Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Es entspricht billigem Ermessen, der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da sie ohne die vorzeitige Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen gewesen wäre.
Rechtsgrundlage der angegriffenen Maßnahme, mit der der Klägerin aufgegeben worden ist, ihre Dienstunfähigkeit ab dem ersten Tage durch ein amtsärztliches Zeugnis nachzuweisen, ist § 73 Abs. 1 Satz 2 BBG. In welcher Weise der Beamte der Nachweispflicht nachzukommen hat, bestimmt die Behörde nach Ermessen (vgl. Beschluss vom 28. Mai 1984 – BVerwG 2 B 205.82 – Buchholz 237.5 § 51 LBG Hessen Nr. 1).
Tatbestandlich setzt die Nachweisverpflichtung voraus, dass der Beamte nach eigener Einschätzung infolge Krankheit dienstunfähig ist und dass der Dienstherr Zweifel an dieser (Selbst-) Einschätzung hat. Diese Zweifel dürfen nicht aus der Luft gegriffen, sondern müssen durch konkrete Umstände veranlasst sein (vgl. Beschluss vom 28. Mai 1984 a.a.O.). Solche Zweifel waren vorliegend schon deshalb begründet, weil unter dem 17. November 2003 und dem 10. Mai 2004 der Amtsarzt festgestellt hatte, dass die Klägerin vollschichtig arbeitsfähig gewesen ist. Dennoch ist die Klägerin unter Vorlage von privatärztlichen Bescheinigungen in dieser Zeit über mehr als zwei Jahre – mit Ausnahme weniger Tage – dem Dienst ferngeblieben. Der Widerspruch zwischen den amtsärztlichen Feststellungen und den privatärztlichen Bescheinigungen im Hinblick darauf, welche Folgen der Dienstunfall am 10. September 2001 für die Dienstfähigkeit der Klägerin hatte, gab der Beklagten ausreichend Anlass, an der privatärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zu zweifeln und einen Nachweis in bestimmter Form zu fordern.
Die angefochtene Maßnahme weist keinen Ermessensfehler auf. Jedenfalls in dem Widerspruchsbescheid vom 15. November 2004 hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass die an die Klägerin gerichtete Anordnung, die Dienstunfähigkeit ab dem ersten Tage des Fernbleibens vom Dienst durch ein amtsärztliches Attest nachzuweisen, in Ausübung von Ermessen ergangen ist. Etwaige Begründungsdefizite des Ausgangsbescheides konnten gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG durch diesen Widerspruchsbescheid geheilt werden. Dass die Beklagte eine Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht umfassend dargestellt hat, begründet keinen Ermessensfehler. Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwVfG sind in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben; die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Dem ist die Beklagte nachgekommen.
Die Anordnung vom 19. Mai 2004 leidet nicht an einem inneren Ermessensfehler. Sie entspricht dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. § 73 Abs. 1 Satz 2 BBG setzt voraus, dass der Beamte dem Dienst nicht unentschuldigt fernbleibt, wenn er dienstunfähig ist (vgl. z.B. Beschluss vom 26. Februar 2003 – BVerwG 1 DB 1.03 – Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 25), und dass dem Beamten eine formelle Beweislast für seine Dienstunfähigkeit obliegt. Es reicht nicht aus, dass der Beamte dienstunfähig erkrankt ist. Vielmehr eröffnet § 73 BBG dem Dienstherrn die Möglichkeit, sich der Dienstunfähigkeit infolge Krankheit durch einen Nachweis zu vergewissern, da die einfache Mitteilung des Beamten nicht die erforderliche Überzeugungskraft haben muss. Der Dienstherr bestimmt selbst, welche Mittel erforderlich sind, um eine Dienstunfähigkeit glaubhaft zu machen. Ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis darf er jedenfalls dann fordern, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Angaben des Beamten selbst oder dass die von ihm vorgelegten Nachweise – insbesondere eine privatärztliche Bescheinigung – nicht geeignet sind, die Dienstunfähigkeit nachzuweisen.
