Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbausschlagung. unbekannte Erben. Überschuldung. Erbe dritter Ordnung. Kettenerbausschlagung, unvollkommene. Fiskuserbrecht. staatliches Erbrecht. Volkseigentum nach Erbausschlagung. Übernahme in Volkseigentum. Erbrecht nach ZGB
Leitsatz (amtlich)
Ein nachberufener Erbe, der sich vor Inkrafttreten des Vermögensgesetzes auf seine Stellung als Erbe nicht berufen hat, kann einen zugunsten des erstausschlagenden Erben ergangenen, auf § 1 Abs. 2 VermG gestützten Restitutionsbescheid nicht mit der Behauptung zu Fall bringen, das Grundstück oder Gebäude sei nach der Erbausschlagung nicht wirksam in Volkseigentum übergegangen.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 2; ZGB DDR § 364 ff.; ZGB DDR § 369; ZGB DDR § 404; ZGB DDR § 413
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 2. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind durch den Nachlaßpfleger vertretene, namentlich nicht bekannte Erben dritter Ordnung eines im Jahre 1980 in Leipzig verstorbenen verwitweten und kinderlosen Erblassers. Sie wenden sich gegen einen nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) erlassenen Bescheid. Mit ihm hat die Beklagte dem vom Erblasser testamentarisch als Erben eingesetzten Beigeladenen das Eigentum an einem in Leipzig gelegenen, früher im Eigentum des Verstorbenen stehenden bebauten Grundstück nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 VermG übertragen; aufgrund des Bescheids war der Beigeladene als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen, bis er es weiterveräußerte.
Nach dem Tod des Erblassers hatten zunächst der Beigeladene und später alle ermittelten Erben zweiter Ordnung die Erbschaft ausgeschlagen. Ein Aufgebotsverfahren zur Ermittlung weiterer Erben war erfolglos geblieben; daraufhin hatte das die Situation bei Erlaß des Ausgangsbescheids maßgeblich. Es sei vielmehr auf die Widerspruchsentscheidung abzustellen; bei deren Erlaß sei der Erbschein bereits eingezogen gewesen. Materiell habe das Eigentum am Grundstück ohnehin seit dem Erbfall den Klägern zugestanden. Der Gesetzgeber habe die Abkehr vom erbrechtlichen Anfallsprinzip nicht gewollt. Die Rückgabe an den Erstausschlagenden sei in der Sache eine Enteignung der wahren Eigentümer und damit verfassungsrechtlich unzulässig. Im übrigen sei für den Zeitpunkt der Erbausschlagungen die Überschuldungslage unzureichend und mit falschem Ergebnis ermittelt worden.
Die Beklagte, der Beigeladene und der Oberbundesanwalt verteidigen das angefochtene Urteil im Ergebnis, weil in ihm zu Recht vom Vorrang des Vermögensrechts gegenüber dem Erbrecht ausgegangen worden sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage der namentlich nicht bekannten Erben nach dem früheren Eigentümer des Grundstücks abgewiesen.
1. Der Revision ist im Ausgangspunkt darin beizupflichten, daß die Kläger und die inzwischen namentlich bekannten Erben dritter Ordnung aus zivilrechtlicher Sicht vor dem Fiskus der DDR als Erben berufen waren. Nicht anders als im Bürgerlichen Gesetzbuch – BGB – (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom heutigen Tag im Verfahren BVerwG 7 C 1.97) beruhte das im Streitfall anwendbare Erbrecht des Zivilgesetzbuchs der DDR vom 19. Juni 1975 (GBl I S. 465) – ZGB – auf dem Prinzip des sogenannten „Anfallserwerbs”. Dem entsprechend bestimmte § 404 ZGB, daß der Erwerb der Erbschaft durch den Ausschlagenden als nicht erfolgt galt, wenn die Erbschaft ausgeschlagen wurde; anstelle des Ausschlagenden traten, soweit Staatliche Notariat einen Erbschein zugunsten der DDR ausgestellt. Dementsprechend wurde im Grundbuch „Eigentum des Volkes” eingetragen.
