Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 17.02.2014; Aktenzeichen 5 S 1667/12) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die allein auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Die Beschwerde verfehlt bereits die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Der Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 unter Bezugnahme auf Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫). Daran fehlt es hier. Die Beschwerde lässt zwar erkennen, dass es ihr um die „Klagebefugnis einer Gemeinde hinsichtlich eines belastenden Verwaltungsakts zu Lasten eines Bürgers der Gemeinde” geht. Sie möchte ein Überdenken der bisherigen Rechtsprechung anstoßen, wonach eine Verletzung der Planungshoheit einer Gemeinde in einem Baugenehmigungsverfahren nur dann möglich ist, wenn die Gemeinde ihr nach § 36 BauGB erforderliches Einvernehmen versagt, die Bauaufsichtsbehörde die beantragte Baugenehmigung aber gleichwohl erteilt hat, nicht hingegen im umgekehrten Fall, in dem die Gemeinde ihr Einvernehmen erteilt, die Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung jedoch versagt hat. Eine genau formulierte, auf den konkreten Fall bezogene Rechtsfrage fehlt indes.
Nur ergänzend sei deshalb angemerkt, dass die Revision selbst dann nicht zuzulassen wäre, wenn man zugunsten der Beschwerde eine hinreichend genau formulierte Rechtsfrage unterstellte, etwa des Inhalts, dass geklärt werden soll, ob eine Gemeinde – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Senats – im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO eine eigene Rechtsverletzung auch dann geltend machen kann, wenn sie ihr nach § 36 BauGB erforderliches Einvernehmen erteilt, die Bauaufsichtsbehörde die beantragte Baugenehmigung jedoch versagt hat. Diese Frage wäre nicht entscheidungserheblich, weil für die angegriffene Entscheidung nicht tragend. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) wird – wie die Beschwerde selbst einräumt – durch einfachgesetzliche Rechtsnormen konkretisiert und ausgestaltet. Im Rahmen der Vorschriften über die bauplanungs-rechtliche Zulässigkeit von Vorhaben (§§ 29 ff. BauGB) sichert § 36 BauGB die Planungshoheit der Gemeinden (so bereits Urteil vom 19. November 1965 – BVerwG 4 C 184.65 – BVerwGE 22, 342 ≪343≫; vgl. auch Beschluss vom 11. August 2008 – BVerwG 4 B 25.08 – Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 59 S. 1 ≪LS≫). Das in § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB näher geregelte Einvernehmenserfordernis knüpft tatbestandlich an die Entscheidung über die „Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB” an. Hierum geht es vorliegend nicht. Gegenstand der angegriffenen Entscheidung ist eine bauaufsichtliche Abbruchanordnung, die die Beklagte als zuständige Bauaufsichtsbehörde auf landesrechtlicher Grundlage (§ 65 LBO BW) gegenüber einem Gemeindebürger der Klägerin erlassen hat. § 36 BauGB findet hierauf keine Anwendung, wie sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift unzweifelhaft ergibt (Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 7. Aufl. 2013, § 36 Rn. 12). Soweit die Beschwerde Bauplanungsrecht (§ 31 Abs. 2, § 36 BauGB) gleichwohl berührt sieht, weil die bauordnungsrechtliche Rechtsgrundlage tatbestandlich auch an bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsfragen anknüpft, führt dieser Gedanke vorliegend schon deshalb nicht weiter, weil das Baugenehmigungsverfahren (zur nachträglichen Legalisierung des illegal errichteten Gartenhauses) nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 9) rechtskräftig abgeschlossen worden und die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens damit bestandskräftig festgestellt ist.
Abgesehen davon wäre die Frage auch nicht klärungsbedürftig. Die Beschwerde räumt selbst ein, dass die sich aus § 36 BauGB ergebenden subjektiven Rechtspositionen der Gemeinde in der Rechtsprechung des Senats geklärt sind: Entscheidet die Bauaufsichtsbehörde im Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens ohne Beteiligung der Gemeinde, führt allein die Missachtung des gesetzlich gewährleisteten Rechts der Gemeinde auf Beteiligung auf deren Klage zur Aufhebung der Baugenehmigung (Beschluss vom 11. August 2008 a.a.O. Rn. 4 f.). Ist das Beteiligungsrecht der Gemeinde nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB verletzt, weil ein Baugenehmigungsverfahren, das unter Beteiligung der Gemeinde hätte durchgeführt werden müssen, rechtswidrig unterblieben ist, hat der Senat (Urteil vom 12. Dezember 1991 – BVerwG 4 C 31.89 – Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 46 S. 10 ≪LS≫) der Gemeinde überdies einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung ihres Antrags auf Anordnung der Beseitigung des Vorhabens zugebilligt. Das Beteiligungsrecht der Gemeinde ist schließlich verletzt, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung für ein Vorhaben erteilt, zu dem die Gemeinde ihr Einvernehmen versagt hat (Urteil vom 10. August 1988 – BVerwG 4 C 20.84 – Buchholz 406.11 § 36 BBauG/ BauGB Nr. 40 S. 3 ≪4≫ m.w.N.), sofern das Einvernehmen nicht ersetzt wird oder als erteilt gilt (§ 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Demgegenüber ist die Bauaufsichtsbehörde durch die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nicht gehindert, die beantragte Baugenehmigung zu versagen (Beschluss vom 16. Dezember 1969 – BVerwG 4 B 121.69 – Buchholz 406.11 § 2 BBauG Nr. 4 S. 1 ≪LS≫). Die gegenteilige Ansicht wäre schon mit dem Begriff des Einvernehmens nicht in Einklang zu bringen; sie widerspräche der in § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB geforderten Willensübereinstimmung zwischen Gemeinde und Bauaufsichtsbehörde als Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung, die einem „Zwei-Schlüssel-Prinzip” gleicht (Jäde, a.a.O. § 36 Rn. 49 f.). Infolgedessen kann die Gemeinde im Fall der Einvernehmenserteilung auch nicht in eigenen Rechten verletzt sein. Soweit die Beschwerde unabhängig von § 36 BauGB eine „grundrechtsintendierte” Auslegung des § 42 Abs. 2 VwGO für geboten hält, gibt dies schon deshalb keinen Anlass, die dargestellte ständige Rechtsprechung des Senats zu überdenken, weil sich die Beschwerde insoweit nicht mit den Gründen der bisherigen Rechtsprechung auseinandersetzt (zu diesem Erfordernis Beschluss vom 27. August 1997 – BVerwG 1 B 145.97 – Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 67). Der abstrakte Hinweis auf verfassungsrechtliche Gewährleistungen (Planungshoheit, Finanzhoheit) und gesetzgeberische Zielsetzungen (Verhinderung von Popularklagen) genügt hierfür nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Gatz, Petz, Dr. Decker
Fundstellen
Haufe-Index 7253887 |
UPR 2014, 458 |
FSt 2015, 303 |