Entscheidungsstichwort (Thema)
Lizenz. Mobilfunklizenz. Netzbetreiber. Diensteanbieter. Gleichbehandlung. Diskriminierung. Schlechterstellung. Wettbewerb. vorstoßender Wettbewerb. innovatives Produkt. Produktinnovation. Fortsetzungsfeststellungsklage. Wiederholungsgefahr
Leitsatz (amtlich)
Ein Mobilfunknetzbetreiber, der aufgrund der ihm erteilten Betriebslizenz zur Gleichbehandlung konkurrierender Diensteanbieter mit dem eigenen Vertrieb verpflichtet ist, wird durch diese Verpflichtung nicht gehindert, sich mit der Einführung eines innovativen Produkts einen begrenzten zeitlichen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den Diensteanbietern zu verschaffen.
Normenkette
TKG §§ 19, 42 Abs. 1-2; VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
VG Köln (Urteil vom 02.11.2006; Aktenzeichen 1 K 4871/05) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 2. November 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
I
Die Klägerin, die über keine eigene Netzinfrastruktur verfügt, bietet im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Mobilfunkdienstleistungen an. Die dafür benötigten Vorleistungen beschafft sie sich u.a. von der Beigeladenen.
Die Beigeladene betreibt ein Mobilfunknetz auf der Grundlage der ihr am 4. Mai 1993 nach § 2 des Fernmeldeanlagengesetzes erteilten Lizenz zum Errichten und Betreiben eines digitalen zellularen Mobilfunknetzes (ABl BMPT S. 229) – im Folgenden: E1-Lizenz –. Diese enthält Regelungen über die Zulassung, Auswahl und Nichtdiskriminierung von Diensteanbietern. Die betreffenden Bestimmungen der Lizenz lauten:
“17.1. Der Lizenznehmer ist verpflichtet, geeignete Diensteanbieter zuzulassen. Die Diensteanbieter haben unter Beachtung der ausschließlichen Rechte des Bundes (vgl. § 1 Abs. 2 und 4 Satz 2 FAG) das Recht, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Mobilfunkdienste des Lizenznehmers zu vertreiben sowie Zusatzdienste im Rahmen der Lizenz zu entwickeln und ihren Teilnehmern anzubieten.
17.2. Der Lizenznehmer verpflichtet sich, die Auswahl und Zulassung der Diensteanbieter nach sachlichen Kriterien unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen, sie weder exklusiv noch unverhältnismäßig lange an sich zu binden, noch sonst hinsichtlich ihrer eigenen Preis- und Konditionsgestaltung oder hinsichtlich anderer Betätigungsfelder einzuschränken.
17.6. Der Lizenznehmer darf die Diensteanbieter nicht schlechter stellen als den eigenen Vertrieb und darf nicht zwischen den Diensteanbietern diskriminieren. Dies gilt insbesondere für Konditionen und für Verrechnungspreise der Leistungen des Netzbetriebs. Ist zu vermuten, dass der Wettbewerb zwischen dem Lizenznehmer und den Diensteanbietern nachhaltig gestört ist, ist der Lizenznehmer verpflichtet, auf Verlangen des Lizenzgebers Auskünfte zur Feststellung, ob derartige Wettbewerbsstörungen vorliegen, zu erteilen und Anordnungen des Lizenzgebers zur Behebung festgestellter Wettbewerbsstörungen unverzüglich nachzukommen.
18.2. Der Lizenznehmer darf die übrigen Diensteanbieter nicht schlechter stellen als den eigenen Diensteanbieter. Dies gilt insbesondere für Konditionen und Verrechnungspreise der Leistungen des Netzbetriebs.”
Im Mai 2005 wurde die Simyo GmbH gegründet, an der die Beigeladene 90 % der Geschäftsanteile hält. Mit Pressemitteilung vom 30. Mai 2005 gab die Simyo GmbH bekannt, dass sie ab sofort unter einer neuen Mobilfunkmarke mit einem Endkundenangebot “No-Frills” auf den Markt trete. Das Angebot bezog sich auf von ihr im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertriebene Mobilfunkdienstleistungen der Beigeladenen zu besonders einfachen und preisgünstigen Konditionen; der Vertrieb erfolgte ausschließlich über das Internet. Grundlage dieses Endkundenangebots war ein zwischen der Simyo GmbH und der Beigeladenen abgeschlossener Vertrag (“Vereinbarung No-Frills”). Die Klägerin forderte die Beigeladene umgehend auf, ihr ebenfalls ein derartiges Vorleistungsangebot zu unterbreiten. Nachdem die Beigeladene zunächst erklärt hatte, ein “No-Frills”-Vertrag könne nur mit einer von der Klägerin verschiedenen juristischen Person geschlossen werden, übermittelte sie der Klägerin am 15. Juni 2005 ein an diese selbst gerichtetes Angebot.
Schon zuvor hatte sich die Klägerin an die Beklagte gewandt und verlangt, im Rahmen eines Streitbeilegungsverfahrens nach § 133 TKG gegen die Beigeladene einzuschreiten. Das Begehren der Klägerin war u.a. auf die Verpflichtung der Beigeladenen gerichtet, es für die Dauer von drei Monaten, mindestens zwei Monaten, zu unterlassen, Dritten, insbesondere der Simyo GmbH, die erwähnten Einkaufsbedingungen oder ähnliche Bedingungen anzubieten oder zu gewähren. Mit Beschluss vom 12. Juli 2005 lehnte die Bundesnetzagentur (noch unter ihrer damaligen Bezeichnung Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post) das begehrte Einschreiten ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin könne nicht verlangen, dass in Bezug auf die Simyo GmbH eine zeitlich befristete Markteintrittssperre verhängt werde. Denn das beanstandete Verhalten der Beigeladenen verstoße nicht gegen das lizenzrechtliche Diskriminierungsverbot. Die Beigeladene dürfe sachlich gerechtfertigte Unterscheidungen zwischen dem eigenen oder konzernverbundenen Vertrieb und einem externen Diensteanbieter vornehmen, was auch gewisse Ungleichbehandlungen in zeitlicher Hinsicht einschließe. Würde die Beigeladene verpflichtet, innovative Produkte erst dann zu vermarkten, wenn alle Diensteanbieter dazu auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Vorleistungen ebenfalls in der Lage wären, würde jeglicher Innovationsanreiz entfallen und der Wettbewerb geschwächt. Da es sich bei dem “No-Frills”-Konzept der Beigeladenen in der Gesamtschau aller wesentlichen Merkmale um eine Produktinnovation handele und sie sich einen Wettbewerbsvorsprung von höchstens vier Monaten verschafft habe, den die Wettbewerber aufholen könnten, sei das Diskriminierungsverbot nicht verletzt.
Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin daraufhin erhobene Feststellungs- und Verpflichtungsklage im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Die Klägerin habe kein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung, dass die Ablehnung ihres auf Einschreiten der Bundesnetzagentur gerichteten Antrages rechtswidrig gewesen sei. Insoweit bestehe keine Wiederholungsgefahr, denn es sei nicht anzunehmen, dass die Bundesnetzagentur in etwaigen künftigen Streitbeilegungsverfahren im Wesentlichen gleiche tatsächliche Verhältnisse wie im Streitfall zu beurteilen haben werde. Die Klägerin könne auch nicht für die Zukunft verlangen, dass der Beigeladenen untersagt werde, Dritten den “No-Frills”-Konditionen ähnliche Einkaufsbedingungen anzubieten oder zu gewähren, ohne dies gleichzeitig der Klägerin gegenüber zu tun. Insoweit sei die Klage unbegründet, denn das Diskriminierungsverbot der E1-Lizenz fordere keine strikte Gleichbehandlung, sondern ermögliche sachlich gerechtfertigte Unterscheidungen. Das Anliegen, sich selbst oder dem Konzern verbundenen Vertrieb einen zeitlichen Vorsprung nach Einführung einer Innovation zu sichern, stelle einen sachlichen Grund dar, der ein Verhalten wie das hier beanstandete auch in vergleichbaren Fällen rechtfertige.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die Beigeladene habe ihre lizenzrechtlichen Pflichten verletzt. Das Verbot, externe Diensteanbieter schlechter zu stellen als den eigenen Vertrieb bzw. den eigenen Diensteanbieter, sei strenger als das Diskriminierungsverbot, wie es im Verhältnis der Diensteanbieter untereinander gelte. Das Schlechterstellungsverbot untersage innerhalb seines Anwendungsbereichs jegliche Benachteiligung ohne Ansehen der Gründe. Sollte dagegen eine Schlechterstellung Konzernfremder überhaupt gerechtfertigt werden können, würde eine solche Rechtfertigung hier fehlen. Wäre die Beigeladene berechtigt, sich oder einem verbundenen Diensteanbieter einen zeitlichen Vorsprung gegenüber externen Diensteanbietern zu sichern, ließe sich das Ziel eines chancengleichen Wettbewerbs auf dem Endkundenmarkt nicht erreichen. Denn ein externer Diensteanbieter sei von den Vorleistungen des Netzbetreibers abhängig, mit dem er vertikal in einer Lieferbeziehung und zugleich horizontal im Wettbewerb stehe. Es treffe auch nicht zu, dass das Fehlen eines Wettbewerbsvorsprungs der Beigeladenen Innovationsanreize nehme. Vielmehr helfe der Weitervertrieb durch andere Diensteanbieter der Beigeladenen, gegenüber anderen Netzbetreibern Marktanteile zu gewinnen.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Ablehnung ihres Antrages durch die Beklagte auf Verpflichtung der Beigeladenen, es ab der Entscheidung der Bundesnetzagentur für drei Monate zu unterlassen, der Simyo GmbH Einkaufsbedingungen gemäß der Anlage (VG-Beiakte Bd. 1 Bl. 130 – 180) oder ähnliche Einkaufsbedingungen anzubieten und zur Verfügung zu stellen, rechtswidrig war.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. Denn das angefochtene Urteil stellt sich im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
1. Die Klage ist allerdings – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – mit dem in der Revisionsinstanz allein aufrechterhaltenen Fortsetzungsfeststellungsantrag in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.
a) Das ursprünglich an die Bundesnetzagentur gerichtete und von ihr abgelehnte Begehren, wonach der Beigeladenen für drei Monate untersagt werden sollte, der Simyo GmbH oder Dritten den Markteintritt zu den “No-Frills”-Einkaufsbedingungen oder ähnlichen Konditionen zu ermöglichen, hatte sich schon vor Klageerhebung wegen Zeitablaufs erledigt.
b) Die Klägerin hat unter den hier gegebenen Umständen ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides. Ein solches Interesse ist wegen Wiederholungsgefahr gegeben, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (stRspr; Beschlüsse vom 16. Oktober 1989 – BVerwG 7 B 108.89 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 211 und vom 21. Oktober 1999 – BVerwG 1 B 37.99 – Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 7; Urteil vom 12. Oktober 2006 – BVerwG 4 C 12.04 – Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23). In Anbetracht des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist dabei nicht die Prognose erforderlich, dass einem zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen werden, wie dies vor Erledigung des Verwaltungsakts der Fall war. Für das Feststellungsinteresse ist vielmehr entscheidend, ob die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen künftigen Verwaltungshandelns unter Anwendung der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften geklärt werden können (Beschluss vom 21. Oktober 1999 a.a.O.).
