 1983, 285≫). Soweit darüber hinaus die – gegenüber der Prüfung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der Einigungsstelle vorrangige – Frage der gerichtlichen Klärung bedarf, ob die Einigungsstelle überhaupt tätig werden konnte, ergibt sich die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte aus der generellen Zuweisung von Streitigkeiten über die Zuständigkeit von Personalvertretungen, die hier in § 79 Abs. 1 Nr. 3 LPVG NW enthalten ist.
Das Beschwerdegericht ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Gesamtpersonalrat der Stadtverwaltung K. befugt war, als Antragsteller eine gerichtliche Klärung der zwischen den Beteiligten strittigen Frage der Mitbestimmungsbedürftigkeit der Einführung der gleitenden Arbeitszeit für die Beschäftigten in dem als Stadthaus bezeichneten Gebäude herbeizuführen. Die Vorschrift des § 78 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 LPVG NW stellt zwar für die Abgrenzung der Zuständigkeiten des Gesamtpersonalrats und des örtlichen Personalrats maßgeblich auf die Entscheidungsbefugnis des Dienststellenleiters ab. Diese Vorschrift ist aber unter Berücksichtigung der von dem Senat in BVerwGE 67, 353 zu § 83 Satz 1 Nds. PersVG entwickelten Grundsätze dahin auszulegen, daß die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats im Verfahren der Mitbestimmung auf solche Angelegenheiten beschränkt ist, an denen die Personalräte in einzelnen personalvertretungsrechtlichen verselbständigten Dienststellenteilen mangels Legitimation nicht mitwirken oder mitbestimmen können. Der Gesamtpersonalrat ist demnach nur an den Entscheidungen des Dienststellenleiters zu beteiligen, die dieser im Rahmen seiner verwaltungsinternen Zuständigkeit trifft und die sich auf die Gesamtdienststelle und somit auf alle Bediensteten der Gesamtdienststelle auswirken. Betrifft eine Entscheidung des Leiters der Gesamtdienststelle hingegen nur die Stammdienststelle, so ist der bei dieser bestehende Personalrat zu beteiligen. Dies gilt, wie der Senat bereits in dem Beschluß vom 22. März 1984 – BVerwG 6 P 8.82 – ausgesprochen hat, auch für die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats nach § 78 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 LPVG NW. Da im vorliegenden Fall die gleitende Arbeitszeit nur für die im Stadthaus tätigen Mitarbeiter, nicht aber für die personalvertretungsrechtlich verselbständigten Dienststellenteile der Stadtverwaltung eingeführt werden sollte, stand lediglich dem Personalrat „allgemeine Verwaltung” das Initiativrecht für die begehrte Maßnahme zu und nur dieser war an dem Verfahren der Mitbestimmung zu beteiligen.
Davon abgesehen könnte der Senat eine sachliche Entscheidung über die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage auch deshalb nicht mehr treffen, weil ein Rechtsschutzbedürfnis für den Feststellungsantrag nicht mehr besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Rechtsschutzbedürfnis in personalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten zwar auch dann zu bejahen, wenn der konkrete Anlaß, aus dem sich der rechtliche Streit entwickelt hat, nicht mehr besteht, die Streitfrage aber gleichwohl der Klärung bedarf, weil sie sich jederzeit wieder stellen kann und die zu ihr bestehenden Meinungsverschiedenheiten das Verhältnis von Personalvertretung und Dienststelle beeinträchtigen können (vgl. Beschluß vom 21. Juni 1982 – BVerwG 6 P 13.79 – ≪PersV 1983, 239≫ mit weiteren Nachweisen). Dies setzt jedoch voraus – und davon ist der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung auch stets ausgegangen –, daß die Rechtsfrage nach der bei der Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Sach- und Rechtslage zwischen den Beteiligten erneut streitig werden kann. Haben sich hingegen während des personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens die Sach- oder die Rechtslage derart geändert, daß die gerichtliche Entscheidung für die Beteiligten in Zukunft ohne rechtliche Auswirkung ist, fehlt es an der für die Weiterführung des Verfahrens notwendigen Wiederholungsgefahr. Die Entscheidung einer derartigen Rechtsfrage würde auf die Erstattung eines Gutachtens hinauslaufen, was auch nicht durch den objektiven Charakter des personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens bei Streitigkeiten über die Zuständigkeit und die Geschäftsführung der Personalvertretung gerechtfertigt wäre. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht in dem Beschluß vom 29. Juli 1982 – 6 ABR 51/79 – (AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979) das Rechtsschutzbedürfnis bei betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenzstreitigkeiten für den Fall verneint, daß die begehrte Entscheidung keinen der Beteiligten in einem betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis mehr betreffen kann.
In dem vom Antragsteller eingeleiteten Beschlußverfahren sollte entschieden werden, ob die Einführung der gleitenden Arbeitszeit in der Stammdienststelle des Beteiligten zu 1) als eine Regelung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im Sinne des § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 1974 (GV. NW. S. 1514) anzusehen war und daher der Mitbestimmung des Personalrats unterlag. Dieser Mitbestimmungstatbestand ist jedoch durch Art. I Nr. 53 Buchst. j des Gesetzes zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 1984 (GV. NW 1985, S. 29) dahin ergänzt worden, daß die Worte „Einführung, Ausgestaltung und Aufhebung der gleitenden Arbeitszeit” eingefügt wurden (vgl. nunmehr § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NW). Hierzu wurde in der Begründung zum Gesetzentwurf (LT-Drucks. 9/3091, S. 39) ausgeführt, daß damit die konkrete Anwendungssituation der gleitenden Arbeitszeit der Beurteilung des Personalrats unterworfen und die konkrete Organisationsmaßnahme von seiner Zustimmung abhängig gemacht werde. Dies sei bereits gängige Praxis, denn die Fragen der gleitenden Arbeitszeit berührten die sich vielfach widersprechenden Privatinteressen der Beschäftigten und die dienstlichen Notwendigkeiten ganz erheblich. Aufgrund dieser Gesetzesänderung ist davon auszugehen, daß sich die Frage, ob die Einführung der gleitenden Arbeitszeit der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, im Geltungsbereich des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen nicht mehr stellen wird. Insbesondere ist damit auch geklärt, daß der Personalrat in Ausübung seines Initiativrechts auf die Einführung der gleitenden Arbeitszeit in der Dienststelle hinwirken kann.
Unterschriften
Prof. Dr. Gützkow, Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst
Fundstellen