Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 26.09.2002; Aktenzeichen 1 K 11/00) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. September 2002 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Rüge, das angefochtene Urteil weiche von dem Beschluss des Senats vom 17. Dezember 1998 (– BVerwG 4 NB 4.97 –, NVwZ 1999, 984 ff.) ab, geht fehl. Die Entscheidungen enthalten keine miteinander unvereinbaren Rechtssätze. Zwar lässt sich dem zitierten Senatsbeschluss die Aussage entnehmen, § 9 Abs. 1 Nr. 18 BauGB rechtfertige es nicht, im Bebauungsplan von j e g l i c h e r Bebauung freizuhaltende Flächen festzusetzen. Jedoch behauptet auch das Normenkontrollgericht nichts Gegenteiliges, sondern macht sich durch die Bezugnahme auf Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl., § 9 Rn. 64 f., deren Aussage zu Eigen, durch eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 BauGB werde die Zulassung solcher Vorhaben nicht ausgeschlossen, die im Falle des Buchstabens a der Landwirtschaft oder im Falle des Buchstabens b dem Wald dienen. Dies entspricht im Übrigen dem Willen des Rates der Antragsgegnerin, der nicht beabsichtigte, sämtliche Vorhaben zu verbieten, sondern es bei der Anwendbarkeit des § 35 BauGB belassen wollte, „jedoch unter Berücksichtigung der B-Planfestsetzungen” (s. Nr. 3 der Begründung zum Bebauungsplan, S. 4).
2. Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt
ebenfalls nicht vor. Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, ob „eine Fläche für Wald nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB nur aus land- oder forstwirtschaftlichen, also städtebaulichen Gründen, oder auch allein aus Umweltgesichtspunkten festgesetzt werden” darf, unterstellt, dass „land- und forstwirtschaftliche Gründe” städtebauliche Gründe sind, „Umweltgesichtspunkte” dagegen nicht zum Städtebaurecht gehören. Das ist unzutreffend. Die Formulierung des § 9 Abs. 1 BauGB, dass im Bebauungsplan (nur) „aus städtebaulichen Gründen” festgesetzt werden könne, knüpft an § 1 Abs. 3 BauGB an, in dem die „städtebauliche Entwicklung und Ordnung” als Rechtfertigung, aber auch als Grenze der gemeindlichen Planungsbefugnis genannt werden (vgl. Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, § 9 Rn 8). „Städtebauliche Gründe” sind somit Gründe, die sich auf die Entwicklung und Ordnung des Gemeindegebiets beziehen und den in § 1 Abs. 5 BauGB aufgeführten Zwecken dienen. Die Förderung der – in § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 BauGB genannten – Land- und Forstwirtschaft durch bauplanerische Festsetzungen kann deshalb ebenso auf städtebaulichen Gründen beruhen wie die Berücksichtigung des – in § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 BauGB genannten – Umweltschutzes bei der Festsetzung von Wald. Dass das Städtebaurecht auch für landespflegerische Zwecke einsetzbar ist – beispielsweise mittels Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b (Wald) oder Nr. 20 (Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft) BauGB –, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. z.B. Beschluss vom 27. Juli 1990 – BVerwG 4 B 156.89 – Buchholz 406.11 § 17 BauGB Nr. 4; Beschluss vom 12. Februar 2003 – BVerwG 4 BN 9.03 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Ferner nötigt die Frage, ob in einem Bebauungsplan durch eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. b BauGB jegliche Bebauung ausgeschlossen werden darf, ohne dass dieser generelle Ausschluss und die sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 BauGB ergebenden Folgen Gegenstand der planerischen Abwägung waren, unabhängig von ihrer Entscheidungserheblichkeit nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision. Zu ihr lässt sich unter Rückgriff auf das Gesetz und die dazu ergangene Rechtsprechung Stellung nehmen, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Die Entschädigungsfolge des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 BauGB ist nur in den Blick zu nehmen, wenn im Bebauungsplan von der Bebauung freizuhaltende Flächen festgesetzt sind. Wie bereits zur Divergenzrüge ausgeführt ist, ermächtigt § 9 Abs. 1 Nr. 18 BauGB nicht dazu, im Bebauungsplan von jeglicher Bebauung freizuhaltende Flächen festzusetzen. Rechtsgrundlage dafür ist vielmehr § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB. Ob eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 BauGB als eine solche nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB zu werten ist, ist eine Auslegungsfrage. Wird sie bejaht, ist weiter zu prüfen, ob die Festsetzung mit diesem Regelungsgegenstand auch Gegenstand der Abwägung war. Insoweit kann es auch darauf ankommen, ob der Planungsträger mit der Festsetzung von Bebauung freizuhaltender Flächen auch die sich aus § 40 BauGB ergebenden Folgen – insbesondere die Möglichkeit, einem Übernahmeanspruch nach § 40 Abs. 2 Satz 1 BauGB ausgesetzt zu sein – zumindest hat in Kauf nehmen wollen, oder ob er die formal auf § 9 Abs. 1 Nr. 18 BauGB gestützte Festsetzung nur für den Fall getroffen hat, dass allenfalls Entschädigungsansprüche nach § 42 BauGB in Betracht kommen könnten (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 1998, a.a.O.).
3. Zu Unrecht beruft sich die Beschwerde schließlich auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, indem sie dem Normenkontrollgericht eine Verletzung des verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) vorhält. Ihre Verfahrensrüge genügt nicht den Erfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde legt nicht dar, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem Normenkontrollgericht auf die Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich der Vorinstanz die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1986 – BVerwG 8 C 10.84 – BVerwGE 74, 222 ≪223≫). Ein lediglich schriftsätzlich angekündigter Beweisantrag genügt den letztgenannten Anforderungen nicht (BVerwG, Beschluss vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).
