Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbeinsetzung des Staates. Überschuldung. Schenkung. Grundstückswert. Instandsetzungsmaßnahmen. nicht kostendeckende Mieten
Leitsatz (amtlich)
Die Erbeinsetzung des Staates fällt unter den Begriff der „Schenkung” im Sinne von § 1 Abs. 2 VermG, wenn sie in ihrer Wirkung einer Schenkung von Todes wegen gleichkommt.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
VG Weimar (Urteil vom 04.02.1994; Aktenzeichen 4 K 71/92.We) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 4. Februar 1994 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Tatbestand
I.
Die Kläger erstreben die Rückübertragung des Eigentums an einem bebauten Grundstück nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG). Die im Jahr 1904 geborene Mutter der Kläger war Eigentümerin eines mit einem Mehrfamilienwohnhaus bebauten Grundstücks in der Altstadt von E. Durch notariell beurkundetes Testament vom 26. April 1986 setzte sie den Rat der Stadt E. als ihren alleinigen Erben ein und bestimmte, daß die Kläger im Wege des Vermächtnisses ihren gesamten Hausrat sowie ihr Bar- und Sparguthaben zu gleichen Teilen erhalten sollten. Nachdem die Erblasserin am 1. Dezember 1986 verstorben war, nahm der Rat der Stadt das Erbe an; das Grundstück wurde mit Wirkung vom 1. Dezember 1986 in Eigentum des Volkes überführt und von dem VEB Kommunale Wohnungsverwaltung E. als Rechtsträger verwaltet. Der Einheitswert des Grundstücks betrug laut Einheitswertbescheinigung 12 800 M; das Grundstück war bei Eigentumsübergang mit einer Aufbauhypothek von 1 100 M belastet. Seit 1987 ist keine der Wohnungen mehr vermietet worden; die seit Mitte der achtziger Jahre bestehende Absicht der Stadt E., das Gebäude im Zuge von großflächigen Maßnahmen des komplexen Wohnungsbaus im Planungsjahr 1988 abzureißen, wurde nicht verwirklicht.
Im Jahre 1991 beantragten die Kläger die Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück mit der Begründung, ihre Mutter sei aufgrund nicht kostendeckender Mieten an der Erhaltung und wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert gewesen, zumal bei ihr ein schweres körperliches Gebrechen vorgelegen habe; deshalb habe sie den Rat der Stadt zum alleinigen Erben eingesetzt. Von Seiten des Rats der Stadt und des Stadtbezirks sei ihr mehrfach erklärt worden, daß die Häuserzeile einem Neubaustandort zu weichen habe; deshalb seien den Eigentümern dringend notwendige Werterhaltungsmaßnahmen versagt worden. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen wies den Widerspruch der Kläger mit der Begründung zurück, es liege keine Maßnahme nach § 1 Abs. 2 VermG vor, da weder zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch zum Zeitpunkt des Erbfalls eine Überschuldung bejaht werden könne; auch bestünden keine Anhaltspunkte für unlautere Machenschaften im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG.
Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger vorgetragen: Ein Grundstückseigentümer dürfe im Blick auf die in § 1 Abs. 2 VermG getroffene Regelung bei einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen zugunsten des Staates nicht schlechter gestellt werden als im Falle einer Schenkung, sofern der Grund hierfür in einer eingetretenen oder bevorstehenden Überschuldung bestehe. Aus dem Inhalt des Testaments sei zu schließen, daß die Erblasserin die mit der Überschuldung ihres Grundstücks verbundenen und noch weiter zu erwartenden finanziellen und materiellen Belastungen von den Klägern habe abwenden wollen. Wegen der bereits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestehenden Mietschulden, fehlender Mieteinnahmen mangels Belegung und der Grundstücksbelastung sei die Überschuldung nicht mehr abwendbar gewesen; 1985/86 seien nur zwei der fünf Wohnungen mit Einnahmen von monatlich ca. 60 M vermietet gewesen; wegen des schlechten Wohnungszustands seien durch die Wohnungsverwaltung keine Mieter mehr zugewiesen worden. Die seinerzeit von den staatlichen Stellen geübte Praxis habe u.a. auch darin bestanden, durch ein destruktives Nichttätigwerden und Versagen von notwendigen Baukapazitäten die Privateigentümer von Wohngrundstücken dahin zu bringen, das Interesse an ihrem Eigentum zu verlieren oder dieses wegen drohender Abrißkosten aufzugeben. Infolge der Unmöglichkeit, auftretende Gebäudeschäden sofort zu beheben, habe sich ein die Dachsanierung, Dachklempnerarbeiten, Sanierung der Schornsteine, Erneuerung der Fenster/Haustür, Fußbodenerneuerung, Fassadenerneuerung, Erneuerung der Installationsleitungen, sowie Einbau von Innen-WCs und Verlegung von Wasseranschlüssen in jede Wohnung umfassender Sanierungsbedarf entwickelt; die dadurch eintretenden Überschuldungen seien nach dem damaligen Preisstand mit ca. 80 000 bis 100 000 M einzuschätzen gewesen.
Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur erneuten Bescheidung der Rückübertragungsanträge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Kläger seien Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 VermG, denn das Grundstück sei von einer Maßnahme im Sinne von § 1 Abs. 2 VermG betroffen. Diese Bestimmung erfasse alle Fälle der Eigentumsaufgabe, die auf eine infolge nicht kostendeckender Mieten eingetretene Überschuldung eines Grundstücks zurückzuführen seien. Der untechnisch zu verstehende Begriff der Schenkung erfasse auch die Erbeinsetzung. Auf die Unterscheidung zu den Rechtsgeschäften unter Lebenden komme es nicht an, da eine vom Wortlaut von § 1 Abs. 2 VermG erfaßte Schenkung von Todes wegen denselben Zweck wie eine testamentarische Verfügung erfülle. Dem Eigentumsübergang habe auch eine aufgrund nicht kostendeckender Mieten eingetretene Überschuldung zugrunde gelegen. Grundsätzlich sei für die Beurteilung der Überschuldung eine am Mietertrag orientierte Rentabilitätsbetrachtung notwendig. Vorliegend sei eine genaue rechnerische Ermittlung jedoch nicht möglich, da sich zu berücksichtigende Posten zum Teil nicht mehr beziffern ließen. Dem Einheits- und Verkehrswert stünden die Aufbaugrundschuld und ein Renovierungsaufwand in unbestimmter Höhe entgegen. Entscheidend sei jedoch der Umstand, daß aus dem Grundstück Mieterträge nur in geringer Höhe bzw. gar nicht mehr zu erzielen gewesen seien und das Grundstück deshalb seine Ertragskraft bereits weitgehend eingebüßt gehabt habe. Der Renovierungsaufwand hätte im wesentlichen aus dem Grundstückswert bestritten werden müssen.
Mit ihrer vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen Revision trägt die Beklagte im wesentlichen folgendes vor: § 1 Abs. 2 VermG enthalte eine dem Wortlaut nach abschließende Aufzählung der Formen des Eigentumsverlusts. Erbeinsetzungen seien in der DDR sehr häufig gewesen, diesem Umstand hätte der Gesetzgeber durch Aufnahme in den Gesetzestatbestand bei einer der Änderungen des Vermögensgesetzes Rechnung tragen können; da dies nicht geschehen sei, entspreche eine weite Auslegung des Begriffs der Schenkung nicht dem Willen des Gesetzgebers. Auch eine Analogie komme mangels einer planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht. Ebensowenig führe der Normzweck zu einer anderen Beurteilung; der Hinweis, daß der Begriff der Schenkung „untechnisch” zu verstehen sei, beziehe sich nach der Gesetzesbegründung lediglich auf die Fallkonstellationen formal entgeltlicher Veräußerungsverträge. Auch eine Schenkung von Todes wegen unterfalle nicht dem Regelungsgehalt des § 1 Abs. 2 VermG. Da für die Bestimmung der Überschuldung dem Zeitpunkt der Entäußerung entscheidende Bedeutung zukomme, könnten Verfügungen auf den unbestimmten und im allgemeinen nicht vorhersehbaren Zeitpunkt des Todes zwangsläufig nicht mit dem Zeitpunkt einer eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Überschuldung zusammenfallen. Das Gericht setze sich außerdem über den erklärten Willen der Erblasserin hinweg und berücksichtige allein den unmaßgeblichen Willen der Kläger. Ohne eigene Sachverhaltsermittlung stütze es sich nur auf allgemeine Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit privaten Immobilieneigentums in der ehemaligen DDR. Eine Überschuldung sei bis zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin nicht eingetreten; ob eine Überschuldung bevorgestanden habe, sei unbeachtlich, da die Erblasserin selbst zuvor ohne Rücksicht auf diesen ihr bis zum Todeszeitpunkt nicht bekannten Umstand aus freien Stücken verfügt habe.
