Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit des Aufenthalts als Einbürgerungsvoraussetzung. Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis infolge Ungültigkeit des Passes. Erleichterte Einbürgerung von Kindern. Ablauf der Gültigkeit des Passes. Auswirkungen der Passlosigkeit auf Einbürgerungsanspruch. Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ausländischer Eltern als Voraussetzung für erleichterte Einbürgerung ihrer Kinder. Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts wegen Passlosigkeit
Leitsatz (amtlich)
Für eine Einbürgerung eines Kindes nach § 40b i.V.m. § 4 Abs. 3 StAG bleibt eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Elternteils außer Betracht, wenn die Unterbrechung darauf beruht, dass der Elternteil zeitweise nicht im Besitz eines gültigen Passes war (§ 89 Abs. 3 AuslG 1990 analog).
Normenkette
StAG § 4 Abs. 3 Nr. 1, § 40b; AuslG F. 1965 § 9; AuslG F. 1990 § 89 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 5. November 2003 wird aufgehoben.
Ferner werden das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 21. Oktober 2002 sowie der Bescheid des Landratsamts Zollernalbkreis vom 1. Februar 2001 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 13. Juli 2001 aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, die Kläger einzubürgern.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I
Die 1991 und 1993 in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Kläger wollen eingebürgert werden. Ihr Vater ist jugoslawischer Staatsangehöriger; er besitzt seit dem 19. Juli 2001 eine bis zum 19. Juli 2003 befristet gewesene Aufenthaltsbefugnis, über deren Verlängerung bis zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung in der vorliegenden Sache noch nicht entschieden war. Die Mutter der Kläger hat als ehemalige Deutsche aufgrund einer Adoption in ihrer Kindheit die Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika erworben. Nach ihrer Einreise ins Bundesgebiet im Jahre 1976 erhielt sie am 12. Dezember 1978 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Ihr amerikanischer Reisepass war bis zum 13. April 1987 gültig. Am 15. Juni 1987 wurde der Mutter der Kläger ein neuer Reisepass ausgestellt, nachdem sie – wie die Kläger behaupten – den abgelaufenen Reisepass am 19. April 1987 dem amerikanischen Generalkonsulat zur Verlängerung übersandt hatte; in den neuen Pass wurde am 16. Juli 1987 die unbefristete Aufenthaltserlaubnis übertragen.
Die Kläger beantragten am 8. Mai 1998 die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. Am 19. April 2000 beantragten sie durch ihre für sie sorgeberechtigte Mutter ihre Einbürgerung nach § 40b StAG. Der Beklagte lehnte dies durch Bescheid vom 1. Februar 2001 ab, weil die Mutter der Kläger sich nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte; sie habe in der Zeit vom 14. April 1987 bis zum 14. Juni 1987 keinen gültigen Pass besessen, so dass nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG 1965 die ihr erteilte Aufenthaltserlaubnis erloschen und damit ihr rechtmäßiger Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland unterbrochen gewesen sei. Im Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung war über den Antrag der Kläger auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung noch nicht entschieden, weil die Kläger keine gültigen amerikanischen Pässe vorgelegt hatten und der Ausgang ihres Einbürgerungsverfahrens abgewartet werden sollte.
Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 21. Oktober 2002). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 5. November 2003) und dies wie folgt begründet:
Die Kläger erfüllten jedenfalls nicht die durch § 40b Satz 1 StAG in Bezug genommenen Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG; denn weder ihr Vater noch ihre Mutter hätten bei der Geburt der Kläger, wie von § 4 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 StAG gefordert, seit acht Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt. Zwar sei der Aufenthalt der Mutter der Kläger aufgrund der ihr am 12. Dezember 1978 erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zunächst rechtmäßig gewesen; doch sei diese Aufenthaltserlaubnis am 14. April 1987 gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG 1965 erloschen, weil die Mutter der Kläger ab diesem Zeitpunkt keinen gültigen Pass besessen habe. Auf ein Verschulden daran komme es nicht an. In der Übertragung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis in den am 15. Juni 1987 neu ausgestellten Pass könne allenfalls eine Neuerteilung der Aufenthaltserlaubnis gesehen werden, nicht aber eine auf den Zeitraum der zweimonatigen Passlosigkeit rückwirkende Erteilung. Über die Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts könne auch nicht unter Heranziehung von § 89 Abs. 3 oder § 97 AuslG hinweggesehen werden, wonach Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts außer Betracht bleiben können; diese Vorschriften seien angesichts von Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG wie auch ihrer Systematik als Sonderregelungen gegenüber den allgemeinen Regelungen des Staatsangehörigkeitsrechts hier weder entsprechend noch im Sinne eines allgemeinen Rechtsgedankens anwendbar. Sie unterschieden sich nach Voraussetzungen (weniger streng hinsichtlich des Aufenthaltstitels) wie nach Rechtsfolge (Einbürgerungsanspruch bzw. -ermessen hier, Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes dort) von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG beträchtlich.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung von §§ 40b, 4 Abs. 3 StAG und §§ 97, 89 Abs. 3 AuslG rügen.
