Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzneimittel. Tierarzneimittel. Präsentationsarzneimittel. Funktionsarzneimittel. Pferdesalbe. Kampher. pharmakologische Wirkung. Pflegemittel
Leitsatz (amtlich)
Eine als Pflegemittel deklarierte Pferdesalbe wird durch einen Kampheranteil von 0,5 % nicht zum Arzneimittel i.S.d. § 2 Abs. 1 AMG.
Normenkette
AMG § 2 Abs. 1; Richtlinie 2001/82/EG Art. 1 Nr. 2; Richtlinie 2004/28/EG Art. 1 Nr. 1b
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 26.04.2005; Aktenzeichen 13 A 1010/02) |
VG Minden (Urteil vom 24.01.2002; Aktenzeichen 7 K 2323/01) |
Tenor
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2005 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 24. Januar 2002 werden geändert. Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 16. August 2000 in der Gestalt des Bescheides vom 21. August 2000 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Detmold vom 13. September 2001 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin vertreibt in ihrem Raiffeisenmarkt in L… das Produkt “Cold Pack”, eine Pferdesalbe, die von der Firma … in La.… hergestellt wird. Die Salbe enthielt jedenfalls in der bei Erlass des Berufungsurteils maßgeblichen Zusammensetzung 0,5 % Kampher und 0,094 % Menthol. Auf dem Behältnis werden diese beiden Bestandteile nicht erwähnt. Das Etikett enthält unter der Produktbezeichnung die Angabe “Macht topfit, auch nach harter Beinarbeit.” Außerdem enthält es den Aufdruck “… Pferdepflege. Natürlich und mit System.” In kleinerer Schrift wird das Produkt dort wie folgt beschrieben: “Arnikaextrakt und Rosmarinöl pflegen vor und nach sportlicher Anstrengung. Wirkt im Zwei-Phasen-Effekt. Nach dem Auftrag tritt zunächst eine wohltuende, langanhaltende Kühlung ein. Danach folgt eine angenehme Erwärmung. Haftet gut im Fell, daher optimal auch ohne Bandagen. Anwendung: einfach auftragen und einmassieren, dann eine etwas dickere Schicht auftragen und nicht bandagieren.”
Bei einer Überprüfung des Geschäfts der Klägerin untersagte der Beklagte dem Marktleiter am 16. August 2000 mündlich das Inverkehrbringen von “Cold Pack”, da es sich nicht um ein Pflegemittel, sondern wegen des Gehalts an Kampher um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handele. Durch Bescheid vom 21. August 2000 bestätigte der Beklagte die mündliche Verfügung.
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, das streitige Produkt sei kein Arzneimittel. Wegen der geringen Konzentration entfalte der darin enthaltene Kampher keine pharmakologische Wirkung. Das Mittel werde auch in der Praxis nicht zur Behandlung von Krankheiten oder Leiden eingesetzt; es diene lediglich dazu, das Wohlbefinden des Pferdes nach harter Arbeit zu verbessern.
Mit Bescheid vom 13. September 2001 wies die Bezirksregierung Detmold den Widerspruch der Klägerin zurück. Dazu führte es aus, das Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst Münster habe mit Prüfbericht vom 23. März 2000 das Produkt “Cold Pack” beurteilt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es nach Art und Menge der nicht deklarierten Wirkstoffe Kampher und Menthol als Arzneimittel einzustufen sei.
Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin eine Stellungnahme von Prof. Dr. P…, Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Gießen vorgelegt. Dort heißt es, es existiere kein kampherhaltiges Arzneimittel zur äußerlichen Anwendung bei Pferden, dass weniger als 10 % Kampher enthalte. Dies weise daraufhin, dass bei Konzentrationen deutlich unter 10 % keine pharmakologischen, die Körperfunktion beeinflussbaren Wirkungen erwartet würden. Kampherhaltige Präparate wie “Cold Pack” hätten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nach Abwägung der Fakten weder positive pharmakologische noch negative toxische Wirkungen beim erwachsenen Pferd. Wegen der äußerst geringen Menge an Kampher seien Sicherheitsbedenken für den Verbraucherschutz (fast) nicht angebracht. Kinder müssten 200 g Präparatemenge der “Cold Pack”-Dose, also etwa den halben Inhalt, oral aufnehmen, um lebensbedrohliche Vergiftungen zu erleiden; bei erwachsenen Menschen seien hierzu vier bis fünf “Cold Pack”-Dosen erforderlich.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 24. Januar 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Produkt “Cold Pack” sei ein Arzneimittel gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG, da es sich um eine Zubereitung aus Stoffen handele, die dazu bestimmt sei, durch Anwendung am tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Kampher wirke durchblutungsfördernd. Weiterhin wirke er an der Haut hyperämisierend und leicht lokal anästhetisch. Diese Wirkungen seien arzneilicher Art, denn Kampher werde von der Haut resorbiert und entfalte seine Wirksamkeit in tiefer gelegenem Gewebe. Kamphersalbe sei auch in der Anlage 1a zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel aufgeführt. Die Salbe diene zumindest nicht ausschließlich der Pflege des Pferdes. Nach Bestimmung der Herstellerfirma sollten durch Arbeit erwärmte Pferdebeine durch Auftragen der Salbe schneller wieder in ihren Ausgangszustand (normalwarme Beine) zurückgeführt werden; der kühlende und durchblutungsfördernde Effekt der Salbe sei nicht auf eine rein äußerliche Pflege ausgerichtet. Damit erfülle die Salbe den Zweck, eine Krankheit zu heilen.
Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch Beschluss vom 26. April 2005 zurückgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, die Untersagung des Inverkehrbringens von “Cold Pack” sei nach § 69 Abs. 1 AMG gerechtfertigt, denn es handele sich um ein zulassungspflichtiges, aber nicht zugelassenes Fertigarzneimittel. Die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel richte sich auf der Grundlage eines “objektiven” Arzneimittelbegriffs nach der Zweckbestimmung des Produkts, wie es sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstelle. Danach sei “Cold Pack” ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG und kein Pflegemittel im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG. Es sei dazu bestimmt, durch Anwendung am Pferd (Bein) ein beschleunigtes Absenken der Körpertemperatur und damit “normale” physiologische Funktionen herbeizuführen, also die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers zu beeinflussen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG). Ob es darüber hinaus auch zur Entzündungshemmung, Hyperämisierung und Anästhesierung verwendet werde und die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG erfülle, könne offenbleiben. Die Tatsache, dass der Hersteller des Mittels es als Pflegemittel für Pferde bezeichne und so bewerbe, zwinge demgegenüber nicht zur Einstufung als Pflegemittel und schließe die Beurteilung des Produkts als Arzneimittel nicht aus. Ebenso sei es irrelevant, dass Pferdesalben und auch “Cold Pack” seit vielen Jahren als Pflegemittel vertrieben würden. Die Einstufung als Arzneimittel unter Berücksichtigung der Verbrauchererwartung sei erst recht gerechtfertigt bei Berücksichtigung des Umstandes, dass Pferdesalben bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung in dem Ruf stünden, auch in der Anwendung beim Menschen (z.B. bei Prellungen, Zerrungen, Gelenk- oder Muskelschmerzen, Verstauchungen, Rheuma) heilsame Wirkungen zu entfalten. Zudem sei auch eine entsprechende auf die Anwendung beim Menschen bezogene Werbung für solche Mittel festzustellen. Die Einschätzung, ob es sich bei dem streitigen Produkt um ein Arzneimittel handele, orientiere sich an dem Inhaltsstoff Kampher. Nach der dazu ergangenen Monographie des früheren Bundesgesundheitsamtes vom 3. Januar 1991 wirke Kampher bei lokaler Anwendung auf der äußeren Haut reizend und damit durchblutungsfördernd. In geringer Konzentration (0,5 – 1 %) auf die Haut aufgetragen sei ein kühlender, leicht lokal anästhesistischer Effekt vorhanden. Bei Pferden sei die Anwendung von Kampher indiziert bei Druckschäden, Frost, Einschuss, Hautausschlägen, schlecht granulierenden Wunden, Geschwüren, Fisteln, Ödemen und Gliederschwäche. Dem Inhaltsstoff Kampher komme damit auch eine heilende, also arzneiliche Wirkung zu.
Die Ausschlussregelung des § 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG sei nicht einschlägig, weil “Cold Pack” nicht ausschließlich dazu bestimmt sei, äußerlich am Tier zur Reinigung oder Pflege oder zur Beeinflussung des Aussehens und des Körpergeruchs angewendet zu werden. Die Salbe werde zwar auf die Haut appliziert; ihre Wirkung beschränke sich aber nicht auf eine rein äußerliche Anwendung im Sinne eines Reinigungs- und/oder Pflegemittels. Der Kampher werde auch in tiefere lipidreiche Gewebe verteilt und passiere Barrieren wie die Blut-Milch-Schranke, die Blut-Hirn-Schranke und die Plazentaschranke. Nach den Angaben auf der Verpackung solle das Produkt “auch nach harter Beinarbeit” zunächst langanhaltende Kühlung und danach angenehme Erwärmung bewirken. Damit solle es den Körperzustand und die Physiologie beeinflussen; dazu sei es bestimmt.