Die Beschwerde lässt überdies außer Acht, dass die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, vom materiellrechtlichen Standpunkt des Vorderrichters aus zu beurteilen ist, selbst wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – BVerwG 11 B 150.95 – Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1). Sie zeigt nicht in der durch § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise auf, dass das Normenkontrollgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung gehalten war, der Frage der Bedeutung des Breedenmoores für die Bevölkerung N…s und H…s im Wege der Beweisaufnahme nachzugehen. Das Normenkontrollgericht hat die Vereinbarkeit des Bebauungsplans mit § 1 Abs. 6 BauGB auf die Erwägung gestützt, der vorgesehene Wald werde seinen Zweck erfüllen, Erholungssuchende vor den vom Autobahnverkehr ausgehenden Immissionen zu schützen und das Landschaftsbild und den Naturgenuss, die gegenwärtig durch die Autobahn erheblich beeinträchtigt würden, deutlich zu verbessern. Auf das Einzugsgebiet des Waldes kam es dem Normenkontrollgericht nicht an. Es hatte daher auch keine Veranlassung zu dessen Ermittlung.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO und die Streitwertentscheidung auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Im Hinblick auf den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 4. Februar 2003, mit dem die Übersendung der Beschwerdebegründung erbeten wird, ist in gebührenrechtlicher Hinsicht auf Folgendes hinzuweisen:
Die getroffene Kostenentscheidung verschafft der Antragsgegnerin einen Kostentitel. Daraus ergibt sich noch nicht, dass die Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin – soweit es das Beschwerdeverfahren betrifft – im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO notwendig war. Das erfordert eine eigene Beurteilung. Hierzu ist zu bemerken: Im Regelfall ist es nicht erforderlich, dass ein Beschwerdegegner bereits die gerichtlich verfügte, zum Zweck der Kenntnisnahme erfolgte Übersendung einer Beschwerde, in der die Begründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten wird, zum Anlass nimmt, einen Rechtsanwalt durch Prozessvollmacht mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen. Vorinstanz und Bundesverwaltungsgericht prüfen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2, § 133 Abs. 3 VwGO von Amts wegen. In diesem Stadium werden andere Verfahrensbeteiligte nicht angehört. Dafür besteht kein Anlass, wenn bereits das Vorbringen der Beschwerde ohne weiteres deren Erfolglosigkeit ergibt. Vor einer gerichtlich veranlassten Anhörung stellt es deshalb für die übrigen Verfahrensbeteiligten im Allgemeinen keine nahe liegende oder gar angemessene Rechtsverfolgung dar, sich schon in diesem Stadium des Verfahrens anwaltlichen Beistandes zu bedienen. Sie brauchen nicht zu unterstellen, vor ihrer Anhörung werde zu ihrem Nachteil entschieden und die Revision zugelassen. Ob Ausnahmen bei erkennbarer Eilbedürftigkeit durch eine vorbeugende „Schutzschrift” denkbar sind, bedarf keiner näheren Erörterung. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Zwar ist keiner der anderen Verfahrensbeteiligten gehindert, sich bereits vor Anhörung anwaltlicher Hilfe zu versichern und im Beschwerdeverfahren Anträge zu stellen oder Ausführungen zur Sache zu machen. Derartiges haben die Gerichte auch zur Kenntnis zu nehmen. Das ändert aber nichts daran, dass eine entsprechende Rechtsverfolgung in diesem Stadium regelmäßig unnötig ist. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn – wie hier – irgendwelche Ausführungen, welche die Erörterung des Streitstoffes fördern könnten, unterblieben sind und mangels Kenntnis der Beschwerdebegründung auch kaum förderlich wären. Da über die Beschwerde von Amts wegen zu entscheiden ist, reduziert sich die Ankündigung einer Beschwerdeerwiderung letztlich auf den Hinweis, dass der andere Verfahrensbeteiligte im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertreten ist und im Fall einer Anhörung dem Anwalt als Prozessbevollmächtigtem zugestellt werden kann. Indes gehört die Zustellungserklärung ohnehin nach § 37 Nr. 7 BRAGO zum vorinstanzlichen Rechtszug und lässt daher einen zusätzlichen Gebührentatbestand nicht entstehen. Im vorliegenden Verfahren musste nicht einmal diese Erklärung abgegeben werden, da der Beschwerdegegner bereits im vorinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertreten war, die erteilte Prozessvollmacht insoweit auch für das Beschwerdeverfahren die Zustellungsbevollmächtigung nach § 67 Abs. 3 Satz 3 VwGO begründete und der Beschwerdegegner einen Wechsel der Prozessbevollmächtigung nicht vornahm. Es ist Sinn der raschen Entscheidung des beschließenden Senats, im Interesse des jeweiligen Beschwerdeführers weitere, von der Sache her nicht veranlasste Kosten nach Möglichkeit zu vermeiden (stRspr; z.B. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 – BVerwG 4 B 1.95 – Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 29 und Beschluss vom 19. Juni 2002 – BVerwG 4 BN 36.02 – n.v.). Deshalb hat der Senat auch davon Abstand genommen, der im Schriftsatz vom 4. Februar 2003 geäußerten Bitte der Antragsgegnerin um Übersendung der Beschwerdebegründung nachzukommen und ihr Gelegenheit zur Beschwerdeerwiderung zu geben.
Unterschriften
Lemmel, Halama, Gatz
Fundstellen
Haufe-Index 929206 |
NuR 2004, 310 |