Der Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Kläger zu Unrecht zurückgewiesen; die Kläger sind auf der Grundlage des § 40b StAG antragsgemäß einzubürgern. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Einbürgerung der Kläger stehe entgegen, dass ihre Mutter sich bei Geburt der Kläger nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe, ist mit dem Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht vereinbar.
1. Nach § 40b StAG (BGBl 1999 I S. 1618) ist ein Ausländer, der am 1. Januar 2000 rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, auf Antrag einzubürgern, wenn bei seiner Geburt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG vorgelegen haben und weiter vorliegen (Satz 1); der Antrag kann bis zum 31. Dezember 2000 gestellt werden (Satz 2). Die Kläger haben ihre Einbürgerung am 19. April 2000, also vor Ablauf der Frist des Satzes 2 beantragt; sie erfüllen auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG.
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG – hier anzuwenden in der im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des § 40b StAG geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I S. 1618) – erwirbt ein Kind ausländischer Eltern durch die Geburt im Inland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Nr. 1) und eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt (Nr. 2). Diese Voraussetzungen sind bei der Mutter der Kläger – die insoweit allein als Bezugsperson in Betracht kommt, da der Vater der Kläger nur eine ab dem 19. Juli 2001 gültige, befristete Aufenthaltsbefugnis besitzt – erfüllt.
a) Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar zu Recht den gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter der Kläger in der Zeit zwischen dem Ablauf der Gültigkeit ihres US-amerikanischen Passes (14. April 1987) “jedenfalls” bis zu dessen Neuerteilung (15. Juni 1987), nach Auffassung des Beklagten sogar bis zur Übertragung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis in den neuen Pass (16. Juli 1987) als nicht rechtmäßig beurteilt. Bis zum 31. Dezember 1990 hatte der Ablauf der Gültigkeit eines Passes kraft Gesetzes u.a. das Erlöschen einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge; denn nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG 1965 erloschen die Aufenthaltserlaubnis und die Aufenthaltsberechtigung, wenn der Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz mehr besaß. Deshalb hatte der Ablauf der Gültigkeit des Passes der Mutter der Kläger am 14. April 1987 dazu geführt, dass ihre unbefristete Aufenthaltserlaubnis vom 12. Dezember 1978 erlosch; in der Folgezeit bis zur Geburt der Kläger wurde der Achtjahreszeitraum des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG nicht mehr erreicht.
b) Mit der Feststellung, dass der Inlandsaufenthalt der Mutter der Kläger bei deren Geburt nicht acht Jahre lang rechtmäßig gewesen, sondern seine Rechtmäßigkeit nach damaliger Rechtslage unterbrochen war, hat es bei der Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG jedoch nicht sein Bewenden. Hier kann dahinstehen, ob über eine geringfügige Dauer der Unterbrechung hinweggesehen werden kann, wie dies der seinerzeit für das Staatsangehörigkeitsrecht zuständige 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 18. November 2004 – BVerwG 1 C 31.03 – (BVerwGE 122, 199) bei einer Unterbrechung von nur wenigen Tagen angenommen hat. Jedenfalls im Rahmen der Verweisung auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG durch § 40b StAG als der hier einschlägigen Rechtsgrundlage eines Einbürgerungsanspruchs und bezogen auf das Fehlen eines gültigen Passes ist – entgegen der Ansicht der Vorinstanz – gesetzlichen Regelungen Rechnung zu tragen, die bestimmen, dass Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts unschädlich sind.
