Entscheidungsstichwort (Thema)

Bauvorbescheid. Ortsbild, Beeinträchtigung des. nähere Umgebung. Baugrundstück. Dachform. Satteldach. Pultdach. “Dachlandschaft”. Baugestaltung. Ortsbildgestaltung. Gemeinwohlbelang. Planersatz. Gestaltungssatzung. Erhaltungssatzung. maßstabbildender Bereich. Einfügensgebot

 

Leitsatz (amtlich)

Die das Ortsbild schützende Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BauGB stellt auf einen größeren maßstabbildenden Bereich als auf die für das Einfügensgebot maßgebliche nähere Umgebung ab.

Durch § 34 BauGB wird das Ortsbild nur in dem Umfang vor Beeinträchtigungen geschützt, wie dies im Geltungsbereich eines Bebauungsplans durch Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB und den ergänzenden Vorschriften der Baunutzungsverordnung möglich wäre.

 

Normenkette

BauGB § 1 Abs. 5 S. 2 Nr. 4, § 9 Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 4, § 34 Abs. 1 Sätze 1, 2 Hs. 2, § 172; BauNVO § 16 Abs. 2 Nr. 4; BayBO Art. 11 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Urteil vom 31.07.1998; Aktenzeichen 27 B 97.1741)

VG München (Entscheidung vom 22.01.1997; Aktenzeichen 9 K 95.4320)

 

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Juli 1998 wird aufgehoben, soweit der Hilfsantrag des Klägers abgewiesen und über die Kosten entschieden worden ist.

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger einen positiven Vorbescheid über die planungsrechtliche Zulässigkeit seines Vorhabens gemäß den mit Bauantrag vom 13. Dezember 1994 eingereichten Plänen zu erteilen.

Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug trägt der Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger und der Beklagte die Gerichtskosten je zur Hälfte; ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten jeweils selbst.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren (nur noch) um einen Vorbescheid über die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Wohnhauses.

Der Kläger möchte als Eigentümer eines bereits bebauten Grundstücks in der Ortslage der beigeladenen Gemeinde ein Einfamilienhaus mit Doppelgarage errichten. Einen Bebauungsplan gibt es nicht. Das geplante Bauvorhaben soll über ein Kellergeschoß, ein Erdgeschoß und ein ausgebautes Dachgeschoß verfügen, das Dach mit einer 37°-Neigung teils als Satteldach, teils als Pultdach ausgebildet werden.

Die beigeladene Gemeinde verweigerte hierzu ihr Einvernehmen u.a. mit der Begründung, das Gebäude füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Das Landratsamt lehnte den Bauantrag ab, weil das Vorhaben die landesbauordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsflächen nicht einhalte.

Der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen und auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung gerichteten Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben: Das Vorhaben widerspreche weder bauplanungs- noch bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Im Berufungsverfahren des beklagten Freistaats, in dem der Kläger hilfsweise die Erteilung eines positiven Bauvorbescheids zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens beantragt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof nach Einnahme des Augenscheins das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Vorhaben sei bauordnungs- und bauplanungsrechtlich unzulässig. Bauplanungsrechtlich sei es nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen. Es liege innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils und füge sich nach der Art der Nutzung auch in die nähere Umgebung ein. Es beeinträchtige jedoch das Ortsbild im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB. Diese Vorschrift solle Vorhaben verhindern, die das Erscheinungsbild der Gemeinde beeinträchtigten. Weil § 34 BauGB eine bodenrechtliche Regelung sei, seien Kriterien für die Beeinträchtigung des Ortsbilds primär aus der Lage und Stellung der baulichen Anlage zu entnehmen; dabei schließe der Begriff des Ortsbilds als eines bauplanungsrechtlich gesicherten Belangs auch Gestaltungsfragen ein, die städtebaulich von Bedeutung seien. Wenn auch Dachformen in Bebauungsplänen nicht kraft Bundesrechts, sondern nur bauordnungsrechtlich nach Maßgabe landesrechtlicher Ermächtigung festgesetzt werden könnten, so biete im unbeplanten Innenbereich § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB eine eigenständige bundesrechtliche Regelung, um auch auf Dachformen als das Ortsbild prägende Elemente Einfluß nehmen zu können. Bei einem engeren Verständnis sei sonst im unbeplanten Innenbereich das Dach als Gebäudeteil ein Belang, dessen Sicherung das Bauplanungsrecht mit § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 BauGB zwar normativ vorgebe, den aber § 34 Abs. 1 BauGB auch mit seinem Ortsbild bezogenen Satz 2 als Planersatz nicht schütze. Mit dem geplanten Vorhaben und seinem im südlichen Teil vorgesehenen nach Westen geneigten Pultdach sowie der bis zum Dachfirst aufragenden östlichen Außenwand würde sich das Ortsbild im Bereich der J.-Straße nachhaltig verändern, weil in der näheren Umgebung des Baugrundstücks keine vergleichbaren Gebäude, sondern nur solche mit durchgehenden Satteldächern vorhanden seien. Die optische und in bezug auf die Dachform homogene Situation würde sich wesentlich verschlechtern.

