Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung von unter Vorbehalt gewährter Ausbildungsförderung. Aktualisierungseinrede. Glaubhaftmachung einer voraussichtlichen Einkommensentwicklung im Bewilligungszeitraum
Leitsatz (amtlich)
Ein nach dem Ende des Bewilligungszeitraumes gestellter Aktualisierungsantrag im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG kann nach der Neufassung dieser Bestimmung durch das 12. BAföG-ÄndG vom 22. Mai 1990 (BGBl I S. 936) keine Berücksichtigung mehr finden. Die zu § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG (F. 1983) ergangene Rechtsprechung (BVerwGE 58, 200) ist durch die Neufassung überholt.
Normenkette
BAföG (F. 1983, 1990) § 24 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Juli 2003 wird aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 20. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung einer ihr nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in Höhe von 1 309 DM gewährten Teilförderung.
Der Beklagte hat der Klägerin gemäß Bescheid vom 6. November 1997 von September 1997 bis Juli 1998 unter Vorbehalt der Rückforderung Ausbildungsförderung in Höhe von 119 DM monatlich für den Besuch der Berufsschule H.… gewährt. Die Berechnung des in Höhe von 570,84 DM angerechneten Elterneinkommens war dabei auf der Grundlage eines nach § 164 Abgabenordnung – AO – unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheides des Finanzamts O.… vom 23. Juni 1997 für das Jahr 1995 erfolgt, dem Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 53 223 DM sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 20 626 DM zugrunde lagen. Mit Bescheid vom 20. Dezember 1999 setzte das Finanzamt die von den Eltern der Klägerin zu leistenden Steuern für das Jahr 1995 neu fest; bei unveränderten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nunmehr in Höhe von 60 429 DM berechnet. Bei dem Bescheid handelte es sich – wie auch bei dem vorausgegangen Bescheid vom 23. Juni 1997 – im Hinblick auf die bei dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahren um einen vorläufigen Steuerbescheid im Sinne des § 165 AO.
In einem ebenfalls unter dem 20. Dezember 1999 ergangenen Steuerbescheid für das Jahr 1997 wurden Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 62 054 DM und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 5 506 DM zugrunde gelegt. Für das Jahr 1998 weist ein weiterer Steuerbescheid vom 28. Juni 2000 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ein Minus in Höhe von 2 685 DM und als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einen Betrag von 38 236 DM aus.
Durch abschließenden Bescheid vom 31. Mai 2001 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Ausbildungsförderung für den streitgegenständlichen Zeitraum mit der Begründung ab, das aufgrund des Steuerbescheides vom 20. Dezember 1999 für das Jahr 1995 nunmehr in Höhe von 672,12 DM angerechnete Elterneinkommen ergebe bei einem Gesamtbedarf von 690 DM einen unter 20 DM monatlich liegenden Förderungsbetrag, so dass Ausbildungsförderung nicht zu gewähren sei (§ 51 Abs. 4 BAföG). Zugleich forderte der Beklagte den bereits gewährten Förderungsbetrag in Höhe von 1 309 DM zurück. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, ein verändertes Ergebnis des Einkommens für 1995 habe nach einer Betriebsprüfung erst im Januar 2000 vorgelegen, und beantragte, für die Berechnung der Förderungsbeträge die Einkommen der Jahre 1997 und 1998 zugrunde zu legen. Es habe für sie keine Veranlassung bestanden, zu einem früheren Zeitpunkt einen Änderungsantrag zu stellen, da ihr ein Rückforderungsbescheid erst am 6. Juni 2001 zugegangen sei. Die Bezirksregierung wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, gemäß § 24 Abs. 3 BAföG könnten nach dem Ende des Bewilligungszeitraumes gestellte Aktualisierungsanträge nicht berücksichtigt werden (Bescheid vom 9. August 2001).
Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Mit der Änderung des § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG durch das 12. BAföG-Änderungsgesetz vom 22. Mai 1990 (BGBl I S. 936) sei der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 24 Abs. 3 BAföG a.F. (Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983, BGBl I S. 645), wonach in Fällen wie dem der Klägerin ein nachträgliches Aktualisierungsbegehren zulässig gewesen sei, die Grundlage entzogen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien habe der Gesetzgeber die vom Bundesverwaltungsgericht gegenüber der Rückforderung von unter Vorbehalt gewährter Förderung für zulässig gehaltene Einrede der Aktualisierung mit der Gesetzesneufassung ausschließen wollen. Nach Ende des Bewilligungszeitraumes gestellte Aktualisierungsanträge könnten daher keine Berücksichtigung finden. Das Oberverwaltungsgericht hingegen hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide aufgehoben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Voraussetzungen des vom Beklagten geltend gemachten Rückforderungsanspruchs gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 BAföG seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei im Bewilligungszeitraum gemäß § 11 Abs. 2 BAföG elternabhängig gefördert worden und daher sei auf ihren förderungsrechtlichen Bedarf im Sinne des § 12 BAföG das Einkommen ihrer Eltern anzurechnen gewesen. Gemäß § 24 Abs. 1 BAföG seien für die Anrechnung grundsätzlich die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraumes, vorliegend also diejenigen des Jahres 1995 maßgeblich. Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität stelle das Gesetz nicht auf das im Bewilligungszeitraum erzielte Einkommen der Eltern ab, sondern habe einen in der Vergangenheit liegenden Berechnungszeitraum bestimmt, für den in aller Regel durch Jahreslohnbescheinigungen oder einen Steuerbescheid Nachweise über das erzielte Einkommen erbracht werden könnten. Dieser Regelung liege die Vermutung zugrunde, dass das in dem Berechnungszeitraum des § 24 Abs. 1 BAföG erzielte Einkommen der Eltern unverändert andauere; es werde unterstellt, dass die Verhältnisse des vorletzten Kalenderjahres vor dem Bewilligungszeitraum noch eine regelmäßig zutreffende Entscheidungsgrundlage für die Ausbildungsförderung bildeten. Sei der Einkommensbezieher für diesen Zeitraum zur Einkommenssteuer zu veranlagen, liege jedoch der Steuerbescheid dem Amt für Ausbildungsförderung noch nicht vor, werde gemäß § 24 Abs. 2 BAföG unter Berücksichtigung der glaubhaft gemachten Einkommensverhältnisse Ausbildungsförderung insoweit unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet und über den Antrag abschließend entschieden, sobald der Steuerbescheid dem Amt für Ausbildungsförderung vorliege. Ein Steuerbescheid im Sinne des § 24 Abs. 2 BAföG liege vor, wenn dessen Bestandskraft eingetreten sei. Dies könne auch ein vorläufiger Bescheid nach § 165 Abs. 1 AO sein, denn ein solcher Bescheid enthalte bezüglich des maßgeblichen Einkommens in der Regel abschließende Feststellungen, lediglich die darauf gründende Steuerfestsetzung stehe ihrerseits unter einem rechtlichen Vorbehalt, etwa dem der Vereinbarkeit steuerrechtlicher Vorschriften mit dem Grundgesetz, welche hier Gegenstand von bei dem Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden gewesen seien. Demgegenüber seien Steuerbescheide, die gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen seien, keine Steuerbescheide im Sinne des § 24 Abs. 2 BAföG, da sie wegen ihrer umfassenden Nachprüfbarkeit, welche sich unter anderem auf die Feststellungen des zu versteuernden Einkommens beziehe, eine geeignete Grundlage für abschließende förderungsrechtliche Entscheidungen nicht seien. Auch im Falle der Klägerin sei die Ausbildungsförderung zunächst aufgrund eines solchen Bescheides erfolgt. Tatsächliche Grundlage des angefochtenen abschließenden Förderungs- und Rückforderungsbescheides sei der Steuerbescheid für das Jahr 1995 vom 20. Dezember 1999, bei dem es sich – ungeachtet seiner Vorläufigkeit nach § 165 AO – um einen hinsichtlich der Einkommensfeststellung endgültigen Bescheid im Sinne des § 24 Abs. 2 BAföG handele. Gegenüber dem Steuerbescheid vom 20. Dezember 1999 für das Jahr 1995 wiesen die Steuerbescheide für die Kalenderjahre 1997 und 1998 ein deutlich niedrigeres Elterneinkommen im Bewilligungszeitraum selbst aus. Bei einer bezogen auf den Bewilligungszeitraum aktualisierten Einkommensberechnung habe der Klägerin danach jedenfalls nicht weniger Ausbildungsförderung zugestanden, als sie tatsächlich erhalte habe, so dass für eine Rückforderung kein Raum sei.