Zu solchen Bestimmungen gehört § 89 Abs. 3 AuslG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl I S. 1354) – AuslG 1990 –. Danach bleiben Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts außer Betracht, wenn sie darauf beruhen, dass der Ausländer nicht rechtzeitig die erstmals erforderliche Erteilung oder die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung beantragt hat oder nicht im Besitz eines gültigen Passes war. Dieser Regelung entspricht jetzt der durch Art. 5 Nr. 8 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) eingefügte § 12b Abs. 3 StAG. Bei dessen Schaffung hat der Gesetzgeber davon abgesehen, durch einen entsprechenden Zusatz klarzustellen, dass die Vorschrift nur für Einbürgerungsverfahren gilt, nicht aber auch im Rahmen eines gesetzlichen Erwerbstatbestandes wie des § 4 Abs. 3 StAG Anwendung findet (s. dazu Hailbronner, in: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage 2005, § 12b StAG Rn. 8). Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem bereits genannten Urteil vom 18. November 2004 (a.a.O., S. 204) offen gelassen, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, dass das Staatsangehörigkeitsgesetz weder in § 4 Abs. 3 StAG noch an anderer Stelle eine ausdrückliche Bestimmung wie die des § 89 Abs. 3 AuslG 1990 enthält (ebenso schon Urteil vom 28. September 1993 – BVerwG 1 C 1.93 – Buchholz 133 AG-StlMindÜbk Nr. 2 zu Art. 2 Satz 1 AG-StlMindÜbk). Diese Frage ist nunmehr dahin zu entscheiden, dass jedenfalls im Rahmen des § 40b StAG die Rechtsfolgen einer auf Passlosigkeit beruhenden Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht anders zu beurteilen sind als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 89 Abs. 3 AuslG 1990 (jetzt § 12b Abs. 3 StAG). Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
Der Einbürgerungsanspruch nach § 40b StAG steht in engem sachlichem Zusammenhang mit dem Staatsangehörigkeitserwerb kraft Geburtsortsprinzips des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG (ebenso Marx, in: GK-StAR, § 40b Rn. 3). Diese Vorschrift zielt darauf ab, den im Bundesgebiet aufwachsenden Kindern ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit frühzeitig zuzuerkennen, um ihre Integration in die deutschen Lebensverhältnisse zu verbessern (BVerwG, Urteil vom 18. November 2004, a.a.O., S. 205 unter Hinweis auf BTDrucks 14/533, S. 14). Mit § 40b StAG wollte der Gesetzgeber offensichtlich den Kindern, die im Zeitpunkt der Einführung des Geburtsortsprinzips bereits geboren waren, eine staatsangehörigkeitsrechtlich vergleichbare Position wie den durch § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG begünstigten Kindern gewähren (ebenso Marx, a.a.O., Rn. 4). Das Geburtsortsprinzip (s. dazu BTDrucks 14/533, S. 11) ist durch die Hinzufügung des Absatzes 3 zu § 4 StAG durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl I S. 1618) mit Wirkung vom 1. Januar 2000 eingeführt worden und also gleichzeitig mit § 40b StAG in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt war die Passlosigkeit als Grund für die Unrechtmäßigkeit eines gewöhnlichen Inlandsaufenthalts (innerhalb der letzten acht Jahre) bereits seit mehr als acht Jahren entfallen; denn § 9 AuslG 1965, der u.a. die Beendigung der Aufenthaltserlaubnis infolge Ungültigkeit eines Passes oder Passersatzes geregelt hatte, war ab dem 1. Januar 1991 durch die Regelung des § 43 AuslG 1990 (BGBl I S. 1354) über den Widerruf der Aufenthaltsgenehmigung abgelöst worden. § 43 Abs. 1 AuslG 1990 regelte die Widerrufsgründe abschließend und führte unter Nr. 1 den Fall auf, dass der Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz mehr besitzt. Ab dem 1. Januar 1991 stellte dieser Umstand keinen Erlöschensgrund für den Aufenthaltstitel mehr dar; vielmehr ließ er als Folge des Fortbestands des Aufenthaltstitels bis zu dessen Widerruf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts unberührt. Deshalb wurde ab dem Außer-Kraft-Treten des § 9 AuslG 1965 zum 31. Dezember 1990 die Rechtmäßigkeit eines Inlandsaufenthalts bei einer unbefristet erteilten Aufenthaltserlaubnis nicht mehr kraft Gesetzes dadurch unterbrochen, dass die Gültigkeit des Passes auslief, sondern war der Fortbestand der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts mittelbar in das Ermessen der Behörde gestellt. Nicht der Pass und dessen Gültigkeit, sondern der jeweilige Aufenthaltstitel sind seitdem der rechtliche Anknüpfungspunkt für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; am Besitz eines (ausländischen) Passes orientiert sich auch nicht, ob und inwieweit – was gesetzgeberisches Motiv der Schaffung des § 4 Abs. 3 Nr. 1 StAG war (vgl. BTDrucks 14/533, S. 14) – der Passinhaber in die deutschen Lebensverhältnisse integriert ist. Passlosigkeit des maßgeblichen Elternteils in den letzten acht Jahren vor ihrer Geburt konnte somit auch einen Einbürgerungsanspruch aufgrund des § 40b StAG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG nur bei solchen ausländischen, aber im Inland geborenen Kindern berühren, die bei In-Kraft-Treten dieser Vorschrift (1. Januar 2000) zwar ihr zehntes Lebensjahr noch nicht vollendet hatten (also am 1. Januar 1991 oder später geboren waren), aber mindestens zwei Jahre alt (also am 31. Dezember 1998 oder früher geboren) waren.
