Leitsatz (amtlich)
1. Erfolglose Nichtzulassungsbeschwerde betreffend die disziplinargerichtliche Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen rechtsextremistischer und menschenverachtender Äußerungen sowie von Gewalt- und Tötungsfantasien eines Justizvollzugsbeamten in einem Telefongespräch mit einem Kollegen als Zufallsfund einer aus anderem Anlass durchgeführten Telefonüberwachung.
2. Ein Justizvollzugsbeamter ist in einem Zweig der Staatsverwaltung tätig, die sich durch eine besondere Form der staatlichen Gewaltausübung auszeichnet, weil es dem Staat in diesem Bereich ausnahmsweise und in besonders gravierender Weise gestattet ist, Menschen mit den Mitteln staatlicher, legaler Macht festzuhalten und in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken. Dies begründet zugleich eine Schutzpflicht des Staates gegenüber den in seinem Gewahrsam befindlichen Gefangenen und schließt es aus, dass Aufsichtspersonen mit Gewalt- oder Tötungsfantasien in einem Bereich tätig werden, in denen ihnen legale Gewaltausübung möglich ist.
3. Kommt ein Verwaltungsgericht zu der Erkenntnis, dass ein Verwaltungshandeln zu Unrecht auf die von der Behörde herangezogene Rechtsnorm gestützt ist, ist es gemäß bzw. entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO befugt und verpflichtet zu prüfen, ob und ggf. in welchem Umfang das Verwaltungshandeln mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann (stRspr).
4. § 49 BeamtStG enthält eine bereichsspezifische Spezialregelung über die Übermittlung von Entscheidungen und Tatsachen betreffend einen Beamten aus Strafverfahren an den Dienstherrn, damit dieser prüfen kann, ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind. § 49 Abs. 4 BeamtStG ist nicht auf die Übermittlungen von Tatsachen aus Strafverfahren beschränkt, die gegen Dritte eingeleitet worden sind.
5. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Ablehnung eines Beweisantrags, der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO in der mündlichen Verhandlung zu bescheiden ist, zugleich schriftlich zu begründen. Allerdings muss die Begründung für die Ablehnung zur Ermöglichung der Verfahrenskontrolle durch das Revisionsgericht aktenkundig sein. Soweit dies nicht durch Aufnahme der Begründung in die Sitzungsniederschrift geschieht, was sinnvoll erscheint, muss das Gericht daher seine Begründung für die Zurückweisung des Beweisantrags in den Entscheidungsgründen darlegen. Unterbleibt dies, liegt darin ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 19.12.2017; Aktenzeichen 28 A 1475/17.D) |
VG Wiesbaden (Urteil vom 19.04.2017; Aktenzeichen 28 K 350/14.WI.D) |
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde betrifft die disziplinargerichtliche Entfernung eines Justizvollzugsbeamten aus dem Beamtenverhältnis.
Rz. 2
1. Der geborene Beklagte steht als Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst im Dienst des klagenden Landes und war zuletzt - bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung im Oktober 2010 aus Anlass der gegen ihn geführten straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen - in der Justizvollzugsanstalt W. überwiegend im Stationsdienst (Wechselschichtdienst) eingesetzt.
Rz. 3
Im Jahr 2010 wurde im Rahmen eines gegen den Beklagten und dessen Kollegen K. geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie Bestechlichkeit bzw. Bestechung aufgrund amtsgerichtlicher Anordnung die Telekommunikation von einem Festnetz- und drei Mobiltelefonanschlüssen des Kollegen K. überwacht. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurde im Jahr 2011 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, ebenso ein weiteres wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt (u.a.) geführtes Ermittlungsverfahren.
Rz. 4
Im Zuge dieser Telefonüberwachung ermittelte die Staatsanwaltschaft u.a., dass der Beklagte in mehreren Telefonaten im Zeitraum August bis September 2010 mit seinem Kollegen K. rechtsextremistische und gewaltverherrlichende Äußerungen ausgetauscht hat. Die Staatsanwaltschaft übermittelte dem Kläger diese Erkenntnisse in Gestalt einer Abschrift der Telefonüberwachung mit dem Hinweis, dass sich aus ihr konkrete Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ergäben; es bestehe die Gefahr erheblicher verbaler und körperlicher Übergriffe zum Nachteil von Gefangenen, insbesondere zum Nachteil des in mehreren Telefonaten namentlich genannten Gefangenen G.