Zur Begründung der vom erkennenden Senat zugelassenen und auf den Hilfsantrag beschränkten Revision führt der Kläger im wesentlichen aus, das Ortsbild könne nur durch solche Elemente eines Gebäudes beeinträchtigt werden, die durch Festsetzungen eines Bebauungsplans gemäß § 9 Abs. 1 BauGB und der BauNVO beeinflußt werden könnten. Für die Dachgestaltung kämen nur § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO (Höhe der baulichen Anlagen) und § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB (Stellung der baulichen Anlagen – Firstrichtung) in Betracht. Bei allen anderen Fragen der Dachgestaltung gehe es um Baugestaltung und damit nicht um Bodenrecht, sondern um Bauordnungsrecht.

Der Kläger beantragt,

das am 31. Juli 1998 verkündete Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aufzuheben, soweit es den Hilfsantrag auf Verpflichtung zur Erteilung eines positiven Vorbescheids zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens abgewiesen hat, und den Beklagten zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Erteilung eines positiven Vorbescheids zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens nach den Plänen vom Dezember 1994 zu genehmigen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das Berufungsurteil und meint, eine Beschränkung des städtebaulich relevanten Ortsbilds lediglich auf Stellung und Dimensionierung der baulichen Anlagen greife zu kurz; denn dabei werde übersehen, daß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB das Ortsbild “von innen und von außen” schütze.

Die beigeladene Gemeinde stellt keinen Antrag.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren und führt aus, eine Einengung städtebaulicher Relevanz als eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals des § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB auf die durch Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB gegebenen Möglichkeiten der Ortsbildgestaltung werde der gesetzlichen Regelung nicht gerecht.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die auf die Erteilung eines Bauvorbescheids über die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Wohnhauses beschränkte Revision ist begründet. Die Auffassung des Berufungsgerichts, das Vorhaben des Klägers sei wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB planungsrechtlich unzulässig, verletzt Bundesrecht. Da sie sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist, ist der Revision stattzugeben.

1. Für den Antrag, den Beklagten zur Erteilung eines Bauvorbescheids über die planungsrechtliche Zulässigkeit seines Vorhabens gemäß den mit seinem Bauantrag eingereichten Plänen zu verpflichten, besteht ein Rechtsschutzinteresse. Zwar steht zwischen den Beteiligten nach rechtskräftiger Abweisung der auf die Erteilung einer Baugenehmigung gerichteten Klage fest, daß das Vorhaben gegenwärtig auch aus abstandsflächenrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig ist. Der Senat geht jedoch davon aus, daß es dem Kläger entsprechend seinem Vortrag durch eine Änderung der in seinem Eigentum stehenden bereits vorhandenen Gebäude gelingen kann, diese bauordnungsrechtlichen Hindernisse auszuräumen.