Diesen Erwägungen stehe die Stellungnahme der Justus-Liebig-Universität Gießen zur Frage einer pharmakologischen oder toxikologischen Wirkung von Kampher in “Cold Pack” Pferdepflegemittel nicht entgegen. Zwar könne nach dieser Stellungnahme davon ausgegangen werden, dass die Wirkung von Kampher bei Pferden offenbar unbedeutend sei und dass der in “Cold Pack” enthaltene Anteil von 0,5 % bei Pferden keine pharmakologische Wirkung habe. Der Stellungnahme sei aber nicht zu entnehmen, dass “Cold Pack” auch bei Menschen keine pharmakologische Wirkung habe. In der Stellungnahme werde insoweit ausgeführt, dass Kampher unspezifische zentralstimulierende Effekte am Nervensystem habe und als Kampfgift tonisch-klonische Krämpfe über eine Stimulierung des zentralen Nervensystems auszulösen vermöge. Unter Kampherkrämpfen könne es zu irreparablen Störungen von Nervenzellen kommen, und das Reizleitungssystem des Herzens reagiere auf Kampher, und zwar dosisabhängig sowohl mit lähmender als auch erregender, die Herzfrequenz steigernder Wirkung. Aus diesem Grund sei es gerechtfertigt, das streitige Produkt nicht nur als Tierarzneimittel, sondern auch als Humanarzneimittel zu werten.
Gegen diesen Beschluss hat der Senat durch Beschluss vom 20. Juni 2006 die Revision zugelassen mit der Begründung, bei der ohne mündliche Verhandlung ergangenen Entscheidung handele es sich um eine Überraschungsentscheidung, durch die der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt worden sei.
Im Rahmen der Revisionsbegründung weist die Klägerin darauf hin, dass “Cold Pack” in der derzeitigen Zusammensetzung keinen Kampher mehr enthalte; die Herstellerfirma behalte sich aber vor, das Produkt künftig wieder in der alten Zusammensetzung auf den Markt zu bringen.
Zur Begründung der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie beruft sich zum einen auf die Versagung des rechtlichen Gehörs durch die von ihr nicht vorauszusehende Auswechslung der Rechtsgrundlage. Sodann habe das Berufungsgericht die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes unrichtig angewendet. Es habe verkannt, dass im Lichte der europäischen Gesetzgebung Arzneimittel nur sein könne, was einen pathologischen Zustand beeinflussen könne. Für das nationale Recht ergebe sich dies aus § 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht unterstellt, dass eine Verbrauchervorstellung aus einem Produkt ein Arzneimittel machen könne, selbst wenn dieses bestimmungsgemäß keine pharmakologische Wirkung habe und auch nach der Auslobung des Herstellers keinen von der Norm abweichenden körperlichen Zustand beeinflussen solle. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht auch angenommen, ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung messe Pferdesalben auch bei der Anwendung am Menschen heilsame Wirkungen zu. Dafür fehle jede Grundlage. Vielmehr sei anzunehmen, dass “Cold Pack” auch bei der Anwendung am Menschen lediglich als Wohlfühlpräparat Verwendung finde. Unrichtig sei schließlich, dass das Berufungsgericht wegen der auf der Packung angekündigten Wohlfühleffekte – langanhaltende Kühlung und angenehme Erwärmung – die Anwendung des § 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG abgelehnt habe.
Der Beklagte hält die Revision wegen der geänderten Rezeptur der Pferdesalbe für unzulässig; für das Rechtsmittel fehle nunmehr das Rechtsschutzbedürfnis. Im Übrigen hält er das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), denn er beruht auf einem Verfahrensfehler. Er erweist sich auch nicht im Ergebnis als richtig, denn die Untersagungsverfügung des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Zu Unrecht hält der Beklagte die Revision wegen der Änderung der Rezeptur des streitigen Produkts für unzulässig. Hätte diese Änderung, wie der Beklagte meint, Einfluss auf das Rechtsschutzbedürfnis, so beträfe sie die Zulässigkeit der Klage und nicht die der Revision. Auch das ist aber nicht der Fall. Da nicht auszuschließen ist, dass “Cold Pack” künftig wieder in der alten Zusammensetzung auf den Markt gebracht wird, behält die angefochtene Ordnungsverfügung, die den Vertrieb dieses Produkts auf Dauer untersagt, ihre Bedeutung. Durch diese Verfügung würde die Klägerin gehindert, das Produkt dann wieder anzubieten.