Zwar könnten nach Ende des Bewilligungszeitraumes gestellte Anträge auf eine aktualisierte Einkommensberechnung gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz BAföG nicht berücksichtigt werden, doch sei auch für die Neufassung des § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG durch das 12. BAföG-ÄndG vom 22. Mai 1990 (BGBl I S. 936) an der zu § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG a.F. ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 58, 200 und nachfolgende Entscheidungen) festzuhalten, wonach der Auszubildende auch nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes noch eine Aktualisierung der Berechnung verlangen könne, wenn er erst nach Vorliegen des Steuerbescheides seiner Eltern habe erkennen können, dass deren im vorletzten Kalenderjahr vor dem Bewilligungszeitraum erzieltes Einkommen zu einer höheren Anrechnung auf den Bedarf und damit zur Rückforderung von Förderungsbeträgen führe. Der dieser Rechtsprechung zugrunde liegende sprachliche Inhalt von § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG habe sich mit der Neufassung nicht geändert. Zwar habe der Gesetzgeber, wie sich aus der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs ergebe (BTDrucks 11/5961, S. 23), bei der Neufassung das weitergehende Ziel verfolgt, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG (a.F.) die Grundlage zu entziehen, doch habe er dabei den Sinn der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entweder verkannt oder sich darüber unreflektiert hinweggesetzt. Entgegen der Gesetzentwurfsbegründung gehe es dieser Rechtsprechung nicht darum, für einen abgeschlossenen Zeitraum, in dem Ausbildung ohne staatliche Förderung tatsächlich stattgefunden habe, öffentliche Mittel rückwirkend zufließen zu lassen, sondern darum, dem Auszubildenden bereits gewährte Fördermittel, mit denen in der Vergangenheit eine Ausbildung tatsächlich finanziert worden sei, nicht nachträglich zu entziehen; ein mit einem Leistungsbegehren verbundener Aktualisierungsantrag, mit dem der Auszubildende sich eine anfängliche Förderung überhaupt erst erschließen wolle, habe eine grundsätzlich andere Funktion als eine einem Rückforderungsbegehren nachträglich entgegengehaltene Aktualisierungseinrede. Jedenfalls stehe der Wortlaut des § 24 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz BAföG (n.F.) der Intention der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keineswegs zwingend entgegen und habe ein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers im Wortlaut des Gesetzes keinen Niederschlag gefunden.
Die Zulassung der Aktualisierungseinrede sei im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung des § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG (n.F.) mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG geboten, da es sonst zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung derjenigen Auszubildenden, deren Eltern zu berücksichtigendes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit hätten, gegenüber denjenigen käme, deren Eltern in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden. Da die Klägerin die Aktualisierungseinrede noch innerhalb der Widerspruchsfrist geltend gemacht habe und angesichts des im Bewilligungszeitraum gegenüber dem Vorvorjahr verringerten Einkommens der Eltern der Klägerin jedenfalls eine Verringerung des Anspruchs der Klägerin auf Ausbildungsförderung in dem hier maßgeblichen Bewilligungszeitraum 1997/1998 nicht in Betracht komme, sei die Rückforderung der gewährten Ausbildungsförderung rechtswidrig und seien die angefochtenen Bescheide aufzuheben.
Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung des § 24 Abs. 3 BAföG rügt.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Das Berufungsgericht hätte die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückweisen müssen, da ihr Ausbildungsförderung für den Besuch der Berufsschule H.…, ausgehend von der dem Steuerbescheid vom 23. Juni 1997 für 1995 zugrunde gelegten Höhe des Elterneinkommens, nicht zustand. Die vom Berufungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der früher geltenden Gesetzesfassung (Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983, BGBl I S. 645) vorgenommene Auslegung des § 24 Abs. 3 BAföG in der Fassung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes – 12. BAföG-ÄndG – vom 22. Mai 1990 (BGBl I S. 936) dahingehend, dass diese Bestimmung der Berücksichtigung einer erst nach Ende des Bewilligungszeitraumes gegenüber einem Rückforderungsbegehren hinsichtlich einer unter Vorbehalt gewährten Förderung erhobenen Aktualisierungseinrede nicht entgegenstehe, ist mit Bundesrecht unvereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Der vom Beklagten geltend gemachte Rückforderungsanspruch ist auf der Rechtsgrundlage des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG begründet. Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz haben im Falle der Klägerin “die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tage des Kalendermonats vorgelegen, für den sie gezahlt worden ist”, da der Klägerin die gezahlten Förderungsbeträge nach Maßgabe des § 24 Abs. 1 und 2 BAföG nicht zustanden und der von ihr erst nach Ende des Bewilligungszeitraumes mit ihrem Widerspruch gegen den abschließenden Bescheid gestellte Aktualisierungsantrag gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG F. 1990 nicht zu berücksichtigen war.