Die Kläger verteidigen das Urteil. Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision, über die der erkennende Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG bejaht.
1. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß die Kläger als durch testamentarische Verfügung enterbte gesetzliche Erben Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG sein können. Eine Erbeinsetzung der hier vorliegenden Art, die bei Eintritt des Erbfalls zur Entstehung von Volkseigentum führt, ist entgegen der Ansicht der Revision als eine Schenkung im Sinne von § 1 Abs. 2 VermG anzusehen.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG sind Berechtigte u.a. natürliche Personen, deren Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 VermG betroffen sind, sowie deren Rechtsnachfolger. Die Kläger können wegen der Einsetzung des Staates als testamentarischer Alleinerbe nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsnachfolge Berechtigte sein. Sie sind vielmehr selbst Betroffene. Das folgt zwar nicht aus der Enttäuschung der bloßen Erwartung, als Erbe eingesetzt zu werden (vgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 18. November 1993 – BVerwG 7 B 153.93 –, VIZ 1994, 73). Berechtigter im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG kann im Fall einer Schädigungsmaßnahme gemäß § 1 Abs. 2 VermG aber auch derjenige sein, der ohne diese Maßnahme Rechtsinhaber des betreffenden Vermögenswerts geworden wäre (vgl. zu dem insoweit gleichartigen Fall der Erbausschlagung BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 – BVerwG 7 C 3 und 8.93 –, BVerwGE 95, 106).
Der Begriff der Schenkung im Sinne von § 1 Abs. 2 VermG bezeichnet eine im beiderseitigen Einverständnis erfolgende unentgeltliche Zuwendung des Schenkers an den Beschenkten (vgl. § 516 BGB, § 282 Abs. 1 ZGB). Nach Normzweck und Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 2 VermG ist er weit auszulegen, ohne auf die im einzelnen unterschiedliche Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Schenkung in §§ 516 ff. BGB und §§ 282 f. ZGB beschränkt zu sein. Der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG geht auf Nr. 4 der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (Anlage III zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990, BGBl II, S. 889, 1237) zurück. Danach sollen ehemals von Berechtigten selbst oder in ihrem Auftrag verwaltete Hausgrundstücke, die aufgrund ökonomischen Zwangs in Volkseigentum übernommen wurden, grundsätzlich den ehemaligen Eigentümern oder ihren Erben zurückgegeben werden. Der Schädigungstatbestand will neben förmlichen Enteignungen auch die Fälle der sogenannten „kalten” Enteignungen erfassen, in denen das Festhalten am Eigentum in Anbetracht der bestehenden oder unmittelbar bevorstehenden Überschuldung als wirtschaftlich sinnlos erscheinen mußte. Dementsprechend bezeichnet der Begriff der Schenkung nach dem Willen des Gesetzgebers „untechnisch alle Veräußerungsvorgänge, bei denen der Veräußerer wirtschaftlich gesehen keine Gegenleistung erhalten hat” (Erläuterungen der Bundesregierung zum Vermögensgesetz, BTDrucks 11/7831, S. 3). Richtig ist, daß damit vor allem formal entgeltliche Veräußerungsverträge gemeint waren, bei denen der Erlös mit den auf dem Grundstück lastenden Aufbauhypotheken verrechnet wurde („Veräußerung zum Nulltarif”). Wenn demnach sogar entgeltliche Veräußerungsgeschäfte unter den Schenkungsbegriff fallen können, so gilt dies unter den nachfolgend bezeichneten Voraussetzungen erst recht für den unentgeltlichen Grundstückserwerb aufgrund einer testamentarischen Verfügung.
Im Hinblick auf die zwischen Verkauf und Schenkung eines Vermögenswertes unter Lebenden einerseits und der testamentarischen Erbeinsetzung andererseits bestehenden Unterschiede kann die Erbeinsetzung nicht in jedem Fall als eine Schenkung im Sinne von § 1 Abs. 2 VermG angesehen werden: Während Verkauf und Schenkung unter Lebenden zum Übergang eines einzelnen Vermögenswerts in Volkseigentum zu Lebzeiten des Eigentümers führten, trat der Staat aufgrund der Erbeinsetzung im Todesfall für das gesamte Vermögen des Erblassers die Rechtsnachfolge an (§ 1922 Abs. 1 BGB, § 363 Abs. 1, § 362 Abs. 2 Satz 1 ZGB). § 1 Abs. 2 VermG nimmt aber nur den einzelnen von der Eigentums- und Mietenpolitik der DDR betroffenen Vermögenswert und nicht das gesamte Vermögen einer Person in den Blick (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1993 – BVerwG 7 C 27.92 – BVerwGE 94, 16). Deshalb ist eine Erbeinsetzung nur dann als Schenkung im Sinne dieses Gesetzestatbestands anzusehen, wenn sie in ihrer Wirkung einer Schenkung des Grundstücks oder Gebäudes von Todes wegen gleichkommt. Das ist dann der Fall, wenn das mit einem Mietwohnhaus bebaute Grundstück oder im Falle des Gebäudeeigentums das Gebäude selbst seinem Wert nach den wesentlichen Teil des Nachlasses bildete und die übrigen Vermögenswerte des Erblassers im Wege des Vermächtnisses Dritten zugedacht wurden.
