Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylantrag. Asylbewerber. Ausländer. Beförderungsunternehmen. Bestimmung des Zielortes. Betriebsrechte. Chicagoer Abkommen. Eigentumsgarantie. Ein- und Ausflug von Fluggästen. Einreisebestimmungen. Einreiseverweigerung. Flughafenverfahren. Handlungsfreiheit. luftverkehrsrechtliche Betriebsgenehmigung. Luftweg. Rückbeförderung. Transportverbot. ungültige Reisedokumente. unverzügliche Ausreise. Visumspflicht. Zurückweisung an der Grenze
Leitsatz (amtlich)
Die Verpflichtung des Luftfahrtunternehmers, an der Grenze zurückgewiesene Fluggäste gemäß § 73 Abs. 1 und 3 AuslG unverzüglich außer Landes zu bringen (Rückbeförderungsverpflichtung), berührt nicht seine Betriebsrechte. Weder das Grundrecht auf Asyl noch die Genfer Flüchtlingskonvention erweitern diese Rechte.
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 16a, 19 Abs. 3; Genfer Flüchtlingskonvention Art. 33 Abs. 1; AuslG § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 73 Abs. 1, 3; AsylVfG § 18a Abs. 3; LuftVG § 21a S. 1; VwVfG §§ 28, 46; Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944 Art. 13; Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Volksrepublik Algerien über den Luftverkehr vom 6. Mai 1976 Art. 2 Abs. 2 Buchst. c
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Entscheidung vom 23.03.1998; Aktenzeichen 12 UE 1310/95) |
VG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.03.1995; Aktenzeichen 11 E 3067/94 (V)) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. März 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, ein Luftfahrtunternehmen, begehrt die nachträgliche Feststellung, daß ein Bescheid des Grenzschutzamts Frankfurt/Main vom 14. Oktober 1993 rechtswidrig gewesen ist, mit dem sie unter Androhung der Ersatzvornahme aufgefordert worden war, zwei liberianische Staatsangehörige nach Algier zurückzubefördern. Diese trafen am 24. September 1993, mit einer Linienmaschine der Klägerin aus Algier kommend, mit verfälschten beninischen Pässen in Frankfurt ein und beantragten Asyl. Der Asylantrag wurde zwei Tage später als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Daraufhin verweigerte das Grenzschutzamt den beiden Liberianern die Einreise. Ein hiergegen an das Verwaltungsgericht gerichteter Eilantrag blieb erfolglos.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 1993 teilte das Grenzschutzamt der Klägerin mit, sie sei als Beförderungsunternehmen gehalten, die Ausländer unverzüglich nach Algier zurückzubefördern, und forderte sie auf, dieser Pflicht spätestens bis zum 15. Oktober 1993, 16.00 Uhr nachzukommen, andernfalls dies im Wege der Ersatzvornahme geschehen werde. Dieser Bescheid wurde der Klägerin am 15. Oktober 1993 gegen 12 Uhr mittags bekanntgegeben. Die Klägerin beförderte die beiden Ausländer am selben Tage mit ihrer planmäßig um 15.00 Uhr abfliegenden Linienmaschine nach Algier zurück.