2. Das Berufungsgericht hält das Vorhaben des Klägers für planungsrechtlich unzulässig, weil es das Ortsbild beeinträchtige. Wegen seines einhüftigen Pultdachs in Verlängerung eines Satteldachs und der bis zum Dachfirst aufragenden Außenwand würde sich das Ortsbild im Bereich der J.-Straße nachteilig verändern, weil in der näheren Umgebung des Baugrundstücks keine vergleichbaren Gebäude, sondern nur solche mit durchgehenden Satteldächern vorhanden seien; die optische und in bezug auf die Dachform zur Zeit homogene Situation würde sich erheblich verschlechtern. Diese Ausführungen sind mit § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB nicht vereinbar. Diese Vorschrift stellt auf einen größeren maßstabbildenden Bereich ab. Darüber hinaus kann das Ortsbild durch § 34 BauGB nur in dem Umfang vor Beeinträchtigungen geschützt werden, wie dies im Geltungsbereich eines Bebauungsplans durch Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB und den ergänzenden Vorschriften der Baunutzungsverordnung möglich wäre.

a. § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB mit seinem Verbot der Beeinträchtigung des Ortsbildes ergänzt Satz 1 der Vorschrift. Auch ein Vorhaben, das sich gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, kann gleichwohl bauplanungsrechtlich unzulässig sein, wenn es das Ortsbild beeinträchtigt (BVerwG, Beschluß vom 16. Juli 1990 – 4 B 106.90 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 137 = ZfBR 1990, 306). Dabei sind nur solche Beeinträchtigungen des Ortsbildes beachtlich, die städtebauliche Qualität besitzen. Dies ergibt sich aus der Zugehörigkeit des § 34 BauGB zum Bauplanungsrecht. § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB als städtebauliche Gestaltungsvorschrift ist zu unterscheiden von den gestalterischen Vorschriften des Bauordnungsrechts. Durch sie soll nicht nur vermieden werden, daß das Bauwerk selbst verunstaltend wirkt, sondern auch, daß es sich negativ auf seine Umgebung auswirkt. In diesem Sinne verlangt beispielsweise Art. 11 Abs. 2 Satz 1 BayBO, daß bauliche Anlagen mit ihrer Umgebung derart in Einklang zu bringen sind, daß sie das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild nicht verunstalten.

Wann eine baugestalterische Frage nach den Normen des Bauordnungsrechts zu beantworten ist und wann sie zu einer städtebaulichen Frage wird, mag im Einzelfall schwierig zu entscheiden sein. Bei den bauordnungsrechtlichen Vorschriften liegt der Akzent – auch nach ihrem systematischen Zusammenhang – auf der Gestaltung des Bauwerks; das Bauwerk selbst soll nicht unschön sein, und es soll auch nicht durch Unschönheit seine Umgebung stören. Ferner ist die Umgebung grundsätzlich potentiell kleiner gedacht; darauf deutet die Erwähnung des “Straßen”-Bildes in den landesrechtlichen Normen hin (vgl. z.B. Art. 11 Abs. 2 Satz 1 BayBO, § 53 NBauO). Andererseits genügt eine bloße Beeinträchtigung nicht; es muß der Grad der Verunstaltung erreicht werden. Maßstab des § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB ist dagegen der Ort; es kommt auf das “Orts”-Bild, also auf das Erscheinungsbild zumindest eines größeren Bereichs der Gemeinde an. Entscheidend ist, ob sich das Vorhaben in diese weite Umgebung einpaßt. Dagegen ist die Gestaltung des Bauwerks selbst nicht wichtig; auch ein “schönes” Bauwerk kann das Ortsbild beeinträchtigen.

Im vorliegenden Fall kommt es auf die genaue Abgrenzung zwischen bauordnungsrechtlichem Gestaltungsrecht und § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB nicht an. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nämlich, daß die vom Vorhaben des Klägers ausgehenden ästhetischen Beeinträchtigungen keine städtebauliche Qualität besitzen, weil sie sich nur auf die nähere Umgebung, nicht aber auf das “Ortsbild” auswirken können. Das Berufungsgericht hat § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB so verstanden, als handele es sich beim Ortsbild um einen weiteren Maßstab für das Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Es hat das vom Kläger geplante Wohnhaus nur mit der vorhandenen Bebauung in der unmittelbaren Umgebung des Baugrundstücks sowie auf einem kurzen Abschnitt der J.-Straße in Beziehung gesetzt und insoweit eine Beeinträchtigung in ästhetischer Hinsicht festgestellt. Das genügt nicht. Eine Beeinträchtigung des Ortsbildes im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB erfordert schon in räumlicher Hinsicht negative Auswirkungen in einem größeren Bereich als in der näheren Umgebung des Baugrundstücks, soweit sie für das Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB von Bedeutung ist.

Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die negativen Auswirkungen des klägerischen Vorhabens schon den Grad einer “Beeinträchtigung” erreichen. Beim Beeinträchtigen des Ortsbildes kommt es nicht – wie beim Einfügensgebot – auf (fehlende) Übereinstimmung in den einzelnen Merkmalen der Bebauung (beim Einfügen z.B. im Maß der baulichen Nutzung, hinsichtlich der überbauten Grundfläche u.s.w.) an, sondern darauf, ob ein Gesamtbild, das durch unterschiedliche Elemente geprägt sein kann, gestört wird. Das ist nach dem ästhetischen Empfinden eines für Fragen der Ortsbildgestaltung aufgeschlossenen Betrachters zu beurteilen, das nicht verletzt sein darf (BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1983 – BVerwG 4 C 18.81 – BVerwGE 57, 23 ≪33≫). Zu beachten ist, daß nicht jedes Ortsbild schützenswert ist, nur weil es durch eine gewisse Einheitlichkeit oder Gleichartigkeit der Bebauung oder einzelner Elemente der Bebauung geprägt ist. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums muß für Einschränkungen seines Gebrauchs (hier: der Baufreiheit) hinreichend gewichtige Gemeinwohlbelange auf ihrer Seite haben. Sie darf nicht darauf hinauslaufen, daß im unbeplanten Innenbereich das Vorhandene in jeder Beziehung das Maß des Zulässigen bestimmt, nur weil es schon vorhanden ist. Das Ortsbild muß, um schützenswert zu sein und die Bau(gestaltungs)freiheit des Eigentümers einschränken zu können, eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit haben. Dies ist nicht das Ortsbild, wie es überall anzutreffen sein könnte. Es muß einen besonderen Charakter, eine gewisse Eigenheit haben, die dem Ort oder dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht. Ob das Ortsbild in diesem Sinne beeinträchtigt ist, unterliegt in erster Linie der wertenden Beurteilung durch das Tatsachengericht. Im vorliegenden Fall ergeben die Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Anhalt für eine Beeinträchtigung des Ortsbildes.

b. § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB ist hier ferner deshalb nicht verletzt, weil diese Vorschrift das Ortsbild nur insoweit vor Beeinträchtigungen schützt, wie dies im Geltungsbereich eines Bebauungsplans durch planerische Festsetzungen möglich wäre.

§ 34 BauGB ist eine planersetzende Vorschrift. Er regelt die Bebaubarkeit der innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegenden Grundstücke, wenn ein Bebauungsplan für das Grundstück nicht vorhanden ist; existiert ein Bebauungsplan, so bestimmt er, was planungsrechtlich zulässig ist. Ein Planersatz kann aber nicht mehr regeln als der Plan selbst (so auch Schmaltz, in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 34 Rn. 50, m.w.N.). Im Gegenteil ist für das Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB anerkannt, daß der sich aus der vorhandenen Bebauung ergebende Maßstab notwendig grob und ungenau ist und regelmäßig hinter planerischen Festsetzungen zurückbleibt (BVerwG, Urteil vom 23. März 1994 – BVerwG 4 C 18.92 – BVerwGE 95, 277 ≪278≫). Für den in besonderem Maße unbestimmten Rechtsbegriff der Beeinträchtigung des Ortsbildes kann nichts anderes gelten. Erst recht wäre es mit dem Vorrang des Bebauungsplans vor der Regelung des § 34 BauGB unvereinbar, wenn die Gemeinde ihr Ortsbild durch Untätigkeit besser schützen könnte als durch die Aufstellung eines Bebauungsplans. Da § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB im Geltungsbereich eines Bebauungsplans nicht gilt, kann er keine höheren Anforderungen stellen als die nach dem Typenzwang des Baugesetzbuchs zulässigen planerischen Festsetzungen eines Bebauungsplans.

