Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitszeit der Beamten. sog. Arbeitszeitverkürzungstag, rückwirkende Aufhebung. echte Rückwirkung. Vertrauensschutz. Ermessensrichtlinie. Vorwegnahme einer beabsichtigten Rechtsänderung durch generell versagende Ermessensentscheidung. Ermessensschrumpfung
Leitsatz (amtlich)
Die beabsichtigte rückwirkende Aufhebung einer Arbeitszeitregelung berechtigt den Dienstherrn nicht, bereits gegenwärtig die Arbeitszeit im Vorgriff auf das künftige Recht zu gestalten.
Normenkette
LBG NW § 78 Abs. 3; AZVO NW a.F. § 2a
Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. August 2004 wird aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger beantragte am 21. Januar 2003, ihn durch Gewährung eines so genannten Arbeitszeitverkürzungstages gemäß § 2a der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen am 24. Januar 2003 vom Dienst freizustellen. Der Arbeitszeitverkürzungstag wurde nach der damals geltenden Fassung der Arbeitszeitverordnung an einem Tag im Kalenderjahr gewährt.
In der am 10. Januar 2003 abgeschlossenen Tarifrunde 2002/2003 für den öffentlichen Dienst wurde eine Streichung des Arbeitszeitverkürzungstages für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes mit Wirkung vom 1. Januar 2003 vereinbart. Daraufhin teilte das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen den Landesbehörden durch Runderlass vom 14. Januar 2003 mit, durch eine kurzfristig vorzunehmende Änderung des § 2a der Arbeitszeitverordnung solle die Rechtslage für Beamte der für Arbeitnehmer geltenden angepasst werden. Mit Rücksicht auf diese bevorstehende Rechtsänderung solle kein Arbeitszeitverkürzungstag nach § 2a der Arbeitszeitverordnung mehr gewährt werden. Sei der Arbeitszeitverkürzungstag bereits bewilligt, von der Bewilligung aber noch kein Gebrauch gemacht worden, solle die Bewilligung widerrufen werden. Sei der arbeitsfreie Tag bereits zwischen dem 1. und 13. Januar 2003 in Anspruch genommen worden, solle es dabei sein Bewenden haben.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2003 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Freistellung am 24. Januar 2003 mit der Begründung ab, die Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme eines Arbeitszeitverkürzungstages sei entfallen. Der Kläger blieb am 24. Januar 2003 dem Dienst fern. Hierfür brachte der Beklagte einen Tag des dem Kläger für das Jahr 2003 zustehenden Erholungsurlaubs in Ansatz. Durch Verordnung vom 18. Februar 2003, veröffentlicht im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 7. März 2003, wurde § 2a der Arbeitszeitverordnung mit Wirkung vom 14. Januar 2003 ersatzlos aufgehoben.
Auf die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten, dem Kläger für den 24. Januar 2003 die beantragte Dienstbefreiung zu bewilligen und einen Tag Erholungsurlaub gutzuschreiben. Das Oberverwaltungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil und wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus: Der Arbeitszeitverkürzungstag sei mit Wirkung vom 14. Januar 2003 aufgehoben worden. Die darin liegende Rückwirkung sei als unechte Rückwirkung zulässig. Die Aufhebung des § 2a der Arbeitszeitverordnung habe einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt betroffen. Der Anspruch des Klägers auf den Arbeitszeitverkürzungstag sei auf das gesamte Kalenderjahr 2003 bezogen gewesen. Bei Inkrafttreten der Änderungsverordnung vom 18. Februar 2003 sei der Tag noch nicht in Anspruch genommen worden, denn die begehrte Dienstbefreiung am 24. Januar 2003 sei von dem Beklagten in sachgerechter Wahrnehmung seines organisatorischen Ermessens rechtmäßig abgelehnt worden.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger stellt den Antrag,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. August 2004 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16. Januar 2004 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Berufungsurteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, dem Kläger einen Tag Erholungsurlaub gutzuschreiben. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats, durch die das Urteil vom 30. Januar 1986 – BVerwG 2 C 24.84 – Buchholz 232 § 89 BBG Nr. 15 überholt ist, erledigt sich der Anspruch auf Freistellung vom Dienst wegen Sonderurlaubs oder Freizeitausgleichs nicht schon dann, wenn der Tag oder das Ereignis, für den die Freistellung begehrt wird, verstrichen ist. Vielmehr kann der Beamte, der dem Dienst ferngeblieben ist und anstelle der begehrten Freistellung Erholungsurlaub in Anspruch genommen hat, weiterhin klären lassen, ob die primär beantragte Freistellung zu Recht versagt worden ist. Zwar kann der Beamte wegen Zeitablaufs nicht mehr nachträglich auf der Grundlage einer Urlaubsbewilligung von der Dienstleistungspflicht befreit werden. Er kann jedoch die Rechtswirkungen zu Unrecht versagter Freistellung aus sonstigen Gründen und deshalb überflüssig in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs auch noch für eine in der Vergangenheit liegende Zeit beseitigen lassen (Urteile vom 29. Januar 1987 – BVerwG 2 C 12.85 – Buchholz 232.4 § 7 SUrlV Nr. 1, vom 19. Mai 1988 – BVerwG 2 A 4.87 – BVerwGE 79, 336 ≪337≫ und vom 29. August 1991 – BVerwG 2 C 40.88 – Buchholz 237.5 § 106 HeLBG Nr. 2). Dies gilt schon aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes ebenfalls dann, wenn eine gesetzliche Frist für die Bewilligung von Erholungsurlaub für das abgelaufene Kalenderjahr zwischenzeitlich abgelaufen ist.
Der Kläger hatte einen Anspruch darauf, am 24. Januar 2003 seinem Antrag entsprechend aus Gründen des Arbeitszeitrechts vom Dienst freigestellt zu werden. Der Beklagte hat diesen Tag zu Unrecht als einen Tag des dem Kläger zustehenden Erholungsurlaubs bewertet. Um diesen Urlaubstag muss das Urlaubskonto des Klägers im Wege der Folgenbeseitigung aufgestockt werden.
Nach § 2a Abs. 1 und 2 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen (AZVO) vom 28. Dezember 1986 (GV.NW S. 15) i.d.F. der Vierzehnten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen vom 25. Januar 2000 (GV.NW S. 26) – AZVO a.F. – wurden alle Beamten, sofern ihr Beamtenverhältnis fünf Monate ununterbrochen bestanden hatte, in jedem Kalenderjahr an einem Arbeitstag vom Dienst freigestellt. Diese verordnungsrechtliche Regelung galt am 24. Januar 2003, dem Tag der vom Kläger beantragten Freistellung. Die Regelung war nicht mit Wirkung auch für den Kläger durch Art. I der Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen sowie zur Änderung der Verordnung über die Arbeitszeit der Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen und zur Änderung der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. Februar 2003 (GV.NW S. 74) – ÄndVO – aufgehoben worden. Die Rückwirkung auf den 14. Januar 2003, die sich diese Verordnung beilegte (vgl. Art. V ÄndVO) ist gegenüber dem Kläger nicht zustande gekommen. Ihm gegenüber stellte sich Art. I i.V.m. Art. V ÄndVO als eine echt zurückwirkende und damit unwirksame verordnungsrechtliche Norm dar.
Eine Gesetzesbestimmung hat echte Rückwirkung, wenn ein bereits abgewickelter, in der Vergangenheit abgeschlossener Tatbestand nachträglich neu geregelt wird (BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44, 48/92 – BVerfGE 95, 64 ≪86≫ m.w.N.; stRspr; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – BVerwG 2 C 36.02 – BVerwGE 118, 277 ≪287≫). Erforderlich ist, dass der von der Rückwirkung betroffene Tatbestand in der Vergangenheit nicht nur begonnen hat, sondern im Zeitpunkt der Neuregelung bereits abgeschlossen war (BVerfG, Beschluss vom 23. März 1971 – 2 BvL 2/66, 2 BvR 168, 196, 197, 210, 472/66 – BVerfGE 30, 367 ≪386≫). Dem gegenüber liegt eine unechte Rückwirkung vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44, 48/92 – a.a.O.). Verfassungsrechtlich ist die echte Rückwirkung grundsätzlich unzulässig, die unechte grundsätzlich zulässig (BVerfG a.a.O.). Art. 1 ÄndVO erfasste im Zeitpunkt seines Erlasses am 7. März 2003 den bereits in der Person des Klägers abschließend verwirklichten Tatbestand des § 2a AZVO a.F. Am 24. Januar 2003 waren alle Tatbestandsvoraussetzungen dieser Anspruchsnorm erfüllt, der Kläger war damals Inhaber eines Anspruchs auf Freistellung vom Dienst an diesem Tage.