Am 9. November 1993 legte die Klägerin gegen die Verfügung Widerspruch ein, den das Grenzschutzpräsidium Mitte mit Bescheid vom 20. September 1994 zurückwies. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung vom 14. Oktober 1993 abgewiesen, der Verwaltungsgerichtshof hat ihr nur hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme stattgegeben. Zur Begründung seines Urteils hat der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergebe sich aus der Wiederholungsgefahr. Der Bescheid sei jedoch nur hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme rechtswidrig, weil es insoweit an der Bestimmung einer angemessenen Frist gefehlt habe. Hinsichtlich des Gebots der Rückbeförderung sei der Bescheid rechtmäßig. Zwar genüge er nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung, weil diese sich in einer Wiederholung des Gesetzestextes und in einer abstrakten Formel ohne Fallbezug erschöpfe. Dieser Mangel sei aber durch den Widerspruchsbescheid geheilt worden, in dem alle Überlegungen der Behörde enthalten gewesen seien. Auch materiellrechtlich bestünden gegen die Rückbeförderungspflicht keine Bedenken. Die beiden Ausländer seien an der Grenze zurückgewiesen worden. Auf die Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung komme es nicht an. Bedenken bestünden auch nicht deshalb, weil es sich bei den beiden Ausländern um Asylbewerber ohne ordnungsgemäße Einreisepapiere gehandelt habe. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Einreisebestimmungen seien für die Transportunternehmen ohne Bedeutung. Der Beförderungsunternehmer habe zurückgewiesene Ausländer „unverzüglich” außer Landes zu bringen. Deshalb habe die Beklagte auch die Verpflichtung aussprechen dürfen, den nächsten erreichbaren Flug in Anspruch zu nehmen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, die sie im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Rückbeförderungsverpflichtung könne nicht auf § 73 Abs. 1 und 3 AuslG gestützt werden, weil diese Vorschriften, soweit es sich bei den Passagieren um Asylbewerber ohne ordnungsgemäße Reisepapiere handele, mit Art. 16 a Abs. 1 GG und mit Art. 33 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GK) nicht vereinbar seien. Soweit § 73 Abs. 1 AuslG den Beförderungsunternehmer zum Rücktransport paßloser bzw. mit nicht ordnungsgemäßen Dokumenten ausgestatteter Asylsuchender verpflichte, denen die Einreise in das Bundesgebiet gemäß § 18 a Abs. 3 Satz 1 AsylVfG verweigert worden sei, verstoße diese Vorschrift gegen Art. 16 a Abs. 1 GG. Die Pflicht zur Rückbeförderung von Asylbewerbern ohne erforderlichen Paß unterliege denselben verfassungsrechtlichen Bedenken, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Vorlagebeschluß vom 14. April 1992 – BVerwG 1 C 48.89 – betreffend die Transportverbote nach § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965 (§ 74 AuslG 1990) erhoben habe. Art. 16 a Abs. 1 GG verbiete, die Asylgewährung und die dafür erforderliche Einreise aus dem Verfolgerstaat in die Bundesrepublik Deutschland durch gezielte staatliche Beförderungsbeschränkungen grundsätzlich zu verhindern. Der Asylsuchende müsse daher auch ohne Paß bzw. Sichtvermerk in der Lage sein, einen Asylantrag zu stellen. Die weitreichenden Sanktionen gegen Luftverkehrsunternehmen wie die Rückbeförderungspflicht gemäß § 73 Abs. 1 und 3 AuslG besäßen eine rechtsbegrenzende Wirkung für das in der Bundesrepublik geltende Asylrecht, da auf diese Weise auch diejenigen Personen an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert würden, welchen in der Bundesrepublik das Asylgrundrecht zustehe. Mittelbar werde der Beförderungsunternehmer durch die Rückbeförderungspflicht dazu angehalten, Asylsuchende ohne erforderlichen Paß vom Bundesgebiet fernzuhalten. Die Rückbeförderungspflicht verstoße auch gegen Art. 33 Abs. 1 GK und die sich aus dieser Vorschrift ergebende verfahrensrechtliche Vorwirkung, welche ein vorläufiges Aufenthaltsrecht zur Prüfung der Flüchtlingseigenschaft oder des sicheren Drittstaates begründe. Die Klägerin sei durch den Rückbeförderungsbescheid in ihren Rechten verletzt, was bereits aus dem Umstand folge, daß er auf eine verfassungswidrige und damit nichtige Ermächtigungsgrundlage gestützt werde. Der kostenverursachende Rücktransport stelle einen unmittelbaren Eingriff in die Handlungsfreiheit und das Eigentumsrecht der Klägerin dar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. März 1998 zu ändern, soweit die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 7. März 1995 zurückgewiesen worden ist, und auch insoweit nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte und der Oberbundesanwalt treten der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision, die nur noch die Verpflichtung zur Rückbeförderung betrifft, ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt nicht Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Das Berufungsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig gehalten. Nach Erledigung des Bescheids des Grenzschutzamts hat sich die Klägerin auf eine vom Berufungsgericht auch festgestellte Wiederholungsgefahr berufen, aus der sich das in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO darzulegende Feststellungsinteresse ergibt. Es steht ferner außer Zweifel, daß die Klägerin als Adressatin eines belastenden Verwaltungsakts wegen der mit dem Rücktransport verbundenen finanziellen Belastung auch im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt ist, wie die Fortsetzungsfeststellungsklage ebenfalls voraussetzt.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
1. Die angefochtene Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 73 Abs. 1 und 3 AuslG. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift hat der Beförderungsunternehmer einen Ausländer unverzüglich außer Landes zu bringen, wenn dieser mit einem Luft-, See- oder Landfahrzeug einreisen will und an der Grenze zurückgewiesen wird. Nach Absatz 3 der genannten Vorschrift in der gemäß Art. 8 am 1. September 1993 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes vom 15. Juli 1993 (BGBl II S. 1010; Bekanntmachung vom 20. April 1994, BGBl II S. 631) hat der Beförderungsunternehmer den Ausländer auf Verlangen der mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden in den Staat zu bringen, der das Reisedokument ausgestellt hat oder aus dem er befördert wurde, oder in einen sonstigen Staat, in dem seine Einreise gewährleistet ist. Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 und 3 AuslG waren hier erfüllt.