Dies ist hier der Fall. Zwar wird sich stets nur nach den Umständen des Einzelfalls beantworten lassen, ob eine Ungleichbehandlung zwischen dem eigenen bzw. konzernverbundenen Vertrieb der Beigeladenen und einem Diensteanbieter nach den von der Bundesnetzagentur in dem angegriffenen Beschluss entwickelten Maßstäben sachlich gerechtfertigt ist oder nicht. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten setzen aber bereits früher ein. Sie betreffen die grundsätzliche Frage, ob die sog. Diensteanbieterverpflichtung gemäß Nr. 17.6 Satz 1, Nr. 18.2 Satz 1 der E1-Lizenz eine (zeitliche) Benachteiligung externer Diensteanbieter gegenüber dem eigenen Unternehmen unter dem Gesichtspunkt des “vorstoßenden Wettbewerbs” überhaupt gestattet oder aber im Sinne einer strikten Gleichbehandlung ausnahmslos verbietet. Angesichts dieses grundlegenden Dissenses besteht die hinreichend bestimmte Gefahr, dass die Bundesnetzagentur auch künftig zeitliche Ungleichbehandlungen zugunsten eines vorstoßenden Wettbewerbs als sachlich gerechtfertigt billigen könnte, obwohl die Klägerin dies für prinzipiell rechtswidrig hält. Der vorliegende Rechtsstreit bietet insoweit die Möglichkeit, die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit künftiger Entscheidungen der Bundesnetzagentur zu klären. Dies rechtfertigt die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses.
c) Die Klägerin ist auch gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Denn sie stützt sich auf Rechtsnormen, die zumindest auch ihren rechtlich geschützten Interessen dienen und deren Verletzung jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Die Regelung über das Streitbeilegungsverfahren in § 133 TKG dient auch und gerade dem Individualrechtsschutz (vgl. Attendorn, in: BeckTKG, 3. Aufl. 2006, § 133 Rn. 11). Drittschützend ist mit § 150 Abs. 4 TKG auch diejenige Rechtsnorm, die darüber entscheidet, ob der Streitbeilegungsantrag der Klägerin der Sache nach erfolgreich gewesen wäre, wenn er sich nicht erledigt hätte: Soweit in dieser Übergangsvorschrift der Fortbestand einer mit der Lizenzerteilung eingegangenen Verpflichtung des Lizenznehmers, Diensteanbieter zuzulassen, angeordnet wird (Satz 2), dient dies ersichtlich deren Schutz.
2. Die Klage ist aber unbegründet. Der Senat kann die begehrte Feststellung nicht treffen, denn die Beschlusskammer der Bundesnetzagentur hat den Antrag der Klägerin, der Beigeladenen die oben bezeichneten Unterlassungspflichten aufzuerlegen, zu Recht abgelehnt.
a) Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 TKG hat die Beschlusskammer, soweit sich im Zusammenhang mit Verpflichtungen aus diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes Streitigkeiten zwischen Netzbetreibern oder Diensteanbietern ergeben und das Gesetz nichts anderes regelt, auf Antrag einer Partei nach Anhörung der Beteiligten eine verbindliche Entscheidung zu treffen. Die sich daraus ergebenden Anforderungen an einen zulässigen Streitbeilegungsantrag waren im vorliegenden Fall erfüllt.
aa) Sowohl bei der antragstellenden Partei, der Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits, als auch bei der Antragsgegnerin des Streitbeilegungsverfahrens, der Beigeladenen, handelt es sich um Telekommunikationsunternehmen im Sinne von § 133 Abs. 1 Satz 1 TKG.
bb) Der Antrag der Klägerin war auf die Schlichtung einer konkret beschriebenen Streitigkeit mittels einer bestimmt bezeichneten Maßnahme gerichtet, deren Erlass die Klägerin von der Bundesnetzagentur verlangte. Wie von dieser in dem angegriffenen Beschluss vom 12. Juli 2005 zutreffend ausgeführt, zielte der Antrag auf die Verhängung einer temporären Markteintrittssperre für die Tochtergesellschaft Simyo GmbH der Beigeladenen. Ob die Klägerin diese Forderungen zu Recht erhob, war seinerzeit zwischen den Beteiligten streitig, wie sich aus deren gegensätzlichem Vorbringen gegenüber der Bundesnetzagentur ergab.
Unter den hier vorliegenden Umständen scheiterte die Zulässigkeit des Streitbeilegungsantrages auch nicht daran, dass die Beteiligten nicht zuvor über die konkret streitige Frage erfolglos verhandelt hatten. Grundsätzlich wird allerdings ein Sachbescheidungsinteresse im Verfahren nach § 133 TKG nur bestehen, wenn der Antragsteller sein Anliegen zuvor ohne Erfolg im Verhandlungsweg an die andere Partei herangetragen hat (vgl. Gurlit, in: BerlKommTKG, 2006, § 133 Rn. 9; Dietlein/Brandenberg, CR 2007, 294 ≪297≫; a.A. Attendorn, a.a.O. Rn. 9). Dies kommt insbesondere in dem Erwägungsgrund 32 (zu Art. 20 f.) der Richtlinie 2002/21/EG vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste – Rahmenrichtlinie, RRL – zum Ausdruck, wonach eine “Beschwerdepartei, die gutgläubig gehandelt hat, aber keine Einigung erzielen konnte”, sich mit dem Ziel der Streitbeilegung an die nationale Regulierungsbehörde wenden können soll. Der Normzweck des § 133 TKG, Meinungsunterschiede zwischen den Unternehmen möglichst effizient und – gerade in dringenden Fällen der hier vorliegenden Art – ohne vermeidbaren Zeitverlust beizulegen, gebietet eine Ausnahme von diesem Grundsatz aber jedenfalls dann, wenn nach dem bei Einleitung des Streitbeilegungsverfahrens erreichten Verhandlungsstand der Versuch einer Einigung über den konkret umstrittenen Punkt offensichtlich aussichtslos gewesen wäre. Eine solche Aussichtslosigkeit hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich festgestellt; an diese Feststellung ist der Senat gebunden.