Dieses Verständnis trägt dem Umstand Rechnung, daß einem Grundstückseigentümer nach Inkrafttreten des ZGB die Wahl der unter den Schenkungsbegriff des § 516 Abs. 1 BGB fallenden Schenkung von Todes wegen (§ 2301 BGB) als rechtliche Gestaltungsform verwehrt war und er deshalb auf die Erbeinsetzung ausweichen mußte. Denn gemäß § 282 Abs. 2 und 3 ZGB durfte eine Schenkung nicht von einer Bedingung oder Auflage abhängig gemacht werden und konnten aus einem Schenkungsversprechen keine Ansprüche hergeleitet werden. Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken, die Schenkung von Todes wegen als von dem weit zu verstehenden Schenkungsbegriff des § 1 Abs. 2 VermG erfaßt anzusehen. § 1 Abs. 2 VermG will nicht allein solche Fallgestaltungen regeln, bei denen der Eigentümer bereits zu Lebzeiten dem ökonomischen Zwang durch Aufgabe des Vermögenswertes nachgegeben hat, sondern kann auch solche Sachverhalte erfassen, bei denen zwar der Eigentümer selbst an dem überschuldeten Eigentum – etwa aus einem Affektionsinteresse – festhalten, aber seinen gesetzlichen Erben diese Last ersparen wollte. Diese gesetzliche Wertung ergibt sich insbesondere aus der Einbeziehung der Erbausschlagung in den Tatbestand des § 1 Abs. 2 VermG. Auch das weitere Argument der Revision, eine Verfügung auf den unbestimmten und im allgemeinen nicht vorhersehbaren Zeitpunkt des Todes könne zwangsläufig nicht mit dem Zeitpunkt eingetretener oder unmittelbar bevorstehender Überschuldung zusammenfallen, vermag nicht zu überzeugen. Denn wegen des in § 1 Abs. 2 VermG vorausgesetzten Kausalzusammenhangs zwischen Überschuldung und Schenkung kann dieser Schädigungstatbestand nur erfüllt sein, wenn die Überschuldung bereits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung eingetreten war oder unmittelbar bevorstand.
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist in Fällen wie dem hier zu entscheidenden die testamentarische Erbeinsetzung des Staates als Schenkung im Sinne von § 1 Abs. 2 VermG anzusehen. Die von der Mutter der Kläger verfügte Erbeinsetzung kam einer Schenkung von Todes wegen gleich. Denn nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen bildete das streitbefangene Grundstück den wesentlichen Wert des Nachlasses und war praktisch auch der einzige dem Staat als Erben zugewendete Vermögenswert, weil Hausrat, Bargeld und Sparguthaben den Klägern vermacht worden war.
2. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht auch die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG bejaht.
Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 24. Juni 1993, a.a.O., S. 19 f., sowie in seinen Urteilen vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – (VIZ 1995, 344) und – BVerwG 7 C 48.94 – (VIZ 1995, 348) dargelegt hat, ist der Restitutionstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG gegeben, wenn drei Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Erstens müssen für das bebaute Grundstück oder das Gebäude in dem Zeitraum vor dem Eigentumsverlust nicht kostendeckende Mieten erzielt worden sein. Diese Kostenunterdeckung muß zweitens die – bereits eingetretene oder unmittelbar bevorstehende – Überschuldung des Grundstücks verursacht haben. Drittens muß diese Überschuldung die wesentliche Ursache dafür gewesen sein, daß das Grundstück durch einen der in § 1 Abs. 2 VermG genannten Vorgänge in Volkseigentum übernommen wurde. Das Gesetz begründet somit einen Anspruch auf Rückübertragung, wenn sich die infolge der Eigentums- und Mietenpolitik der DDR latent vorhandene Gefahr der Überschuldung von Mietwohnhäusern zu einer konkreten ökonomischen Zwangslage verdichtet hatte, die ein weiteres Festhalten an dem Eigentum wirtschaftlich sinnlos erscheinen ließ, so daß der Eigentümer als Ausweg aus dieser Zwangslage den Eigentumsverzicht, die Schenkung oder die Erbausschlagung gewählt hat.