Nach ständiger Rechtsprechung kommt der amtsärztlichen Beurteilung der Dienstfähigkeit in der Regel ein höherer Beweiswert zu als einer privatärztlichen Bescheinigung. Der Amtsarzt ist verpflichtet, seine Feststellungen nur unter ärztlichen Gesichtspunkten, wahrheitsgemäß und unparteiisch zu treffen. Neben dem speziellen Sachverstand bei der Beurteilung dienstlicher Anforderungen verleiht diese Neutralität und Unabhängigkeit der Beurteilung durch den Amtsarzt ein höheres Gewicht (vgl. Beschluss vom 17. November 1998 – BVerwG 1 DB 14.98 – juris m.w.N.; Beschluss vom 8. März 2001 – BVerwG 1 DB 8.01 – Buchholz 235 § 121 BDO Nr. 15).
Es ist nicht erkennbar, dass der angegriffenen Anordnung von dem Erkenntnisgewinn losgelöste, unlautere Motive zugrunde gelegen haben und sie deshalb ermessensfehlerhaft gewesen sein könnte. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass sie seit dem Dienstunfall vom 10. September 2001 einer Reihe von Anfeindungen und Schikanen ihrer Vorgesetzten und Kollegen ausgesetzt gewesen sei. Ebenso wenig wie diese innerbetrieblichen Störungen es rechtfertigen könnten, dass die Klägerin dem Dienst ferngeblieben ist, wären sie geeignet, eine amtsärztliche Untersuchung zu veranlassen. Indessen bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die angefochtene Maßnahme aufgrund derartiger sachwidriger Erwägungen getroffen hat.
Dass die Beklagte von der Klägerin für alle Krankheitsfälle ab dem ersten Tage des Fernbleibens vom Dienst eine amtsärztliche Bescheinigung verlangt, ist ebenfalls nicht ermessensfehlerhaft. Damit werden die Grenzen des durch § 73 Abs. 1 BBG vorgezeichneten Ermessens nicht überschritten. Die amtsärztliche Feststellung ist ein geeigneter und nicht durch ein weniger beeinträchtigendes Mittel ersetzbarer Nachweis, durch den dem Verdacht begegnet werden kann, dass die Klägerin aus anderen Gründen als der Dienstunfähigkeit dem Dienst fernbleibt.
Die Verpflichtung, die Dienstunfähigkeit ab dem ersten Tage des Fernbleibens vom Dienst durch den Amtsarzt festzustellen lassen, ist nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar. Zwar ist für die Klägerin die Fahrt zu dem Gesundheitsamt in B… deutlich weiter als zu der Fachärztin, die die Klägerin früher als ihre Privatärztin aufgesucht hatte. Daraus ergibt sich jedoch noch nicht die Unverhältnismäßigkeit der auferlegten Nachweispflicht. Die Feststellungen eines Privatarztes und eines Amtsarztes sind keine gleichwertigen und deshalb “austauschbaren” Beweismittel. Ein Vergleich der Länge des jeweils notwendigen Weges vermag deshalb nicht die Unverhältnismäßigkeit der angefochtenen Maßnahme zu begründen. Dass die Fahrt zu dem Amtsarzt für die Klägerin zeitaufwändiger und beschwerlicher ist, führt nicht dazu, dass die Zweck-Mittel-Relation unangemessen erscheint. Zudem hat die Klägerin bei der Wahl ihres späteren Hausarztes in Grünwald deutlich zu erkennen gegeben, dass ihr Wege zum Arzt mit einer Länge von über 20 km auch im Falle von Dienstunfähigkeit durchaus zuzumuten sind.
Die angegriffene Maßnahme ist mit höherrangigem Recht, namentlich dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 GG und dem durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit vereinbar.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Bayer
Fundstellen