2. Die Klägerin stützt ihre Revision in erster Linie auf das Vorliegen von Verfahrensfehlern. Sie macht geltend, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt worden, weil es sich bei dem angefochtenen Beschluss um eine Überraschungsentscheidung handele. Die Berechtigung dieser Rüge hat der Senat bereits in seiner Revisionszulassungsentscheidung vom 20. Juni 2006 – BVerwG 3 B 91.05 – bejaht. Dazu hat er ausgeführt:
“Das Berufungsgericht hat seine ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 130a VwGO getroffene Entscheidung, die streitige Pferdesalbe sei ein – nicht zugelassenes – Arzneimittel, auf § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG gestützt. Danach sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen. Diese Vorschrift hatte im gesamten Verfahren keinerlei Rolle gespielt. Eine Erörterung, welche Anforderungen sie im Hinblick auf die Unterscheidung von Arzneimitteln und Pflegemitteln stellt, war nicht erfolgt. Vielmehr gingen die Auseinandersetzungen um die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG. Danach sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Das Verwaltungsgericht hatte seine Entscheidung ausdrücklich auf diese Bestimmung gestützt. Dementsprechend konzentrierte sich das Berufungsvorbringen der Klägerin auf die Darlegung, das streitige Produkt sei nach seiner Zusammensetzung nicht geeignet, krankhaften Zuständen entgegenzuwirken, noch werde es von den Verbrauchern zu diesem Zweck eingesetzt. Auch die von den Parteien angezogene und in den vorinstanzlichen Entscheidungen zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung hatte in Fällen der vorliegenden Art stets § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG und nicht § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG in den Blick genommen. Unter diesen Umständen konnte die Klägerin nicht damit rechnen, dass das Berufungsgericht die letztere Bestimmung zur Grundlage seiner Entscheidung machen würde. Eine Erörterung darüber, wie deren Tatbestandsmerkmale im Einzelnen zu verstehen sind, war ihr verwehrt. Dementsprechend beschränkt sich der angefochtene Beschluss bei der Feststellung, die streitige Salbe sei ein Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 AMG, auf einen einzigen Satz (UA S. 8).
Die Beschwerde stützt den Vorwurf der Überraschungsentscheidung zwar nicht ausdrücklich auf die Auswechslung der Rechtsgrundlage durch das Berufungsgericht; der Vortrag der Klägerin, dass sie zu verschiedenen Gesichtspunkten nicht habe Stellung nehmen können und dass das Berufungsgericht deshalb wesentliche Umstände nicht in den Blick genommen habe, basiert aber inhaltlich auf der vom Berufungsgericht herangezogenen Rechtsgrundlage.”
An diesen Ausführungen hält der Senat fest. Sie werden auch vom Beklagten im Revisionsverfahren nicht in Frage gestellt. Da hiernach davon auszugehen ist, dass die Klägerin im Berufungsverfahren gehindert war, wesentliche tatsächliche und rechtliche Erwägungen vorzutragen, beruht der angefochtene Beschluss auf dem Verfahrensfehler (§ 138 Nr. 3 VwGO).
3. Die materiellrechtliche Prüfung ergibt, dass der angefochtene Beschluss auch im Ergebnis unrichtig ist. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen erweist sich die Klage als begründet.
Die angefochtene Verbotsverfügung beruht auf § 69 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Da es sich bei der Verfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt, ist dieses Gesetz in der nunmehr maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl I S. 3394) anzuwenden. Nach der genannten Vorschrift treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie können insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Zulassung oder Registrierung für das Arzneimittel nicht vorliegt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Berufungsgericht zu Unrecht bejaht. Das von der Klägerin vertriebene Produkt “Cold Pack” ist kein Arzneimittel.