Rz. 5
Der Kläger hat daraufhin Disziplinarklage erhoben, mit der er dem Beklagten im Wesentlichen rechtsextremistische, verfassungsfeindliche und menschenverachtende Äußerungen vorwarf, die er zum einen in den Telefongesprächen mit seinem Kollegen K., zum anderen bei verschiedenen Begebenheiten während der Dienstausübung getätigt habe. Wegen der letztgenannten Anschuldigung hat das Verwaltungsgericht die Vorwürfe als in der Klageschrift nicht hinreichend konkret bezeichnet angesehen und die Disziplinarklage insoweit für unzulässig gehalten. Wegen der Äußerungen in den Telefonaten hat es den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 6
Dass die Telefongespräche, wie sie in der Disziplinarklageschrift wiedergegeben seien, stattgefunden hätten, sei unstreitig. Die durch die Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse seien - sowohl für den Dienstherrn wie nachfolgend für die Disziplinargerichte - auch verwertbar. Zu Unrecht rüge der Beklagte, dass die Staatsanwaltschaft diese Erkenntnisse ohne hinreichende Rechtsgrundlage dem Dienstherrn übermittelt habe. Zutreffende Rechtsgrundlage hierfür sei allerdings nicht die von der Staatsanwaltschaft angeführte Vorschrift des § 477 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 StPO, sondern § 49 Abs. 4 BeamtStG. Die Übermittlungsbefugnisse gemäß § 477 StPO seien nicht abschließend. Vielmehr blieben besondere gesetzliche Bestimmungen, die die Übermittlung von Daten aus Strafverfahren anordnen oder erlauben, gemäß § 480 StPO unberührt. Zu diesen Regelungen gehöre § 49 BeamtStG. Diese Vorschrift sei eine bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlage für die Übermittlung von Daten von Gerichten und Strafverfolgungsbehörden an den Dienstherrn, um diesem dienstrechtliche Maßnahmen gegen den Beamten zu ermöglichen.
Rz. 7
Die Voraussetzungen des § 49 Abs. 4 BeamtStG lägen vor. Zwar hätten die durch die Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse keinen Bezug zu den ursprünglich gegenüber dem Beklagten erhobenen strafrechtlichen Anschuldigungen, aber sie enthielten hinreichende Anhaltspunkte für gravierende Verletzungen von Dienstpflichten. Dass die Äußerungen im Rahmen von als vertraulich empfundenen Telefonaten des Beklagten mit seinem Kollegen K. getätigt und durch Art. 10 GG geschützt seien, sei unerheblich. Denn sie seien im Rahmen des Strafverfahrens rechtmäßig gewonnen worden und ihre anderweitige Verwendung diene der disziplinaren Ahndung des Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht. Ebenso unerheblich sei, dass es zu keiner strafrechtlichen Verurteilung des Beklagten wegen seiner Äußerungen betreffend gewalttätige oder verbale Übergriffe gegenüber dem Gefangenen G. gekommen sei.
Rz. 8
Dass die Staatsanwaltschaft die Weitergabe ihrer Erkenntnisse auf § 477 StPO gestützt habe, begründe keinen Fehler bei der nach § 49 Abs. 4 BeamtStG anzustellenden Ermessensausübung, weil das Ermessen auf Null reduziert gewesen sei. Aufgrund der Telefongespräche sei zu befürchten gewesen, dass es zu Übergriffen des Beklagten gegenüber Gefangenen bereits gekommen sei und weitere körperliche oder verbale Übergriffe jederzeit hätten erfolgen können, was ein unmittelbares dienstrechtliches Vorgehen notwendig gemacht habe.