cc) Die im Verfahren des § 133 TKG beizulegende Streitigkeit muss im Zusammenhang stehen mit “Verpflichtungen aus diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes”. Verpflichtungen aus dem Telekommunikationsgesetz sind die gesetzesunmittelbaren Verpflichtungen, während es sich bei Verpflichtungen aufgrund des Telekommunikationsgesetzes um solche handelt, die in Ausübung einer in diesem Gesetz angelegten Ermächtigung, insbesondere durch Verwaltungsakt der Bundesnetzagentur, begründet worden sind (vgl. Attendorn, a.a.O. Rn. 18 ff.). Bei der hier umstrittenen Verpflichtung der Beigeladenen, externe Diensteanbieter nicht schlechter zu stellen als den eigenen Vertrieb bzw. den eigenen Diensteanbieter (Nr. 17.6 Satz 1 Halbs. 1, Nr. 18.2 Satz 1 E1-Lizenz), handelt es sich um eine Verpflichtung aufgrund des Telekommunikationsgesetzes, nämlich des § 150 Abs. 4 TKG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift gelten, soweit Frequenznutzungs- und Lizenzrechte auf Märkten vergeben sind, für die auf Wettbewerb oder Vergleich beruhende Auswahlverfahren durchgeführt wurden, die damit erteilten Rechte und eingegangenen Verpflichtungen fort. Dies gilt nach Satz 2 der Norm insbesondere auch für die im Zeitpunkt der Erteilung der Mobilfunklizenzen geltende Verpflichtung, Diensteanbieter zuzulassen.
Die hier in Rede stehenden lizenzrechtlichen Verpflichtungen erfüllen – jedenfalls nach nationalem Recht – die Voraussetzungen, die § 150 Abs. 4 TKG an die Fortgeltung stellt. Die E1-Lizenz wurde nach Durchführung eines Auswahlverfahrens vergeben, welches ausweislich der zum vorliegenden Rechtsstreit beigezogenen Ausschreibungsunterlagen als “offenes Wettbewerbsverfahren” ausgestaltet war. Wie sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte des § 150 Abs. 4 TKG deutlich ergibt, ist die Übergangsvorschrift gerade im Hinblick auf die Diensteanbieterverpflichtungen der GSM-Lizenzen D1, D2 und E1 in das Gesetz aufgenommen worden (BTDrucks 15/2316 vom 9. Januar 2004 S. 107 sowie BTDrucks 15/2679 vom 10. März 2004 S. 19; zusammenfassend zur Entstehungsgeschichte: Gramlich, in: Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Stand 2007, § 150 TKG Rn. 29 ff.). Aus dem Umstand, dass diese Verpflichtungen ihre Grundlage nunmehr in § 150 Abs. 4 TKG finden, folgt zugleich die Anwendbarkeit des in § 133 TKG geregelten Streitbeilegungsverfahrens, soweit sich Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesen Verpflichtungen ergeben (vgl. Gramlich, a.a.O. Rn. 32; Attendorn, a.a.O. Rn. 20; Dietlein/Brandenberg, a.a.O. S. 296). Der im Zeitpunkt der Entscheidung der Bundesnetzagentur noch nicht anwendbare § 150 Abs. 4a TKG i.d.F. des Gesetzes vom 18. Februar 2007 (BGBl I S. 106), der die Anwendung u.a. des § 133 TKG auf derartige Verpflichtungen jetzt ausdrücklich vorsieht, stellt lediglich den zuvor schon bestehenden, aber anlässlich des vorliegenden Verfahrens streitig gewordenen Rechtszustand klar (s. BTDrucks 16/2581 vom 14. September 2006 S. 40 sowie BTDrucks 16/3635 vom 29. November 2006 S. 45; vgl. auch Gramlich, a.a.O. Rn. 33).
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen spricht vieles dafür, dass die Einbeziehung der hier in Rede stehenden Diensteanbieterverpflichtung in den Geltungsbereich des Telekommunikationsgesetzes und des in ihm geregelten Streitbeilegungsverfahrens auch mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Zwar macht Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2002/19/EG vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung – Zugangsrichtlinie, ZRL – die Auferlegung der in Art. 9 bis 13 ZRL genannten Verpflichtungen (einschließlich der sog. Resale-Verpflichtung des Art. 12 Abs. 1 Buchst. d ZRL) grundsätzlich davon abhängig, dass der Adressat auf dem betreffenden Markt als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft ist. Dies ist hinsichtlich der Beigeladenen nicht der Fall. Die Regel, dass derartige Verpflichtungen nur marktmächtigen Betreibern auferlegt werden dürfen, gilt aber nach Art. 8 Abs. 3 ZRL nur unbeschadet der Bedingung 7 in Teil B des Anhangs der Richtlinie 2002/20/EG vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste – Genehmigungsrichtlinie, GRL –, die gemäß Art. 6 Abs. 1 jener Richtlinie angewandt wird. Danach können an Frequenznutzungsrechte u.a. Verpflichtungen geknüpft werden, die das Unternehmen, das die Nutzungsrechte erwirbt, im Laufe eines auf Wettbewerb oder auf Vergleich beruhenden Auswahlverfahrens eingegangen ist.
Die Argumente der Beigeladenen, die die Anwendbarkeit dieses Ausnahmetatbestandes damit bestreitet, dass die hier umstrittene Diensteanbieterverpflichtung aus Nr. 17.6 und 18.2 der E1-Lizenz nicht mit der Erteilung eines Frequenznutzungsrechts, sondern mit der Mobilfunklizenz verknüpft und zudem von ihr, der Beigeladenen, nicht im Wege freiwilliger Selbstverpflichtung eingegangen, sondern ihr durch die Beklagte hoheitlich auferlegt worden sei, können schwerlich überzeugen. Denn zum einen enthielt schon die E1-Lizenz, und nicht erst der spätere Frequenzzuteilungsbescheid, ins Einzelne gehende Regelungen bezüglich der Frequenznutzung (s. Nr. 25 ff. des Lizenzbescheides). Zum anderen ist die Beigeladene als Lizenznehmerin sämtliche mit der Lizenz verbundenen Verpflichtungen einschließlich der Diensteanbieterverpflichtungen insofern eingegangen, als sie diese mit der Bewerbung um die Lizenz bewusst akzeptiert hat. Dies gilt nicht nur für solche Bedingungen, die ein Lizenznehmer wie die Beigeladene selbst angeboten hat, sondern auch für solche, die aus den Ausschreibungsunterlagen hervorgingen oder vom Auktionator bekanntgegeben wurden (so überzeugend Koenig/Koch, MMR 2002, 439 ≪442≫; Gramlich, a.a.O. Rn. 30; Berlinger, K&R 2003, 16 ≪19≫; a.A. v. Fragstein/Rädler, MMR aktuell 8/2002, S. XXIV f.).