Definiert wird das Arzneimittel im nationalen Recht in § 2 Abs. 1 AMG. Danach sind, soweit hier einschlägig, Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper (1.) Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, oder (5.) die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen. Diese Definition entspricht – jedenfalls bei gemeinschaftskonformer Auslegung – im Hinblick auf Tierarzneimittel der Begriffsbestimmung, wie sie nunmehr das Gemeinschaftsrecht in Art. 1 der Richtlinie 2001/82/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskondexes für Tierarzneimittel vom 6. November 2001 (ABl L 311/1) i.d.F. der Änderungsrichtlinie 2004/28/EG (ABl EG Nr. L 136 S. 58) enthält. Dafür sprechen trotz unterschiedlichen Wortlauts zwei Gründe. Zum einen ist die in der Vorgängerrichtlinie 65/65/EWG enthaltene Arzneimitteldefinition durch Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 27. Januar 1997 (ABl L 43 S. 1) ausdrücklich in Bezug genommen und dadurch auch für die Mitgliedstaaten unmittelbar verbindlich gemacht worden. Zum anderen hat der nationale Gesetzgeber im 14. Änderungsgesetz zum Arzneimittelgesetz vom 29. August 2005 (BGBl I S. 2570), das der Umsetzung der Richtlinie 2004/28/EG dient, keinen Anlass gesehen, die Formulierungen des Arzneimittelgesetzes zu ändern. Er ist mithin davon ausgegangen, dass die Regelungen deckungsgleich sind. Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/82/EG i.d.F. der Richtlinie 2004/28/EG enthält für den Begriff des Arzneimittels alternativ zwei Definitionen. Zum einen sind (a) Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung von Tierkrankheiten bestimmt sind. Zum anderen sind (b) Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am tierischen Körper verwendet oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen, oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Diese zweifache Definition nimmt die seit langem das Gemeinschaftsrecht kennzeichnende Unterscheidung zwischen den so genannten Präsentationsarzneimitteln (Arzneimittel nach Bezeichnung) und den Funktionsarzneimitteln (Arzneimittel nach Funktion) auf. In diesem Sinne bezeichnete die Ausgangsfassung der Richtlinie 2001/82/EG als Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung tierischer Krankheiten bezeichnet werden, sowie alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden. Die nunmehr geltende Definition enthält zwar in ihrer ersten Alternative nicht mehr das Merkmal des Bezeichnens, sondern verwendet stattdessen den Ausdruck “Bestimmen”. Der ansonsten weitgehend übereinstimmende Wortlaut und die fortdauernde Systematik zweier unterschiedlicher Arzneimitteldefinitionen legen aber den Schluss nahe, dass damit weiterhin das Präsentationsarzneimittel gemeint ist.
Diese Unterscheidung, von der der Senat bereits in seinem Urteil vom 24. November 1994 – BVerwG 3 C 2.93 – (BVerwGE 97, 132, ≪136 f.≫ = Buchholz 418.32 AMG Nr. 27 S. 4 f.) ausgegangen ist, liegt auch der unterschiedlichen Definition des Arzneimittels in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 5 AMG zugrunde. Es ist anerkannt, dass die gemeinschaftsrechtliche Definition des Arzneimittels nach Bezeichnung weitgehend mit dem Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG übereinstimmt, während der Begriff des Funktionsarzneimittels in seiner Reichweite der Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2001 – 2 StR 374/00 – NJW 2001, 2812 ≪2814≫; Urteil vom 11. Juli 2002 – I ZR 34/01 – BGHZ 151, 286 ≪292 f.≫).
4. Das Berufungsbericht hat offengelassen, ob das streitige Produkt von § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG erfasst wird. Nach den von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei “Cold Pack” um ein Präsentationsarzneimittel handelt. Nach Bezeichnung und Funktionsbeschreibung nimmt das Produkt nicht in Anspruch, Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung von Tierkrankheiten aufzuweisen. Es wird ausdrücklich als Pflegemittel deklariert. Seine Funktion wird schlagwortartig mit dem Satz ausgedrückt: “Macht topfit auch nach harter Beinarbeit”. Der Verweis auf harte Beinarbeit und die Beförderung der Fitness enthält keinerlei Bezug zu irgendeinem krankhaften Zustand. Ebenso enthält der in der Produktbeschreibung dargestellte Zwei-Phasen-Effekt keinen Hinweis auf krankhafte Erscheinungen. Es ist lediglich von einer wohltuenden, langanhaltenden Kühlung und einer anschließenden angenehmen Erwärmung die Rede. Mit diesen Aussagen nimmt das Produkt weder heilende noch krankheitsvorbeugende noch Leiden lindernde Wirkungen in Anspruch.