Der Umstand, dass die Steuerbescheide der Eltern der Klägerin für die Kalenderjahre 1997 und 1998 bezogen auf den Bewilligungszeitraum ein deutlich niedrigeres Einkommen der Eltern der Klägerin ausweisen als nach dem Steuerbescheid vom 20. Dezember 1999 für das Jahr 1995 und damit die der Regelung des § 24 BAföG zugrunde liegende Vermutung widerlegen, das im Berechnungszeitraum des § 24 Abs. 1 BAföG erzielte Einkommen habe auch im Bewilligungszeitraum noch vorgelegen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, BTDrucks VI/1975, S. 32 zu § 24), rechtfertigt es entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht, entgegen dem Wortlaut des § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG in der durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes geänderten Fassung der Rückforderung der unter Vorbehalt geleisteten Ausbildungsförderung mit einem erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes – hier im Widerspruchsverfahren gegen den Rückforderungsbescheid – gestellten Aktualisierungsantrag entgegenzutreten. Der Gesetzeswortlaut ordnet nunmehr eindeutig an, dass nach Ende des Bewilligungszeitraumes gestellte Aktualisierungsanträge “nicht berücksichtigt” werden. Infolge der Neufassung dieser Bestimmung in Verbindung mit der dazu gegebenen Gesetzentwurfsbegründung (BTDrucks 11/5961, S. 23) kann an der zu § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG a.F. (Fassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983, BGBl I S. 645) ergangenen Rechtsprechung des Senats nicht festgehalten werden, wonach ein Auszubildender auch nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes noch die Aktualisierung der Berechnung verlangen konnte, wenn er erst nach Vorliegen des Steuerbescheides seiner Eltern erkennen konnte, dass deren im vorletzten Kalenderjahr vor dem Bewilligungszeitraum erzieltes Einkommen zu höheren Anrechnungen auf den Bedarf und damit zur Rückforderung geleisteter Förderungsbeträge führte (Urteil vom 12. Juli 1979 – BVerwG 5 C 7.78 – BVerwGE 58, 200 ≪203 ff.≫ bzw. Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 1; bestätigend Urteil vom 25. April 1985 – BVerwG 5 C 42.82 – Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 6; Urteil vom 21. November 1991 – BVerwG 5 C 32.87 – Buchholz 436.36 § 24 BAföG Nr. 18). Es bedarf daher auch jetzt keiner Entscheidung, ob diese Rechtsprechung, die nur Fälle betraf, in denen Ausbildungsförderung unter Vorbehalt der Rückforderung in voller Höhe des Bedarfs gewährt worden war, auch auf Fälle anzuwenden wäre, in denen – wie vorliegend – durch vorläufigen Bescheid nach § 24 Abs. 2 Satz 1 und 2 BAföG Förderung nicht in voller Höhe des Bedarfs bewilligt worden ist (offen gelassen in der Entscheidung vom 21. November 1991 – BVerwG 5 C 32.87 – a.a.O.). Die geänderte Bedeutung des § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG (F. 1990) gegenüber der ursprünglichen Gesetzesfassung ergibt sich zur Überzeugung des Senats daraus, dass der Gesetzgeber unter Bezugnahme auf die entgegenstehende Rechtsprechung und in der Absicht, seinen Willen mit dem geänderten Wortlaut nunmehr klarzustellen, ausdrücklich die Nichtberücksichtigung von nach Ende des Bewilligungszeitraumes gestellten Aktualisierungsanträgen angeordnet hat.
Allerdings unterscheidet sich bei reiner Wortlautbetrachtung der aktuelle Gesetzeswortlaut nicht grundlegend von dem der Gesetzesfassung der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 (a.F.), welcher der genannten Rechtsprechung des Senats zugrunde lag.
Es liegt jedoch im Belieben des Gesetzgebers, einer aus seiner Sicht verfehlten Gesetzesauslegung durch die Rechtsprechung – im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen – durch eine Neufassung des Gesetzeswortlauts entgegenzutreten. Eine Gesetzesauslegung gegen den Wortlaut, die von den Gerichten bislang in der Annahme praktiziert wurde, eine solche Korrektur sei aus überwiegenden systematischen und teleologischen Gründen geboten, wird dadurch hinfällig.
Der Wille des Gesetzgebers, mit der Neufassung des § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG a.F. die Grundlage zu entziehen, kommt in der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs (BTDrucks 11/5961, S. 23) hinreichend zum Ausdruck.
