Orientierungssatz
(Zur Mitbestimmung bei der Einführung von Schreibprämien - PersVG BW § 79 Abs 1 Nr 5)
1. Bei der Einführung von Schreibprämien - als abstrakt-genereller Regelung - steht dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht zu.
2. Der Begriff des "leistungsbezogenen Entgelts" erfaßt auch Leistungsprämien an Angestellte.
Normenkette
PersVG BW § 79 Abs. 1 Nr. 5 Fassung 1975-10-01
Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Entscheidung vom 11.03.1980; Aktenzeichen XIII 3155/78) |
VG Stuttgart (Entscheidung vom 02.08.1978; Aktenzeichen PVS 9/78) |
Tatbestand
I.
Nach vorausgegangener Ankündigung führte der Beteiligte mit Anordnung vom 19. Dezember 1977 die Richtlinien der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände über Schreibprämien für Angestellte in organisatorisch zusammengefaßten Schreibdiensten (Prämienrichtlinien der VKA für den Schreibdienst) vom 5. Oktober 1977 für die Schreibkräfte im zentralen Schreibdienst ein. Ein zentraler Schreibdienst besteht nur bei der Dienststelle S; die Einrichtung zentraler Schreibdienste bei den anderen Dienststellen des Landeswohlfahrtsverbandes ist nicht vorgesehen.
Die Richtlinien bestimmen, daß die Schreibprämie, die nach der monatlichen durchschnittlichen Tagesleistung berechnet wird, für je volle 1.000 Anschläge
bis zu 36.000 Anschläge 0,00 DM,
über 36.000 bis zu 70.000 Anschläge 0,50 DM,
über 70.000 Anschläge 0,30 DM
beträgt.
Der Antragsteller hat gegenüber dem Beteiligten die Mitbestimmung an dieser Regelung begehrt, die dieser abgelehnt hat.
In dem daraufhin eingeleiteten Beschlußverfahren hat der Antragsteller die Feststellung begehrt,
daß ihm bei der Einführung der Schreibprämien im
zentralen Schreibdienst ein Mitbestimmungsrecht zustehe,
hilfsweise, daß ihm bei den die Angestellten betreffenden
Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle
ein Mitbestimmungsrecht zustehe.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat der Verwaltungsgerichtshof den Beschluß geändert und festgestellt, daß dem Antragsteller bei Einführung der Prämienrichtlinien im zentralen Schreibdienst ein Mitbestimmungsrecht zugestanden habe. In der Begründung heißt es: Die Einführung falle unter den Mitbestimmungstatbestand der Festsetzung von mit Akkord- und Prämiensätzen vergleichbaren leistungsbezogenen Entgelten, einschließlich der Geldfaktoren, in § 79 Abs. 1 Nr. 5 des Landespersonalvertretungsgesetzes (LPVG). Aus der Gesamtfassung der Vorschrift sei zu schließen, daß der Gesetzgeber nicht nur bei der Festsetzung leistungsbezogener Lohnbestandteile von Arbeitern, sondern auch bei der Festsetzung vergleichbarer leistungsbezogener Entgeltanteile von Angestellten ein Mitbestimmungsrecht habe einräumen wollen.
Der Beteiligte hat die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er die Wiederherstellung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erstrebt.
Er rügt Verletzung materiellen Rechts.
Der Antragsteller beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Der angefochtene Beschluß hat mit zutreffender Begründung das Mitbestimmungsrecht des antragstellenden Personalrats an der Einführung von Schreibprämien für Angestellte im zentralen Schreibdienst bejaht.
Diese Maßnahme des Beteiligten erfüllt den zweiten Tatbestand des § 79 Abs. 1 Nr. 5 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Baden-Württemberg (Landespersonalvertretungsgesetz - LPVG -) in der Fassung vom 1. Oktober 1975 (GBl. S. 693), nach dem die Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte einschließlich der Geldfaktoren der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, sofern nicht der Gesetzes- oder Tarifvorrang des § 79 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 eingreift. Ein solcher Vorrang besteht, wie der Verwaltungsgerichtshof festgestellt hat, bei den Schreibprämien für Angestellte in organisatorisch zusammengefaßten Schreibdiensten nicht.