Der Senat kann die gemeinschaftsrechtlichen Fragen, die sich aus der in § 150 Abs. 4 TKG vorgesehenen Fortgeltung der lizenzrechtlichen Diensteanbieterverpflichtungen und der Erstreckung des Streitbeilegungsverfahrens des § 133 TKG auf diesbezügliche Streitigkeiten ergeben, letztlich offenlassen. Denn unter der von ihm für zutreffend gehaltenen Prämisse, dass der Streitbeilegungsantrag der Klägerin auch bei gemeinschaftskonformer Anwendung des § 133 Abs. 1 TKG statthaft war, konnte er jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben.
dd) In Bezug auf die hier vorliegende Streitigkeit über eine lizenzrechtliche Diensteanbieterverpflichtung trat § 133 TKG schließlich nicht hinter eine andere gesetzliche Regelung zurück. In Betracht zu ziehen ist insoweit lediglich § 126 TKG, der Anordnungsbefugnisse der Bundesnetzagentur bei Nichterfüllung telekommunikationsrechtlicher Verpflichtungen regelt. Wenn – wie hier – ein Unternehmen mit einem Antrag gegenüber der Bundesnetzagentur die Verletzung eigener subjektiver Rechte geltend macht, hat § 126 TKG jedenfalls keinen Vorrang vor § 133 TKG (i.E. ebenso Attendorn, a.a.O. Rn. 32; Mielke, TKMR 2004, 47 ≪50≫; Schumacher/Sörup, CR 2007, 490 ≪494≫). Für die Annahme, dass in solchen Fällen § 133 TKG nicht durch § 126 TKG verdrängt wird, spricht nicht nur die Verweisung des § 133 Abs. 3 auf § 126 TKG, sondern auch die Überlegung, dass für § 133 TKG sonst kein praktisch bedeutsamer Anwendungsbereich verbliebe, was mit dessen Schutzzweck umso weniger zu vereinbaren wäre, als das Streitbeilegungsverfahren gemäß § 133 Abs. 3 i.V.m. § 132 TKG als Beschlusskammerverfahren und damit höherwertig als das Anordnungsverfahren des § 126 TKG ausgestaltet ist.
b) Der Antrag, den die Klägerin gegenüber der Bundesnetzagentur gestellt hat und mit der Fortsetzungsfeststellungsklage weiterverfolgt, war unbegründet. Die Klägerin konnte die Beseitigung des beeinträchtigenden Zustandes, der ihrer Meinung nach durch das vorzeitige Angebot der Beigeladenen allein an die Simyo GmbH eingetreten war, nur verlangen, wenn das beanstandete Verhalten der Beigeladenen ihr gegenüber rechtswidrig war. Dies ist nicht der Fall. Die Beklagte hat einen Verstoß der Beigeladenen gegen das Schlechterstellungsverbot (Nr. 17.6 und 18.2 der E1-Lizenz) ohne Rechtsfehler verneint.
aa) Das Verwaltungsgericht hat das in Nr. 17.6 Satz 1 Halbs. 1 ausgesprochene Schlechterstellungsverbot des externen Diensteanbieters gegenüber dem eigenen Vertrieb (bzw. gegenüber dem eigenen Diensteanbieter, Nr. 18.2 Satz 1) übereinstimmend mit der Bundesnetzagentur dahin verstanden, dass es synonym mit dem Diskriminierungsverbot verwendet wird, das gemäß Nr. 17.6 Satz 1 Halbs. 2 im Verhältnis zu den Diensteanbietern gilt. Es hat angenommen, dass das eine wie das andere Verbot keine strikte Gleichbehandlung fordert, sondern Unterscheidungen im sachlich gerechtfertigten Umfang erlaubt. Der Senat kann diese Auslegung nur nach den Maßstäben überprüfen, die für Verwaltungsakte gelten. Bei den oben zitierten lizenzrechtlichen Bestimmungen handelt es sich, auch nachdem § 150 Abs. 4 TKG sie als fortgeltend bezeichnet, weiterhin um Regelungen eines Verwaltungsakts und nicht etwa um revisibles Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Der Normzweck des § 150 Abs. 4 TKG ist – ebenso wie derjenige des seinen Regelungsinhalt jetzt zusätzlich klarstellenden § 150 Abs. 4a TKG – darauf gerichtet, aber zugleich auch beschränkt, den Fortbestand der dort genannten Verpflichtungen sicherzustellen und sie zugleich der Anwendung der Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes, insbesondere der §§ 126 und 133, zu unterwerfen. Dieser Normzweck verlangt nicht die nachträgliche “Aufwertung” gesetzesakzessorischer zu gesetzesunmittelbaren Verpflichtungen, zumal sich die Anordnungs- bzw. Streitschlichtungsbefugnis der Bundesnetzagentur nach den beiden zuletzt genannten Vorschriften auch auf Verpflichtungen “auf Grund dieses Gesetzes” erstreckt. Der Senat kann offenlassen, inwieweit ihm nach den für die revisionsgerichtliche Auslegung eines Verwaltungsakts entwickelten Maßstäben (s. zuletzt Urteile vom 21. Juni 2006 – BVerwG 6 C 19.06 – BVerwGE 126, 149 Rn. 52 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 und vom 14. Februar 2007 – BVerwG 6 C 28.05 – CR 2007, 431 Rn. 24, jeweils m.w.N.) eine vom Verständnis des Verwaltungsgerichts abweichende Auslegung der lizenzrechtlichen Bestimmungen möglich wäre. Denn soweit ihm diese Befugnis zusteht, teilt er aus den nachfolgenden Gründen das von der Vorinstanz wie schon von der Bundesnetzagentur gefundene Auslegungsergebnis.
Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts richtet sich entsprechend den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Adressaten oder der erlassenden Behörde, sondern danach, wie ihn der Empfänger im Zeitpunkt des Zugangs bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O.). Nach diesem Maßstab ist nicht anzunehmen, dass das Schlechterstellungsverbot in Nr. 17.6 Satz 1 Halbs. 1, Nr. 18.2 der E1-Lizenz die Beigeladene strikt, d.h. ohne Rücksicht auf die Art und das Gewicht etwaiger Differenzierungsgründe, zur Gleichbehandlung verpflichtet. Vielmehr legt der Senat die Regelung übereinstimmend mit der Vorinstanz und der Bundesnetzagentur dahin aus, dass sie in eingeschränktem Umfang sachlich gerechtfertigte Unterscheidungen ermöglicht. Für den objektiven “Empfängerhorizont” der Beigeladenen war insoweit das begriffliche Verständnis zur Zeit der Lizenzvergabe im Jahr 1993 maßgeblich. Damals gab es noch kein spezielles telekommunikationsrechtliches Diskriminierungsverbot, wie es jetzt in §§ 19, 42 Abs. 1 und 2 TKG enthalten ist. Doch war bereits in § 26 Abs. 2 GWB damaliger Fassung, der dem jetzt geltenden § 20 Abs. 1 GWB entsprach, ausdrücklich ein Diskriminierungsverbot für marktbeherrschende Unternehmen geregelt, und zwar als Verbot der Ungleichbehandlung mit der Möglichkeit sachlich gerechtfertigter Abweichungen (so zu Recht Dietlein/Brandenberg, a.a.O. S. 298). Aus dem Umstand, dass das allgemeine, gegenüber “jedermann” geltende Diskriminierungsverbot gemäß Nr. 8 der E1-Lizenz – anders als die Diensteanbieter betreffenden Sonderbestimmungen der Nr. 17.6, 18.2 – auf sachliche Rechtfertigungsgründe und auf § 26 GWB a.F. ausdrücklich hinwies, musste die Beigeladene zwar folgern, dass ihr Ungleichbehandlungen im Verhältnis des eigenen Unternehmens zu Diensteanbietern wie auch im Verhältnis von Diensteanbietern untereinander regelmäßig untersagt waren, nicht aber, dass sie ihr ausnahmslos verboten sein sollten. Ein derart weitgehendes Verständnis im Sinne eines uneingeschränkten Differenzierungsverbots lag auch deshalb fern, weil es mit dem Grundrechtsschutz der Beigeladenen nicht zu vereinbaren wäre. Die Diensteanbieterverpflichtung als belastende Nebenbestimmung des der Lizenznehmerin verliehenen Nutzungsrechts griffe bei einer strengen, jegliche Differenzierungsmöglichkeit strikt negierenden Auslegung unverhältnismäßig in ihre Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und ihr Eigentumsrecht am Netz (Art. 14 Abs. 1 GG) ein.
Die Lizenzvorschriften fügen sich im Übrigen nur mit einer Auslegung, die die Möglichkeit einer sachlichen Rechtfertigung für gewisse Ungleichbehandlungen der Diensteanbieter nicht von vornherein ausschließt, in den Sinnzusammenhang des Telekommunikationsgesetzes ein, dessen § 150 Abs. 4 nunmehr die Rechtsgrundlage für die fortbestehenden Diensteanbieterverpflichtungen bildet. Der Zweck dieser Übergangsvorschrift besteht darin, Nichtdiskriminierungspflichten, die grundsätzlich nur marktmächtigen Unternehmen auferlegt werden können, auf die betreffenden Lizenznehmer auch dann auszudehnen, wenn diese nicht über beträchtliche Marktmacht auf dem sachlich relevanten Markt verfügen. Auf regulierten Märkten können marktmächtige Unternehmen nach Maßgabe des § 19 TKG zur Gleichbehandlung verpflichtet werden. Außerdem unterliegen solche Unternehmen dort der besonderen Missbrauchsaufsicht des § 42 TKG. Beide Vorschriften verpflichten marktmächtige Unternehmen – über das allgemeine Wettbewerbsrecht hinaus – nicht nur zu “externer Gleichbehandlung”, sondern auch zu einer “externen wie internen Gleichbehandlung”, wie sie auch der Diensteanbieterverpflichtung der E1-Lizenz zugrunde liegt. In § 42 TKG ist die Möglichkeit der sachlichen Rechtfertigung ungünstigerer Bedingungen ausdrücklich vorgesehen, wenn auch in dem Missbrauchsvermutungstatbestand des § 42 Abs. 2 nur ausnahmsweise im Wege der Beweislastumkehr. Obwohl § 19 TKG einen solchen Zusatz nicht ausdrücklich enthält, ist auch insoweit anerkannt, dass dem Gleichbehandlungsgebot die Möglichkeit immanent ist, eine objektive Ungleichbehandlung durch sachliche Gründe zu rechtfertigen (s. nur Piepenbrock/Attendorn, in: BeckTKG, 3. Aufl. 2006, § 19 Rn. 71 m.w.N.). Auch der neue europäische Rechtsrahmen setzt für die Auferlegung regulatorischer Verpflichtungen stets voraus, dass diese angemessen und gerechtfertigt im Hinblick auf die Regulierungsziele sein müssen (Art. 8 Abs. 4 ZRL). Soweit Art. 8 Abs. 3 ZRL i.V.m. Anh. B Nr. 7 GRL die Auferlegung bzw. Aufrechterhaltung von Verpflichtungen, die an Frequenznutzungsrechte geknüpft sind, auch gegenüber nicht marktmächtigen Unternehmen gestattet, steht diese Ausnahme unter dem Vorbehalt des Art. 6 Abs. 1 GRL. Danach müssen die Bedingungen, die u.a. an Nutzungsrechte für Funkfrequenzen geknüpft werden, in Bezug auf die betreffenden Dienste ihrerseits verhältnismäßig sein, was sachnotwendige Differenzierungen einschließt. Nur unter dieser Voraussetzung entfällt die den Mitgliedstaaten sonst gemäß Art. 17 Abs. 1 GRL obliegende Pflicht, eine nach altem Recht erteilte Genehmigung mit den Bestimmungen der Richtlinie nachträglich in Einklang zu bringen.