Rz. 9
Der Beklagte habe ein schweres außerdienstliches Dienstvergehen begangen, durch das er das Vertrauen seines Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Er habe gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen. Hierzu gehörten insbesondere die Achtung vor den Menschenrechten und die Absage an Taten und Gedankengut des Nationalsozialismus. Hiergegen habe der Beklagte in seinen Telefongesprächen mit seinem Kollegen K. verstoßen. Beide Beamte hätten sich darin in rechtsextremistischer und Gewalt befürwortender Weise geäußert, indem sie wechselseitig Aussagen des jeweils anderen zustimmten, diese bestätigten, bekräftigten oder steigerten. So hätten die beiden Beamten mit der Aussage, dass, "wenn es KZ's gegeben habe", sie als "legitim und unabkommbar" anzusehen seien, zum Ausdruck gebracht, dass sie die physische Vernichtung der Juden durch das NS-Unrechtsregime befürworteten. Auch hätten sie den Holocaust mehrfach ausdrücklich geleugnet ("die ganze KZ-Scheiße" sei "alles Lug und Trug" und vom "Engländer... erfunden"). In weiteren Gewalt- und Tötungsfantasien hätten sich beide Beamte über Juden, über (während des Zweiten Weltkriegs zu vernichtende) Franzosen und Russen, über "Neger" und Pakistani sowie über Gefangene ihrer Justizvollzugsanstalt in einer mit dem Menschenbild des Grundgesetzes und den grundlegenden Prinzipien der Verfassung unvereinbaren Weise geäußert. In ihren Aussagen über "eine Säuberungsaktion in W. im Knast" und über reihenweise Erschießungen von Gefangenen "per Einzelschuss" hätten beide Beamte ihre Missachtung gegenüber dem rechtsstaatlichen Gewaltmonopol und dem System des Strafvollzugs zum Ausdruck gebracht sowie die Ausübung willkürlicher und extralegaler Gewalt befürwortet. Weitere Äußerungen über gewalttätige und sexualisierte Übergriffe bis hin zu Tötungsfantasien mit klarem Bezug zu ihren Dienstpflichten hätten sich konkret auf den Gefangenen G. bezogen.
Rz. 10
Der in diesen Gewalt- und Tötungsfantasien liegende Verstoß gegen die Treuepflicht wiege schwer. Der Beklagte habe auch schuldhaft gehandelt. Sein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens wegen eines behaupteten Alkoholkonsums an den Abenden der Telefongespräche mit der Folge einer Einschränkung seiner Schuldfähigkeit sei als Ausforschungsbeweis abzulehnen. Bei Würdigung aller be- und entlastenden bemessungsrelevanten Umstände sei die disziplinare Höchstmaßnahme zu verhängen.
Rz. 11
2. Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe gestützte Beschwerde (§ 73 HDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO) ist nicht begründet.
Rz. 12
a) Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen der von ihr geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 73 HDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Rz. 13
aa) Dies gilt zunächst für die von der Beschwerde für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage (Punkt A.I.2. der Beschwerdebegründung):
"Ist der Begriff 'Dienstvergehen' nach § 47 Abs. 1 BeamtStG so zu verstehen, dass jede Form des Austausches von Gewaltfantasien außerhalb des Dienstes geeignet ist, das Vertrauen in einer für die Amtsführung eines Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen?"
Rz. 14
Die so formulierte Frage könnte in dem angestrebten Revisionsverfahren, das das konkrete Verhalten des Beklagten zum Gegenstand hat, nicht rechtsgrundsätzlich geklärt werden. Die Voraussetzungen, unter denen das außerdienstliche Verhalten eines Beamten geeignet ist, das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in einer für die Amtsführung eines Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, sind vom Bundesverwaltungsgericht, soweit sie in verallgemeinerungsfähiger Weise rechtsgrundsätzlich beschrieben werden können, in ständiger Rechtsprechung hinreichend geklärt (vgl. grundlegend ≪zum seinerzeit in Kraft getretenen BDG≫ BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 ≪258 ff.≫). Hierauf wird Bezug genommen.
Rz. 15
Soweit die Beschwerdebegründung in diesem Zusammenhang auf die jüngste Entscheidung des Senats zur beamtenrechtlichen Treuepflicht und zur disziplinaren Ahndung einer Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt abhebt (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 12 ff.) und in Abgrenzung zu dieser Entscheidung (weiteren) Klärungsbedarf sieht, begründet dies keine grundsätzliche Bedeutung der Sache.
Rz. 16
Zu Unrecht sieht die Beschwerde einen wesentlichen Unterschied zu der besagten Entscheidung darin, dass die zwischen dem Beklagten und seinem Kollegen ausgetauschten Gewaltfantasien "zu keinem Zeitpunkt zum Mithören von Dritten bestimmt" gewesen seien. Der Senat hat bereits in der von der Beschwerde zitierten Entscheidung ausgeführt, dass das beanstandete außerdienstliche Verhalten nicht öffentlich sichtbar sein muss (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Leitsatz 3 und Rn. 27 ff.). Denn Maßstab für die Frage, in welchem Umfang der Dienstherr oder die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen können, ist die Annahme, dass das Dienstvergehen einschließlich aller be- und entlastenden Umstände bekannt würde (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 ≪260≫ und vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 56). Dass es im Fall der Tätowierung mit verfassungsfeindlichem Inhalt um ein "Sichtbarsein" ging, im Streitfall es dagegen um ein "Mithören" geht, macht keinen Unterschied; maßgeblich ist allein der Vertrauensverlust bei einem - unterstellten - Bekanntwerden der außerdienstlichen Verfehlung.