Der Meinung des Beteiligten, die Einführung der Schreibprämien erfülle auch den ersten Tatbestand des § 79 Abs. 1 Nr. 5 LPVG, weil es sich um eine Frage der Lohngestaltung handele, kann der Senat nicht zustimmen. Der Beteiligte beruft sich zur Begründung seiner Auffassung auf den Beschluß des Senats vom 20. März 1980 - BVerwG 6 P 72.78 - (BVerwGE 60, 93), in dem ausgeführt ist, die unter dem Oberbegriff "Fragen der Lohngestaltung" genannten Entlohnungsgrundsätze seien die Regeln, nach denen der Lohn bestimmt werden soll mit Ausnahme der Lohnhöhe, so z.B. der Übergang vom Zeit- zum Akkordlohn und umgekehrt oder die Einführung und Ausgestaltung von Prämienlöhnen (a.a.O. S. 97; siehe auch Beschluß des Senats vom 26. Juli 1979 - BVerwG 6 P 44.78 - (Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 11)). Der Beteiligte verkennt jedoch, daß es im vorliegenden Fall nicht um eine andere Bemessung des Lohnes oder der Vergütung geht, sondern um eine nach der Leistung bemessene Zulage (Prämie), die zu der hinsichtlich ihrer Bemessung unverändert weitergewährten Vergütung gezahlt wird. Da dieser Mitbestimmungstatbestand ausscheidet, kann auch die Frage offenbleiben, ob er - wie das Bundesverwaltungsgericht zu § 67 Abs. 1 Buchst. f des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes vom 18. Oktober 1957 (GVBl. S. 473) - HmbPersVG - ausgeführt hat (Beschluß vom 17. Januar 1969 - BVerwG 7 P 9.67 - (PersV 1969, 179)) - nur auf die Entlohnung von Arbeitern Anwendung findet.
Hingegen ist der zweite Tatbestand des § 79 Abs. 1 Nr. 5 erfüllt. Er befaßt sich mit der Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze sowie vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte. Wenn auch das Akkord- und Prämienlohnsystem bei Angestellten im öffentlichen Dienst ausscheidet, so läßt jedoch die Einbeziehung vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte erkennen, daß der Gesetzgeber der Vorschrift eine über die Entlohnung der Arbeiter hinausgehende Bedeutung gegeben hat. Das läßt sich insbesondere der Verwendung des Wortes "Entgelt" entnehmen, weil der Gesetzgeber es, wie § 79 Abs. 1 Nr. 2 LPVG (Arbeitsentgelte) zeigt, als Sammelbegriff für Vergütung und Lohn der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst verwendet und es den Dienstbezügen der Beamten gegenüberstellt.
Der Mitbestimmungstatbestand des § 79 Abs. 1 Nr. 5, 2. Alternative LPVG setzt auch nicht voraus, daß der gesamte Lohn oder die gesamte Vergütung (von einer Mindestarbeitsentgeltgarantie abgesehen) leistungsbemessen ist, sondern greift auch dann ein, wenn zu dem Zeitlohn der Arbeiter oder zu der Vergütung der Angestellten ein mit Akkord- und Prämiensätzen vergleichbares leistungsbezogenes Entgelt in Form einer Zulage gewährt wird. Jedoch erstreckt sich die Beteiligung des Personalrats nach dieser Vorschrift nicht, wie der Senat bereits im Beschluß vom 26. Juli 1979 - BVerwG 6 P 44.78 - (Buchholz a.a.O.) ausgeführt hat, auf die Festsetzung des leistungsbezogenen Entgelts in den einzelnen Fällen, sondern auf die abstrakt-generelle Regelung, nämlich auf die Festsetzung des leistungsbezogenen Entgeltsatzes, der als Grundlage für den individuellen Prämienanspruch dient. Darum handelt es sich auch im vorliegenden Falle.