bb) Die Bundesnetzagentur hat die “zeitliche Ungleichbehandlung” der Klägerin gegenüber dem mit der Beigeladenen konzernverbundenen Diensteanbieter Simyo GmbH, die darin bestand, dass die Beigeladene diesem ein “No-Frills”-Angebot zeitlich vor der Klägerin unterbreitet und dem eigenen Konzern damit einen Wettbewerbsvorsprung verschafft hat, unter den hier gegebenen Umständen zu Recht unbeanstandet gelassen. Über die Frage der sachlichen Rechtfertigung ist in Anlehnung an den für den Missbrauchstatbestand des § 42 TKG anerkannten Maßstab im Wege einer umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Regulierungsziele, insbesondere des chancengleichen Wettbewerbs (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG), zu entscheiden (vgl. Schütz, in: BeckTKG, 3. Aufl. 2006, § 42 Rn. 41 m.w.N.). Die Bundesnetzagentur hat die abwägungserheblichen Interessen der Beteiligten vollständig ermittelt und im Ergebnis das Interesse der Klägerin ohne Rechtsfehler hinter das gegenläufige Interesse der Beigeladenen zurücktreten lassen.
Das Interesse der Klägerin war darauf gerichtet, dass ihr die Beigeladene Einkaufsbedingungen, die mit den “No-Frills”-Einkaufsbedingungen identisch waren, gleichzeitig wie der Simyo GmbH und damit so rechtzeitig anbot und gewährte, dass sie in der Lage war, ohne Verzögerung mit einem dem Simyo-Produkt ähnlichen Produkt den Wettbewerb auf dem Endkundenmarkt aufzunehmen. Dem stand das Interesse der Beigeladenen gegenüber, ihrer konzernverbundenen Tochtergesellschaft Simyo GmbH durch die vorzeitige Gewährung der für das Simyo-Produkt benötigten Vorleistungen einen Wettbewerbsvorsprung auf dem Endkundenmarkt zu verschaffen. Dem Interesse eines Diensteanbieters wie der Klägerin an einer verzögerungsfreien Gewährung der für das “Resale” benötigten Vorleistungen gebührt regelmäßig der Vorrang gegenüber dem gegenläufigen Interesse der Beigeladenen als Netzbetreiber. Denn nach den dem Telekommunikationsgesetz zugrunde liegenden Zielvorstellungen ist der (Weiter-)Vertrieb von Telekommunikationsdienstleistungen ohne eigene Netzinfrastruktur (s. auch § 21 Abs. 2 Nr. 3 TKG) zur Wettbewerbsförderung erwünscht. Indem Diensteanbieter neue Produkte unter Nutzung der nachgefragten Vorleistungen vergleichsweise kostengünstig herstellen und relativ preiswert den Endkunden anbieten, verbreitern sie die Angebotspalette und beleben den Endkundenmarkt. Den schutzwürdigen Interessen des Netzbetreibers wird im Wesentlichen dadurch genügt, dass er seine eigenen Investitionskosten in die von den Diensteanbietern geforderten Vorleistungspreise einfließen lassen darf (vgl. Urteil vom 3. Dezember 2003 – BVerwG 6 C 20.02 – BVerwGE 119, 282 ≪295 f.≫ = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 2 S. 34 f.). In Anbetracht der Abhängigkeit der Diensteanbieter von den Vorleistungen des Netzbetreibers ist dessen weiter gehendes Interesse an einem Wettbewerbsvorsprung, der eine marktverdrängende Wirkung zum Nachteil der Diensteanbieter entfalten kann, dagegen grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig; gerade dies kommt im Verhältnis zwischen den Streitbeteiligten in dem Schlechterstellungsverbot der Nr. 17.6, 18.2 der E1-Lizenz zum Ausdruck.
Allerdings verlangt diese Regel eine begrenzte Ausnahme für die Markteinführung eines innovativen Produktes durch den Netzbetreiber, damit diesem hinreichende Innovationsanreize im Wettbewerb um Mobilfunkdienstleistungen verbleiben. Das Telekommunikationsgesetz zielt u.a. darauf, Innovationen zu unterstützen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG). Müsste ein innovatives Produkt jedem Diensteanbieter auf der Vorleistungsebene zugänglich gemacht werden, bevor es der Netzbetreiber selbst auf den Markt bringen darf, müsste dieser das wettbewerbliche Potenzial des neuen Produkts sofort und vollumfänglich mit Dritten teilen, die er – auch auf der Grundlage kostenorientierter Vorleistungsentgelte – nicht in gleichem Maße an den Entwicklungsrisiken beteiligen könnte. Dies hätte nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung der Bundesnetzagentur insgesamt keine Stärkung, sondern eine Schwächung des Wettbewerbs zur Folge. Die Klägerin kann dieser Einschätzung nicht entgegenhalten, die konzernfremden Diensteanbieter (Reseller) ständen gewissermaßen im “Lager” des sie mit Vorleistungen beliefernden Mobilfunknetzbetreibers, sodass sie mit ihrem unverzögerten Marktauftritt dessen prämierungsfähigen Nutzen ausschließlich mehrten und nicht minderten. Die Klägerin übersieht dabei, dass die Beigeladene nicht nur mit den anderen Netzbetreibern, sondern nach dem das Resale kennzeichnenden Geschäftsmodell auch mit den von ihr mit Vorleistungen belieferten konzernfremden Diensteanbietern im Wettbewerb auf dem nachgelagerten Endkundenmarkt steht.