§ 2a AZVO a.F. gewährte einem Beamten, dessen Beamtenverhältnis mindestens fünf Monate bestanden hat, zusätzlich zum Erholungsurlaub einen Anspruch auf einen dienstfreien Arbeitstag im jeweiligen Kalenderjahr. Den konkreten Tag, an dem der Beamte dem Dienst fernbleiben durfte, bestimmte der Dienstherr nach Ermessen. Dieses Ermessen lag in seiner Organisationsgewalt begründet und diente insbesondere dazu, die Erfordernisse und Belange des Dienstbetriebes mit den Terminswünschen des Beamten in Einklang zu bringen. Bei der Entscheidung über den Kalendertag, an dem der Arbeitszeitverkürzungstag 2003 dem Kläger zu gewähren war, hatte der Beklagte keinen Ermessensspielraum mehr. Sein Ermessen war auf die rechtlich allein mögliche Entscheidung geschrumpft, dem Kläger, so wie von diesem beantragt, den 24. Januar 2003 als Arbeitszeitverkürzungstag zu gewähren.
Der Beklagte durfte sich bei der Ermessensausübung nicht von der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen 24.1.25.02 – 7/03 vom 14. Januar 2003 leiten lassen. Diese generelle Weisung zur Ausübung des Ermessens bei der Entscheidung über den Antrag eines Beamten, ihn aus Gründen der Arbeitszeitverkürzung vom Dienst freizustellen, ist rechtswidrig.
Ermessenssteuernde Richtlinien werden erlassen, um eine einheitliche Handhabung des Ermessens durch die nachgeordneten Behörden zu erreichen. Dies geschieht dadurch, dass der Richtliniengeber das Ziel, das die nachgeordneten Behörden bei ihrer Ermessensausübung anzustreben haben, in der Richtlinie herausstellt oder dass er eine bestimmte Entscheidung direkt vorschreibt. Die Verwaltungsvorschrift muss sich ihrerseits an dem Zweck der Ermessen einräumenden Norm orientieren und sachgerecht sein, andernfalls ist sie rechtswidrig (Urteile vom 22. Februar 1985 – BVerwG 8 C 25.84 – BVerwGE 71, 63 ≪71≫ und vom 12. Juni 1985 – BVerwG 6 C 24.84 – BVerwGE 71, 342 ≪345 ff.≫).
Die Verwaltungsvorschrift vom 14. Januar 2003 zielt nicht auf eine bestmögliche Organisation des Dienstbetriebes in den nordrhein-westfälischen Behörden vor dem Hintergrund einer zusätzlich um den Arbeitszeitverkürzungstag verminderten Jahresarbeitszeit der Beamten. Die Verwaltungsvorschrift weist die nachgeordneten Behörden an, Beamten und Beamtinnen ab sofort keinen Arbeitszeitverkürzungstag mehr zu bewilligen und bereits ausgesprochene Bewilligungen, von denen noch kein Gebrauch gemacht worden ist, sofern möglich, zu widerrufen. Als Grund für diese angeordnete Verwaltungspraxis nennt die Richtlinie “die … bevorstehende Rechtsänderung”, um “die Rechtslage für die Beamtinnen und Beamten mit rückwirkender Kraft der für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geltenden Rechtslage anzupassen”. Die Ablehnung des Arbeitszeitverkürzungstages soll ab dem 14. Januar 2003, dem Tag, auf den sich die spätere verordnungsrechtliche Norm über die Aufhebung des § 2a AZVO a.F. Rückwirkung beilegt, ausgesprochen werden. Danach wollte das nordrhein-westfälische Innenministerium mit der Ermessensrichtlinie nicht einer Beeinträchtigung des ordnungsgemäßen Dienstbetriebes, etwa durch zeitweilige personelle Engpässe infolge einer unkoordinierten Inanspruchnahme des Arbeitszeitverkürzungstages, entgegenwirken, sondern rasch den Zustand beseitigen, dass Beamte im Jahre 2003 einen zusätzlichen dienstfreien Tag genießen konnten, der für die Arbeitnehmer bereits abgeschafft war. Diese Verfahrensweise verfehlt nicht nur den von § 2a AZVO a.F. für die Ermessensausübung vorgegebenen Zweck, den Dienstbetrieb vor Beeinträchtigungen durch die Inanspruchnahme des Arbeitszeitverkürzungstages zur Unzeit zu bewahren, sondern missachtet auch das Erfordernis, dass für eine Abschaffung des Arbeitszeitverkürzungstages die Arbeitszeitverordnung geändert werden musste.