Die beiden liberianischen Staatsangehörigen, die Eheleute R., sind an der deutschen Grenze zurückgewiesen worden. Die Zurückweisung beruhte auf § 18 a Abs. 3 AsylVfG. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift (§ 18 a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AsylVfG) hat die Beklagte zu Recht bejaht, wie auch die Klägerin nicht in Abrede stellt. Abgesehen davon kommt es für die Anwendung des § 73 Abs. 1 und 3 AuslG auf die Gründe für die Zurückweisung nicht an; es genügt die bloße Tatsache der Zurückweisung. Zu Überlegungen, ob das auch dann gilt, wenn die Zurückweisung willkürlich sein sollte, gibt der Fall keinen Anlaß.
Die Verfügung vom 14. Oktober 1993 ist hinreichend bestimmt und ausreichend begründet. Sie bringt – wenn auch in knapper Form – zum Ausdruck, was von der Klägerin verlangt wird: die unverzügliche, bis spätestens 15. Oktober 1993, 16.00 Uhr durchzuführende Rückbeförderung der beiden namentlich genannten Passagiere nach Algier. Zur Begründung heißt es, daß die Eheleute R. nach erfolglosem „Flughafen-Asylverfahren” zurückgewiesen worden seien, die Grenzschutzbehörde ihre Rückbeförderung nach Algier verlange und die Klägerin daher gemäß § 73 Abs. 1 und 3 AuslG verpflichtet sei, die Passagiere auf deren Kosten, aber unter eigener Mithaftung dorthin zu bringen. Die Verfügung individualisiert und konkretisiert damit den Gesetzeswortlaut in ausreichender, die Rechtsverteidigung ermöglichender Weise und ergänzt das Rückbeförderungsgebot um eine Kostenregelung nach Maßgabe des § 82 Abs. 1 und 3 Satz 1 AuslG i.d.F. des Gesetzes vom 30. Juni 1993 (BGBl I S. 1062). Es war nicht erforderlich, die Gründe zu nennen, deretwegen die beiden Ausländer zurückgewiesen worden sind, weil es, wie erwähnt, im Rahmen des § 73 Abs. 1 und 3 AuslG auf sie nicht ankommt.
