Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen 7 A 10146/03) |
Tenor
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. November 2004 wird verworfen.
Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. November 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Der Beigeladene trägt die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie seine eigenen außergerichtlichen Kosten. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der Wertfestsetzung des Oberverwaltungsgerichts für sämtliche Rechtszüge auf 5 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, festzustellen, dass sie eine kirchliche Stiftung ist, sowie die Feststellung, dass das Personalvertretungsgesetz auf sie keine Anwendung findet.
Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses sowie weiterer sozialer Einrichtungen. Sie ist in den Jahren von 1804 bis 1806 entstanden. Seinerzeit gehörte Trier zum Departement Saar, das Bestandteil des französischen Staates war. Die Klägerin entstand seinerzeit aus einer Zusammenfassung mehrerer Hospitäler, Waisenhäuser und anderer Wohlfahrtseinrichtungen. Deren Träger waren zum Teil unstreitig kirchliche Stiftungen gewesen, während von anderen Trägern der zusammengefassten Einrichtungen zwischen den Beteiligten streitig ist, ob sie vor der Zusammenfassung kirchliche Stiftungen waren.
Im Jahre 1998 kam es zwischen dem beigeladenen Personalrat und der Klägerin zum Streit darüber, ob auf die Klägerin das Landespersonalvertretungsgesetz anwendbar sei. Der beigeladene Personalrat wandte sich an die beklagte Stiftungsaufsicht. Diese vertrat gegenüber dem Beigeladenen die Auffassung, auf die Klägerin sei das Landespersonalvertretungsgesetz anwendbar; bei der Klägerin handele es sich nicht um eine kirchliche Stiftung. Die Klägerin ihrerseits beantragte bei der beklagten Stiftungsaufsicht, gemäß § 49 des Stiftungsgesetzes (StiftG Rheinland-Pfalz) vom 22. April 1966 (GVBl S. 95) festzustellen, dass sie eine kirchliche Stiftung im Sinne des § 41 StiftG sei. Der Beklagte lehnte den Antrag durch den angefochtenen Bescheid vom 23. November 2000 ab. Er stellte fest, dass es sich bei der Klägerin um eine (öffentliche) Stiftung des öffentlichen Rechts im Sinne des § 2 Abs. 3 bis 5 StiftG Rheinland-Pfalz handele.
Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet festzustellen, dass die Klägerin eine kirchliche Stiftung ist. Das Verwaltungsgericht hat ferner ebenfalls antragsgemäß festgestellt, dass das Personalvertretungsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz auf die Klägerin keine Anwendung findet.
Gegen dieses Urteil haben sowohl die beklagte Stiftungsaufsicht als auch der beigeladene Personalrat die jeweils zugelassene Berufung eingelegt.
Durch das angefochtene Urteil hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Beigeladenen mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, bereits die Beiladung sei unzulässig gewesen. Der beigeladene Personalrat sei kein “Anderer” im Sinne des § 65 Abs. 1 VwGO, sondern Organ der Klägerin, ohne dass für den hier in Rede stehenden Streitgegenstand ein “In-Sich-Prozess” ausnahmsweise gesetzlich zugelassen sei. Auf die Berufung der beklagten Stiftungsaufsicht hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, die Klägerin sei eine Einrichtung nicht kirchlichen Charakters. Die ursprünglichen mittelalterlichen Stiftungen hätten nach der Besetzung Triers durch französische Truppen 1794 ihre Existenz verloren und seien auch nicht in Napoleonischer Zeit in gewandelter Form entsprechend ihrem ursprünglichen Charakter wiederhergestellt worden. Sie seien während der Zugehörigkeit des Gebiets zu Frankreich verstaatlicht worden. Diese Verstaatlichung sei in der Zeit danach nicht wieder rückgängig gemacht worden.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richten sich die Beschwerden der Klägerin und des Beigeladenen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde der Klägerin hat Erfolg, die Beschwerde des Beigeladenen bleibt hingegen erfolglos.
