Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 18.07.2013; Aktenzeichen 22 B 12.1741) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen der behaupteten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerde nicht. Sie behauptet zwar, dass das angegriffene Urteil von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2001 – BVerwG 4 C 3.01 – (Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 350) und vom 21. April 2009 – BVerwG 4 C 3.08 – (BVerwGE 133, 347) abweiche. Die Beschwerde benennt aber keinen abstrakten Rechtssatz in der angegriffenen Entscheidung, mit dem das Berufungsgericht dem Senat die Gefolgschaft versagt hat. Sie kritisiert lediglich, dass der Verwaltungsgerichtshof aus den zitierten Urteilen unzutreffende Schlussfolgerungen gezogen bzw. diese auf den Sachverhalt falsch angewendet habe, und dass damit ein Verstoß gegen Bundesrecht bzw. gegen tragende Grundsätze der erwähnten Entscheidungen in Frage stehe. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist damit nicht dargetan.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
a) Für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,
ob eine im Außenbereich privilegierte Windenergieanlage mit Blick auf die entgegenstehenden Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB in Gestalt des Denkmalschutzes nur dann planungsrechtlich unzulässig ist, wenn ein Denkmal in besonders qualifizierter Weise (in Form einer grob unangemessenen Beeinträchtigung) beeinträchtigt wird,
dies jedenfalls dann, wenn sich die Windenergieanlage in einem im Regionalplan als „Vorbehaltsgebiet für die Nutzung der Windenergie” ausgewiesenen Gebiet befindet.
Die Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
Die Beschwerde versteht diese Grundsatzrüge ausdrücklich „nur alternativ” zur erhobenen Divergenzrüge. Im dortigen Zusammenhang weist sie jedoch zutreffend darauf hin, dass die Grundsätze, unter denen Belange des Denkmalschutzes nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB einem Außenbereichsvorhaben entgegenstehen können, in der Rechtsprechung des Senats geklärt sind: Geklärt ist zum einen, dass es bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Außenbereichsvorhabens nach § 35 Abs. 1 und 2 BauGB stets einer die gesetzlichen Vorgaben und Wertungen konkretisierenden nachvollziehenden Abwägung bedarf, ob die in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange dem Vorhaben entgegenstehen oder durch dieses beeinträchtigt werden, wobei „nachvollziehende Abwägung” einen gerichtlich uneingeschränkt überprüfbaren Vorgang der Rechtsanwendung meint, der eine auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung verlangt (vgl. Urteil vom 19. Juli 2001 – BVerwG 4 C 4.00 – BVerwGE 115, 17 ≪24≫ zur Rechtslage nach dem BauGB 1987; jüngst Urteil vom 27. Juni 2013 – BVerwG 4 C 1.12 – BVerwGE 147, 118 Rn. 6). Geklärt ist ferner, dass speziell die in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB genannten öffentlichen Belange des Denkmalschutzes zwar in der Regel – positiv wie negativ – durch das Denkmalrecht der Länder konkretisiert werden, die Regelung aber dennoch keine bloße Verweisung auf Landesrecht enthält, sondern eine bundesrechtlich eigenständige Anforderung formuliert, die – unbeschadet einer Konkretisierung durch Landesrecht – unmittelbar selbst eingreift, wo grobe Verstöße in Frage stehen; § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB gewährleistet ein Mindestmaß an bundesrechtlich eigenständigem, von landesrechtlicher Regelung unabhängigem Denkmalschutz, der im Verhältnis zu den denkmalrechtlichen Vorschriften des Landesrechts, die nach § 29 Abs. 2 BauGB unberührt bleiben, eine Auffangfunktion zukommt (Urteil vom 21. April 2009 – BVerwG 4 C 3.08 – BVerwGE 133, 347 Rn. 21).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich diese Rechtsprechung ausdrücklich zu eigen gemacht. Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Das gilt auch, soweit sie auf die „besondere abwägungserhebliche Bedeutung” der regionalplanerischen Ausweisung des Vorbehaltsgebiets für die Nutzung der Windenergie abhebt, im Zuge derer die denkmalschützerischen Belange angesprochen (abgewogen) worden seien. Auch insoweit verlangt die „nachvollziehende” Abwägung eine auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung (Urteil vom 19. Juli 2001 a.a.O.), bei der die Schutzwürdigkeit des betroffenen Belangs und dessen vorhabenbedingte Beeinträchtigung dem Interesse an der Realisierung des privilegierten Vorhabens gegenüberzustellen sind (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2013, § 35 Rn. 95). Dass hierbei auch Grundsätze oder sonstige Erfordernisse der Raumordnung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 ROG eine Rolle spielen können, steht außer Frage. Dass der Verwaltungsgerichtshof bei der gebotenen konkreten Gewichtsbestimmung weitere, in der Rechtsprechung des Senats noch nicht geklärte Annahmen zugrunde gelegt hätte, legt die Beschwerde nicht dar.