Allerdings enthält die Verfügung keine Ausführungen darüber, weshalb die Beklagte von der Klägerin den Rücktransport nach Algier verlangt hat. Solche Ausführungen waren hier aber entbehrlich. Ist der Ausländer eingeflogen und wird er auf dem Flughafen zurückgewiesen, ist die Grenzbehörde grundsätzlich gehalten, den Rücktransport von dem Transportunternehmen zu verlangen, das den Ausländer eingeflogen hat. Denn wenn die Behörde einen Ausländer auf einem im Inland gelegenen Flughafen zurückweist, muß sie auch dafür Sorge tragen, daß er möglichst ohne Kosten für die Allgemeinheit das Land unverzüglich verläßt. Sie kann demnach nur ausnahmsweise davon absehen, den Rücktransport von dem Unternehmen zu verlangen, etwa dann, wenn die unverzügliche Ausreise anderweitig gesichert ist. Dafür aber lag hier nichts vor. Im übrigen verbleibt ihr im Regelfalle nur ein Ermessen hinsichtlich der Bestimmung des Zielortes nach Maßgabe des § 73 Abs. 3 AuslG. Das Grenzschutzamt hat von seinem diesbezüglichen Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht, indem es die Rückbeförderung nach Algier verlangt hat. Daß es die Bestimmung des Zielortes nicht der Klägerin überlassen hat, war gerechtfertigt, weil, wie ohne weiteres ersichtlich war, dadurch nach den Umständen die unverzügliche Ausreise gesichert werden konnte, zu deren Durchsetzung die Beklagte verpflichtet war. Bezüglich der möglichen Zielorte bestanden nach den Gegebenheiten des Falles tatsächlich für das Grenzschutzamt keine Alternativen. Da die Ausländer nicht im Besitz gültiger Reisedokumente waren, kam für eine unverzügliche Ausreise nur die Rückkehr nach Algerien in Betracht, von wo die Klägerin sie eingeflogen hatte. Zudem handelte es sich ersichtlich um den kürzesten Rückflug und damit um die für die Klägerin am wenigsten belastende Maßnahme. Unter diesen Umständen war eine besondere Begründung des „Verlangens” der Beklagten nicht erforderlich. Ein etwaiger Begründungsmangel wäre darüber hinaus gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich, weil nach dem Ausgeführten der Beklagten eine andere Entscheidungsmöglichkeit nicht eröffnet war. Dasselbe gilt für einen etwaigen Anhörungsmangel nach § 28 Abs. 1 VwVfG, so daß es nicht darauf ankommt, ob eine der Ausnahmen von der Anhörungspflicht (§ 28 Abs. 2 und 3 VwVfG) gegeben war.
Die der Klägerin gesetzte Frist für die Erfüllung ihrer Rücktransportpflicht war nicht rechtsfehlerhaft. Nach § 73 Abs. 1 AuslG hat der Beförderungsunternehmer den Ausländer „unverzüglich”, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) außer Landes zu bringen. Wann das der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Verpflichtung tritt mit der Zurückweisung, in Fällen des § 73 Abs. 3 AuslG jedoch nicht vor einem entsprechenden Verlangen der Behörde ein (Witte, in: GK-AuslR, § 73 AuslG Rn. 74). Deshalb ist es unschädlich, daß die Beklagte den Bescheid erst am 14. Oktober 1993 erlassen und am 15. Oktober 1993 bekanntgegeben hat, also mehr als zwei Wochen nach der am 26. September 1993 getroffenen Entscheidung des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über den Asylantrag und der Verweigerung der Einreise. Die Beklagte hat mit Recht zunächst den die Einreiseverweigerung betreffenden Eilbeschluß des Verwaltungsgerichts vom 13. Oktober 1993 abgewartet, dessen Tenor ihr am selben Tage mitgeteilt worden ist (vgl. Witte, a.a.O. Rn. 75). Die Klägerin konnte die beiden Ausländer innerhalb der ihr gesetzten Frist mit einer planmäßigen Maschine der eigenen Linie zurückbefördern. Sie hat nicht geltend gemacht, daß sie die beiden Ausländer auf diesem Flug nur unter besonderen oder gar unzumutbaren Schwierigkeiten befördern konnte oder daß sie etwa ihretwegen andere Passagiere vom Transport ausschließen mußte. Es bedarf daher keiner Erörterung, welche rechtliche Bedeutung derartigen Umständen beizumessen wäre.
2. Die Rückbeförderungspflicht berührt nicht die Rechte der Klägerin. Als solche kommen insbesondere ihre Betriebsrechte in Betracht.