Dem hiernach noch für die Anwendung des § 9 AuslG 1965 im Rahmen des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG in Betracht kommenden Personenkreis des § 40b StAG kommt aber in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Elternteils der in § 89 Abs. 3 AuslG (jetzt § 12b Abs. 3 StAG) enthaltene Rechtsgedanke zugute.
Eine Analogie scheitert hier nicht daran, dass weder in § 4 Abs. 3 StAG noch in § 40b StAG eine § 89 Abs. 3 AuslG 1990 vergleichbare Regelung aufgenommen wurde. Aus ihrem Fehlen kann nicht gefolgert werden, dass eine entsprechende, durch Auslegung des Gesetzes zu schließende Regelungslücke nicht bestehe. Es ist nicht erkennbar, dass sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 40b i.V.m. § 4 Abs. 3 StAG für den Personenkreis des § 40b StAG des Problems bewusst gewesen sein könnte, dass der rechtmäßige Aufenthalt eines Elternteils von acht Jahren im Zeitpunkt der Geburt durch vorübergehende Passlosigkeit unterbrochen gewesen sein könnte. Denn bei der in Bezug genommenen Regelung des § 4 Abs. 3 StAG konnte dies nicht erheblich werden, weil § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG 1965 bereits mehr als acht Jahre außer Kraft getreten war. Mit § 89 Abs. 3 AuslG hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass eine vorübergehende Passlosigkeit – ungeachtet ihrer in der Vergangenheit angeordneten aufenthaltsrechtlichen Folgen – für den Anspruch auf Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung unerheblich sein sollte, ohne dass insoweit ein Nichtberücksichtigungsermessen eingeräumt war. Die an den rechtmäßigen Aufenthalt anknüpfende Integrationsvermutung bei der Anspruchseinbürgerung nach §§ 85 ff. AuslG, dem Einbürgerungsanspruch nach § 40b StAG und den Geburtserwerb nach § 4 Abs. 3 StAG unterscheiden sich nicht. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine in diesem Sinne einschränkende Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung eines “seit acht Jahren rechtmäßig(en) … gewöhnlichen Aufenthalts im Inland” in § 4 Abs. 3 Nr. 1 StAG dem Willen des Gesetzgebers widerspräche. Angesichts des dargestellten Gesetzesziels, als Reaktion auf “einen verfestigten Aufenthalt in der Bundesrepublik … den hier aufwachsenden Kindern ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit frühzeitig (zuzuerkennen) …, um ihre Integration in die deutschen Lebensverhältnisse zu verbessern” (BTDrucks 14/533, S. 14), ist das Gegenteil der Fall.
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass § 89 Abs. 3 AuslG 1990 nicht im Staatsangehörigkeitsgesetz verortet, sondern formal eine Vorschrift des Ausländerrechts ist. Der Sache nach handelt es sich vielmehr (zumindest auch) um eine staatsangehörigkeitsrechtliche Bestimmung; denn sie regelt nach ihrer systematischen Stellung innerhalb des Siebenten Abschnitts (“Erleichterte Einbürgerung”) des Ausländergesetzes 1990 für ihren sachlichen und persönlichen Geltungsbereich den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung. Die staatsangehörigkeitsrechtliche Natur des § 89 Abs. 3 AuslG 1990 erweist sich auch daran, dass die Vorschrift sich nunmehr mit der Maßgabe im Staatsangehörigkeitsgesetz in dessen § 12b Abs. 3 wiederfindet, dass die bei In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes seit über 20 Jahren außer Kraft getretene Unterbrechung eines rechtmäßigen Aufenthalts allein wegen Passlosigkeit nicht mehr erwähnt ist.
Der Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 89 Abs. 3 AuslG im Rahmen des § 40b StAG steht auch nicht entgegen, dass § 4 Abs. 3 StAG, auf dessen Voraussetzungen § 40b StAG Bezug nimmt, einen gesetzlichen Erwerbstatbestand darstellt, während § 89 Abs. 3 AuslG 1990 lediglich Einbürgerungen auf Antrag und aufgrund eines Regelanspruchs (“… ist in der Regel einzubürgern, wenn …”) betrifft. Auch § 40b StAG regelt nur eine Einbürgerung auf Antrag.
Da die Beteiligten nicht darüber streiten, dass die Kläger die sonstigen Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 40b StAG erfüllen, muss der Beklagte sie antragsgemäß einbürgern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Rothkegel, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen
FamRZ 2006, 1526 |
DÖV 2006, 874 |
InfAuslR 2006, 417 |
VR 2006, 394 |
ZAR 2006, 327 |