Leitsatz (amtlich)
Die Zwei-Monatsfrist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB beginnt erst mit Eintritt des Vorkaufsfalles, also mit Rechtswirksamkeit des Kaufvertrages zu laufen.
Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 14.11.2019; Aktenzeichen 1 A 1281/17) |
VG Chemnitz (Entscheidung vom 06.11.2017; Aktenzeichen 3 K 873/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. November 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 625 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg; sie ist jedenfalls unbegründet.
Rz. 2
Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91≫, vom 14. Oktober 2019 - 4 B 27.19 - ZfBR 2020, 173 Rn. 4 und vom 12. Mai 2020 - 4 BN 3.20 - juris Rn. 3). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung dazu beitragen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Einer Rechtsfrage kommt nicht schon deshalb grundsätzliche Bedeutung zu, weil zu ihr noch keine ausdrückliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt; auch in einem solchen Fall fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt (BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 2003 - 3 B 167.02 - juris Rn. 3 und vom 23. Januar 2003 - 4 B 79.02 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 114). So liegt es hier.
Rz. 3
Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf,
ob die Zwei-Monatsfrist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB für die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts bereits mit der Mitteilung des Inhalts des Kaufvertrages an die Gemeinde zu laufen beginnt oder ob darüber hinaus erforderlich ist, dass der Kaufvertrag wirksam ist.
Rz. 4
Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Zwei-Monatsfrist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der Mitteilung über das Zustandekommen eines wirksamen Kaufvertrages beginne. Ein wirksamer Kaufvertrag liege vor, wenn alle nach zivil- oder öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlichen Genehmigungen erteilt worden seien (UA Rn. 20). Das sei hier erst mit der Bekanntgabe des Bescheids vom 19. März 2012 über die sanierungsrechtliche Genehmigung der Fall gewesen, sodass das Vorkaufsrecht von der Beklagten rechtzeitig ausgeübt worden sei (UA Rn. 21).
Rz. 5
Es bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens um die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zu bestätigen. § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB verweist u.a. auf § 463 BGB, der die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts im Privatrecht regelt. In der Rechtsprechung zu § 463 BGB ist geklärt, dass das Entstehen des Rechts zur Ausübung des Vorkaufsrechts an das Zustandekommen eines rechtswirksamen Kaufvertrages geknüpft ist. Das ist erst dann der Fall, wenn auch die für die Wirksamkeit des Vertrages erforderlichen Genehmigungen erteilt sind. Bis zu diesem Zeitpunkt können Verkäufer und Käufer den Vertrag willkürlich aufheben und damit das Vorkaufsrecht gegenstandslos machen; denn der Vorkaufsberechtigte hat kein Recht auf den Eintritt des Vorkaufsfalles (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2010 - V ZR 173/09 - NJW 2010, 3774 Rn. 20; OLG Hamm, Urteil vom 18. Dezember 2017 - 22 U 19/16 - juris Rn. 31). Die Zwei-Monatsfrist des § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt daher erst mit der Wirksamkeit des Kaufvertrages zu laufen. Dass für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach den §§ 24 ff. BauGB Abweichendes gelten könnte, ist nicht ersichtlich und zeigt die Beschwerde nicht auf. Auch die Zwei-Monatsfrist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB beginnt mithin erst mit Eintritt des Vorkaufsfalles, also mit Rechtswirksamkeit des Kaufvertrages (allgemeine Meinung, vgl. etwa Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2020, § 28 Rn. 27; Grziwotz, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand Mai 2020, § 28 Rn. 22; Kronisch, in: Brügelmann, BauGB, Stand April 2020, § 28 Rn. 40; Jarass/Kment, BauGB, 2. Aufl. 2017, § 28 Rn. 2; Spieß, in: Jäde/Dirnberger, BauGB, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 12 i.V.m. Rn. 2; Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 28 Rn. 2; Paetow, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand April 2020, § 28 Rn. 10; Köster, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 28 Rn. 8; Wirsig/Beathalter, VBlBW 2019, 309 ≪313≫, jew. m.w.N.).
Rz. 6
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
BauR 2020, 1913 |
IBR 2020, 660 |
ZfIR 2020, 687 |
VR 2021, 72 |
ZfBR 2020, 853 |
UPR 2021, 66 |
BBB 2020, 60 |
FSt 2021, 279 |
GuG-aktuell 2020, 48 |
SächsVBl. 2021, 24 |