Dem Rückübertragungsantrag des Beigeladenen gab die Beklagte mit der Begründung statt, das Grundstück sei aufgrund nicht kostendeckender Mieten im Zeitpunkt der Erbausschlagung überschuldet gewesen (§ 1 Abs. 2 VermG). Nachdem eine Einziehung des erteilten Erbscheins als unrichtig erwirkt worden war, legte der 1995 für die unbekannten Erben bestellte Nachlaßpfleger erfolglos Widerspruch gegen den Rückübertragungsbescheid ein.
Die auf Aufhebung der Bescheide, hilfsweise auf Rücknahme, Widerruf oder Feststellung ihrer Nichtigkeit zielende Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 2. Oktober 1996 (DtZ 1997, S. 102) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Der Beigeladene sei als Erstausschlagender rückgabeberechtigt. Zum Zeitpunkt der Ausschlagung habe eine klare rechnerische Überschuldung des Grundstücks vorgelegen; unter Zugrundelegung des Einheitswertes (29 100 M) als Beleihungsgrenze hätten Schulden in fast doppelter Höhe bestanden. Offenbleiben könne, ob § 1 Abs. 2 VermG eine wirksame Begründung von Volkseigentum voraussetze. Bei Erlaß des Widerspruchsbescheids sei zwar infolge der Erbscheinseinziehung die Erbvermutung zugunsten der DDR bereits erschüttert gewesen. Es komme insoweit jedoch allein auf den Erlaß des Ausgangsbescheids an; dies geböten die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zugunsten des Rückübertragungsberechtigten. Zu diesem Zeitpunkt sei die aus dem Erbschein folgende Vermutung für das fiskalische Erbrecht nicht widerlegt worden.
Mit ihrer Revision ziehen die Kläger zunächst die Annahme des Gerichts in Zweifel, für die rechtliche Beurteilung sei kein Ersatzerbe bestimmt war, diejenigen Erben, die berufen gewesen sein würden, wenn der Ausschlagende im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr gelebt hätte. Insoweit ähnlich wie das BGB sahen die Vorschriften der §§ 364 ff. ZGB ein gesetzliches Erbrecht der Erben erster (Ehegatten und Kinder), zweiter (Eltern und deren Nachkommen) sowie dritter Ordnung (Großeltern und deren Nachkommen) vor; anders als das BGB, welches Erben auch der vierten und weiterer Ordnungen zu berücksichtigen sucht, statuierte § 369 ZGB, daß der Staat gesetzlicher Erbe sei, soweit keine Erben bis zur dritten Ordnung vorhanden waren.
2. Diese erbrechtliche Position der Kläger ist jedoch nicht geeignet, den Restitutionsanspruch des erstausschlagenden Erben zu Fall zu bringen; die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision verkennen Inhalt und Reichweite des § 1 Abs. 2 VermG. Wie das Vermögensrecht allgemein als eine auf eigenen Wertungen beruhende Sonderrechtsordnung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (vgl. BVerfG, ZOV 1997, 26) sowohl parallele wie kollidierende zivilrechtliche Ansprüche verdrängt (vgl. BVerwGE 97, 286; BGHZ 130, 231), so schließt auch die Vorschrift des § 1 Abs. 2 VermG auf erbrechtliche Grundlagen gestützte Ansprüche nachberufener Erben aus.