Die Betriebsrechte der Klägerin bestimmen sich nach der ihr gemäß § 21 a Satz 1 LuftVG zur Durchführung des Fluglinienverkehrs von und nach Deutschland erteilten Betriebsgenehmigung. Daraus ergibt sich in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Buchst. c des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Volksrepublik Algerien über den Luftverkehr vom 6. Mai 1976 (BGBl II 1979 S. 353/896) die Berechtigung, u.a. Fluggäste in Deutschland abzusetzen und aufzunehmen. Das Abkommen bestimmt in seiner Präambel, daß beide Vertragsparteien von den Grundsätzen und Bestimmungen des am 7. Dezember 1944 in Chicago unterzeichneten Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt (BGBl II 1956 S. 411/934) ausgehen. Das Chicagoer Abkommen sieht in Art. 13 vor, daß die Gesetze und Vorschriften eines Vertragsstaates über den Ein- und Ausflug von Fluggästen, Besatzungen oder Fracht eines Luftfahrzeugs nach oder aus seinem Hoheitsgebiet, wie z.B. Einreise-, Abfertigungs-, Einwanderungs-, Paß-, Zoll- und Quarantänevorschriften, durch oder in bezug auf die Fluggäste, Besatzungen oder Fracht bei dem Ein- und Ausflug sowie während des Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieses Staates zu befolgen sind. Nach Standard 3.36 des Anhangs 9 zu dem Abkommen stellt jeder Vertragsstaat sicher, daß eine Person, die nicht einreisen darf, in die Aufsicht des Beförderers zurücküberstellt wird; dieser ist verantwortlich für die sofortige Rückbeförderung zu dem Ort, an dem die Person ihre Reise begann, oder zu jedem anderen Ort, an dem der Person die Einreise gewährt wird (vgl. Witte, a.a.O. Rn. 22; Hailbronner, Ausländerrecht, § 73 AuslG Rn. 7). Diese Richtlinie ist durch die Vorschriften des § 73 Abs. 1 und 3 AuslG in nationales Recht umgesetzt worden. Die Betriebsrechte der Klägerin sind danach von vornherein durch die deutschen Einreise- und Beförderungsbestimmungen inhaltlich beschränkt. Das Recht der Klägerin, Fluggäste in Deutschland abzusetzen, besteht nur im Rahmen dieser nationalen Vorschriften. Es ist u.a. nicht gegeben in bezug auf Ausländer, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit eine Aufenthaltserlaubnis (Visum) vor ihrer Einreise benötigen, diese aber nicht besitzen (§ 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AuslG; § 1 DVAuslG; vgl. zur Rechtslage nach dem Ausländergesetz 1965 Urteil vom 7. September 1999 – BVerwG 1 C 9.99 – DokBer A 1999, 375). Es besteht insbesondere nur im Rahmen der dem internationalen Luftverkehr immanenten Schranken bzw. Belastungen und damit auch der sich aus Anhang 9 des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt ergebenden, in deutsches Recht umgesetzten Rückbeförderungspflicht gemäß § 73 Abs. 1 und 3 AuslG.
3. Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die sich aus § 73 Abs. 1 und 3 AuslG ergebende Rückbeförderungspflicht verletze das Recht Asylsuchender, auch ohne die erforderlichen Ausweispapiere und Einreiseerlaubnisse in Deutschland ihre Anerkennung als Asylberechtigte zu beantragen. Die Klägerin ist der Auffassung, die Rückbeförderungspflicht wirke sich dahin aus, daß Flugunternehmen Asylsuchende namentlich bei Fehlen der üblichen Einreisedokumente von der Beförderung nach Deutschland ausschließen und damit die Inanspruchnahme von Asyl verhindern könnten, was dem Grundrecht auf Asyl widerspreche. Das Grundrecht auf Asyl bzw. die in diesem Grundrecht verkörperte verfassungsrechtliche Wertentscheidung ist jedoch nicht geeignet, die dargelegte Rechtsstellung der Klägerin als Luftfahrtunternehmen zu verbessern, insbesondere ihre Betriebsrechte zu erweitern bzw. sie von Pflichten zu befreien, die mit diesen Rechten verbunden sind. Wenn, wie der Senat im Urteil vom 7. September 1999 (a.a.O.) entschieden hat, ein Luftfahrtunternehmen sich gegenüber einem Transportverbot nicht mit Erfolg auf das Grundrecht auf Asyl bzw. auf die darin liegende Wertentscheidung berufen kann, gilt im Ergebnis nichts anderes bezüglich des gegenüber der Pflicht zum Rücktransport zurückgewiesener Asylsuchender erhobenen Einwandes, diese Pflicht wirke wie ein Transportverbot, weil sie Luftfahrtunternehmen davon abhalten könne, Asylsuchende einzufliegen.