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Verwaltungsgericht eine Überschuldung dann als gegeben angesehen, wenn die dem Grundstück zuzuordnenden Verbindlichkeiten den um die eingetragenen Grundpfandrechte verminderten Zeitwert überschritten haben und wenn diese Schulden nicht innerhalb zumutbarer Zeit durch den zu erwartenden Mietertrag gedeckt werden konnten; dabei sind fiktiv auch diejenigen Aufwendungen zu berücksichtigen, die zum hier maßgebenden Zeitpunkt der Erbeinsetzung für Instandsetzungsmaßnahmen zur Sicherung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit der Immobilie unaufschiebbar notwendig gewesen wären, aber von der Eigentümerin aufgrund der ökonomischen Zwangslage unterlassen wurden. Zwar enthält das angefochtene Urteil keine genauen Feststellungen zum Zeitwert des Grundstücks und zur Art und Höhe der unaufschiebbar notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen. Dies war aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls auch nicht erforderlich. Eine vereinfachte Berechnung der Überschuldung ist nämlich dann zulässig, wenn der notwendige Reparaturaufwand schon bei überschlägiger Betrachtung deutlich vom Betrag des Einheitswertes abzüglich bestehender Verbindlichkeiten abweicht (vgl. Urteil vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – a.a.O., S. 348). Lag der Zeitwert wegen des Zustands des Miethauses wesentlich unter dem Einheitswert, können auch entsprechend geringere Verbindlichkeiten eine Überschuldung begründen. Derartige Feststellungen lassen sich dem angefochtenen Urteil entnehmen:
In dem Haus waren zum Zeitpunkt der Erbeinsetzung nur noch zwei Wohnungen bewohnt. Die übrigen Wohnungen standen leer und konnten von der Mutter der Kläger auch nicht mehr vermietet werden, weil die staatlichen Stellen wegen der geplanten städtebaulichen Maßnahmen auf Dauer keine Mieter mehr zuwiesen. Dasselbe wäre bei Auszug der verbliebenen Mieter mit den anderen Wohnungen geschehen. Zutreffend stellt deshalb das Verwaltungsgericht fest, daß „das Grundstück seine Ertragskraft weitgehend eingebüßt” hatte. Damit kann davon ausgegangen werden, daß der Zeitwert eines solchen nur noch eingeschränkt nutzbaren Grundstücks deutlich unter dem Einheitswert von 12 800 M lag. Weiter ist der Zeitwert um die Aufbauhypothek in Höhe von 1 100 M zu vermindern. Dem standen Instandsetzungsaufwendungen gegenüber, die das Verwaltungsgericht nicht im einzelnen beziffert hat, die aber nach seinen Feststellungen zum Zustand des Gebäudes den noch verbliebenen geringen Grundstückswert „völlig aufgezehrt” hätten, auch wenn man einen deutlich geringeren als den von den Klägern geschätzten Aufwand zugrundelegt. Gegen diese vereinfachte Gegenüberstellung ist angesichts des offenkundigen Mißverhältnisses zwischen Grundstückswert und notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen nichts zu erinnern.
Auch die beiden weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG sind erfüllt. Besteht – wie hier – eine dauerhafte Überschuldung des Grundstücks, ist im Regelfall davon auszugehen, daß diese auf nicht kostendeckenden Mieten aus dem Zeitraum vor der Eigentumsaufgabe beruht (vgl. Urteil vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – a.a.O., S. 348). Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß es sich im vorliegenden Fall ausnahmsweise anders verhalten könnte. Weiter spricht bei dauerhafter Überschuldung eine Vermutung dafür, daß diese Überschuldung bestimmendes oder wesentlich mitbestimmendes Motiv für die Eigentumsaufgabe war (Urteil vom 16. März 1995 a.a.O.). Tatsachen, die diese Vermutung im Fall der Erbeinsetzung des Staates durch die Mutter der Kläger entkräften könnten, sind vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt worden und werden auch von der Beklagten nicht vorgebracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Dr. Paetow, Dr. Bardenhewer, Kley, Dr. Brunn
Fundstellen