Allein die Tatsache, dass in “Cold Pack” in der hier zu beurteilenden Zusammensetzung ein geringer Anteil von Kampher enthalten ist, führt ebenfalls nicht dazu, dem Produkt die Inanspruchnahme heilender Wirkung zuzuschreiben. Auf der Packung wird auf den Gehalt an Kampher überhaupt nicht hingewiesen. Selbst in der Internet-Werbung, in der die Bestandteile Kampher und Menthol ohne Angabe der Konzentration erwähnt werden, ist lediglich von deren kühlender und wohltuender Wirkung die Rede. Das Berufungsgericht hat auch keine Verbrauchererwartung festgestellt, dass kampherhaltige Salben ohne Rücksicht auf die Konzentration zur Behandlung von Entzündungen am Tierkörper geeignet seien. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem, der dem Urteil des Senats vom 24. November 1994 (a.a.O.) zugrunde lag. Dort ging es um eine Eutersalbe, für die bei einem beachtlichen Teil der Verbraucher die Vorstellung einer heilenden Wirkung kampherhaltiger Präparate bei Eutererkrankungen bestand. Dass eine entsprechende Erwartung hinsichtlich kampherhaltiger Pferdesalben besteht, die von einer ganzen Reihe von Herstellern auf den Markt gebracht werden und weite Verbreitung gefunden haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Allerdings enthält der Berufungsbeschluss die Aussage, dass Pferdesalben bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung in dem Ruf stehen, auch in der Anwendung beim Menschen (z.B. bei Prellungen, Zerrungen, Gelenk- oder Muskelschmerzen, Verstauchungen, Rheuma) heilsame Wirkungen zu entfalten. Diese Aussage ist aber durch nichts belegt. Einziger Anhaltspunkt in den Akten ist der Artikel einer Lokalzeitung, in dem über das erstinstanzliche Urteil in einem Parallelverfahren unter der Überschrift “Rheuma-Mittel verboten” berichtet wird. In dem Artikel selbst wird das Gericht aber ausdrücklich mit der Aussage zitiert, bei “Cold Pack” handele es sich um ein Tierarzneimittel. Die dortige Klägerin soll zwar erklärt haben, 99 % der Kunden verwendeten die Pferdesalbe für sich selbst. Dass der Salbe aber bei Anwendung am Menschen verbreitet heilende Wirkung zuerkannt werde, ist selbst in diesem Artikel nicht gesagt. Es gibt also keinerlei Grundlage für die Annahme, jedenfalls für die Anwendung am Menschen präsentiere sich das streitige Produkt als Arzneimittel mit heilender oder vorbeugender Wirkung.
5. Das streitige Produkt ist auch nach seiner Funktion kein Arzneimittel. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG nicht vor.
Das Berufungsgericht meint, die Salbe sei im Sinne dieser Vorschrift bestimmt, durch Anwendung am Pferd die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers zu beeinflussen, weil sie dazu diene, ein beschleunigtes Absenken der Körpertemperatur und damit “normale” physiologische Funktionen herbeizuführen. Daran ist richtig, dass die gesetzliche Definition dem Wortlaut nach erfüllt ist. Angesichts der Weite dieses Wortlauts kann es dabei aber nicht sein Bewenden haben. Anderenfalls wären alle Nahrungsmittel, wäre jedes Stück Seife und wären kalte wie auch heiße Duschen begrifflich jedenfalls zunächst Arzneimittel, denn auch sie sind bestimmt, durch Anwendung im oder am Körper dessen Zustand oder dessen Funktionen zu beeinflussen. Zwar würden diese Stoffe durch die Negativabgrenzungen des § 2 Abs. 3 AMG letztlich wieder aus dem Arzneimittelbegriff ausgegliedert. Dem Gesetzgeber kann aber nicht unterstellt werden, dass er den Arzneimittelbegriff in positiver Hinsicht derart konturenlos umschreiben wollte, um dessen maßgeblichen Anwendungsbereich dann ausschließlich negativ, also erst mit Hilfe in anderen Gesetzen verwendeter “Gegenbegriffe” wie Lebenskittel, Futtermittel, kosmetische Mittel usw. festzulegen.