§ 1 Abs. 2 VermG bezweckt mit den Tatbestandsalternativen Verzicht, Schenkung und Erbausschlagung den Schutz derjenigen, die angesichts einer bereits eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Überschuldung eines bebauten und vermieteten Grundstücks oder Gebäudes, die Folge der Eigentums- und Mietenpolitik in der DDR war, keinen anderen Ausweg als den Verzicht auf diesen Vermögenswert gesehen und dabei dessen Übernahme in Volkseigentum in Kauf genommen haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 1995 – BVerwG 7 C 23.94 – Buchholz 112 § 1 VermG Nr. 52 m.w.N.; stRspr). Die Vorschrift betrifft insoweit Akte der Selbstschädigung zugunsten des Volkseigentums, die durch die damaligen Verhältnisse erzwungen wurden und die daher vom Vermögensgesetz als wiedergutzumachendes Unrecht bewertet werden. Verzicht, Schenkung und Erbausschlagung stellten sich nämlich als eine der förmlichen Enteignung vergleichbare „kalte Enteignung” von Grundstücken und Gebäuden zugunsten der ideologisch erwünschten Mehrung des Volkseigentums dar (vgl. BTDrucks 11/7831 S. 3; s. auch Eckwert Nr. 4 der Gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen vom 15. Juni 1990). Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 VermG ist also in dem Sinne „zweigliedrig”, als sich der Akt der Selbstschädigung in der als wiedergutmachungswürdig erachteten Übernahme des Vermögensgegenstands in Volkseigentum vollendet haben muß. Führten Verzicht, Schenkung oder Erbausschlagung aus den in § 1 Abs. 2 VermG genannten Gründen im Einzelfall nicht zum Eigentumserwerb des Staates, sondern eines privaten Dritten, fehlt es zwar nicht an der ökonomischen Zwangslage, aber an der anstößigen Wirkung eines damit verbundenen „Abwanderns” des Vermögenswerts in staatliches Eigentum.
In den Fällen der Erbausschlagung vollzieht sich die Wiedergutmachung in der Weise, daß im Ergebnis – bezogen auf das überschuldete Grundstück – die erbrechtliche Situation zum Zeitpunkt des Erbfalles wiederhergestellt wird; die vom Gesetz angeordnete Restitution wirkt sich also insoweit wie eine Anfechtung der Erbausschlagung aus. Dies bedeutet zunächst, daß vor anderen nachrangig berufenen Erben, die ebenfalls die Erbschaft ausgeschlagen haben, der erstberufene Erbe wiedergutmachungsberechtigt ist (vgl. BVerwGE 95, 106 ff.). Ihn betrachtet das Vermögensgesetz in Übereinstimmung mit den grundlegenden erbrechtlichen Wertungen des BGB und des ZGB als den in erster Linie Geschädigten. Demgegenüber konnten die Erben nachfolgender Ordnungen überhaupt nur wegen des dem Erstberufenen widerfahrenen Unrechts in die von § 1 Abs. 2 VermG vorausgesetzte ökonomische Zwangslage geraten. Wird dieses unrecht durch die – auf das Grundstück beschränkte – Wiedereinsetzung des erstberufenen Erben in seine vor der erzwungenen Ausschlagung bestehenden Rechte beseitigt, entfällt zwangsläufig eine Schädigung der Nachberufenen; insofern verhält es sich nicht anders als bei einer erfolgreichen zivilrechtlichen Anfechtung einer Erbausschlagung (vgl. § 1957 Abs. 1 BGB und § 405 Abs. 3 Satz 2 ZGB). Gerade eine erbrechtliche Betrachtung rechtfertigt also die in § 1 Abs. 2 VermG angelegte Entscheidung, die nachberufenen Erben im Verhältnis zum Erstausschlagenden nicht als wiedergutmachungsberechtigte Geschädigte anzusehen. Folgerichtig verhält es sich nur dann anders, wenn der Erstberufene keine vermögensrechtlichen Ansprüche erhebt und es damit in der Sache bei seiner Erbausschlagung beläßt; in diesem Fall ist der nächstberufene Ausschlagende wiedergutmachungsberechtigt (vgl. BVerwGE 95, 106).
Der erstausschlagende Erbe ist aber auch dann in der in § 1 Abs. 2 VermG vorausgesetzten Weise geschädigt, wenn das überschuldete Grundstück in Volkseigentum übernommen wurde, ohne daß zuvor alle dem Staat vorgehenden Erben die Erbschaft ausgeschlagen hatten, die Übernahme in Volkseigentum mithin nicht der damaligen erbrechtlichen Lage entsprach. Denn auch in diesen Fällen hat der erstausschlagende Erbe das Grundstück aufgrund der vom Gesetzgeber als Unrecht bewerteten ökonomischen Verhältnisse und der hierdurch bedingten Erbausschlagung an das Volkseigentum verloren und ist daher nach der gesetzlichen Wertung vor einem nachberufenen Erben, der – wie hier – sich vor Inkrafttreten des Vermögensgesetzes auf seine Stellung als Erbe nicht berufen hat, vorrangig in dem Sinne schutzbedürftig, daß die Rechtswirkungen seiner Erbausschlagung durch einen grundstücksbezogen wirkenden Restitutionsanspruch beseitigt werden. Dieser Anspruch überlagert gewissermaßen den Anfall der Erbschaft beim nachrangig berufenen Erben.