Rz. 17
Soweit die Beschwerde weiter einen wesentlichen Unterschied zu der von ihr zitierten Entscheidung darin sieht, dass es sich bei den geäußerten gewalttätigen Übergriffen um "Gewaltfantasien" und um "Aufschneidereien" gehandelt habe, "deren Realisierung von beiden (Beamten) weder angestrebt noch bereits vorgenommen worden" seien, zeigt dies ebenfalls keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Auch insoweit hat der Senat bereits - auf dem bereits angeführten Ansatz beruhend - entschieden, dass ein disziplinarwürdiges Verhalten bereits dann vorliegt, wenn der Beamte Äußerungen mit verfassungsfeindlichem Inhalt nur im Kreis Gleichgesinnter offenbart und damit Gleichgesinnte in diesen Überzeugungen (be-)stärkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 27 ff.). Dass der Beklagte und sein Kollege sich in den Telefonaten mit ihren Äußerungen wechselseitig bestätigt und damit bestärkt haben, steht nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts fest.
Rz. 18
Der Umstand, dass der Beklagte die in einzelnen Äußerungen bekundeten gewalttätigen Übergriffe gegenüber Gefangenen der Justizvollzugsanstalt, in der er bislang Dienst getan hatte, oder gegenüber Dritten nicht in die Tat umgesetzt hat, ist nicht entscheidend. Ein Justizvollzugsbeamter ist bereits dann in seinem Amt untragbar, wenn derartige Äußerungen in der Öffentlichkeit bekannt würden. Ob solche Äußerungen nur "Fantasien" sind und wie groß die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Realisierung ist, ist naturgemäß nicht vorhersehbar. Für den Dienstherrn begründen solche Äußerungen in jedem Fall disziplinaren Handlungsbedarf.
Rz. 19
Die Dienstpflichtverletzung des Beklagten wiegt auch deshalb besonders schwer, weil er als Beamter im Justizvollzugsdienst in einem Zweig der Staatsverwaltung tätig ist, die sich durch eine besondere Form der staatlichen Gewaltausübung auszeichnet: Hier ist es dem Staat ausnahmsweise und in besonders gravierender Weise gestattet, Menschen mit den Mitteln staatlicher, legaler Macht festzuhalten und in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken. Dies begründet zugleich eine besondere Schutzpflicht des Staates gegenüber den in seinem Gewahrsam befindlichen Gefangenen und schließt es aus, dass Aufsichtspersonen mit Gewalt- oder Tötungsfantasien in einem Bereich tätig werden, in dem ihnen legale Gewaltausübung möglich ist. Die damit verbundene Gefahr extralegaler Gewalt ist ein nicht hinnehmbares Risiko.
Rz. 20
Im Übrigen besteht der Kern der Disziplinarklage nicht allein in dem Vorwurf gewalttätiger Fantasien, die der Beklagte (noch) nicht umgesetzt hat, sondern auch darin, dass er - ohne sich eines künftigen (oder nur "fantasiehalber" vorgestellten) Handelns zu berühmen - sich überhaupt in menschenverachtender Weise über andere Menschen, nämlich über die seiner Bewachung überlassenen Gefangenen, über Juden, Franzosen, Inder, "Neger" und insgesamt über Ausländer in einer Weise geäußert hat, die mit dem Menschenbild des Grundgesetzes und den grundlegenden Prinzipien der Verfassung, auf die der Beklagte aufgrund seiner Treuepflicht gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verpflichtet ist, nicht zu vereinbaren ist. Immerhin räumt die Beschwerde selbst ein, dass diese Äußerungen "ihrem Inhalt nach durchaus als nationalsozialistisch gefärbt eingeordnet werden konnten".
Rz. 21
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde ist es unerheblich, dass das seinerzeit gegen den Beklagten eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Für die disziplinarrechtliche Ahndung der im Rahmen der Telefonüberwachung als "Zufallsfund" bekannt gewordenen Äußerungen nationalsozialistischen Gedankenguts und menschenverachtenden Inhalts ist dies irrelevant.