Dem Wortlaut nach ist das Gemeinschaftsrecht bei der Definition des Arzneimittels ähnlich weit wie § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG. Nach Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/82/EG gehören zu den Funktionsarzneimitteln alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am tierischen Körper verwendet oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Die physiologischen Funktionen des Körpers unterscheiden sich kaum von den im deutschen Recht genannten Merkmalen Beschaffenheit, Zustand und Funktionen des Körpers; lediglich das Erfordernis einer pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkung enthält eine gewisse Einschränkung. Da aber schon die normale Nahrungsaufnahme Stoffwechselvorgänge auslöst, ist mit diesem Begriff allein die notwendige Abgrenzung der Arzneimittel von anderen Stoffen nicht zu leisten.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 16. April 1991 – Rs. C-112/89, Upjohn – Slg 1991, I-1703, 1742) folgt, aus dem Ziel des Gesundheitsschutzes, dass die Arzneimitteldefinition in einem so weiten Sinne zu verstehen ist, dass alle Stoffe eingeschlossen sind, die eine Auswirkung auf die Körperfunktionen im eigentlichen Sinn haben. Jedoch erlaubt es dieses Kriterium nicht, die Stoffe einzubeziehen, die zwar auf den menschlichen Körper einwirken, sich aber nicht nennenswert auf den Stoffwechsel auswirken und somit dessen Funktionsbedingungen nicht wirklich beeinflussen. Das Erfordernis einer nennenswerten Einwirkung auf den Stoffwechsel und einer “wirklichen” Beeinflussung der Funktionsbedingungen des Körpers ist seither auch in der deutschen Rechtsprechung anerkannt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 40.05 – UA S. 12; BGH, Urteile vom 25. April 2001 und vom 11. Juli 2002 a.a.O.). Es bedeutet, dass pharmakologische oder metabolische Wirkungen eines Stoffes nur dann dessen Zuordnung zu den Arzneimitteln rechtfertigen, wenn sie die Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Eingriffe in die Körperfunktionen, die völlig unerheblich sind, können dagegen die Zuordnung zu den Arzneimitteln nicht rechtfertigen.
6. Nach diesen Maßstäben stellt die streitige Pferdesalbe kein Funktionsarzneimittel dar.
Im Hinblick auf die pharmakologischen Wirkungen des streitigen Produkts – immunologische oder metabolische Wirkungen kommen hier ohnehin nicht in Betracht – hat das Berufungsgericht festgestellt, “dass der in ‘Cold Pack’ enthaltene Anteil von 0,5 % Kampher bei Pferden keine pharmakologische Wirkung hat”. Es stützt sich dabei auf die sachverständige Stellungnahme des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Gießen vom 15. November 2000. Risiken werden allenfalls insoweit ausgemacht, als bei einer Schlachtung unmittelbar nach Anwendung des Mittels vor dem menschlichen Genuss eine Wartezeit von drei Tagen einzuhalten sein könnte. Dem ist das Gericht aber nicht weiter nachgegangen. Es ist auch nicht anzunehmen, dass es sich insoweit um ein ernsthaftes Risiko handelt. In der für die Zulassung von Arzneimitteln maßgeblichen Monographie für Kampher hat das Bundesgesundheitsamt festgehalten, dass selbst bei den in Arzneimitteln üblichen Konzentrationen von 10 % Kampher keine Wartezeit einzuhalten sei. Wenn selbst bei einer solchen Konzentration durch den anschließenden Genuss des kontaminierten Fleisches keine Gesundheitsgefahren drohen, so kann dies erst Recht für die Anwendung einer Salbe mit nur 0,5 % Kampheranteil gesagt werden.
Die Qualifizierung des streitigen Produkts als Arzneimittel stützt das Berufungsgericht im Wesentlichen auf die Aussage, es sei nicht auszuschließen, dass das Produkt beim Menschen pharmakologische Wirkung entfalte, weil sich die Stellungnahme der Universität Gießen dazu nicht verhalte. Einen positiven Beleg, der eine solche Annahme stützen könnte, führt das Berufungsgericht nicht an. Er ist auch nicht erkennbar. Die bereits zitierte Monographie zu Kampher zählt Rind, Schaf, Ziege, Pferd, Schwein, Hund und Katze als mögliche Behandlungsobjekte kampherhaltiger Arzneimittel auf. In der generellen Beschreibung dieses Wirkstoffs heißt es dort, in geringer Konzentration (0,5 bis 1 %) auf die Haut aufgetragen sei ein kühlender und leicht lokal anästhetischer Effekt vorhanden. Anwendungsrisiken werden erst ab einer Konzentration von 10 % angenommen. Eine Grundlage für die Annahme, beim Menschen habe eine Salbe mit 0,5 % Kamphergehalt über die vom Produkt in Anspruch genommene wohltuende Wirkung hinaus pharmakologische Wirkung, ist darin nicht zu sehen.