b) Hinsichtlich der von der Beschwerde ferner aufgeworfenen Frage,
ob das Denkmalrecht auch den Blick aus dem Denkmal heraus oder nur den Blick auf das Denkmal schützt,
fehlt es bereits an einer substantiierten Darlegung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) des behaupteten Klärungsbedarfs.
Die Beschwerde trägt vor, das Oberverwaltungsgericht Münster (Beschluss vom 12. Februar 2013 – 8 A 96/12 – juris) gehe davon aus, dass bei der Beurteilung, ob und in welchem Umfang ein Denkmal durch eine in der Umgebung geplante Windenergieanlage beeinträchtigt werden könne, allenfalls der Blick auf das Denkmal maßgeblich sei, nicht hingegen der Blick aus dem Denkmal. Dem stehe die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs diametral gegenüber, wonach sich eine erhebliche Beeinträchtigung des Denkmals aus der erheblichen Störung der besonders schützenswerten „Innen-Außen-Blickbeziehung” ergebe. Allein dieser Widerspruch indiziere die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage. Der behauptete Widerspruch liegt indes nicht vor, so dass er auch nicht als „Indiz” für die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage gewertet werden kann. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat sich in der zitierten Entscheidung (a.a.O. Rn. 20 ff., insb. Rn. 29) nämlich ausschließlich mit der Frage beschäftigt, ob das Vorhaben gegen (Landes-)Denkmalrecht verstößt; zu den bundesrechtlich geregelten Belangen des Denkmalschutzes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB enthält die Entscheidung keine Aussage.
c) Angesichts der mit Landesdenkmalrecht nicht deckungsgleichen Anforderungen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB lässt sich auch die von der Beschwerde abschließend aufgeworfene Frage,
ob bei der Beurteilung der Denkmalbeeinträchtigung maßgeblich auf diejenigen Gründe abzustellen ist, die zur Unterschutzstellung des Denkmals geführt haben und, falls ja, ob sich diese Gründe ausschließlich aus der Denkmalliste ergeben,
ohne weiteres in dem Sinne beantworten, dass die bundesrechtlichen Anforderungen des Denkmalschutzes einem privilegierten Außenbereichsvorhaben auch jenseits der für die Unterschutzstellung des Denkmals maßgeblichen Gründe und deren Eintragungen in die Denkmalliste entgegenstehen können.
3. Die behaupteten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind schon nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargetan.
Die Beschwerde macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe die Feststellungen des Landesamtes für Denkmalpflege einseitig übernommen. Das vom Verwaltungsgerichtshof angenommene denkmalgeschützte Erscheinungsbild des Ortes werde durch die im Urteil und in der Niederschrift des Augenscheins getroffenen Feststellungen nicht getragen. Die in den angefertigten Lichtbildern zu sehenden Störelemente führten insgesamt zu dem Schluss, dass von einer unberührten Dachlandschaft nicht die Rede sein könne. Folglich könne diese die Denkmäler auch nicht zu einem schützenswerten Gesamtbild zusammenfügen. Vor diesem Hintergrund erweise sich die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichtshofs, die geplante Windenergieanlage würde gegenüber den Denkmälern zur „städtebaulichen Dominante”, als schlicht willkürlich. Mit diesem Vortrag übt die Beschwerde der Sache nach ausschließlich Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung, die als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (Beschluss vom 2. November 1999 – BVerwG 4 BN 41.99 – juris Rn. 24 ≪insoweit nicht veröffentlicht in UPR 2000, 226≫). Gleiches gilt, soweit sich die Beschwerde gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs wendet, die geplante Windenergieanlage würde in das sich aus der „Götterstube” des Welserschlosses ergebende, bisher noch unbeeinträchtigte Blickfeld hineinragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Petz, Dr. Decker
Fundstellen
BauR 2014, 1975 |
ZfBR 2014, 773 |
BayVBl. 2014, 703 |