Rz. 22
bb) Der Beschwerde ist bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung, obwohl sie selber eine konkrete Rechtsfrage nicht ausformuliert, ferner zu entnehmen (Punkt A.II. der Beschwerdebegründung), dass sie es sinngemäß für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hält,
ob ein Verwaltungsgericht ein Verwaltungshandeln aufgrund einer anderen als der von der Verwaltung benannten Rechtsgrundlage für rechtmäßig erachten kann
und
ob dies im Streitfall bei der Übermittlung der Protokolle über die Telefonüberwachung durch die Staatsanwaltschaft an den Dienstvorgesetzten des Beklagten konkret auch für die hier nach gerichtlicher Auffassung zutreffende, eine Ermessensentscheidung voraussetzende Vorschrift des § 49 Abs. 4 BeamtStG anstelle des von der Staatsanwaltschaft genannten § 477 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 StPO gilt.
Rz. 23
Auch diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, weil sie auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens anhand des Gesetzes, allgemeiner Rechtsgrundsätze und vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung im Sinne des Berufungsurteils beantwortet - d.h. bejaht - werden kann.
Rz. 24
(1) Es ist als allgemeiner Grundsatz anerkannt, dass die zur Kontrolle des Verwaltungshandelns berufenen Gerichte in ihrer Bewertung der Rechtslage, namentlich in der Frage, anhand welcher Rechtsnormen das Verwaltungshandeln zu überprüfen und aufgrund welcher Rechtsnormen es als rechtmäßig erachtet werden kann, unabhängig von der Rechtsauffassung der Verwaltung sind. Dies kommt bereits in dem römisch-rechtlichen Rechtssatz "iura novit curia" zum Ausdruck. Im geltenden Verwaltungsprozessrecht findet er seinen Niederschlag in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach das Verwaltungsgericht einen angefochtenen Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid (nur) aufhebt, (wenn und) soweit er rechtswidrig (und den Kläger in seinen Rechten verletzt). Kommt das Gericht zu der Erkenntnis, dass der Verwaltungsakt zu Unrecht auf die von der Behörde herangezogene Rechtsnorm gestützt ist, ist das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet zu prüfen, ob (und ggf. in welchem Umfang) der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern der Bescheid durch die Berücksichtigung der anderen Rechtsnorm und die dadurch geänderte Begründung nicht in seinem Wesen verändert wird. Bei gebundenen Verwaltungsakten schadet eine inhaltlich fehlerhafte Begründung (auch) zur zugrunde liegenden Rechtsgrundlage daher grundsätzlich nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile 27. Januar 1982 - 8 C 12.81 - BVerwGE 64, 356 ≪357 f.≫, vom 27. Oktober 1983 - 3 C 64.82 - BVerwGE 68, 143 ≪150≫ und vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96 ≪97 f.≫; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 23 f.). Bei einer solchen Konstellation bedarf es auch keiner (richterlichen) Umdeutung, so dass die Bestätigung des Behördenhandelns nicht davon abhängt, ob die Voraussetzungen für eine Umdeutung erfüllt sind (BVerwG, Urteil vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96 ≪97 f.≫). Auch § 39 Abs. 1 VwVfG normiert für Verwaltungsakte lediglich eine formelle Begründungspflicht; aus der Regelung folgt keine Pflicht zur objektiv richtigen Begründung mit der Folge eines Rechtswidrigkeitsverdikts, falls die von der Behörde genannte Rechtsnorm nicht die materiell-rechtlich richtige ist, um ihren Entscheidungsausspruch zu tragen (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 39 Rn. 30).
Rz. 25
All dies gilt nicht nur für Verwaltungsakte (auf die sich § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 39 Abs. 1 VwVfG allein beziehen), sondern auch für sonstiges Verwaltungshandeln jenseits der Rechtsform des Verwaltungsaktes. Das Gericht hat demnach nicht nur zu überprüfen, ob das Handeln der Verwaltung durch die von ihr als zutreffend angenommene Rechtsnorm gerechtfertigt ist, sondern auch, ob es von (irgend-)einer anderen Rechtsnorm getragen wird. Ob die von der Behörde zur Rechtfertigung ihres Handelns gegebene Begründung zutreffend ist, ist dagegen für dessen Rechtmäßigkeit nicht entscheidungserheblich.
Rz. 26
Die Beschwerde zeigt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, dass oder warum im Streitfall bei der Frage, ob das Berufungsgericht § 49 Abs. 4 BeamtStG anstelle von § 477 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 StPO "nachträglich austauschen" und als maßgebliche Rechtsgrundlage für die in Rede stehende Übermittlung der Telefonüberwachung ansehen durfte, Anderes gelten sollte.