Selbst wenn der Einwand des Berufungsgerichts zuträfe, die Gesetzentwurfsbegründung habe den Sinn der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entweder verkannt oder sich darüber unreflektiert hinweggesetzt, stellte dies den durch eine Änderung des Wortlautes umgesetzten Willen des Gesetzgebers, eine von der Rechtsprechung unter Hinweis auf den Gesetzeszweck über den Gesetzeswortlaut hinaus bewirkte Erweiterung der Möglichkeit der Stellung von Aktualisierungsanträgen jedenfalls künftig auszuschließen, nicht in Frage.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) keine durchgreifenden Bedenken gegen den Ausschluss von erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes gestellten Aktualisierungsbegehren, eine verfassungskonforme Auslegung des § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG (n.F.) ist daher nicht geboten.
Art. 3 Abs. 1 GG ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 3. Juli 1985 – 1 BvR 1428/82 – BVerfGE 70, 230 ≪239 f. m.w.N.≫). Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht den Auszubildenden, deren Eltern zu berücksichtigendes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit haben, diejenigen gegenübergestellt, deren Eltern in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen: während bei Letzteren das Einkommen der Eltern in dem dem Bewilligungszeitraum vorausgegangenen vorletzten Kalenderjahr regelmäßig bereits frühzeitig, meist schon vor Beginn des Bewilligungszeitraumes, feststehe und Änderungen der Einkommensverhältnisse, die sich im Bewilligungszeitraum auswirkten, entsprechend früh erkennbar seien, könnten Auszubildende, deren Eltern Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit hätten, bzw. deren Eltern das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Aktualisierungsantrag vielfach überhaupt nicht innerhalb des Bewilligungszeitraumes feststellen. Auch die vorsorgliche Stellung eines Aktualisierungsantrages allein im Hinblick auf die vage Möglichkeit, dass sich die Einkommensverhältnisse der Eltern während des Bewilligungszeitraumes nachträglich irgendwann als schlechter im Verhältnis zu dem vorletzten Kalenderjahr herausstellten, führe nicht weiter, weil der Auszubildende dann auch sofort das Vorliegen der Voraussetzungen einer Aktualisierung glaubhaft zu machen habe (§ 24 Abs. 3 Satz 2 BAföG), was aber vielfach noch nicht möglich sei.
Diese Erwägungen der Vorinstanz greifen nicht durch. Dem Auszubildenden wird durch die Notwendigkeit, einen Aktualisierungsantrag noch vor Ablauf des Bewilligungszeitraumes zu stellen, nicht etwas rechtlich oder tatsächlich Unmögliches abverlangt, etwa ein Nachweis einer ungünstigen Änderung der Einkommensverhältnisse der Eltern noch vor dem Vorliegen eines abschließenden Steuerbescheides oder des Ergebnisses einer Betriebsprüfung. § 24 Abs. 3 Satz 1 knüpft an das “voraussichtliche” Einkommen an, und auch das Erfordernis einer Glaubhaftmachung gemäß Satz 2 bezieht sich lediglich auf das voraussichtliche Einkommen, nicht aber auf das erst später feststellbare (endgültige) Einkommen. Da der Auszubildende nicht selbst der Bezieher des anzurechnenden Einkommens ist, muss er sich an seine Eltern bzw. seinen Ehegatten wenden und von ihnen eine Glaubhaftmachung verlangen, dass die Einkommensentwicklung “voraussichtlich”, d.h. nach den vorliegenden Erkenntnissen, im Bewilligungszeitraum gegenüber dem Vorvorjahr rückläufig ist. Die Obliegenheit, von Eltern oder Ehegatten eine solche Erklärung zu verlangen, welche einen aktuellen Erkenntnisstand wiedergibt, verlangt dem Auszubildenden bzw. seinen Eltern oder Ehegatten keinen nach dem Entwicklungsstand nicht möglichen Nachweis ab; eine “endgültige” Feststellung des Einkommens wird vielmehr gemäß Satz 4 erst für die abschließende Entscheidung über die gemäß Satz 3 unter Vorbehalt der Rückforderung geleistete Ausbildungsförderung verlangt. Die Förderungsämter sind daher in Fällen von Aktualisierungsanträgen – nicht anders als in den Fällen des § 24 Abs. 2 BAföG – gehalten, auf vorläufiger Grundlage eine vorläufige Entscheidung zu treffen; dabei haben sie einer vorliegenden tatsächlichen Ungewissheit Rechnung zu tragen.
Für eine Erhebung der Aktualisierungseinrede schon während des laufenden Bewilligungszeitraumes und nicht erst mit dem Widerspruch gegenüber der abschließenden Entscheidung über die Förderung nach § 24 Abs. 2 Satz 3 bestand für die Klägerin auch deshalb Anlass, weil die Abhängigkeit der Förderung von einer Einkommensanrechnung für sie von vornherein erkennbar war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
BVerwGE 2005, 245 |
DVBl. 2005, 377 |