Auch die Befürchtung, die Anwendung beim Menschen könne ins Gewicht fallende Risiken bergen, ist nicht nachvollziehbar. In der Stellungnahme der Universität Gießen ist ausgeführt, ein Kind müsse eine halbe 500 ml-Packung “Cold Pack” oral zu sich nehmen, um bedrohliche Vergiftungen zu erleiden. Erwachsene müssten sogar vier bis fünf Packungen verzehren. Es liegt auf der Hand, dass dies keine realistischen Annahmen sind, die ein wirkliches Risiko befürchten lassen.
Fehl geht auch die Ansicht des Beklagten, das Produkt müsse der arzneimittelrechtlichen Überwachung unterstellt werden, um sicherzustellen, dass der Kamphergehalt nicht erhöht werde. Der Zulassungspflicht unterliegen nur Arzneimittel. Handelt es sich nicht um Arzneimittel, so kann die Befürchtung, der Hersteller werde das Produkt verändern, es nicht dazu machen.
7. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 38.06 – hat der Senat dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Auslegung der mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/82/EG wortgleichen Bestimmung der Richtlinie 2001/83/EG vorgelegt, zum einen, ob entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs neben der pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkung des Produkts weitere Merkmale wie “die Modalitäten seines Gebrauchs, Umfang seiner Verbreitung, Bekanntheit bei den Verbrauchern und mögliche Risiken seiner Verwendung” bei der Einordnung als Arzneimittel zu berücksichtigen sind, zum anderen, ob ein Produkt, das kein Präsentationsarzneimittel ist, als Funktionsarzneimittel im Sinne der neuen Definition angesehen werden kann wegen eines Bestandteils, der in bestimmter Dosierung physiologische Veränderungen hervorrufen kann, dessen Dosierung in dem zu beurteilenden Produkt – bei bestimmungsgemäßem Gebrauch – aber dahinter zurückbleibt.
Diese Fragen sind für den vorliegenden Rechtsstreit nicht erheblich. Die weiteren vom Europäischen Gerichtshof zur alten Definition des Tierarzneimittels entwickelten Kriterien geben nichts für eine Einordnung von “Cold Pack” als Arzneimittel her. Das Produkt sowie eine ganze Reihe ähnlicher Salben sind seit rund 30 Jahren auf dem Markt und haben eine weite Verbreitung gefunden. Irgendwelche schädlichen Wirkungen aus der Anwendung sind offenkundig nicht bekanntgeworden. Sie werden weder vom Beklagten noch von anderen Behörden benannt, deren Stellungnahmen sich bei den Akten befinden. Daher ist die Eigenschaft von “Cold Pack” als Tierarzneimittel der Funktion nach unabhängig davon zu verneinen, wie die dem Europäischen Gerichtshof zur Auslegung der Arzneimitteldefinition vorgelegte erste Frage zu beantworten ist.
Auch die im Hinblick auf mögliche Dosierungsunterschiede gestellte zweite Frage ist hier nicht relevant. Sie basierte auf der Sorge der Behörden, dass beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel häufig weit über die Verzehrempfehlung hinaus eingenommen würden und dadurch die insgesamt aufgenommene Dosis einen pharmakologisch wirksamen Wert erreichen könne. Bei der Darreichungsform des hier in Rede stehenden Produkts als Salbe und der außerordentlich niedrigen Dosierung von 0,5 % Kampheranteil fehlt für eine solche Befürchtung aber jede Grundlage.
8. Erfüllt das streitige Produkt somit bereits nicht die positiven Merkmale eines Arzneimittels, so kommt es nicht darauf an, ob es auch unter die Ausschlussregelung des § 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG fällt, wonach Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, äußerlich am Tier zu Reinigung oder Pflege oder zur Beeinflussung des Aussehens oder des Körpergeruchs angewendet zu werden, keine Arzneimittel sind. Daher sei nur am Rande angemerkt, dass das Berufungsgericht den Begriff der Pflege zu eng fasst, wenn es darunter nur äußerliche Maßnahmen wie etwa die Fellpflege fasst. Unter Pflege versteht man die Behandlung mit den erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung eines guten Zustandes (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. S. 1279). Darunter kann durchaus auch ein “Wohlfühlprodukt” fallen, das etwa in die Haut einzieht, solange es dort keine pharmakologischen Wirkungen erzielt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Kley, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
DÖV 2007, 1026 |
PharmaR 2007, 513 |
StoffR 2007, 226 |