1. Die Beschwerde des Beigeladenen ist bereits unzulässig. Dem Beigeladenen fehlt die Beschwer durch das angefochtene Urteil, die für die Zulässigkeit seines Rechtsmittels erforderlich ist. Erforderlich ist eine materielle Beschwer durch das angefochtene Urteil. Es reicht hingegen nicht aus, dass der Beigeladene durch das Urteil formell beschwert ist, weil er mit seinem Rechtsmittel unterlegen ist. Die erforderliche materielle Beschwer liegt nur dann vor, wenn der Beigeladene infolge seiner Bindung an die rechtskräftige Entscheidung (§ 121 VwGO) in zumindest rechtlich geschützten Interessen berührt wird (vgl. Urteil vom 31. Januar 1969 – BVerwG 4 C 83.66 – BVerwGE 31, 233 ≪234≫; Urteil vom 17. Mai 1995 – BVerwG 6 C 8.94 – BVerwGE 98, 210 ≪212≫). Der Beigeladene wird durch das angefochtene Urteil nicht materiell beschwert. Es berührt seine rechtlichen Interessen nicht. Denn in der Sache hat das Oberverwaltungsgericht die Klage vollständig abgewiesen und damit die materielle Beschwer beseitigt, die mit dem erstinstanzlichen Urteil des Verwaltungsgericht für den Beigeladenen verbunden gewesen sein mag. Damit ist insbesondere der Feststellungsausspruch des Verwaltungsgerichts aufgehoben, dass das Landespersonalvertretungsgesetz auf die Klägerin keine Anwendung findet. Dass es dem Beigeladenen an einer materiellen Beschwer durch das angefochtene Urteil fehlt, wird insbesondere daran deutlich, dass er nach Zulassung der Revision im Revisionsverfahren keinen Sachantrag stellen könnte, denn dieser müsste wie im Berufungsverfahren darauf gerichtet sein, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Dem hat aber das Oberverwaltungsgericht bereits entsprochen.
2. Die Beschwerde der Klägerin ist begründet. Allerdings weist die Rechtssache nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung auf (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Jedoch beruht das angefochtene Urteil auf einem dargelegten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob staatliche Maßnahmen in der Zeit vor In-Kraft-Treten der Weimarer Verfassung, insbesondere Maßnahmen eines fremden Staates, ohne Rücksicht auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 137 Abs. 3 WRV i.V.m. Art. 140 GG den kirchlichen Charakter alter Stiftungen beseitigen konnten, selbst wenn tatsächlich das kirchlich-religiöse Selbstverständnis dieser Stiftungen erhalten geblieben ist und diese ihre Aufgaben weiterhin wahrnehmen zur Verwirklichung eines Teils des Auftrags der Kirche im Geist christlicher Religiosität, im Einklang mit dem Bekenntnis der christlichen Kirche und in Verbindung mit den Amtsträgern der Kirche, mag auch die Verbindung zu den Amtsträgern der Kirche in früheren Zeiträumen infolge staatlicher Einwirkung unterbrochen gewesen sein.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Antwort auf sie liegt ohne Weiteres auf der Hand und muss nicht erst in einem Revisionsverfahren gefunden werden.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, während der Zugehörigkeit des linken Rheinufers zum französischen Staat seien in Trier französische Rechtsvorschriften in Kraft gesetzt worden, welche die Existenz der kirchlichen Einrichtungen, die in der Klägerin aufgegangenen seien, durch den Vorgang der Säkularisation und die Einverleibung in die staatliche Verwaltung beendet hätten. Die Schaffung der Klägerin stelle sich deshalb nur als eine Organisationsmaßnahme im staatlichen Bereich dar.
Das Oberverwaltungsgericht musste die von ihm für maßgeblich gehaltenen französischen Rechtsvorschriften entgegen der Auffassung der Klägerin nicht im Lichte des Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV auslegen oder ihre Wirksamkeit gar an diesen Bestimmungen messen. Das Oberverwaltungsgericht hatte nicht selbst vorkonstitutionelle Normen auf einen gegenwärtigen Sachverhalt anzuwenden. Nur dann könnte sich die Frage stellen, wie diese vorkonstitutionellen Normen im Lichte der inzwischen in Kraft getretenen Verfassungsbestimmungen auszulegen sind und welche Rechtsfolgen heute noch aus ihnen hergeleitet werden dürfen. Das Oberverwaltungsgericht hatte vielmehr einen lange vor In-Kraft-Treten der Weimarer Reichsverfassung und des Grundgesetzes abgeschlossenen historischen Vorgang zu bewerten und festzustellen, welche Rechtsfolgen die seinerzeit geltenden Vorschriften damals herbeigeführt haben. Es ging mithin nicht um eine eigene Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht, sondern um die Feststellung von Tatsachen. Die tatsächliche Bewertung dieses historischen Vorgangs kann sich naturgemäß nicht durch die erst über hundert Jahre später in Kraft getretene Weimarer Reichsverfassung ändern.
Der Klägerin schwebt möglicherweise vor, dass mit In-Kraft-Treten der Weimarer Reichsverfassung, jedenfalls mit In-Kraft-Treten des Grundgesetzes die Ergebnisse der Säkularisation hätten rückgängig gemacht werden müssen. Dafür gibt indes weder Art. 140 GG noch Art. 137 Abs. 3 WRV etwas her. Ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist die Klägerin als staatliche Einrichtung geschaffen worden und als solche nie in den Schutzbereich der genannten Verfassungsbestimmungen gelangt.