Grundlage für die Regelung der Arbeitszeit der Beamten in Nordrhein-Westfalen ist § 78 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981 (GV.NW S. 234). Gemäß § 78 Abs. 3 LBG sind die näheren Einzelheiten, u.a. die Verlängerung und Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit, durch Rechtsverordnung der Landesregierung zu regeln (§ 78 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LBG). Die Beseitigung des Arbeitszeitverkürzungstages ist eine Verlängerung der Arbeitszeit im Sinne des § 78 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LBG. Die Entscheidung der Landesregierung über die Streichung des § 2a AZVO a.F. konnte deshalb nicht vom Innenministerium im Wege der allgemeinen Ermessensanweisung vorgenommen werden. Ein generelles Verbot, einen Arbeitszeitverkürzungstag zu bewilligen, widersprach dem seinerzeit noch geltenden Recht, das gerade diese Freistellung vorsah.
Auch wenn Zweck der Richtlinie – was in ihrem Text allerdings nicht zum Ausdruck kommt – gewesen wäre, eine massenhafte Inanspruchnahme des Arbeitszeitverkürzungstages in den Wochen vor seiner Abschaffung zu verhindern, wäre der Erlass rechtswidrig. Dass ein derartiger Ansturm auf die Vergünstigung entstehen würde, war bloße Spekulation. Es gab keinerlei Hinweise auf eine solche Entwicklung, sie ist nach den Erläuterungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung weder in Nordrhein-Westfalen noch in einem anderen Bundesland, in dem ebenfalls ein derartiger dienstfreier Tag abgeschafft worden ist, eingetreten.
Danach konnte auf Grund der an der Richtlinie vom 14. Januar 2003 orientierten Ermessensausübung die Gewährung des Arbeitszeitverkürzungstages am 24. Januar 2003 rechtmäßig nicht versagt werden. Auch der nach dem Zweck der Ermessenseinräumung in § 2a AZVO a.F. allein in Betracht kommende Versagungsgrund, dass dienstliche Belange die Abwesenheit vom Dienst an diesem Tage nicht zuließen, bestand nicht. Dies hat der Beklagte nicht zuletzt dadurch zu erkennen gegeben, dass er dem Kläger am 24. Januar 2003 Erholungsurlaub gewährt hat.
Aus alledem folgt, dass das Ermessen des Beklagten hinsichtlich des Kalendertages, an dem er dem Kläger den Arbeitszeitverkürzungstag zu gewähren hatte, in der Weise reduziert war, dass er ihm das Fernbleiben vom Dienst antragsgemäß am 24. Januar 2003 gestatten musste. Damit betraf der rückwirkend in Kraft gesetzte Art. I der Änderungsverordnung vom 18. Februar 2003 den in der Person des Klägers abschließend verwirklichten Tatbestand des § 2a AZVO a.F. und somit einen ihm zustehenden voll ausgebildeten Anspruch auf einen dienstfreien Tag am 24. Januar 2003. Der Exekutive steht es nicht zu, vom Vollzug geltenden Rechts generell abzusehen oder die Wirkung beabsichtigter Normänderungen im Widerspruch zur bestehenden Rechtslage vorwegzunehmen.