Mit der Einführung der Richtlinien der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände über Schreibprämien für Angestellte in organisatorisch zusammengefaßten Schreibdiensten (Prämienrichtlinien der VKA für den Schreibdienst) vom 5. Oktober 1977 hat der Beteiligte die abstrakt-generelle Regelung getroffen und den Entgeltsatz festgesetzt (siehe insbesondere § 4 dieser Richtlinien). Die Schreibprämie ist ein mit den Akkord- und Prämiensätzen vergleichbares leistungsbezogenes Entgelt. Das Wesen des Akkord- und Prämienlohnes besteht darin, daß sich die tatsächliche Arbeitsleistung unmittelbar und automatisch auf die Lohnhöhe auswirkt. Die Schreibprämie wird unmittelbar und automatisch erworben, wenn die Zahl von 36.000 Anschlägen überschritten wird. Damit handelt es sich um eine echte Leistungszulage, weil sie unmittelbar an das Arbeitsergebnis anknüpft.
Der Mitbestimmung steht auch nicht entgegen, daß es sich bei dieser Festsetzung insbesondere durch die Einbeziehung des Geldfaktors um eine materielle Arbeitsbedingung handelt. Die noch im Beschluß vom 26. Juli 1979 - BVerwG 6 P 44.78 - (Buchholz a.a.O.) offengelassene Frage, ob die bisherige Unterscheidung zwischen den formellen Arbeitsbedingungen - nur bei ihnen besteht eine Mitbestimmung - und den materiellen Arbeitsbedingungen - bei ihnen besteht grundsätzlich keine Mitbestimmung - hinfällig geworden ist (siehe dazu Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Januar 1969 - BVerwG 7 P 9.67 - (PersV 1969, 179)), hat der Senat im Beschluß vom 20. März 1980 - BVerwG 6 P 72.78 - (BVerwGE 60, 93) dahin beantwortet, daß der Mitbestimmung bei Fragen der Lohngestaltung weiterhin die Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Arbeitsbedingungen zugrunde liegt und daß sie nur bei den leistungsbezogenen Entgelten durch die Einbeziehung des Geldfaktors auch eine materielle Arbeitsbedingung erfaßt. Die Mitbestimmung soll hier eine angemessene Berechnungsgrundlage der Vergütung sicherstellen, damit der Beschäftigte nicht zu einem Raubbau seiner Kräfte genötigt wird.
Entgegen der Auffassung des Beteiligten bestand für den Verwaltungsgerichtshof kein Anlaß zu prüfen, ob das Arbeitsentgelt - hier: die Schreibprämie - üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt wird. Diese Frage ist nach § 79 Abs. 2 LPVG nur für den Abschluß von Dienstvereinbarungen bedeutsam, die nicht über Gegenstände abgeschlossen werden sollen, deren Regelung tarifüblich ist. Damit wird sichergestellt, daß die Personalvertretung durch den Abschluß von Dienstvereinbarungen nicht in die Tarifautonomie eingreifen kann. Für das Mitbestimmungsrecht gilt diese Sperre nicht; es wird nur durch das Bestehen einer tariflichen Regelung ausgeschlossen.
Zugleich zeigt sich hier, daß der Gesetzgeber bei der Einbeziehung materieller Arbeitsbedingungen hinsichtlich der leistungsbezogenen Entgelte den Schutz der Arbeitnehmer vor Raubbau in jedem Falle sicherstellen wollte. Führt der Arbeitgeber von sich aus ein leistungsbezogenes Entgelt ein, stellt die Mitbestimmung des Personalrats diesen Schutz sicher. Bei Tarifverträgen wird er durch die Gewerkschaften wahrgenommen.
Damit erweist sich die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs als unbegründet.
Fundstellen
DB 1983, 1877-1878 (ST) |
Buchholz 238.31 § 79 PersVG BW, Nr 3 (ST) |
ZBR 1984, 54-54 (S) |
PersV 1983, 506-507 (ST) |
RiA 1983, 132-133 (ST) |