Darüber hinaus hindern die Regelungen des § 73 Abs. 1 und 3 AuslG Ausländer in den hier einschlägigen Fällen der Zurückweisung nach § 18 a AsylVfG nicht daran, ihren Asylanspruch geltend zu machen. Die Regelungen greifen erst ein, wenn der nach Deutschland transportierte Ausländer Gelegenheit erhalten hat, seinen Asylantrag zu stellen und dieser Antrag von dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Der Erfolg des Asylantrages hängt ausschließlich vom materiellen Asylrecht ab, nicht aber davon, ob die ausländerrechtlichen Einreisebestimmungen eingehalten worden sind. Die Entscheidung des Bundesamts unterliegt gerichtlicher Kontrolle in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Die Einreiseverweigerung darf gemäß § 18 a Abs. 4 Satz 7 AsylVfG vor negativem Abschluß des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht vollzogen werden. Das Verfahren bleibt nur dann erfolglos, wenn keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung bestehen (§ 18 a Abs. 4 Satz 6 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG). Das Bundesverfassungsgericht hat demgemäß das gesamte „Flughafenverfahren” nach § 18 a AsylVfG als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen (BVerfGE 94, 166).
Im übrigen ist auch nichts dafür dargetan, daß die Rückbeförderungspflicht zu einer spürbaren Erschwerung des Zugangs Asylsuchender nach Deutschland führt. Denn im internationalen Flugverkehr ist der Verkauf eines mit der Berechtigung zum Rückflug verbundenen Flugscheins weitgehend üblich. Daraus folgt zugleich, daß sich das finanzielle Risiko der Rückbeförderung auf die Fluggäste verlagert.
4. Auch der weitere Einwand der Klägerin greift nicht durch. Die Klägerin meint, die aus § 73 AuslG folgende Rückbeförderungspflicht verstoße gegen Art. 33 Abs. 1 GK, weil diese Vorschrift ein vorläufiges Aufenthaltsrecht zur Prüfung der Flüchtlingseigenschaft begründe und die Rückbeförderungspflicht – ebenso wie ein Beförderungsverbot nach § 74 AuslG – den Zugang zum Prüfungsverfahren verhindere. Insoweit gelten die vorstehenden Erwägungen zum Grundrecht auf Asyl ebenfalls. Abgesehen davon, daß Transportverbote gegenüber Luftfahrtunternehmen nicht gegen Art. 33 GK verstoßen (Beschluß vom 14. April 1992 – BVerwG 1 C 48.89 – Buchholz 402.24 § 18 AuslG Nr. 1 = NVwZ 1992, 682), genügen die dargestellten Verfahrensgarantien des deutschen Asylrechts auch den Ansprüchen des Art. 33 GK. Insbesondere kommt eine Rückbeförderung in ein Verfolgerland nicht in Betracht (vgl. auch § 60 Abs. 5 AuslG).
5. Schließlich ist auch die von der Klägerin geltend gemachte Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Eigentumsgarantie nicht gegeben, und zwar unbeschadet der Frage, ob und inwieweit der Klägerin überhaupt Grundrechte des Grundgesetzes zustehen (Art. 19 Abs. 3 GG). Die hier maßgebende Regelung des § 73 Abs. 1 und 3 AuslG i.V.m. § 18 a AsylVfG über die Rückbeförderungspflicht ist als formell und materiell verfassungsmäßiges Gesetz Teil der das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG begrenzenden verfassungsmäßigen Ordnung. Die Rückbeförderungspflicht stellt eine im internationalen Luftverkehr verbreitete, die Luftverkehrsunternehmen nicht übermäßig belastende, im öffentlichen Interesse gerechtfertigte Rechtspflicht dar. Eine Verletzung der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG scheidet, wenn ein Eigentumseingriff in Betracht kommen sollte, schon deswegen aus, weil die genannten Vorschriften jedenfalls Inhalt und Schranken des Eigentums in verhältnismäßiger Weise bestimmen.
6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Meyer, Mallmann, Hahn, Groepper, Gerhardt
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.11.1999 durch Wichmann Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 558186 |
DÖV 2000, 1059 |
GewArch 2000, 324 |
DVBl. 2000, 1547 |