Da Kriterium der echten Rückwirkung die Neuregelung eines in der Vergangenheit abschließend verwirklichten Normtatbestandes ist, hat es keine Bedeutung, dass der Anspruch nicht durch behördlichen Bescheid zuerkannt worden ist (BVerfG, Beschluss vom 23. März 1971 – 2 BvL 2/66, 2 BvR 168, 196, 197, 210, 472/66 – a.a.O. S. 367).
Die dem Art. I der Änderungsverordnung vom 18. Februar 2003 eigene echte Rückwirkung war auch nicht ausnahmsweise zulässig, weil auf Grund der Sachlage in dem Zeitpunkt, auf den die Neuregelung zurückbezogen ist, mit der Änderung zu rechnen war, oder der Vertrauensschutz hinter zwingende Gründe des Gemeinwohls zurücktreten musste oder durch die Rückwirkung kein oder nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht worden ist (BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44, 48/92 – a.a.O. S. 87; Beschluss vom 23. März 1971 – 2 BvL 2/66, 2 BvR 168, 196, 197, 210, 472/66 – a.a.O. S. 387; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – BVerwG 2 C 36.02 – a.a.O. S. 288). Der Runderlass vom 14. Januar 2003 war nicht geeignet, den Vertrauensschutz in den Bestand des geltenden Rechts zu beseitigen, vielmehr endet das Vertrauen in den Fortbestand einer Rechtsverordnung erst mit dem Beschluss des Verordnungsgebers über das geänderte Recht (Urteil vom 19. Dezember 2002 – BVerwG 2 C 32.01 – Buchholz 237.7 § 72 NW LBG Nr. 5 m.w.N.). Es gab auch keine zwingenden Gründe des Gemeinwohls, welche die echte Rückwirkung forderten. Ernstzunehmende Hinweise, dass es nach dem Bekanntwerden der tarifvertraglichen Abschaffung des Arbeitszeitverkürzungstages zur massenhaften Inanspruchnahme dieses Tages innerhalb einer kurzen Zeitspanne und damit zu einer Beeinträchtigung oder gar zu einem Stillstand der Behördentätigkeit kommen werde, gab es nicht. Hiervon abgesehen, lagen zwischen dem 14. Januar 2003 und der Verkündung der Änderungsverordnung genügend Arbeitstage, so dass zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Dienstablaufs die zu gewährenden Freistellungstage entzerrt werden konnten.
Die Abschaffung des Arbeitszeitverkürzungstages für die Arbeitnehmer für das Jahr 2003 rechtfertigte es nicht, bereits entstandene Ansprüche von Beamten auf den Arbeitszeitverkürzungstag 2003 rückwirkend zu beseitigen. Unterschiedliche Arbeitszeiten von Beamten und Arbeitnehmern sind nicht unüblich und mit dem Gleichheitssatz vereinbar (Beschluss vom 14. Oktober 1994 – BVerwG 2 NB 2.94 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 73), so dass eine umgehende Anpassung nicht aus Gründen des Gemeinwohls zwingend geboten war. Ebenso wenig ließ sich die echte Rückwirkung dadurch rechtfertigen, dass wenigstens die Beamten untereinander hätten gleichbehandelt werden sollen. Denn der Verordnungsgeber hat dies selbst mit der rückwirkenden Regelung nicht bewirkt: Beamte, die vor dem 14. Januar 2003 ihren Arbeitszeitverkürzungstag bereits genommen hatten, mussten in diesem Kalenderjahr einen Tag weniger arbeiten, ohne dass ihnen der Erholungsurlaub gekürzt worden wäre. Schließlich ist der Verlust eines dienstfreien Tages, insbesondere angesichts des Fehlens jeglicher ins Gewicht fallender Gründe für die Rückwirkung der anspruchsvernichtenden Regelung des Art. I ÄndVO, keine wegen ihrer Geringfügigkeit zumutbare Einbuße.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Groepper, Dr. Bayer, Dr. Heitz
Fundstellen
PersV 2006, 308 |
RiA 2006, 176 |
DVBl. 2006, 648 |
Städtetag 2006, 45 |
NWVBl. 2006, 252 |