Keine grundsätzliche Bedeutung hat auch die weitere Frage,
ob die Wiederherstellung des kirchlichen Charakters einer Stiftung, die in vorkonstitutioneller Zeit von Säkularisationsmaßnahmen betroffen war, eine staatliche Anerkennung der Wiederherstellung des kirchlichen Charakters erfordert oder ob diese vielmehr auch ohne staatliche Anerkennung dadurch erfolgen kann, dass die Stiftung – jedenfalls mit staatlicher Duldung – ihre Aufgaben in Übereinstimmung mit dem ursprünglichen religiös-kirchlichen Stiftungszweck in der Weise weiter wahrnimmt, dass sie teil hat an der Verwirklichung eines Stücks Auftrag der Kirche im Geist christlicher Religiosität im Einklang mit dem Bekenntnis der Christlichen Kirche und in Verbindung mit den Amtsträgern der Kirche.
Diese Frage könnte in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht beantwortet werden und rechtfertigt deshalb nicht die Zulassung der Revision. Die aufgeworfene Frage stellt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die ursprünglich vorhandenen, aus dem Mittelalter herrührenden und möglicherweise kirchlichen Stiftungen während der Zugehörigkeit Triers zum französischen Staat ihre Existenz verloren haben und auch nicht in gewandelter Form entsprechend ihrem ursprünglichen Charakter mit der Klägerin wiederhergestellt worden sind. Mit der Klägerin ist nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts vielmehr entweder eine öffentlich-rechtliche Stiftung nicht kirchlichen Charakters oder eine kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts geschaffen worden. Sollte mit der Klägerin – was das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassen hat – eine kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts geschaffen worden sein, liegt auf der Hand, dass diese Anstalt nicht ohne staatliche Anerkennung in eine kirchliche Stiftung umgewandelt werden kann. Dasselbe gilt aber auch dann, wenn die Klägerin in napoleonischer Zeit als öffentlich-rechtliche (staatliche) Stiftung nicht kirchlichen Charakters ins Leben gerufen worden ist. Insoweit ist nämlich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt, dass der Stifterwille für eine Stiftung dauernd konstitutiv bleibt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Oktober 1977 – 2 BvR 209/76 – BVerfGE 46, 73, 85). Ausgehend hiervon liegt wiederum auf der Hand, dass eine staatliche Stiftung nicht ohne Anerkennung des staatlichen Stifters den Stiftungszweck ändern und sich zu einer kirchlichen Einrichtung wandeln kann.
b) Das angefochtene Urteil leidet jedoch an einem geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts aus § 86 Abs. 1 VwGO verletzt. Es hat den auf zusätzliche Ermittlungen zielenden Beweisantrag der Klägerin mit einer Begründung abgelehnt, die im Prozessrecht keine Stütze findet.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht beantragt, ein Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass weder in der französischen Besatzungszeit noch anschließend Güter der Stiftungen, die in der Klägerin aufgegangen sind, verstaatlicht worden sind oder ihr Stiftungszweck verändert wurde. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beweisantrag als unzulässig zurückgewiesen, weil er auf die Beantwortung einer Rechtsfrage ziele, die einer Beweiserhebung nicht zugänglich sei.
Diese Begründung ist rechtlich fehlerhaft. Das Oberverwaltungsgericht hat die Verstaatlichung (oder Säkularisation) der früheren mittelalterlichen Stiftungen aus Rechtsvorschriften hergeleitet, die während der Zugehörigkeit Triers zum französischen Staat dort galten. Fremdes (ausländisches) Recht ist einer Beweiserhebung zugänglich (vgl. § 173 VwGO, § 293 ZPO). Zudem ging es nicht darum, wie die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Rechtsvorschriften richtigerweise zu verstehen sind, sondern darum, wie sie in einer konkreten historischen Situation in Trier tatsächlich angewendet worden sind. Dies kann Gegenstand eines Sachverständigengutachtens sein.
Der Senat hat nicht zu beurteilen, ob das Oberverwaltungsgericht den Beweisantrag auch aus anderen Gründen hätte ablehnen dürfen, etwa weil ihm hinreichend aussagekräftige gutachterliche Stellungnahmen zu den einschlägigen Fragen vorlagen. Diese Bewertung obliegt allein dem Tatsachengericht.
Weil die Beschwerde bereits mit dieser Verfahrensrüge Erfolg hat, braucht der Senat nicht darauf einzugehen, ob auch die anderen Verfahrensrügen begründet sind.
Der Senat nimmt den Verfahrensfehler des Oberverwaltungsgerichts zum Anlass, das angefochtene Urteil gemäß § 133 Abs. 6 VwGO durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Soweit die Beschwerde zurückzuweisen war, folgt die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Mangels genügender Anhaltspunkte für ein wertmäßig fassbares Interesse der Klägerin kommt nur der Auffangwert für die Bestimmung des Streitwerts in Betracht.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Neumann
Fundstellen