Rz. 27
(2) Auch der Einwand der Beschwerde, dass die vom Berufungsgericht für zutreffend erachtete Regelung des § 49 Abs. 4 BeamtStG eine Ermessensentscheidung vorsehe, während dies bei der von der Staatsanwaltschaft für maßgeblich erachteten Regelung des § 477 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 StPO - entsprechend dem im Bereich der Strafverfolgung geltenden Legalitätsprinzip - nicht der Fall sei, begründet keine derartige Klärungsbedürftigkeit.
Rz. 28
Das Berufungsgericht hat aufgrund seiner Würdigung der streitgegenständlichen Äußerungen des Beklagten während der Telefonüberwachung angenommen, dass diese ein unmittelbares dienstrechtliches Vorgehen des Dienstherrn gegen den Beklagten unabdingbar machten, weil nicht auszuschließen war, dass die beiden Telefongesprächspartner jederzeit bereit waren, die von ihnen geäußerten gewalttätigen Übergriffe gegenüber den ihrem unmittelbaren Zugriff ausgesetzten Gefangenen der Justizvollzugsanstalt auch in die Tat umzusetzen. Das Berufungsgericht hat daraus geschlossen, dass der Staatsanwaltschaft keine andere Entscheidung blieb als die, ihre Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung dem Dienstherrn zu übermitteln, damit dieser dienstrechtliche Maßnahmen umgehend prüfen konnte. Gegen diese Annahme, d.h. dass der Fall einer sog. Ermessensreduzierung auf Null vorlag, macht die Beschwerde keinen Revisionszulassungsgrund geltend.
Rz. 29
Hiervon ausgehend zeigen auch die Ausführungen der Beschwerde, dass seitens der Staatsanwaltschaft eine Ermessensentscheidung gar nicht getroffen worden sei oder ihre Entscheidung fehlerhaft sei, keinen Revisionszulassungsgrund auf.
Rz. 30
(3) Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzliche Bedeutung - wiederum in rechtsschutzfreundlicher Auslegung des Beschwerdevorbringens - scheidet ferner aus, soweit die Beschwerde geltend macht, dass im Streitfall § 49 Abs. 4 BeamtStG deshalb nicht "greife", weil die Vorschrift lediglich die Übermittlung solcher Erkenntnisse erlaube, die im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Dritte bekannt geworden seien, nicht dagegen, wenn dieses gegen den Beamten selbst eingeleitet worden sei (Beschwerdebegründung S. 6 Mitte). Es bedarf keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens um zu klären, dass dies rechtsirrig ist. Für eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.
Rz. 31
Schon dem Wortlaut der Norm lässt sich dafür nichts entnehmen. Vielmehr hätte es nahe gelegen, dass der Normgeber dies durch eine einfache und klare Formulierung (in einem Strafverfahren "gegen Dritte") deutlich gemacht hätte. Da als Anwendungsbereich der Norm in § 49 Abs. 1 BeamtStG Strafverfahren "gegen Beamtinnen und Beamte" genannt werden, hätte es einer solchen Einschränkung bedurft, wenn innerhalb derselben Norm in einem folgenden Absatz (Abs. 4) eine derartige Eingrenzung gewollt gewesen wäre. Auch aus den Gesetzesmaterialien, der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschrift lässt sich nichts dergleichen herleiten. Vielmehr ist § 49 BeamtStG (in seiner Gesamtheit) nach Wortlaut, Aufbau sowie Sinn und Zweck zwangslos als eine abgestufte Gesamtregelung zu verstehen (vgl. B. Hoffmann, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Bd. 2, Stand Januar 2015, § 49 BeamtStG Rn. 2; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG 2009, Stand Mai 2019, § 115 BBG Rn. 8 ≪zur Parallelregelung in § 115 BBG≫), die in ihrem Absatz 1 im Fall einer öffentlichen Klage (§ 152 Abs. 1 und § 170 Abs. 1 StPO) wegen vorsätzlich begangener Straftaten die Übermittlung bestimmter formaler Rechtsakte anordnet (beschränkt auf einen "numerus clausus" von Dokumenten, nämlich Anklage-/Antragsschrift, Antrag auf Erlass eines Strafbefehls und den Rechtszug abschließende Entscheidung), während Absatz 2 diese Übermittlungspflicht bei fahrlässig begangenen Straftaten weiter einschränkt und Absatz 3 sie auf (noch nicht von Absatz 1 oder 2 erfasste) Verfahrenseinstellungen erweitert. Hiernach erfasst § 49 Abs. 4 BeamtStG nach seinem klaren Wortlaut alle "sonstige Tatsachen, die in einem Strafverfahren bekannt werden", ohne dass dies näher eingeschränkt wird, mithin auch solche Erkenntnisse, die keinen unmittelbaren Bezug zu der verfolgten Straftat haben (vgl. Reich, BeamtStG, 3. Aufl. 2018, § 49 Rn. 19). Sie hat damit die Funktion einer Auffangnorm