Die Abwägungserheblichkeit des Interesses der Beigeladenen an einem vorstoßenden Wettbewerb mit einem innovativen Produkt lässt sich auch nicht damit entkräften, dass ein externer Diensteanbieter wegen seiner Abhängigkeit von den Vorleistungen des Netzbetreibers diesem gegenüber keine Chance zu eigenem vorstoßenden Wettbewerb habe. Diese Abhängigkeit, die die Situation des Diensteanbieters zwangsläufig prägt, kann unter Berücksichtigung der wettbewerbsfördernden Zielsetzung des Telekommunikationsrechts nicht dadurch kompensiert werden, dass dem Netzbetreiber seinerseits ein vorstoßender Wettbewerb mit einem innovativen Produkt unmöglich gemacht wird. Dieser Zielsetzung entspricht es vielmehr umgekehrt, die wettbewerblichen Möglichkeiten des Diensteanbieters auch im Verhältnis zu dem Netzbetreiber zur größtmöglichen Entfaltung zu bringen. So haben die Diensteanbieter nach der E1-Lizenz nicht nur das Recht, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Mobilfunkdienste des Lizenznehmers zu vertreiben, sondern auch, Zusatzdienste im Rahmen der Lizenz zu entwickeln und ihren Teilnehmern anzubieten (Nr. 17.1). Der Lizenznehmer darf die Diensteanbieter weder hinsichtlich ihrer eigenen Preis- und Konditionsgestaltung noch hinsichtlich anderer Betätigungsfelder einschränken (Nr. 17.2). Etwaige lizenzwidrige Behinderungen eines Diensteanbieters durch den Netzbetreiber hat die Bundesnetzagentur im Rahmen ihrer Befugnisse zu unterbinden, um auf diese Weise den Wettbewerb zwischen den beteiligten Unternehmen zu sichern und zu fördern.
Das “No-Frills”-Produkt, das die Beigeladene ab Mai 2005 über die Simyo GmbH vertrieb, war in dem vorbezeichneten Sinne innovativ. Insoweit hat das Verwaltungsgericht – bezogen auf den Vorleistungsmarkt – festgestellt, dass dieses Produkt den Diensteanbietern erstmals den direkten Zugang zur Guthabenpflege des Endkunden sowie den Aufbau eines eigenen Einzelverbindungsnachweises und eines elektronischen Kundenbetreuungsprogramms ermöglicht habe. In Übereinstimmung mit der Bundesnetzagentur ist der Senat allerdings der Auffassung, dass die Betrachtung über den Vorleistungsmarkt hinaus auf den Endkundenmarkt zu erstrecken ist, denn das Resale-Modell zeichnet sich dadurch aus, dass die Diensteanbieter ein bereits in seiner Entwicklung abgeschlossenes Produkt auf Vorleistungsebene einkaufen, um es – mehr oder weniger umgestaltet – als Endkundenprodukt zu vertreiben und dabei auch mit dem sie beliefernden Unternehmen in Wettbewerb zu treten. Nach den vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen der Bundesnetzagentur unterscheidet sich das Simyo-Produkt von den zuvor am Markt angebotenen Produkten nicht nur in der vereinfachten Tarifstruktur, sondern auch im Leistungsumfang, in der Marktpositionierung, im Vertrieb unter einer eigens geschaffenen selbstständigen Marke und in diversen technischen Parametern. Diese Unterschiede betreffen insbesondere den Verzicht auf zahlreiche auf dem Mobilfunkmarkt sonst übliche Zusatzfunktionen sowie auf den Mitverkauf von Endgeräten, den ausschließlichen Vertrieb über das Internet, die Einführung eines neuen Aufladungsmechanismus für ein zeitlich begrenztes Guthaben sowie die Einführung einer separaten Identifikation im Netz der Beigeladenen. In Anbetracht dieser Feststellungen, an die der Senat gebunden ist, begegnet die Bewertung, dass es sich in der Gesamtschau aller relevanten Merkmale um eine Produktinnovation handelte, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Der innovative Charakter des von der Beigeladenen entwickelten Produkts reicht freilich für sich genommen nicht aus, um die zeitliche Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu der mit dem Konzern der Beigeladenen verbundenen Simyo GmbH zu rechtfertigen. Ein von den Diensteanbietern nicht oder nur schwer einzuholender Wettbewerbsvorsprung des Netzbetreibers mit Hilfe eines innovativen Produkts wäre geeignet, die Marktposition der Diensteanbieter zu erschüttern oder sie gar vom Markt zu verdrängen. Derartige Auswirkungen, denen das lizenzrechtliche Schlechterstellungsverbot vorbeugen soll, waren unter den im Streitfall gegebenen Umständen aber nicht zu besorgen. So hat die Bundesnetzagentur im Einzelnen ausgeführt, dass die Klägerin nach eigenem Bekunden in der Lage war, ein dem Simyo-Produkt vergleichbares Endkundenangebot in längstens drei Monaten, gerechnet ab der Annahme eines verbindlichen Vorleistungsangebots der Beigeladenen, zu verwirklichen. Daraus hat sie gefolgert, dass der von der Beigeladenen zu verantwortende Zeitvorsprung im Verhältnis zur Klägerin – unter Einbeziehung einer gewissen zusätzlichen Zeitspanne, insbesondere für die Vertragsprüfung und -ausfertigung – allenfalls vier Monate betrug. Sie hat dabei weiter berücksichtigt, dass der Wettbewerbsvorsprung der Beigeladenen kein besonderes Bindungspotenzial entfalten konnte, da sich das Angebot an preisbewusste Kunden mit erhöhter Wechselbereitschaft richtete und deshalb Anreize für einen erneuten Wechsel zu einem anderen Anbieter gerade in diesem Kundensegment nicht ausschaltete. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesnetzagentur – auch unter Hinweis auf Erfahrungen auf einem ausländischen Telekommunikationsmarkt – dauerhafte Wettbewerbsverzerrungen oder gar eine marktschließende Wirkung des von der Klägerin beanstandeten Verhaltens der Beigeladenen ausgeschlossen.
Nach alledem ist die Bundesnetzagentur unter Berücksichtigung der Regulierungsziele der Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) und der Wahrung der Nutzerinteressen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG) rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die zeitlich begrenzte Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu der konzernverbundenen Simyo GmbH sachlich gerechtfertigt war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen eigenen Antrag gestellt hat und damit selbst ein Kostenrisiko eingegangen ist.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Dr. Graulich, Vormeier, Dr. Bier
Fundstellen
Haufe-Index 1950250 |
CR 2008, 359 |
MMR 2008, 235 |
N&R 2008, 137 |