Die gegen diese Bewertung der sog. unvollständigen Kettenerbausschlagung vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
Entgegen der Ansicht der Revision scheidet die Anwendung des § 1 Abs. 2 VermG in diesen Fällen nicht deshalb aus, weil bei einer unvollständig gebliebenen Ausschlagungskette Volkseigentum nicht wirksam begründet werden konnte. Eben dies war die typische Situation, die der Gesetzgeber des Vermögensgesetzes vorgefunden hatte und die er bei den angestrebten Wiedergutmachungsregelungen berücksichtigen mußte. Denn insbesondere in den noch unter der Geltung des BGB, also vor dem 1. Januar 1976, eingetretenen Erbfällen konnte allenfalls theoretisch Volkseigentum wirksam entstehen, weil nahezu immer Erben entfernter Ordnungen vorhanden sind. Wenn der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtstatsache, daß in allen diesen Fällen nur eine Erbvermutung für den Fiskus gemäß § 1964 BGB bestand, den Restitutionstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG geschaffen hat, so macht dies deutlich, daß das in dieser Vorschrift aufgestellte Tatbestandsmerkmal der „Übernahme” in Volkseigentum auch und gerade die auf der Grundlage der gesetzlichen Erbvermutung erfolgte tatsächliche Inbesitznahme für das Volkseigentum meint. Ein anderes Verständnis würde die Vorschrift für die nach dem Erbrecht des BGB zu beurteilenden Fälle praktisch jeden Anwendungsbereichs berauben. Nicht grundlegend anders verhält es sich auch bei Erbausschlagungen unter der Geltung des ZGB. Zwar waren – wie dargelegt – gemäß § 369 Abs. 1 ZGB nur Erben bis zur dritten Ordnung erbberechtigt, so daß bei einer bis zu dieser Ordnung reichenden vollständigen Ausschlagungskette der Staat gesetzlicher Erbe wurde. War dagegen – wie dies in der Praxis nicht selten geschah – ein Erbrecht mangels Anmeldung nicht berücksichtigt und darauf zugunsten des Volkseigentums ein Erbschein erteilt worden, bestand im Ergebnis gleichfalls nur eine Erbvermutung zugunsten des Staates (vgl. § 413 Abs. 2 Satz 1 ZGB). Denn bei nachträglicher Annahme der Erbschaft durch einen zunächst nicht berücksichtigten Erben war der unrichtige, zugunsten des Volkseigentums erteilte Erbschein vom Staatlichen Notariat für unwirksam zu erklären (vgl. § 413 Abs. 3 ZGB und § 31 i.V.m. § 29 Abs. 2 des Notariatsgesetzes der DDR vom 5. Februar 1976, GBl I S. 93).
§ 1 Abs. 2 VermG ist somit eine spezialgesetzliche Ausprägung des das gesamte Vermögensrecht beherrschenden Rechtsgedankens, daß ein wiedergutzumachendes Unrecht nicht erst dann anzunehmen ist, wenn der staatliche Zugriff auf das Vermögen nach der maßgebenden Rechtslage in jeder Beziehung einwandfrei erfolgt ist. Im Gegenteil ist es für zahlreiche vom Gesetzgeber als wiedergutmachungsbedürftig bewertete Sachverhalte staatlichen Vermögensunrechts typisch, daß Vermögenswerte nicht rechtswirksam entzogen wurden. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof – Großer Senat für Zivilsachen – für das alliierte Rückerstattungsrecht den Standpunkt vertreten, daß Wiedergutmachungsansprüche ungeachtet einer etwaigen Nichtigkeit der vermögensentziehenden Maßnahme bereits bei einem tatsächlichen, während des Bestehens der nationalsozialistischen Herrschaft unangreifbaren Vermögensverlust entstanden sind (BGHZ 16, 350; vgl. auch BGHZ 10, 340). Allein diese Betrachtungsweise trägt der Situation in Staatswesen Rechnung, die – wie dies in NS-Deutschland und in der DDR der Fall war – keine rechtsstaatlichen Sicherungen gegenüber bestimmten von Staats wegen gewollten oder geduldeten Vermögensentziehungen kannten. Aus diesem Grund hat der erkennende Senat die zum alliierten Rückerstattungsrecht entwickelte Rechtsprechung zum tatsächlich unangreifbaren Vermögensverlust auch für den Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes übernommen (vgl. zuletzt m.w.N. BVerwG, Urteil vom 20. März 1997 – BVerwG 7 C 23.96 – VIZ 1997, 348 – ZOV 1997, 202, zum Abdruck in BVerwGE bestimmt).