mit generalklauselartig formulierten Voraussetzungen, nämlich dass die Kenntnis der übermittelten Tatsachen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls für dienstrechtliche Maßnahmen gegen einen Beamten erforderlich ist und keine für die übermittelnde Stelle erkennbaren schutzwürdigen Interessen des Beamten an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegen. Der Anwendungsbereich von Absatz 4 ist damit deutlich weiter als in den Absätzen 1 und 3 (so zutreffend Lemhöfer, a.a.O. § 115 BBG Rn. 8; B. Hoffmann, a.a.O. § 49 BeamtStG Rn. 27, jeweils m.w.N.). Diese Systematik übersieht die - soweit ersichtlich einzige - die Ansicht der Beschwerde teilende Literaturstimme (Burkholz, in: von Roetteken/Rothländer, Hessisches Beamtenrecht, § 49 BeamtStG, Stand Januar 2011, Rn. 31, in der unzutreffenden Annahme, dass nach Abs. 4 "letztlich doch das Gleiche wie nach Abs. 1" gelte ≪ebenda Rn. 32≫).
Rz. 32
b) Die von der Beschwerde geltend gemachte Divergenz (§ 73 HDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.
Rz. 33
Die Beschwerdebegründung (S. 7, Punkt B.1.) macht eine Divergenz zu der bereits erwähnten Entscheidung des Senats zur beamtenrechtlichen Treuepflicht und Ahndung von Tätowierungen mit verfassungsfeindlichem Inhalt geltend (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 12 ff.). Die Beschwerde (Beschwerdebegründung Punkt B.2, S. 8 Mitte und S. 8 unten) zitiert diese Entscheidung zutreffend dahingehend (wie ebenfalls bereits oben ausgeführt), dass ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht weder ein öffentlich sichtbares noch ein strafbares Verhalten des Beamten voraussetzt, sondern dass es ausreicht, wenn er die beanstandungswürdige Überzeugung "nur im Kreis Gleichgesinnter" offenlegt, mit denen er sie teilt (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 29 f.).
Rz. 34
Die Beschwerde benennt aber keinen dazu in grundsätzlichem Widerspruch stehenden Rechtssatz des Berufungsurteils. Entgegen der Annahme der Beschwerde hat das Berufungsgericht nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass "jede Kundgabe von Fantasievorstellungen, auch wenn diese nicht zur Wahrnehmung für Dritte bestimmt sind, (ausreicht), von einer gelebten Identifizierung des Beamten mit verfassungsfeindlichen Zielen auszugehen" (so die Beschwerdebegründung S. 8 oben). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat der Beklagte seine von nationalsozialistischem Gedankengut und menschenverachtender Gesinnung geprägten Äußerungen gegenüber einem Dritten, seinem gleichgesinnten Kollegen K., getätigt und hat sich und diesen durch wechselseitige Bestätigung in der Richtigkeit dieser Überzeugung bestärkt. In der Annahme eines Dienstvergehens auf der Grundlage dieser Feststellungen liegt keine Divergenz zu dem zitierten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts.
Rz. 35
Entgegen der Annahme der Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht auch nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass die Grenze vom bloßen Haben einer mit der Verfassungstreuepflicht unvereinbaren Meinung hin zu einer disziplinarwürdigen Betätigung derselben erst dann "überschritten (sei), wenn ein Beamter sich in einer verfassungsfeindlichen Organisation rein intern engagiert" (Beschwerdebegründung S. 9 Abs 4 und 5). Eine derartige Grenzziehung ist dem erwähnten Urteil des Senats nicht zu entnehmen. Im Gegenteil hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass es zwischen dem bloßen Haben und Mitteilen einer Überzeugung und dem planmäßig werbenden Agieren oder gar agitieren (vielfältige) differenzierungsfähige und erheblichen Abstufungen gibt (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 23). In der angeführten Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht einen disziplinarwürdigen Verstoß gegen die Treuepflicht (bereits) in der plakativen Kundgabe einer Überzeugung in Gestalt von Tätowierungen mit verfassungsfeindlichem Inhalt gesehen (BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 24 ff.). Dass der dort belangte Beamte Mitglied in einer verfassungsfeindlichen Organisation gewesen sei oder sich in einer solchen engagiert hätte, lag der genannten Entscheidung weder als Tatsachenfeststellung zugrunde noch wird solches als rechtssatzmäßige Voraussetzung für eine disziplinare Ahndung als Treuepflichtverstoß gefordert.