Demgegenüber beruft sich das Berufungsgericht für seine Rechtsauffassung, daß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB eine eigenständige bundesrechtliche Regelung enthalte, um auch auf – nicht festsetzbare – Dachformen als das Ortsbild prägende Elemente Einfluß zu nehmen, auf § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 BauGB. Dem ist nicht zu folgen. Nach § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 BauGB ist (auch) die Gestaltung des Ortsbildes bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen. Daraus folgt zwar, daß grundsätzlich auch die Gestaltung des Ortsbildes bauplanerische Relevanz besitzt. § 1 Abs. 5 BauGB enthält aber keine Zulässigkeitsvoraussetzungen für Vorhaben im unbeplanten Innenbereich. Aus ihm ergibt sich nur, daß im Falle der Planung auch die Gestaltung des Ortsbildes beachtet werden muß; in welcher Weise dies rechtlich möglich ist, wird dagegen in § 9 Abs. 1 BauGB geregelt. Soweit sich Dachformen gemäß § 9 Abs. 1 BauGB in einem Bebauungsplan nicht festsetzen lassen, trifft es daher nicht zu, daß das Dach als Gebäudeteil ein Belang ist, dessen Sicherung das Bauplanungsrecht mit § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 BauGB normativ vorgibt, wie das Berufungsgericht meint.

Im vorliegenden Fall streiten die Beteiligten, ob das 13,25 m lange Gebäude zum Schutze des Ortsbildes auf seiner vollen Länge mit einem Satteldach versehen werden muß oder ob das Satteldach auch auf 3,84 m Länge als ein einhüftiges Pultdach mit einer senkrechten Wand unter dem Dachfirst fortgeführt werden darf. Derartige Gestaltungsfragen können zwar bauordnungsrechtlich, etwa durch eine Gestaltungssatzung, die gemäß § 9 Abs. 4 BauGB auch in einen Bebauungsplan aufgenommen werden könnte, geregelt werden. Unter den Voraussetzungen des § 172 BauGB mag sogar im Einzelfall eine städtebauliche Regelung durch eine Erhaltungssatzung in Betracht kommen. Eine Regelung durch planerische Festsetzungen auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 BauGB oder der Baunutzungsverordnung ist jedoch ausgeschlossen. Festsetzen lassen sich zwar die Flächen für die Gebäude, auf die die Dächer gesetzt werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB); festsetzen läßt sich auch die Höhe der baulichen Anlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO); festsetzbar ist schließlich die Stellung der baulichen Anlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) und damit die Firstrichtung. Deshalb mag sich über § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB eine Beeinträchtigung des Ortsbildes durch einen Eingriff in eine “Dachlandschaft” verhindern lassen, wie ihn das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bei einer Verletzung der “Rheinsilhouette” angenommen hat (Urteil vom 6. November 1990 – 11 A 190/87 – BRS 52 Nr. 66). Nicht festsetzbar sind dagegen Dachformen oder andere Einzelheiten der Dachgestaltung. Auch wenn sich etwa der Neigungswinkel eines Daches auf das Ortsbild auswirken mag, so reicht die Störung jedenfalls nicht zu einer Beeinträchtigung des Ortsbildes im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB aus.

3. Den Feststellungen des Berufungsurteils lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB etwa in anderer Weise verletzt sein könnte; auch der Beklagte und die Beigeladene machen dies nicht geltend. Ob das Vorhaben des Klägers mit der baugestalterischen Vorschrift des Art. 11 BayBO vereinbar ist, muß offen bleiben, weil der begehrte Bauvorbescheid auf die Klärung seiner planungsrechtlichen Zulässigkeit beschränkt ist. Das Berufungsgericht hat ferner ausdrücklich zwar nur geprüft, ob sich das Vorhaben des Klägers nach der Art seiner Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Es hat aber offenbar stillschweigend angenommen, daß auch die übrigen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gegeben sind und daß auch keine Erschließungsprobleme bestehen. Hiervon geht auch der Senat aus, zumal im Revisionsverfahren insoweit keine Bedenken vorgetragen worden sind. Demgemäß ist der Beklagte zur Erteilung eines Vorbescheids über die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens zu verpflichten.

4. Die Kostenentscheidungen beruhen für den ersten Rechtszug auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, für das Berufungsverfahren auf § 155 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO und für das Revisionsverfahren auf § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Berkemann, Lemmel, Heeren, Jannasch

 

Fundstellen

BauR 2000, 1848

NVwZ 2000, 1169

DÖV 2000, 1008

NuR 2001, 39

VR 2001, 177

ZfBR 2001, 58

BRS 2000, 501

DVBl. 2000, 1851

UPR 2001, 66

FSt 2001, 178

FuBW 2001, 185

FuHe 2001, 374

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