Ein Vorrang des Erbrechts vor dem Tatbestand des § 1 Abs. 2 VermG läßt sich auch nicht mit rechtssystematischen Erwägungen begründen. In diesem Zusammenhang macht die Revision geltend, die isolierte Restitution eines Grundstücks oder Gebäudes führe zu einer mit erbrechtlichen Grundsätzen unvereinbaren Aufspaltung des Nachlasses. Während der übergangene nachberufene Erbe Eigentümer des nicht von § 1 Abs. 2 VermG erfaßten Nachlasses bleibe, erhalte der Erstausschlagende das Grundstück oder Gebäude zurück, ohne in eine Erbenstellung mit den daraus folgenden Rechten und Pflichten, etwa der Haftung für Nachlaßverbindlichkeiten, einzurücken. Diese rechtlichen Folgen sind indes keine Besonderheit der sog. unvollständigen Kettenerbausschlagung, sondern treten – ein begründetes Rückgabebegehren vorausgesetzt – notwendig auch dann ein, wenn sämtliche nacheinander berufenen Erben ausgeschlagen haben, so daß der Nachlaß wirksam in Volkseigentum übergegangen ist. Der Gesetzgeber wollte also lediglich das Objekt, das wegen seiner Überschuldung Grund für die Erbausschlagung war, im Wege der Wiedergutmachung an den Erstausschlagenden zurückfallen lassen, nicht auch etwaige andere noch vorhandene Vermögenswerte. Die damit verbundene nachträgliche Aufspaltung des Nachlasses konnte er um so eher in Kauf nehmen, als das betreffende Grundstück oder Gebäude im Regelfall den wesentlichen Wert des Nachlasses repräsentierte.
Das dargestellte Regelungskonzept des Vermögensgesetzes ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 VermG ist mit der Garantie des Eigentums und des Erbrechts in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur vereinbar, sondern trägt dieser Gewährleistung in besonderer Weise Rechnung. Denn sie setzt mit der Einräumung vermögensrechtlicher Ansprüche zugunsten des erstausschlagenden Erben gerade denjenigen wieder in seine frühere Rechtsstellung ein, der auch nach allgemeinen erbrechtlichen Grundsätzen in erster Linie von der durch die ökonomische Zwangslage bewirkten „kalten Enteignung” betroffen war.
Die Kläger können nach alledem als nichtberücksichtigte Erben den zugunsten der Beigeladenen ergangenen Restitutionsbescheid nur dann mit Aussicht auf Erfolg angreifen, wenn die neben der Übernahme in Volkseigentum erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG nicht vorgelegen haben. Das Verwaltungsgericht hat diese Prüfung anhand der in der Rechtsprechung des erkennenden Senats dazu entwickelten Maßstäbe (vgl. BVerwGE 98, 87) vorgenommen und ist – ohne daß dagegen revisionsgerichtlich etwas zu erinnern wäre – zu einem verneinenden Ergebnis gekommen. Die dieser Prüfung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen sind für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend, da die Revision in der Revisionsbegründung (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO) entsprechende Verfahrensrügen nicht angebracht hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Dr. Paetow, Kley, Herbert, Dr. Brunn
Fundstellen
Haufe-Index 1210952 |
BVerwGE, 172 |
ZIP 1997, 1939 |