Rz. 36
Soweit die Beschwerde weiter (durchaus zutreffend, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 31) ausführt, dass die beanstandete Äußerung von besonderem Gewicht sein muss und deshalb eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles erforderlich ist, der das Berufungsurteil - nach Ansicht der Beschwerde - nicht genüge, richtet sich die Beschwerde genau gegen dies, nämlich die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles durch das dazu berufene Tatsachengericht, hier den Verwaltungsgerichtshof. Eine Divergenz in Rechtssätzen wird damit nicht aufgezeigt.
Rz. 37
c) Schließlich liegt auch der von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmangel nicht vor (§ 73 HDG i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Rz. 38
Die Beschwerde beanstandet als verfahrensfehlerhaft, dass der Verwaltungsgerichtshof einen von dem Beklagten in der Berufungsverhandlung gestellten Beweisantrag abgelehnt habe und gibt hierzu den seinerzeit handschriftlich vorgelegten und als Anlage zum Protokoll genommenen Beweisantrag und die weitere Feststellung des Protokolls wieder, dass das Berufungsgericht den Beweisantrag nach einer zwischenzeitlichen Beratung zurückgewiesen und der Vorsitzende "eine kurze Begründung dazu" gegeben habe (Beschwerdebegründung C. 1. und 2.).
Rz. 39
Soweit die Beschwerde rügt (Beschwerdebegründung C.3.), dass der Verwaltungsgerichtshof die Ablehnung nicht schriftlich begründet habe, verkennt sie, dass das Gesetz dergleichen nicht verlangt. § 86 Abs. 2 VwGO schreibt lediglich vor, dass die Ablehnung zu begründen ist, schreibt aber nicht vor, dass der Inhalt der Begründung in Schriftform dokumentiert werden muss. Mit einer - im Streitfall ausweislich des Protokolls gegebenen - kurzen mündlichen Begründung ist dem § 86 Abs. 2 VwGO zunächst Genüge getan (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Juni 2003 - 8 B 32.03 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 57 S. 15 f. und vom 29. Dezember 2010 - 7 B 6.10 - Buchholz 406.25 § 10 BImSchG Nr. 6 Rn. 30.)
Rz. 40
Allerdings verlangt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Begründung für die Ablehnung zur Ermöglichung der Verfahrenskontrolle durch das Revisionsgericht aktenkundig sein muss. Soweit dies nicht durch Aufnahme der Begründung in die Sitzungsniederschrift geschieht, was sinnvoll erscheint (vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 61), muss das Gericht daher seine Begründung für die Zurückweisung eines Beweisantrags in den Entscheidungsgründen darlegen. Unterbleibt dies, liegt darin ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. Juni 2003 - 8 B 32.03 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 57 S. 15 f. und vom 29. Dezember 2010 - 7 B 6.10 - Buchholz 406.25 § 10 BImSchG Nr. 6 Rn. 30). Auch diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil, indem es näher begründet, dass und warum der Verwaltungsgerichtshof den Beweisantrag des Beklagten als unzulässigen Ausforschungsbeweis angesehen hat (UA S. 28 f.).
Rz. 41
Soweit die Beschwerde weiter einwendet, der Verwaltungsgerichtshof habe sich nicht "nachträglich" zur Begründung darauf berufen dürfen, dass es sich um einen "Ausforschungsbeweisantrag" gehandelt habe, genügt die Verfahrensrüge nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Beschwerde gibt weder den Inhalt der mündlichen Begründung des Senatsvorsitzenden des Berufungsgerichts wieder noch legt sie dar, dass diese anders oder defizitär gegenüber der "nachträglichen" (ausführlichen) Begründung in den schriftlichen Entscheidungsgründen des Berufungsurteils war, noch ist ihr zu entnehmen, aus welchen Gründen die Bewertung des Beweisantrags als Ausforschungsbeweis unzutreffend sei.
Rz. 42
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 1 HDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (§ 82 Abs. 1 Satz 1 HDG i.V.m. Nr. 11 und 62 der Anlage zu § 82 Abs. 1 Satz 1 HDG).
Fundstellen
ZBR 2020, 28 |
DÖV 2019, 1015 |
JZ 2019, 815 |
RiA 2020, 76 |
VR 2020, 36 |